Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, anhand der Formen des Mobbings aufzuzeigen, inwiefern Kinder mit Fluchterfahrung Mobbing erfahren und wo diese im alltäglichen Leben des Kindes auftauchen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein übergreifender Titel formuliert: „Wenn Kinder mit Fluchterfahrung zum Opfer von Mobbing werden“. Die Arbeit untersucht vorwiegend die Erscheinungsformen und die Gründe von Mobbing einerseits und Flucht andererseits und stellt anhand der Interviews einen praxisnahen Bezug her. Die Herausforderung der Bachelorarbeit besteht darin, tatsächliche Zusammenhänge zwischen Mobbing und den Kindern bzw. Jugendlichen mit Fluchterfahrung herzustellen und anhand der gewonnenen Erkenntnisse mögliche Handlungsempfehlungen für die Präventionsarbeit abzuleiten.
Diese Arbeit ist deshalb von großer Bedeutung, da in den Klassenräumen mehr auf Mobbing geachtet werden soll; nicht immer lässt sich eindeutig feststellen, wann es sich um Mobbing handelt, wann um Gewalt oder Aggression. Zudem geht es in dieser Arbeit nicht um den einen Flüchtling. Hierbei geht es um all jene, die ihre Heimat verlassen mussten, um ein neues Leben in Sicherheit beginnen zu können. Bezüglich der Interviewer lässt sich hinzufügen, dass diese aus Syrien geflohen sind. Jedoch handelt es sich hierbei um einen Zufall, denn der Fokus soll nicht auf die Flüchtlinge aus Syrien gelegt werden. Das jetzige Alter der Interviewpartner sei nicht zu beachten, da diese Mobbing in ihren jungen Jahren erlebten. Ausgehend von dem Titel „Wenn Kinder mit Fluchterfahrung zum Opfer von Mobbing werden“ sollen anhand der folgenden Subfragen weitere Themenbereiche untersucht werden, um die Thematik ganzheitlich beantworten zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I Einleitung
1.1 Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau und Vorgehensweise
II Theoretischer Hintergrund
2 Was ist Mobbing?
2.1 Begriffsdefinition „Mobbing“
2.2 Formen von Mobbing
2.2.1 Psychisches Mobbing
2.2.2 Virtuelles Mobbing
2.2.3 Physisches Mobbing
2.2.4 Erscheinungs- und Interaktionsformen von Mobbing
2.3 Der Zusammenhang zwischen Gewalt und Mobbing
2.3.1 Gewalt in der Schule
2.3.2 Exkurs: Migrationshintergrund und Gewalt
3 Migration und Flucht
3.1 Begriffsdefinition „Flüchtling“
3.2 Formen der Migration
3.2.1 Arbeitsmigration
3.2.2 Fluchtmigration
3.2.3 Irreguläre Migration
3.3 Bildung und Schule
3.3.1 Kinder mit Fluchterfahrung in der Schule
3.3.2 Exkurs: Rassismus & Diskriminierung, Stereotype & Vorurteile
4 Zwischenfazit
III Empirischer Teil
5 Methodik und Vorgehen
5.1 Qualitative Forschung
5.2 Untersuchungsmethode
5.2.1 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
5.2.2 Auswahl der Interviewpartner
5.2.3 Eckdaten der Lebensgeschichten
5.3 Datenauswertung mittels der qualitativen Inhaltsanalyse
6 Auswertung der Interviews
6.1 Kategorie Flüchtling
6.1.1 Beschreibung
6.1.2 Interpretation
6.2 Kategorie Mobbingtäter
6.2.1 Beschreibung
6.2.2 Interpretation
6.3 Kategorie Mobbingbegünstigende Faktoren
6.3.1 Beschreibung
6.3.2 Interpretation
6.4 Kategorie Folgen von Mobbing
6.4.1 Beschreibung
6.4.2 Interpretation
V Schlussfolgerung
7 Conclusion und Auswertung aller Kategorien
8 Fazit und Ausblick
Anhangsverzeichnis
Literatur- & Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Erscheinungsformen und Interaktionsformen von Mobbing
Abbildung 2: Wechselwirkung der Phänomene Aggression, Gewalt und Mobbing
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Stereotypen und Vorurteile
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Überschneidungen Aggressionen, interpersonelle Gewalt und Mobbing
Tabelle 2: Ausländische Arbeitnehmer nach ausgewählten Herkunftsländern
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zur Unterstützung eines besseren Leseflusses wird in der folgenden Hausarbeit, sowohl für die maskuline als auch für die feminine Person, die maskuline Schreibweise verwendet (z.B. die Schüler, statt die Schülerinnen und Schüler). Nur falls ausschließlich die feminine Person gemeint ist, wird diese auch genutzt.
1 Einleitung
„Ich wusste nicht mehr weiter, also ging ich.“ – Sie, August 2020
Sie kommt aus einem anderen Land, lebt seit ungefähr einem Monat in Deutschland und geht seit Neuestem zur Schule. Sie ist eine Außenseiterin in der 10. Klasse und dies, seitdem sie in der Schule als ‚Flüchtling‘ bekannt ist. Aus Gründen der Gemeinschaftsbildung anderer Mädchen hat sie nie Anschluss gefunden. Sie sehe anders aus, sei zu dick und spreche mit einem komischen Akzent. Die Mädchen aus der Klasse holten sich nun auch die Jungs auf ihre Seite und grenzten sie aus. Sie war der Sprache nicht mächtig, schämte sich und schwieg. Der Deutschlehrer bekam dies mit, war jedoch auf der Seite der Schüler: „ Sie habe hier nichts verloren.“ ‚Hier‘ assoziiert der Lehrer mit dem Leben in Deutschland. Einige Jahre später packte Sie ihre Sachen und floh. Wohin? In ihre Heimat zurück. Sie weiß, dass der Krieg noch viele Jahre andauern wird, dass die Bomben sie in der Nacht wecken werden und dass das Leben in ihrem Herkunftsland gefährlich ist. Sie weiß aber auch, dass das Mobbing in ihrer neuen Klasse nicht aufhören wird. Sie wusste nicht mehr weiter, also ging sie.
Das Phänomen Mobbing ist zu einem entscheidenden Thema in nahezu allen Bereichen des Alltags geworden und beeinflusst zunehmend das Leben der Kinder und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen. Der oben angeführte Fall veranschaulicht das Problem des Mobbings und seine gravierenden Folgen. Es ist zwingend notwendig, dass zukünftige Lehrer auf Mobbing, Rassismus und Vorurteilen reagieren. Vor allem in der Schule treffen Kinder und Jugendliche verschiedener Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Religionen aufeinander. Dies kann einen Nährboden für Intoleranz und Feindseligkeit bieten, woraus schließlich Mobbing resultieren kann.
„Bildung ist der Schlüssel für gelingende Integration […]“ (Himmelrath & Blaß 2016, S. 19). In solchen Fällen bietet die Schule eine geeignete Plattform, in der gegen Rassismus und Fremdenhass appelliert werden kann. In Hinblick auf das Thema Wenn Kinder mit Fluchterfahrung zum Opfer von Mobbing werden, müssen wir uns bewusst machen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.
Denn die Unterschiede, die uns Menschen ausmachen, sind zwar auf dem ersten Blick entscheidend für das Zugehörigkeitsgefühl, jedoch sollte auf die gemeinsamen Werte und Normen gezielt werden: Toleranz, Nächstenliebe, Respekt und Verständnis sollten uns Menschen ausmachen.
1.1 Zielsetzung der Arbeit
Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, anhand der Formen des Mobbings aufzuzeigen, inwiefern Kinder mit Fluchterfahrung Mobbing erfahren und wo diese im alltäglichen Leben des Kindes auftauchen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein übergreifender Titel formuliert: „ Wenn Kinder mit Fluchterfahrung zum Opfer von Mobbing werden “. Die Arbeit untersucht vorwiegend die Erscheinungsformen und die Gründe von Mobbing einerseits und Flucht andererseits und stellt anhand der Interviews einen praxisnahen Bezug her. Die Herausforderung der Bachelorarbeit besteht darin, tatsächliche Zusammenhänge zwischen Mobbing und den Kindern bzw. Jugendlichen mit Fluchterfahrung herzustellen und anhand der gewonnenen Erkenntnisse mögliche Handlungsempfehlungen für die Präventionsarbeit abzuleiten.
Diese Arbeit ist deshalb von großer Bedeutung, da in den Klassenräumen mehr auf Mobbing geachtet werden soll; nicht immer lässt sich eindeutig feststellen, wann es sich um Mobbing handelt, wann um Gewalt oder Aggression. Zudem geht es in dieser Arbeit nicht um den einen Flüchtling. Hierbei geht es um all jene, die ihre Heimat verlassen mussten, um ein neues Leben in Sicherheit beginnen zu können. Bezüglich der Interviewer lässt sich hinzufügen, dass diese aus Syrien geflohen sind. Jedoch handelt es sich hierbei um einen Zufall, denn der Fokus soll nicht auf die Flüchtlinge aus Syrien gelegt werden. Das jetzige Alter der Interviewpartner sei nicht zu beachten, da diese Mobbing in ihren jungen Jahren erlebten. Ausgehend von dem Titel „ Wenn Kinder mit Fluchterfahrung zum Opfer von Mobbing werden “ sollen anhand der folgenden Subfragen weitere Themenbereiche untersucht werden, um die Thematik ganzheitlich beantworten zu können.
1.2 Aufbau und Vorgehensweise
Die vorliegende Bachelorarbeit gliedert sich in acht Kapitel. Es werden dabei zunächst die theoretischen Grundlagen beleuchtet, um anschließend eine empirische Untersuchung durchzuführen. Ausgehend von der Hinführung des zu erforschenden Themas erfolgt zunächst ein theoretischer Einstieg. In Kapitel 2 wird der Begriff Mobbing definiert, die Erscheinungs- und Interaktionsformen des Mobbings beleuchtet und das Phänomen Mobbing in Bezug zum Phänomen Gewalt gesetzt. Im Fokus des letzten Teilkapitels 2.3.2. Migrationshintergrund und Gewalt steht die fremdenfeindliche und rassistische Gewalt, die gesondert betrachtet wird. Im darauffolgenden Kapitel 3 wird das Thema Flucht und Migration veranschaulicht. Danach wird auf die Formen der Migration und auf die Bildung der Kinder mit Fluchterfahrung eingegangen. 3.3.2. Stereotypen, Vorurteile und Diskriminierung beschäftigt sich mit der Entwicklung und der Verbreitung dieser drei Phänomene. Dieses Kapitel knüpft an den letzten Punkt des zweiten Themas (2.2.3) an. Die erwähnten Teilkapitel sind für die Weiterführung wie auch für die abschließende Auswertung der Ergebnisse von Relevanz, da die Interviewer über die Flucht und das Mobbing in der Schule berichten werden und dies folgerichtig ein wichtiger Hauptgegenstand sein wird. Im anschließenden Kapitel werden die ersten zwei Themen miteinander verknüpft, da Mobbing und Flucht auf dem ersten Blick nicht viel gemein haben, jedoch bei genauerer Betrachtung deutlich wird, dass diese miteinander zusammenhängen.
Das nächste und fünfte Kapitel behandelt die Methodik und das Vorgehen des Empirischen Teils, in dem die Auswahl der Interviewpartner, die Durchführung und die Datenauswertung begründet werden. Im Fokus des sechsten Kapitels steht die Auswertung der Interviews, anhand derer die Kategorien ausgewählt und näher betrachtet werden. Mittels der eingesetzten Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring die Ergebnisse interpretiert und die abgeleiteten Kategorien überprüft. Gegenstand des siebten Kapitels ist die Auswertung aller Kategorien, wobei diese nochmal zusammengefasst werden.
In der Schlussbetrachtung der Arbeit werden die Ergebnisse im Zusammenhang mit den übergreifenden Themen beleuchtet, mögliche Handlungsempfehlungen für das alltägliche Schulleben abgeleitet und ein anschließendes Fazit mit Ausblick gezogen. Punkt zwei der Schlussbetrachtung werden schließlich persönliche Gedanken der Verfasserin sein, die während der Bachelorarbeit aufkamen.
II Theoretischer Hintergrund
2 Was ist Mobbing?
In dem ersten Kapitel der Bachelorarbeit geht es zunächst einmal allgemein um das Phänomen Mobbing (Kap. 2.1.). Mit der Begriffsdefinition wird ein Überblick verschafft, wobei dieser dann aufbauend auf die verschiedenen Erscheinungsformen von Mobbing eingeht (Kap. 2.2.). Anschließend wird der Zusammenhang zwischen Gewalt und Mobbing an deutschen Schulen in den Fokus genommen (Kap. 2.3.). Hierbei wird zusätzlich überprüft, ob der Migrationshintergrund eines Kindes eine Rolle spielt (Kap. 2.3.2.).
2.1 Begriffsdefinition „Mobbing“
Mobbing ist ein alltägliches Phänomen, das etymologisch betrachtet aus dem Altenglischen stammt und sich von dem Verb „ to mob“ (angreifen, anpöbeln) herleiten lässt. Der englische Wortstamm „ mob “ lässt sich im Deutschen mit Meute, Horde und Pöbel übersetzen (vgl. Wachs & Hess & Scheithauer & Schubarth 2016, S. 19). Ursprünglich wurde das Phänomen Tieren zugeschrieben. Und zwar beschrieb der Zoologe Konrad Lorenz im Jahre 1963 in seinem Werk „ Das sogenannte Böse“ Mobbing als „Gruppenaggression unter Tieren, bei der sich unterlegene Tiere eines Rudels beziehungsweise Schwarms zusammenrotten, um einen überlegenen, bedrohlichen Feind abzuwehren“ (ebd. 2016, S. 19f.). Lorenz assoziiert also mit dem Wort Mobbing eine Art Defensivfunktion, die den Tieren half, „einen gemeinsamen Feind abzuwehren“ (Kaspar 1998, S. 21). Im späteren Sprachgebrauch gewann Mobbing jedoch eine andere Bedeutung. Der Terminus wurde zunächst einmal in der Arbeitswelt gebraucht und stand demnach für Gewalt und Belästigung durch Arbeitgeber und Arbeitskollegen. Der Arbeitspsychologe Heinz Leymann beschrieb den Vorfall wie folgt:
„Unter Mobbing wird eine konfliktbeladene Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der (1) die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet“ (Leymann 1995, S. 18).
Jedoch unterscheidet er klar zwischen Mobbing als konfliktbeladener Kommunikation und einer unethischen Kommunikation, wie Beleidigungen und Abwertungen seitens des Arbeitgebers und der Arbeitskollegen. Die verbalen und nonverbalen Angriffe wertet er nicht als Mobbing, denn diese erfüllen die genannten Kriterien nicht (vgl. Dr. Victoria Caesar & Liz Mölders 2016, S. 12). Wobei hier außer Acht gelassen wird, dass Mobbing oft heimlich und im Stillen verläuft.
Neben Leymann prägte der schwedische Psychologe Dan Olweus die fachbegriffliche Entwicklung. Dieser begann mit seiner Forschung über Mobbing in der Schule; 1996 sprach er sich dafür aus, „Bullying“ („Tyrann“ oder „Rabauke“) anstelle von Mobbing zu verwenden. Denn dieser fand heraus, dass „der Begriff Mobbing zu eng mit Gruppengewalt assoziiert wird und somit die Rolle des Einzelnen […] leicht übersehen werden kann“ (Wachs et al. 2016, S.20). Im deutschen Sprachgebrauch findet sich jedoch Bullying als Synonym für Mobbing wieder, sodass „auch im Deutschen die Gewalttätigkeit eines EINZELNEN mit MOBBEN“ bezeichnet werden kann (ebd. 2016, S. 21; vgl. dazu sowie Olweus 1995, S. 11). Olweus beschreibt das soziale Phänomen zunächst wie folgt:
„wenn eine Person wiederholt und über einen längeren Zeitraum verletzenden Handlungen von einer oder mehreren überlegenden Personen ausgesetzt ist und das Opfer sich nicht aus eigener Kraft gegen die Übergriffe zur Wehr setzen kann“ (Wachs et al. 2016, S. 18).
Resultierend aus seiner Definition lassen sich drei Schlüsselkriterien von Mobbing ableiten: Wiederholungsaspekt, Verletzungsabsicht und Machtungleichgewicht (vgl. ebd., S. 18f.). Bei negativen Handlungen eines Täters oder einer Gruppe spielt das Zeitkriterium eine große und wichtige Rolle, da Mobbing nicht nur einmal stattfindet, sondern über eine gewisse Zeit hinweg (Wochen, Monate oder Jahre) und wiederholt vorkommt. Dementsprechend kann von einer bewussten Verletzungsabsicht ausgegangen werden. Die negative Handlung wird gezielt und strategisch von dem Mobber vorgenommen, um dem Gemobbten zu schädigen. Mobbing ist ein soziales Phänomen, da sich dies häufig in einer sozialen Gruppe, wie der Schulklasse oder der Vereinsgruppe, ereignet. Erfahrungsgemäß kennen sich der Täter und das Mobbingopfer. Dadurch fällt das Schikanieren dem Täter viel leichter, da es innerhalb der sozialen Gruppe geschieht und der Gemobbte keinen Ausweg findet. Das letzte Schlüsselkriterium tritt hier ein, da ein Kräfteungleichgewicht stattfindet. Somit ist Mobbing keine Streiterei oder kein Konflikt unter Freunden oder Mitschülern, sondern ein gängiger Prozess, der es dem Täter erleichtert, durch ein „asymmetrisches Machtverhältnis“ („psychologisch/körperlich/sozial“) (Olweus 1999, S. 23) die gemobbte Person ungehindert zu schwächen (vgl. Wachs et. al 2016, S. 18f.). Diese drei Merkmale müssen vorliegen, um die Vorfälle als Mobbing bezeichnen zu können.
Im Grunde gleichen sich die Definitionen Leymanns und Olweus, da nach diesen Mobbing erst stattfinden kann, wenn die zentralen Merkmale ihrer Definition zutreffen. Jedoch differenziert Olweus zwischen den Einzelnen und der Gesamtgruppe, wohingegen Leymann mehrere gegen einen Einzelnen im Fokus hat. Nach Olweus Begriffsbestimmung kann auch ein Einzelner gegen eine Gruppe vorgehen und diese „drangsalieren“ (vgl. Gollnick 2006, S. 35ff.). Wie oben erwähnt, sind nach Leymann unethische Angriffe kein Mobbing, während Olweus diese klar als Mobbing bzw. Bullying definiert. Er spezifizierte diese, indem er zwischen verbalen, nonverbalen, psychischen und differenzierten Angriffen unterscheidet (vgl. ebd. S. 38f.).
2.2 Formen von Mobbing
Wann Mobbing vorliegt, kann nicht immer anhand äußerlicher Verletzungen ausgemacht werden. Die Grenze zwischen einem Konflikt und Mobbing geht oft einher und wird in der Regel nur ernstgenommen, wenn dies häufig vorkommt und auf eine brutale Weise geschieht (vgl. Olweus 1995, S. 61). Da nicht von einer Erscheinungsform gesprochen werden kann, ist es wesentlich, Mobbing-Angriffe klar zu definieren, um diese frühzeitig zu erkennen. Mobbing kann mit dem Begriff „Gewalt“ assoziiert werden, „da eine Schädigung, eine Schädigungsabsicht oder aber eine Schädigungsdrohung vorliegt“ (Werner 2013, S. 20). Sei es verbales oder nonverbales Mobbing (psychisches Mobbing), virtuelles oder physisches Mobbing, es ist notwendig, die direkte, aber auch die indirekte Form von Mobbing zu erkennen (vgl. Wachs et al. 2016, S. 27ff.). Denn hierbei wird des Öfteren außer Acht gelassen, dass die Täter heimlich und indirekt vorgehen, sodass diese nicht klar identifiziert werden können.
2.2.1 Psychisches Mobbing
Von psychischem Mobbing kann gesprochen werden, wenn das Mobbingopfer systematisch direkt/indirekt verbal oder nonverbal angegriffen wird, via obszöner Beschimpfungen, provokanter Grimassen oder durch das Verbreiten falscher Gerüchte (vgl. Kaspar 2006, S. 24f.). Zwar handelt es sich nicht gleich bei jedem Angriff um psychisches Mobbing, jedoch muss klar differenziert werden, ob es sich um einen Dauerzustand handelt (vgl. ebd., S. 31f.; siehe dazu auch Kap. 1.1.). In den meisten Fällen kriegen dies die Lehrer nicht einmal mit, da indirektes psychisches Mobbing bei Außenstehenden nicht gefährlich aussieht, wobei psychisches Mobbing, am häufigsten vorkommt. Denn „es kommen mehr Schüler durch verbale Gewalt zu Schaden als durch physische Gewalt“ (Jannan 2008, S. 14). Hierzu gehören „das Verlachen, Anschreien und das Ausgeben abschätziger Bezeichnungen oder Kommentare“ (ebd., S. 7), aber auch die Ablehnung der anderen und Ausgrenzen aus der Peergruppe kann eine Form des psychischen Mobbings sein.
2.2.2 Virtuelles Mobbing
Eine weitere Art von verbalem Mobbing ist das Virtuelle Mobbing, auch unter Cybermobbing bekannt. Cybermobbing ist durch den ansteigenden Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel weit verbreitet. Das virtuelle Mobbing bietet den Tätern Anonymität und einen leichteren Zugang, das soziale Leben des `Mobbingopfers´ zu schädigen. Gerüchte können eine breitere Masse an Menschen sekundenschnell erreichen und sich somit auf den Ruf des Gemobbten auswirken (vgl. Werner-Weisenburger 2013, S. 65). Die Vielzahl der Opfer ist erschreckend; denn laut einer repräsentativen Erhebung gaben etwa 17% der Schüler an, bisher Opfer von Angriffen im Internet gewesen zu sein (vgl. Gerlach 2017, S. 14). Denn fast jeder Schüler besitzt ein Smartphone mit Internetzugang. Die Tatsache, dass im virtuellem Mobbing Beschimpfungen, Beleidigungen, Bilder oder Videos eine lange Präsenz haben, „eine unbeherrschbare Dynamik entwickeln und sich unbegrenzt vervielfältigen können“ (Caesar & Mölders 2016, S. 22), macht den kleinen, aber feinen Unterschied zum „analogen“ Mobbing. Denn auf diese Weise können nicht nur Unbeteiligte darauf zugreifen, sondern auch die Wirkung des Mobbings dauert an und kann demnach rund um die Uhr stattfinden (vgl. Gerlach 2017, S. 20f.).
2.2.3 Physisches Mobbing
Neben der psychischen und der virtuellen Erscheinungsform ist das Mobbing durch körperliche Gewalt ebenfalls weit verbreitet. Physisches Mobbing kann mitunter direkt oder indirekt ausgeübt werden und wird durch das bewusste Abzielen, eine Person physisch zu verletzten, definiert (vgl. Wachs et al. 2016, S. 27f.). Dieses kann auf zwei Ebenen stattfinden: Direktes, physisches Mobbing kennzeichnet sich durch das direkte Mitwirken des Täters aus. Hierunter fallen „schlagen, treten, beißen, kratzen etc.“ (ebd. 2016, S. 29). Indirekt bedeutet, dass andere Personen angestiftet werden, dem Mobbingopfer körperlichen Schaden zu zufügen. Laut einer PISA-Studie (2015) in den OECD-Ländern werden 4% der Schüler mehrmals monatlich physischem Mobbing ausgesetzt (OECD 2017, S. 134).
Aber wann liegt denn Mobbing vor? Nicht jede Form von Gewalt ist aggressives Verhalten. (vgl. Wachs et al. 2016, S. 33f.). Wie bereits in Kapitel 2.1. erläutert, kann von Mobbing gesprochen werden, wenn eine Schädigungsabsicht vorliegt und die Vorfälle sich gegenüber dem Opfer häufen und dieses regelmäßig drangsaliert oder verletzt wird. Aus der Hilflosigkeit heraus entsteht anschließend ein Ungleichgewicht der physischen, aber auch psychischen Mächte (vgl. ebd. 2016, S. 32ff.).
2.2.4 Erscheinungs- und Interaktionsformen von Mobbing
Mobbing ist ein weitverbreitetes Phänomen, das vor allem in der Schule gegenwärtig ist und regelmäßig an der Tagesordnung steht. Viele Lehrer übersehen die Tatsache, dass in ihrem Klassenzimmer „gemobbt“ wird oder sind unzureichend informiert (vgl. mobbing-in-der-schule.info; vgl. dazu sowie Kindler 2002, S. 18f.). Weshalb dies der Fall ist, liegt an den angewandten Interaktionsformen des Mobbings.
Durch indirektes Mobben kann der Täter das Mobbingopfer durch Dritte drangsalieren, sodass die gemobbte Person einen psychischen oder einen physischen Schaden davonträgt, Außenstehende jedoch nichts mitkriegen (vgl. Wachs et al. 2016, S. 28). Denn „wer nur direkt physische Schädigung als Gewalt gelten lassen will, wird viele Formen der Gewalt übersehen […]“ (ebd., S. 15).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Erscheinungsformen und Interaktionsformen von Mobbing Eigene Darstellung in Anlehnung an Wachs et al. 2016, S. 28f.
Abb. 1 veranschaulicht die angewandten Interaktionsformen (direkt und indirekt), die in den verschiedenen Erscheinungsformen variieren können, sei es in Bezug auf psychisches, physisches Mobbing oder Cybermobbing (vgl. ebd. 2016, S. 28).
Die Mobbingtäter bleiben unerkannt, da psychisches Mobbing und Cybermobbing indirekt ausgeübt werden kann, indem anonym Gerüchte in die Welt gesetzt werden, via dritte Personen oder Internetforen (vgl. Ballreich 2010, S. 14). Hierbei fällt es dem Täter leichter, andere zu manipulieren, da die direkte Konfrontation mit dem Mobbingopfer gemieden werden kann. Dies kann dazu führen, dass Dritte die Gerüchte weitererzählen oder im schlimmsten Fall ebenfalls anfangen, die Person durch „beleidigende, erniedrigende und entwürdigende Worte“ (Bründel & Hurrelmann 1994, S. 23) zu schikanieren. Die verbale sowie die nonverbale Kommunikation spielt in den meisten Fällen eine große Rolle, da diese allgegenwärtig ist. Das Problem besteht darin, „dass sich die Sprache der Gewalt über den anderen stellt und sich des andern ‚bemächtigen’ will“ (Ballreich 2010, S. 16f.). Anderseits geschieht dies auch beim direkten Mobbing. Verbal zu drohen, belästigen oder sich über andere lustig zu machen, kann sowohl psychisch als auch online durch elektronische Medien stattfinden. Anders als bei psychischem Mobbing wird physisches Mobbing direkt ausgeübt, wenn das Mobbingopfer mit Fäusten und Füßen malträtiert wird, jedoch auch indirekt, indem Dritte miteinbezogen oder Gegenstände bewusst manipuliert werden. Hinter diesen Handlungen steckt immer eine Verletzungsabsicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mobbing sich „nicht nur anhand seiner Erscheinungsformen […], sondern auch anhand seiner Interaktionsformen […] unterscheiden“ lässt (Wachs et al. 2016, S. 30). Somit wird deutlich, dass Mobbing, sei es direkt oder indirekt, immer eine Form von Gewalt ist, da es eine gewisse Absicht beinhaltet und verbal oder nonverbal verletzen kann (vgl. Kindler 2002, S. 19). Trotzdem lässt sich indirektes Mobbing verdeckter ausüben und somit schwerer beobachten.
2.3 Der Zusammenhang zwischen Gewalt und Mobbing
Wie bereits in Kapitel 2.1. angeführt, lässt sich Mobbing anhand von drei Schlüsselkriterien erfassen: Durch die Dauer, die Absicht, Schaden zuzufügen und durch das Ungleichgewicht der Mächte (vgl. Kindler 2009, S. 10ff.). Kindler beschreibt die Schlüsselkriterien, die nach Olweus (1995) gelten müssen, wenn der Verdacht auf Mobbing besteht. Jedoch wurde bislang das Verhältnis zwischen Gewalt und Mobbing außer Acht gelassen. Denn des Öfteren tauchen Mobbing, Bullying und Aggressionen im Zusammenhang mit Gewalt an Schulen auf (vgl. Ulbricht 2019, S. 19f.). Es stellt sich die Frage, wie Mobbing sich von anderen Gewaltformen unterscheiden lässt. „Ist Mobbing das Gleiche wie Gewalt oder Aggression? Liegen hier vielleicht drei Begriffe vor, die im Grunde genommen dasselbe Phänomen beschreiben?“ (Wachs et al. 2016, S. 31). Dies wird im Folgenden näher erläutert:
Der Begriff Aggression lässt sich anhand von rund 200 Definitionen bestimmen (vgl. Wachs et al. 2016, S. 31). Dessen ungeachtet besteht eine weitgehende Einigkeit darin, dass unter dem Begriff aus der Psychologie ein Verhalten erfasst werden kann, welches beabsichtigt, sich (Autoaggression), eine andere Person oder eine Gruppe von Lebewesen (bspw. Tieren) zu verletzen (vgl. ebd. 2016, S. 31; Bründel & Hurrelmann 1994, S. 23). Hierzu zählt auch das Zerstören eines Gegenstandes, das unter dem Begriff Vandalismus geläufig ist. „Aggression meint demnach das gerichtete Austeilen schädigender Reize“ (Ulbricht 2019, S. 20). Heutzutage wird in der Umgangssprache die körperliche Aggression mit dem Terminus Gewalt gleichgesetzt, wobei Gewalt genau genommen eine Teilmenge von Aggression darstellt, aber auch als häufiges Motiv wahrnehmbar ist. Eine Klärung des Gewaltbegriffes verdeutlicht, dass es unterschiedliche Verständnisse gibt, denen vielfältige Formen zugrunde liegen. Dies liegt darin begründet, dass es ein enges und ein weites Verständnis von Gewalt gibt (vgl. ebd. 2019, S. 20ff.). Der Unterschied ist, dass sich nach der engen Auffassung Gewalt nur auf die körperliche Schädigung bezieht, wohingegen die weite Auffassung die psychische Gewalt miteinschließt (vgl. auch Ulbricht 2019, S. 21f.). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gewalt als
„absichtlichen Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt“ (WHO 2003,. In: Koch-Gromus & Pawils 2015, S. 1).
Die WHO verdeutlicht folglich, dass das Verständnis des Gewaltbegriffs weiter gefasst wird, da nicht nur die physischen Angriffe gegen die eigene Person („ intrapersonelle “) oder gegen andere in der Definition beschrieben werden, vielmehr auch zielgerichtete verbale Handlungen, wie zum Beispiel Drohungen oder Einschüchterungen (Wachs et al. 2016, S. 33). Darüber hinaus verweist die Definition auf viele Parallelen zum Termini Mobbing hin, denn das Ungleichgewicht der Mächte zwischen den Tätern und den Opfern ist ein charakteristisches Merkmal für das Phänomen Mobbing sowie für die interpersonelle Gewalt. Denn hierbei wird eine Person, die „körperlich/psychisch/sozial“ (ebd. 2016, S. 33) unterlegen ist, von einer überlegeneren Person oder einer Gruppe malträtiert (vgl. Ulbricht 2019, S. 23.). Kennzeichnend ist nicht nur das asymmetrische Machtgefälle – welches eine Gemeinsamkeit bildet –, sondern auch die schädigende Absicht, die das Handeln provoziert. Wie oben angeführt ist Aggression ein häufiges Motiv für die Gewaltausübung. Folgerichtig „wird das Handeln von einer Schädigungsabsicht geleitet“ (Wachs et al. 2016, S. 32). Womit deutlich wird, weshalb Gewalt, Aggression und Mobbing des Öfteren als Synonyme verwendet werden. Denn es lässt sich festhalten, dass die verschiedenen Phänomene Berührungspunkte in Bezug auf die wesentlichen Merkmale, die Olweus (1995) (siehe auch Kap. 2.1.) definiert hat, aufweisen. Allerdings auch Unterschiede, die im Folgenden anhand einer Tabelle dargestellt werden (siehe Tab. 1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Überschneidungen Aggressionen, interpersonelle Gewalt und Mobbing Quelle: Darstellung nach Wachs et al. (2016, S. 34)
Aus der Tabelle 1 kann entnommen werden, dass es wichtig ist, die Termini gesondert zu betrachten. Denn trotz der Berührungspunkte impliziert Mobbing neben der Absicht, Schaden zuzufügen, auch „noch einen Wiederholungsaspekt“ und ein Ungleichgewicht der Mächte zwischen den Tätern und dem Opfer (Wachs et al. 2016, S. 32).
Jedoch wird klar, dass Mobbing immer „ein Ausdruck von Gewalt ist“ und ein „aggressives Verhalten“ hervorbringt (ebd. 2016, S. 35). Mobbing, sei es direkt oder indirekt, ist immer eine Form von Gewalt, da es eine gewisse Absicht beinhaltet Schaden zuzufügen und diese verbal oder nonverbal verletzten kann (vgl. Kindler 2002, S. 19). Daher kann von einer Gewaltform gesprochen werden, wenn Mobbing tatsächlich ausgeübt wird. Die folgende Abbildung (Abb. 2) verdeutlicht die Überschneidungen der Termini:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Wechselwirkung der Phänomene Aggression, Gewalt und Mobbing Eig. Darst. in Anlehnung an Olweus (2009) aus Wachs et al. (2016, S. 35)
Es ist von großer Bedeutung, dass Lehrkräfte sich explizit mit diesem Phänomen beschäftigen, um ein Gespür für Mobbing zu entwickeln. So kann festgestellt werden, ob es sich – speziell im Klassenzimmer – um eine einmalige negative Handlung handelt, oder diese wiederholt auftritt. Denn erst, wenn Lehrer Mobbing als Problem erkennen, kann präventiv dagegen vorgegangen werden.
2.3.1 Gewalt in der Schule
Olweus (1995) gilt als Vorreiter seiner Zeit; er beschäftigte sich mit der schulischen Gewaltform und untersuchte in dem Zusammenhang die „Entstehungsbedingungen“ von Mobbing bzw. Bullying (1996) (vgl. Caeser & Mölders 2016, S. 13). Um Mobbing sinnvoll bekämpfen zu können, muss zunächst einmal ergründet werden, welche Faktoren Mobbing in der Schule bzw. im Klassenzimmer begünstigen. Hierbei erklärt Olweus (1995), dass es „immer Auseinandersetzungen und Spannungen verschiedener Art“ geben wird, da Mobbing ein Gruppenphänomen ist (Olweus 1995, S. 47). Das Augenmerk richtet sich folglich auf die Gruppendynamik in der Klasse. Mobbing wird nicht nur von dem Täter ausgeübt, anlässlich der „sozialen Bezugsgruppe“ ist jeder Einzelne beteiligt, sei es aktiv oder inaktiv. Folgerichtig nehmen alle aus der Gruppe eine bestimme Rolle ein, da jedes Gruppenmitglied etwas vom Mobbing mitkriegt. Da gibt es zum einen die Täter, das Opfer, „die Assistenten“, die bei der Verbreitung und Bestärkung der Täter eine große Rolle einnehmen, und die Zuschauer, die sich an den Mobbingangriffen erfreuen oder einfach nur schweigen. Zum anderen aber auch „eingreifende Personen“, die fatalerweise die Minderheit in der Klasse ausmachen und daher nicht viel erreichen können (Gerlach 2017, S. 22f.). Obgleich dies eine große Chance darstellt, da Mobbing ein gruppendynamischer Prozess ist, sollten hierbei die eingreifenden Personen in ihrem Handeln bestärkt und die Sicherheit gewährleistet werden, dass ihr Handeln nicht auf sie zurückfällt und sie nicht befürchten müssen, im nächsten Moment zu den „Gemobbten“ zu gehören. Denn je länger Mobbing toleriert wird, desto länger hält der Mobbingprozess an und desto stärker wird die sogenannte Schulangst. Dies betrifft in dem Fall auch die Etikettierung ‚Streber‘, die in deutschen Schulen weit verbreitet ist: Leistungsstarke Schüler müssen befürchten, von der Klassengruppe oder der Schule gehänselt zu werden, da sie gute Schulleistungen durch intensives Lernen erzielen (vgl. Gaida 2010, S. 31). Dahinter steckt in der Regel die Eifersucht, um die Gunst des Lehrers zu buhlen. Im schlimmsten Fall breiten sich die Mobbingangriffe in der gesamten Schule aus, wenn stillgeschwiegen und nicht dagegen vorgegangen wird (vgl. ebd. 2010, S. 31ff.).
Des Weiteren lässt sich festhalten, dass viele verschiedene Motive und Hintergründe neben „Machtgefühle[n], Langeweile, Spaß und Rache“ existieren. Hierzu zählen „Individuelle Motive“, die diskriminierende Mobbinghandlungen veranlassen (vgl. Wachs et al. 2016, S. 49). Diese können sich auf die Ethnie beziehen, auf die körperlichen oder geistlichen Behinderungen, aber auch auf die sexuelle Identität. Außerdem hat Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den letzten Jahren rasant zugenommen (vgl. Bründel & Hurrelmann S. 211). Sei es wegen der Religion, der Kultur, der Sprache, dem Akzent oder der Bekleidung; grundsätzlich lässt sich immer einen Grund für Mobbing finden (vgl. Wachs et al. 2016, S. 49f.).
2.3.2 Exkurs: Migrationshintergrund und Gewalt
Im Fokus des vorliegenden Teilkapitels steht die o.a. Fremdenfeindlichkeit der Schüler, mittels derer rassistische und diskriminierende Mobbingangriffe provoziert bzw. begründet werden. „Gerade Schüler mit Migrationshintergrund berichten häufig, wegen ihrer Sprache, ihres Aussehens oder ihres Herkunftslands von Mitschülern gemobbt zu werden“ (Wachs et al. 2016, S. 50). Hier wird deutlich, dass neben der physischen und psychischen Gewalt ebenfalls eine „fremdenfeindliche und rassistische Gewalt“ existiert, die gesondert betrachtet werden muss (vgl. Bründel & Hurrelmann 1994, S. 24ff.). Dieses Phänomen wird im Laufe der Bachelorarbeit anhand der Interviews (siehe dazu Kap. 6) beleuchtet.
Zunächst lässt sich festhalten, dass sich rassistische Gewalt gegen Menschen „fremder Herkunft, hier nicht geläufiger Religionen, Menschen mit anderem Aussehen und anderen kulturellen Gewohnheiten“ (eda. 1994, S. 211) – als dem Vertrauten – äußert. Ein häufiges Motiv ist nicht die politische Einstellung, vielmehr der Konkurrenzkampf, der in den Köpfen der Schüler herrscht. Sie beziehen sich auf eine „imaginäre Randordnung“ von Menschen unterschiedlicher Herkunft, die sie anfällig für Aggression, Gewalt und Mobbing macht, da sie sich in ihrem Erfolg bedroht fühlen (eda. 1994, S. 212f.; sowie S. 238). Dies wird befürwortet und toleriert durch die Unsicherheit, ‚das Fremde‘ nicht zu kennen bzw. einschätzen zu können. Durch die Distanz und den mangelnden Kontakt entstehen folgerichtig Vorurteile, Stereotypen und Missverständnisse (siehe dazu auch Kap. 3.3.2.). Bründel und Hurrelmann (1994) mahnen:
„Konflikte in der Schule, die durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit entstehen, können und müssen in der Schule zum pädagogischen Thema gemacht werden“ (ebd. 1994, S. 245).
Denn unbearbeitete Konflikte führen zu Mobbing, aber auch zu rassistischen Handlungen, womit bewiesen ist, dass die Grenzen zwischen Konflikten und Mobbing ineinander verschwimmen können (vgl. Becker 2018a, S. 193ff.).
Wichtig ist zunächst einmal, was Lehrer können und wissen sollten, um die Thematik „Migration und Flucht“ kompetent im Unterricht zu behandeln (vgl. Reese-Schnitker 2018, S. 139f.). Hierbei ist die Sensibilisierung der Schüler gegenüber anderen Kulturen, Sprachen und Religionen bedeutend. Denn Bildung „ist die beste Voraussetzung, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken […]“ (Himmelrath & Blaß 2016, S. 19).
3 Migration und Flucht
Im folgenden Abschnitt wird das Thema Migration und Flucht näher beleuchtet, indem der Flüchtlingsbegriff definiert (Kap. 3.1.) und die Situation der Flüchtlinge in Deutschland näher betrachtet wird (Kap. 3.2). Im Zuge dessen werden die Migrationsgründe erläutert. Anschließend werden Schüler mit Fluchterfahrungen in den Fokus genommen (Kap. 3.3.). Darauf aufbauend wird der Zusammenhang zwischen Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung aufgezeigt (Kap. 3.4.2.).
3.1 Begriffsdefinition „Flüchtling“
Was heißt es, ein Flüchtling zu sein? In den Köpfen der meisten Menschen herrscht ein klares Bild der „Armut und Hilfsbedürftigkeit“ (Zalewski 2019, S. 30). Der Begriff prägt schon seit geraumer Zeit den heutigen Sprachgebrauch – jedoch nicht allzu positiv: Hierbei berichten Menschen mit Fluchterfahrungen, dass sie in Deutschland „nur noch über das Stigma wahrgenommen“ (ebd. 2019, S. 30) werden. Damit ist die Bezeichnung sprachlich und gesellschaftlich zu etwas Negativem geworden (vgl. Vonnahme 2017, S. 18).
Nur was bedeutet es tatsächlich, Flüchtling zu sein (vgl. Leser 2017, S. 9)? Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die bis heute zu dem wichtigsten Dokument für die Sicherheit aller Flüchtlinge zählt, formuliert den rechtlichen Flüchtlingsbegriff gemäß Artikel 1 A Abschnitt 2 (1951), wie folgt:
„[Es] findet der Ausdruck ‚Flüchtling‘ auf jede Person Anwendung, die aus der begründeten Flucht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will“ (Genfer Flüchtlingskonvention von 1951).
Dies verdeutlicht drei wesentliche Aspekte: Zum einen die bedrohte Sicherheit im Heimatland (bspw. Flucht vor Bürgerkrieg), zum anderen die veranlasste Verfolgung einer sozialen Gruppe, der die flüchtende Person angehört (bspw. Anhänger einer nicht staatlichen Partei) und, als dritter Aspekt, bezieht sich die Definition auf die Diskriminierung des Individuums (bspw. Verfolgung wegen sexueller Orientierung) (vgl. Reith & Block 2019, S. 152f.). Dies impliziert eine „Menschenrechtsverletzung“, die von den Flüchtenden als „existenzbedrohlich“ wahrgenommen wird und folglich „zur Flucht veranlass[t]“ (ebd. 2019, S. 152).
Ursprünglich war die Genfer Flüchtlingskonvention darauf befasst, „europäische[n] Flüchtlinge[n] direkt nach dem zweiten Weltkrieg“ (UNHCR.org) Sicherheit zu gewähren. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass sich in Europa 30 Millionen Flüchtlinge befanden, musste eine Lösung für die Flüchtlingsproblematik gefunden werden; somit kam es ein Jahr vorher (1950) zur Gründung der „zwischenstaatlichen Großorganisation“United Nations High Commissioner For Refugees (UNHCR; „Der Hochkommisaar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge“) (Hemmerling 2003, S. 12). Zudem wurde im Parlamentarischen Rat 1948/49 der Beschluss gefasst, „das Recht für Asyl“ ins Grundgesetz (Art. 16) mit aufzunehmen, was es den politischen Flüchtlingen erlaubte, durch eine Antragstellung Schutz im Aufenthaltsland zu suchen (Herbert 2020; vgl. sowie Fischer 2018, S. 33). Im Zuge dessen mussten nach der immensen Fluchtbewegung der Nachkriegsjahre die Bedingungen des Flüchtlingsbegriffs neu verhandelt werden, wobei sich die Bedingungen durch das neue New York Protokoll von 1967 geografisch erweiterten: „Insgesamt 149 Staaten sind bisher der Genfer Flüchtlingskonvention und/oder dem Protokoll von 1967 beigetreten“ (UNHCR.org).
Die Zahl der Flüchtlinge stieg an. Vom Zeitpunkt der Nachkriegsjahre bis zum Jahr 2006 haben schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen in Deutschland Asyl beantragt (vgl. Herbert 2020). Mehrere Millionen Menschen sind seither auf der Flucht. Der im Jahr 2011 begonnene Bürgerkrieg in Syrien resultierte in eine Flüchtlingskrise in mehreren europäischen Ländern und erreichte die Höchstzahl an Asylbewerbern in Deutschland im Jahre 2015 (vgl. Bremerich & Burdorf & Eldimagh 2018, S. 9). „Mehr als 65 Millionen Menschen waren laut dem Bericht der UNHCR 2016 auf der Flucht […]“ (ebd. 2018, S. 10). Diese Menschen fliehen aus Angst vor Armut, Hunger oder auch Naturkatastrophen und Klimawandel, überwiegend jedoch aus Gründen der brutalen Gewalttätigkeit im Land und dem nicht endenden Krieg (vgl. Henkel & Neuß 2018, S. 13).
3.2 Formen der Migration
Migration ist seit geraumer Zeit ein globales Phänomen, dessen Bedeutung aus dem Lateinischen stammt und sich von dem Verb „migrare“ (zu Deutsch: wandern, wegziehen) herleiten lässt. Das lateinische Wort „migratio“ lässt sich im Deutschen mit (Aus)wanderung übersetzen (vgl. Bremerich et al. 2018, S. 9). Allgemein bezeichnet der Terminus die dauerhafte räumliche Versetzung an einen anderen Ort (vgl. Fischer 2018, S. 34). Demzufolge „beschreibt Migration […] einen komplexen […] krisenhaften Prozess“, der in der Regel ‚freiwillig‘ erfolgt, wobei bei einer Flucht immer von einer erzwungenen Migration gesprochen wird (vgl. Vonnahme 2017, S. 29). Die Ursachen, die Migration begünstigen, sind vielfältig. Es kann zwischen den folgenden Migrationsarten unterschieden werden: Zwischen der Arbeitsmigration, der Fluchtmigration und der irregulären Migration (vgl. Franzmann 2018, S. 89).
3.2.1 Arbeitsmigration
In den 1950er und 1960er Jahren begann die Epoche der ‚Gastarbeiter‘. Hierbei wurden auf Grund des Arbeitskräftemangels in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gezielt Arbeiter aus „Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960) und später der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968)“ (Butterwegge 2005, S. 1) nach Deutschland angeworben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Ausländische Arbeitnehmer nach ausgewählten Herkunftsländern 1954 - 1962 Quelle: Johannes-Dieter Steinert, Migration und Politik. Westdeutschland – Europa – Übersee 1945 – 1961 (Osnabrück 1995, S. 281)
Aus dem geschichtlichen Kontext (siehe Tab. 2) kann nachvollzogen werden, wie massiv die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer von Jahr zu Jahr stieg. Insbesondere in den Jahren 1961 und 1962 zeigt sich ein enormer Andrang. Die Zahlen belegen, dass sich die angeworbenen Arbeiter nicht an das sogenannte „Rotationsprinzip“ hielten (vgl. Bracker 2017, S. 24). Das Abkommen zwischen Deutschland und den Heimatländern (siehe Tab. 2) beinhaltet, dass die alten Arbeitskräfte durch neue ersetzt werden. Denn die Bezeichnung der Gastarbeiter soll den vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland verdeutlichen. Ende 1973 folgte dann der Anwerbestopp: Zu der Zeit befanden sich knapp 14 Millionen ausländische Arbeitskräfte innerhalb Deutschlands, wobei 11 Millionen daraufhin in ihre Heimat zurückkehrten (vgl. ebd. 2005, S.1f). „Das Ziel des Anwerbestopps war es, den Stand der Ausländerbeschäftigung zu reduzieren“ (ebd. 2017, S. 25). Jedoch erhielten die in Deutschland dauerhaft niedergelassenen Migranten eine „Aufenthalts- bzw. Zuzugsgenehmigung“, um die Familien nachholen zu können. Dies war die einzig mögliche Form von Zuwanderung (Butterwegge 2005, S.2). Der Familiennachzug trägt Früchte: Durch die Arbeitsmigration hat sich die deutsche Bevölkerung grundlegend geändert, denn „von den 8,0 Millionen Familien mit Kindern unter 18 Jahren [haben] 2,5 Millionen (31%) einen Migrationshintergrund“ (Fischer 2018, S. 35). Der Migrationshintergrund impliziert mindestens einen ausländischen Elternteil mit einer anderen Staatsangehörigkeit oder einer deutschen Staatsangehörigkeit, die dieser durch die Einbürgerung oder durch die Geburt erhielt (ebd. 2018, S. 35). Heutzutage steht die Arbeitsmigration in einem anderen Licht: Arbeitsmigranten mit einem kurzzeitigen Aufenthalt pendeln zwischen dem Heimatland und dem Aufnahmeland. Dieser Wandel der Migration wird „durchaus als Gewinn für die Entwicklungsländer betrachtet“ (Angenendt 2009), da in den meisten Fällen eine hohe Anzahl an hochqualifizierten Arbeitskräften im Industrieland fehlt. Diese tragen schlussendlich zu einer Weiterentwicklung bei.
3.2.2 Fluchtmigration
Bei der erzwungenen Migration, die sich von der ‚freiwilligen‘ Auswanderung abgrenzt, „handelt es sich folglich um eine durch eine Reihe identifizierbarer Bedingungen und Anlässe erzeugte Zwangslage“ (Wehking 2019, S. 18). Nach Angaben der UNHCR (2016) war die Zahl der geflüchteten Menschen noch nie so hoch: 2015 verließen mehr als 60 Millionen Menschen ihr Zuhause (vgl. ebd. 2018, S. 21). Demgegenüber ist die Zahl der syrischen Kriegsflüchtlinge besonders hoch, da im Jahre 2011 die Lage des Landes im Zuge des begonnenen Bürgerkrieges zunehmend schlechter wurde (vgl. Hirseland 2016, S. 7). Neben Krieg spielen Armut und Umwelt- und Klimakatastrophen ebenfalls eine wesentliche Rolle für die Flucht aus der Heimat (vgl. Rieger 2016, S. 31). Die geflüchteten Menschen suchen entweder im eigenen Land (nationale Migration) Schutz oder über Staatsgrenzen hinweg, bspw. in Europa (internationale Migration) (vgl. ebd. 2016, S. 6).
Kriegsflüchtlinge, Klimaflüchtlinge und armutsbedingte Migranten fliehen alle aus einem Grund: Die Flucht bleibt als einziger Ausweg aus der Misere. Die verschuldete Heimatlosigkeit stellt sich schließlich als zentrales Merkmal heraus, obgleich die Ursachen sehr unterschiedlich sind (Hemmerling 2003, S. 16). Sie fliehen aufgrund von „Krieg und Gewalt, Perspektivlosigkeit und Armut, Diskriminierung und Verfolgung, Rohstoffhandel und Landraub, Umweltzerstörungen und Klimawandel“ (Henkel & Neuß 2018, S. 13). Jedoch ist meist die Unterscheidung zwischen den Termini Migration und Flucht nicht möglich, da die Beweggründe, den Herkunftsort zu verlassen, so komplex und heterogen sind, dass nicht von dem Flüchtling oder dem Migranten die Rede sein kann (Fischer 2018, S. 36). Somit ist die ‚freiwillige‘ Migration meist auch eine ‚erzwungene‘, da politische und wirtschaftliche Motive des Öfteren miteinander verknüpft sind und die Unterscheidung zu vereinfachend wäre (vgl. Bleher & Gingelmaier 2017, S. 8).
3.2.3 Irreguläre Migration
In Bezug auf die in Kapitel 3.1. erwähnte Definition ist anzuführen, dass nach der Genfer Flüchtlingskonvention denjenigen das Grundrecht auf Asyl (Art. 16 A Abschnitt 1 im Grundgesetzt) zusteht, denen politische Verfolgungen im Herkunftsland bevorstehen und die somit bei der Rückkehr in die Heimat den sicheren Tod befürchten müssen (Bremerich et al. 2018, S. 8). Entsprechend muss die Flucht begründet sein. Wichtig ist zunächst, dass nach der Begriffsdefinition und dem internationalen Standard eine ‚freiwillige‘ Migration aufgrund eines besseren Lebens im Zielland nicht anerkannt werden kann. Wobei Flüchtlinge und Migranten häufig ähnliche Bedürfnisse haben: den Wunsch nach Freiheit und Sicherheit (vgl. Ulmen & Gottsacker & Wimpfler 2018, S. 88). „Gerade für Betroffene, die aus Zwang migrieren, etwa wegen anhaltender Klimaveränderungen, ist dies eine schwierige Lage, da sie keine Schutzrechte nach der Genfer Konvention genießen […]“ (ebd. 2018, S. 88). Irreguläre Migranten sind demzufolge Asylsuchende, denen es nicht gewährt ist, sich in dem Zielland niederzulassen, da die Anforderungen nicht erfüllt werden. Diese Migranten halten sich zwar in Deutschland auf, besitzen jedoch keine wichtigen Dokumente, die einen dauerhaften Aufenthalt ermöglichen (Hanewinkel & Oltmer 2017).
Viele dieser flüchtenden Migranten erhoffen sich durch die Flucht in ein anderes Land eine bessere Zukunft für sich und die eigene Familie.
3.3 Bildung und Schule
Das Recht auf Bildung (Art. 28 der UN-Kinderrechtskonvention) existiert in Deutschland seit geraumer Zeit. Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet, jedoch zunächst mit der Vorbehaltserklärung, Kinder und Jugendliche abschieben zu können. Zu jener Zeit galt das Ausländerrecht in Deutschland vor der Kinderrechtskonvention. 2010 wurde diese jedoch von Deutschland zurückgezogen und gilt seither als vollständig und uneingeschränkt (vgl. UN-Kinderrechtskonvention.info; vgl. dazu sowie Maywald 2018, S. 23f.). Dieses Recht steht somit nicht nur denen zu, die eine deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und somit als ‚deutsch‘ gelten – wie irrtümlich vorschnell behauptet wird –, sondern vielmehr auch denjenigen, die in Deutschland Schutz suchen und ein neues Leben beginnen möchten. „Bildung darf nicht zu einem Zufallsprodukt werden, sie ist ein Grundrecht, für jedes Kind, egal wo es lebt und über welchen Aufenthaltsstatus es verfügt“ (Gottschalk 2014, S. 219). Das Grundrecht für Kinder und Jugendliche leitet sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ab und repräsentiert „die Stellung des Kindes als Rechtsträger“ (Maywald 2018, S. 23). Der Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marli Tepe, beharrt vehement auf der Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen durch die schulische Bildung: „Bildung kann nicht warten! Bildung ist der Schlüssel für gelingende Integration […]“ (Himmelrath & Blaß 2016, S. 19).
Indessen stellt sich die Frage, inwieweit es den zugewanderten Kindern und Jugendlichen gelingt, dem deutschen Schulsystem gerecht zu werden? Zu Beginn sind die meisten Schüler, die als ‚Seiteneinsteiger‘ in die Klasse kommen, orientierungslos und benötigen zeitliche Ressourcen, die nicht zur Verfügung stehen (vgl. ebd. 2016, S. 170f.). Die Integration der Kinder ins Schulsystem kann sich in dem Fall als problematisch herausstellen, da die bereits bestehenden Schwierigkeiten in der Grundschule oder Sekundarstufe nicht behoben werden und diese somit im Laufe der Schullaufzeit deutlich zunehmen können (vgl. Himmelrath & Blaß 2016, S. 19). Viele Flüchtlingskinder haben in ihren Herkunftsländern „keine grundlegenden Kenntnisse im Lesen und Schreiben erworben“ (ebd. 2016, S. 44). Demzufolge sollte das Ziel sein, Schülern mit Fluchterfahrung einen gemeinsamen Lernprozess aufzuzeigen, der Kontinuität bietet, gleich welcher Herkunft, um den größtmöglichen Bildungserfolg zu gewährleisten (vgl. Panesar & Reinecke & Ullmann 2016, S. 163).
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- Quote paper
- Marlene Sagur (Author), 2020, Wenn geflüchtete Kinder zum Opfer von Mobbing werden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984866
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