In diesem Forschungsbericht wird die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeitpunkten untersucht und somit ein Aspekt des gesellschaftlichen Wandels beleuchtet. Verschiedene Faktoren, wie etwa die Arbeitswelt, das Familienleben oder die politische Führung des Landes, haben Einfluss auf die Selbstbestimmung. Wie aus zahlreichen Quellen hervorgeht, werden Frauen nach wie vor in vielerlei Hinsicht gegenüber Männern benachteiligt. Die vorliegende Arbeit zeigt, inwiefern sich die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen seit den 1980er Jahren verändert hat und welche Faktoren sie beeinflussen.
Dazu werden eine Veränderungs-, sechs Individual- und drei Kontexthypothesen aufgestellt, die sowohl anhand bivariater Untersuchungen, als auch durch multivariate Analysen überprüft werden. Es stellt sich heraus, dass sich die Einschätzung von Frauen über ihre eigene Selbstbestimmung im Laufe der Jahre erhöht hat. Des Weiteren wird diese positiv von Bildung, Berufstätigkeit und dem Zusammenleben mit einem Partner beeinflusst. Dagegen bewirkt eine höhere Zahl eigener Kinder eine geringer eingeschätzte Selbstbestimmung.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Ziele des Forschungsprojekts
2. Spezifische Fragestellung
3. Erläuterung zentraler Begriffe
4. Relevante Theorien & Herleitung der Hypothesen
5. Beschreibung des Datensatzes und der Untersuchung
5.1. Beschreibung des Datensatzes
5.2. Auswahl der Länder
5.3. Auswahl der Wellen
5.4. Methodisches Vorgehen
6. Operationalisierung & Deskriptive Befunde
6.1. Abhängige Variable
6.2. Unabhängige Variablen
6.2.1. Variablen der Individualebene
6.2.2. Variablen der Kontextebene
6.3. Vergleich im Zeitverlauf
6.4. Test der Veränderungshypothese
7. Überprüfung der Hypothesen anhand bivariater Befunde
7.1. Überprüfung der Individualhypothesen
7.1.1. Hypothesen mit dichotomer unabhängiger Variable
7.1.2. Hypothesen mit metrischer unabhängiger Variablen
7.2. Überprüfung der Kontexthypothesen
7.3. Probleme der bivariaten Analyse
8. Überprüfung der Hypothesen anhand multivariater Befunde
8.1. Mehrebenenanalyse
8.1.1. Random-Intercept-Only-Modell
8.1.2. Random-Intercept-Modell mit Variablen der Individualebene
8.1.3. Random-Intercept-Modell mit Variablen der Individual- und Kontextebene .
8.1.4. Random-Slope-Modell mit Variablen der Individual- und Kontextebene
8.2. Überprüfung der Hypothesen
8.2.1. Überprüfung der Individualhypothesen
8.2.2. Überprüfung der Kontexthypothesen
9. Fazit
9.1. Diskussion der Ergebnisse
9.2. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhänge
Zusammenfassung
In diesem Forschungsbericht wird die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeitpunkten untersucht und somit ein Aspekt des gesellschaftlichen Wandels beleuchtet. Verschiedene Faktoren, wie etwa die Arbeitswelt, das Familienleben oder die politische Führung des Landes, haben Einfluss auf die Selbstbestimmung. Wie aus zahlreichen Quellen hervorgeht, werden Frauen nach wie vor in vielerlei Hinsicht gegenüber Männern benachteiligt. Die vorliegende Arbeit zeigt, inwiefern sich die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen seit den 1980er Jahren verändert hat und welche Faktoren sie beeinflussen. Dazu stellen wir eine Veränderungs-, sechs Individual- und drei Kontexthypothesen auf, die sowohl anhand bivariater Untersuchungen, als auch durch multivariate Analysen überprüft werden. Es stellt sich heraus, dass sich die Einschätzung von Frauen über ihre eigene Selbstbestimmung im Laufe der Jahre erhöht hat. Des Weiteren wird diese positiv von Bildung, Berufstätigkeit und dem Zusammenleben mit einem Partner beeinflusst. Dagegen bewirkt eine höhere Zahl eigener Kinder eine geringer eingeschätzte Selbstbestimmung.
Verzeichnis über Tabellen
Tabelle 1: Deskriptive Auswertung aller Individual- und Kontextvariablen
Tabelle 2: Fallzahlen und Mittelwerte nach Wellen des WVS
Tabelle 3: Mittelwerte der abhängigen Variable nach Wellen
Tabelle 4: t-Test der dichotomen unabhängigen Variablen für die 5. Welle
Tabelle 5: t-Test der dichotomen unabhängigen Variablen für die 6. Welle
Tabelle 6: Pearson’s Korrelationskoeffizienten der Individualvariablen
Tabelle 7: Pearson’s Korrelationskoeefizienten der Kontextvariablen
Tabelle 8: Ergebnisse des Random-Intercept-Only-Modells
Tabelle 9: Veränderung der Log Likelihood-Werte
Tabelle 10: Alle Modelle der Wellen 5 und 6
Tabelle 11: Absolute und relative Häufigkeiten der abhängigen Variable V55
Tabelle 12: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable V250
Tabelle 13: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable „Bildungsjahre“
Tabelle 14: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable V58
Tabelle 15: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable V57
Tabelle 16: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable V229
Tabelle 17: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable V139
Tabelle 18: Absolute Häufigkeiten des Human Development Index (HDI)
Tabelle 19: Absolute Häufigkeiten des Verhältnisses der Arbeitslosigkeit
Tabelle 20: Absolute Häufigkeiten des Anteils an Frauen in den nationalen Parlamenten
Tabelle 21: Werte des Human Development Index (HDI) für die untersuchten Länder
Verzeichnis über Abbildungen
Abbildung 1: Übersicht - Unabhängige und abhängige Variablen
Abbildung 2: Verteilung der Ausprägungen der abhängigen Variable
Abbildung 3: Verteilung der Ausprägungen Variable V229
Abbildung 4: Verteilung der Ausprägungen der Variable „Bildungsjahre“
Abbildung 5: Verteilung der Ausprägungen der Variable V58
Abbildung 6: Verteilung der Ausprägungen der Variable V250
Abbildung 7: Verteilung der Ausprägungen der Variable V57
Abbildung 8: Verteilung der Ausprägungen der Variable V139
Abbildung 9: Verhältnis der Arbeitslosenquote
Abbildung 10: Verteilung der HDI-Werte auf die Kategorien des UNDP
Abbildung 11: Anteil der Frauen in den nationalen Parlamenten
Abbildung 12: Veränderung der Mittelwerte der abhängigen Variable nach Wellen
Abbildung 13: Einfluss von Bildung (nur für 6. Welle)
1. Allgemeine Ziele des Forschungsprojekts
Dieses Projekt beschäftigt sich mit einem Kernthema der Soziologie, dem sozialen Wandel. Der Begriff ist eine „Sammelbezeichnung für 1) langfristige gesellschaftliche Veränderungen (z. B. von der Stände- zur Klassen- und zur pluralistischen Gesellschaft) oder 2) für beobachtbare wirtschaftliche Veränderungen (von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft) bzw. 3) für beobachtbare (schnelllebige) gesellschaftliche Veränderungen (von der Hippie- zur NoFuture- und zur Yuppie-Kultur etc.).“ (Schubert & Klein, 2011). Die Entwicklung der Gesellschaft und all ihrer Bestandteile ist so weitreichend, dass man nahezu jedes Thema unter Betrachtung dieses Aspektes beleuchten kann. Im Folgenden gehen wir auf einige Gesellschaftsbereiche ein, auf die sich der soziale Wandel auswirkt bzw. die einen solchen zur Folge haben.
Wie aktuell der gesellschaftliche Wandel ist, lässt sich unter anderem an dessen Präsenz in den Medien erkennen. Es ist kaum möglich um diese Thematik herumzukommen, wenn man sich regelmäßig mit der Presse und anderen Medien auseinandersetzt.
„,Das Medium ist die Botschaft“, so hatte es der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan Anfang der 60er Jahre formuliert. Stark verkürzt steckt dahinter die These, dass neue Technologien wie der Buchdruck, elektronische und digitale Medien, die Art und Weise unseres Denkens verändern und damit auch einen Einfluss auf das soziale Miteinander haben. Der Buchdruck schaffte Leser, wo vorher nur Erzähler und Zuhörer waren. Elektronische Medien schickten Bilder und Töne breit und über Landesgrenzen hinweg und schafften erstmals zeitgleich vielfältige Zuhörer und Zuschauer. Und die digitalen Medien sind weltumspannende Alleskönner im Sekundentakt.“ (Arp, 2014)
Dieser Beitrag aus dem Deutschlandfunk zeigt nicht nur, dass der soziale Wandel stattfindet und dass er ein Teil der Medienberichterstattung ist. Er stellt zudem einen der vielen Gründe für ebenjenen Wandel dar: die Entwicklung der digitalen Medien. Neben dem technischen Fortschritt können auch die Globalisierung, die Politik und viele andere Faktoren die gesellschaftlichen Veränderungen beeinflussen.
In seiner TV-Kritik über die Sendung von Sandra Maischberger, die am 2. März 2016 ausgestrahlt wurde, benutzt der FAZ-Autor Hütt den Ausdruck „sozialer Wandel“ als mögliche Erklärung für den Erfolg des umstrittenen US-amerikanischen Präsidentschafts-kandidaten Donald Trump:
„Der soziale Wandel der letzten Jahrzehnte wirkte in den Vereinigten Staaten wie ein Brandbeschleuniger für den autoritären Charakter. Er bevorzugt Militäreinsätze statt Diplomatie, verweigert Immigranten die Staatsbürgerschaft, begegnet Leute [sic!] aus dem Nahen und Mittleren Osten mit besonderem Misstrauen, ist für die individuelle Ausweispflicht und findet lückenlose Überwachung der Telekommunikation gut. Er sehnt sich nach einem politischen Führungsstil, der einfach, machtvoll und strafend daherkommt. Der Kandidat Trump wirkt perfekt geschnitzt für diese rasant wachsende Gruppe in der amerikanischen Wählerschaft.“ (Hütt, 2016).
Hier wird die Thematik der Immigration angesprochen, die eine weitere Ursache für sozialen Wandel sein kann. Auch in der Flüchtlingsproblematik, die neben den USA derzeit auch Europa betrifft, spielt das Thema Gesellschaft und ihr Wandel eine große Rolle. Wenn es um Menschenrechtsfragen geht, sind die verschiedenen Regionen der Welt unterschiedlich weit entwickelt. Dies ist einer der Gründe für die aktuell hohen Flüchtlingszahlen. Ein sozialer Wandel in den Herkunftsländern der Geflüchteten könnte aber auch eine Lösung der Problematik darstellen. Gesellschaftliche Veränderungen schaffen hier also nicht nur Fluchtursachen, sondern können auch dabei helfen, die aktuellen Herausforderungen zu meistern.
2. Spezifische Fragestellung
Besonders in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sind Frauen nach wie vor sozialer Benachteiligung ausgesetzt. Beispielsweise sind ihnen in einigen arabischen Ländern Dinge verboten, die Frauen in westlichen Gesellschaften als selbstverständlich ansehen. So wurde kürzlich ein afghanisches Frauen-Radteam für den Friedensnobelpreis nominiert. Die Gruppe kämpft nicht nur gegen das Verbot dieser und anderer Sportarten für Frauen, sondern setzt sich auch allgemein für mehr Rechte für die weibliche Bevölkerung in Afghanistan ein. Die etwa 50 Frauen sind schon seit mehreren Jahren immer wieder ein Thema der weltweiten Presse. (vgl. Hungermann, 2013). Ursprünglich hatten sie geplant, dieses Jahr an den Olympischen Spielen teilzunehmen, was ihnen jedoch nicht gelang. Nun lautet ihr neues Ziel die Teilnahme an Olympia 2020. Auch wenn die Radfahrerinnen durch ihre Aktivitäten ihr Leben aufs Spiel setzen, gehen sie das Risiko ein, um eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen. (vgl. Bödecker, 2016). Somit sind die Frauen nicht als passive Akteure des sozialen Wandels zu betrachten; Sie sind genauso aktiv an der Entwicklung beteiligt wie Männer und spielen eine zunehmend große Rolle.
Der Internationale Frauentag 2016 stand im Zeichen des Schutzes von weiblichen Flüchtlingen. Unter dem Titel „Friedvoller Wandel braucht starke Akteurinnen: geflüchtete Frauen schützen - und politisch stärken!“ rief der Deutsche Frauenrat dazu auf, Frauen aus Krisengebieten die gleichen Chancen einzuräumen wie männlichen Geflüchteten. Thematisiert wurde unter anderem, dass es für Frauen schwierig sei, hinter ihren Männern herzureisen und sie somit häufig gezwungen seien, im Gegensatz zum Rest ihrer Familien in einer unsicheren Umgebung zu bleiben. (vgl. Deutscher Frauenrat, 2016).
Doch nicht nur im Nahen und Mittleren Osten werden Frauen benachteiligt. Auch in westlichen Ländern spielt Diskriminierung von Frauen in einer anderen Form eine Rolle: In Deutschland verdienen sie im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. (vgl. Kramer, 2015). Zudem werden Frauen bei Beförderungen häufiger übergangen, was sich wiederum auf ihre Karrierechancen auswirkt. Aus diesem Grund wird immer wieder die sogenannte „Frauenquote“ diskutiert. Hinter diesem Begriff verbirgt sich das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, das seit Mai 2015 in Kraft ist. Demnach sollen 30 Prozent aller Aufsichtsratsposten in etwa 100 Großunternehmen durch Frauen besetzt werden. Seit Januar 2016 müssen diese Firmen alle freien Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen, bis die vorgegebene Schwelle erreicht ist. (vgl. Amann, Deckstein & Müller, 2016). Die Wirkung einer gesetzlichen Regelung auf die Problematik der Diskriminierung von Frauen ist umstritten.
Das Thema „Sozialer Wandel und Frauen“ lässt sich also in vielerlei Hinsicht beleuchten und ist heutzutage unter anderem deswegen so relevant und aktuell, weil sich immer mehr Menschen und Organisationen damit beschäftigen. Gerade aufgrund der gestiegenen Bedeutung der Thematik beschäftigt sich dieser Bericht mit dem sozialen Wandel rund um Frauen: Er stellt die Frage, welche Faktoren die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen beeinflussen und ob diese ihr Leben heute als selbstbestimmter empfinden als noch vor einigen Jahrzehnten.
3. Erläuterung zentraler Begriffe
Ein zentraler Begriff dieses Forschungsberichts ist „Selbstbestimmung“, welcher im Duden wie folgt definiert wird: „Unabhängigkeit des bzw. der Einzelnen von jeder Art der Fremdbestimmung.“ Möchte man den Begriff nun für die vorliegende Arbeit definieren, so ist darunter zu verstehen, dass ein Individuum sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen selbst gestalten kann und dies nicht durch fremde Einflüsse geschieht.
In Zusammenhang mit der Selbstbestimmung ist auch der Begriff „subjektiv“ zu erklären, der im Duden als „zu einem Subjekt gehörend, von einem Subjekt ausgehend“ definiert wird. Als Subjekt wird dabei ein „mit Bewusstsein ausgestattetes, denkendes, erkennendes, handelndes Wesen“ bezeichnet. Im Gegensatz zu dessen Antonym „Objekt“ denkt und handelt ein Subjekt also selbst. Dies ist in Zusammenhang mit dem vorliegenden Forschungsbericht vor allem bei der Wahrnehmung der Selbstbestimmung wichtig: Relevant ist, wie die Frauen selbst ihre Selbstbestimmung empfinden, und nicht, wie andere dies tun.
4. Relevante Theorien & Herleitung der Hypothesen
Wilk beschäftigt sich in ihrem Werk „Selbstbestimmung und kollektive Zwänge. Geschichten aus Pakistan“ mit der Beziehung zwischen dem nach Selbstbestimmung strebenden Individuum und der Gemeinschaft bzw. Familie in dem südostasiatischen Land. Einerseits empfinden viele Pakistani ihr Familienleben als fürsorglich und positiv. Andererseits kommt es auch zu Spannungen, wenn ein Individuum seine eigene Freiheit über die Verpflichtungen gegenüber seiner Familie stellt. (vgl. Wilk, 2013, S. 2).
Das Thema der Individualisierung griff Beck bereits in den 80er und 90er Jahren mehrfach auf. Er beschäftigte sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland, wobei er sich in erster Linie auf die Arbeitswelt bezog. Einerseits lösen sich seiner Theorie nach die Menschen von ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Klassen, andererseits sei es jedoch nach wie vor so, dass es Unterschiede in den Einkommenshierarchien gibt. (vgl. Beck, 1994, S. 45). Die Menschen haben somit einerseits mehr Chancen als zuvor, jedoch bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass alle den gleichen Wohlstand erreichen können. Diese Entwicklung schreibt Beck einem allgemeinen gesellschaftlichen Individualisierungsschub zu, der sich in der Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit entwickelte. (vgl. Beck, 1994, S. 44). Er spricht davon, dass „im Zuge von Individualisierungsprozessen Erwartungen auf ,ein eigenes Leben‘ (materiell, räumlich, zeitlich und entlang der Gestaltung sozialer Beziehungen gedacht) systematisch geweckt werden, die jedoch gerade im Prozess ihrer Entfaltung auf gesellschaftliche und politische Schranken und Widerstände treffen.“ (Beck, 1994, S. 45). Es geht also seiner Theorie zufolge darum, dass die Entwicklung der individuellen Freiheit der Menschen an eine gesellschaftliche Entwicklung gekoppelt ist. Kommt es dort zu keinem Wandel, sind die Menschen in ihren Möglichkeiten beschränkt.
Wenn die Allgemeinheit also noch an veralteten Strukturen festhält, ist es schwierig, sich seinen eigenen Vorstellungen entsprechend zu entfalten. Als Beispiel kann hier wieder das Frauen-Radteam aus Afghanistan betrachtet werden. In der afghanischen Gesellschaft sind radfahrende Frauen nicht gern gesehen. Egal, wie sehr die Einzelne es sich wünscht - ohne ein Umdenken in der Gesellschaft und der Politik wird es für sie kaum möglich sein, Fahrrad zu fahren, ohne sich der Gefahr von verbalen oder physischen Angriffen auszusetzen.
Somit ist die Individualisierungsthese von Beck auch heute noch relevant: Man kann sie auf unterschiedliche Prozesse des sozialen Wandels beziehen. Beck selbst nennt neben der Arbeitswelt noch andere Ungleichheitsfragen, die sich teilweise nicht nur damals, sondern auch heute noch stellen. Eines dieser Themen ist der Kampf um Frauenrechte. (vgl. Beck, 1994, S. 43). Einem UN-Bericht zufolge sind von der Problematik der mangelnden Selbstbestimmung in erster Linie Frauen betroffen. „Weltweit werden Millionen Frauen daran gehindert, ihre Grundrechte auf Gesundheit, Bildung und Selbstbestimmung wahrzunehmen.“ (Ärzte Zeitung, 2000). Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Forschungsarbeit der bereits in der Einleitung genannten Frage nach der Selbstbestimmung von Frauen - genauer gesagt der Frage, wie hoch sie ihre eigene Selbstbestimmung einschätzen und wovon diese abhängt.
Wenn wir uns erneut der eigentlichen Definition des Wortes „Selbstbestimmung“ zuwenden, bedeutet diese unter anderem, dass Frauen frei von Fremdbestimmung sind. Somit liegt es in ihrer Hand, über ihr eigenes Leben in Bezug auf verschiedene Teilbereiche ihres Alltags zu entscheiden.
Die erste Hypothese unserer Untersuchung ist eine Veränderungshypothese. Sie wird begründet durch die Individualisierungsthese von Beck, der zufolge die Menschen heutzutage mehr Chancen haben, ihr Leben den eigenen Vorstellungen entsprechend zu gestalten. (vgl. Beck, 1994, S. 44).
VH: Im Laufe der Jahre empfinden Frauen ihr Leben als zunehmend selbstbestimmt.
Im Folgenden werden die sechs Individualhypothesen vorgestellt. Zunächst werfen wir einen Blick auf die Berufswelt.
„Wir können feststellen, dass Männer als Vertreter der privilegierten Genus-Gruppe in den Sektoren stärker vertreten sind, die gesellschaftlich hoch bewertet sind: Staatliche Institutionen, politische Foren, Wirtschaft, Kulturbetrieb. Frauen, der Genus-Gruppe mit der minderen Geltung zugeordnet, sind dagegen präsenter in den privaten Lebenswelten, die im Vergleich zu den anderen Bereichen als randständig gelten.“ (Becker-Schmidt, 2003, S. 16).
Betrachten wir diese Aussage von Becker-Schmidt, so erkennen wir, dass es zwischen den Geschlechtern Unterschiede gibt. Diese beziehen sich sowohl auf die Anerkennung als auch auf die Verteilung von Frauen und Männern in verschiedenen Berufsgruppen. Um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sollten Frauen selbst entscheiden können, welche beruflichen Ziele sie verfolgen. Da sie in einigen Berufsfeldern unterrepräsentiert sind, gehen wir davon aus, dass sie in diesen Branchen geringere Chancen haben als Männer. Daher formulieren wir als ein Kriterium für Selbstbestimmung die Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Daraus lässt sich die erste Individualhypothese1 ableiten:
IH1: Wenn Frauen berufstätig sind, empfinden sie ihr Leben als selbstbestimmter.
Berufliche Perspektiven und Erfolg von Frauen sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Zunächst spielt dabei geschlechterübergreifend die Bildung eine Rolle. In den letzten Jahren hat sich in Deutschland gerade bei Mädchen die Qualität der Schulabschlüsse erhöht. Es ist mittlerweile sogar so, dass Mädchen nicht nur im Vergleich zu früher durchschnittlich einen höheren Bildungsabschluss haben, sondern auch bessere schulische Leistungen erbringen als Jungen. (vgl. Statistisches Bundesamt, 2014). Laut einem IAB-Kurzbericht aus dem Jahr 2012 lohnt sich Bildung für Frauen in einigen Ländern außerdem mehr als für Männer. Um dies herauszufinden, wird zunächst eine Bildungsrendite durch das Verhältnis von finanziellem Ertrag von Investitionen in Bildung über den Verlauf des Erwerbslebens errechnet. Diese Bildungsrendite ist in 9 von 12 untersuchten westeuropäischen Ländern für Frauen höher als für Männer. (vgl. Mendolicchio & Rhein, 2012). Man kann daraus also schließen, dass sich eine höhere Bildung für Frauen finanziell mehr lohnt als für Männer, was wiederum zu mehr Selbstbestimmung aufseiten der Frauen führt. Hieraus leitet sich die nächste Hypothese ab:
IH 2: Je höher der Bildungsabschluss einer Frau, als desto selbstbestimmter nimmt sie ihr Leben wahr.
Darüber hinaus beeinflussen eigene Kinder die berufliche Zukunft von Frauen:
„Dass Frauen, die mit Kindern ,belastet‘ sind, dem so definierten Idealtyp der Berufsarbeit nicht entsprechen, versteht sich von selbst. Denn Hausarbeit und Kinderbetreuung erscheinen in diesem Bezugsrahmen nur als ,Störfaktoren‘, und störend ist deshalb letztendlich auch die Frau, der qua geschlechterspezifischer Arbeitsteilung diese Tätigkeiten primär anhängen.“ (Beck-Gernsheim & Ostner, 1978, S. 265).
Frauen werden dieser Theorie nach also durch Kinder und einen eigenen Haushalt eingeschränkt. Daraus lassen sich für diesen Forschungsbericht drei weitere Hypothesen ableiten. Zunächst gehen wir von folgender Annahme aus:
IH 3: Je mehr Kinder eine Frau hat, als desto weniger selbstbestimmt empfindet sie ihr Leben.
Neben Kindern kann auch ein eigener Haushalt zur Belastung werden, die Frauen dieser Theorie zufolge stärker betrifft als Männer. Diese Beanspruchung kann wiederum negative Einflüsse auf die beruflichen Chancen und Erfolge von Frauen haben, weshalb wir Folgendes annehmen:
IH 4: Wenn eine Frau noch bei ihren Eltern lebt, dann empfindet sie ihr Leben als selbstbestimmter.
Gehen wir weiterhin von der oben angesprochenen Rollenverteilung aus, dass Frauen den Haushalt übernehmen, während Männer sich ausschließlich auf ihren Beruf konzentrieren können, so kann man neben der Tatsache, ob Frauen Kinder oder einen eigenen Haushalt haben, ebenfalls ihren Familienstand berücksichtigen. Wenn eine Frau mit einem männlichen Partner zusammenlebt oder verheiratet ist, übernimmt sie dieser Annahme zufolge neben den eigenen Aufgaben im Haushalt auch die des Partners. Gegebenenfalls hat sie außerdem eine größere Wohnfläche, die sauber gehalten werden muss und dadurch mehr Arbeit verursacht. Wir leiten folgende Hypothese ab:
IH 5: Frauen, die nicht in einer Partnerschaft leben (Singles, Geschiedene, Getrenntlebende, Verwitwete), empfinden ihr Leben als selbstbestimmter als Frauen, die verheiratet sind oder mit ihrem Partner in einem Haushalt leben.
All diese Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle bei der Frage nach der Arbeitslosigkeit von Frauen. Beck-Gernsheim und Ostner sprechen auch davon, dass Frauen wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Männer. (vgl. ebd., 1978, S. 259). Die daraus abgeleitete Annahme bezeichnen wir als Kontexthypothese, da sich der Erklärungsfaktor nicht auf ein Individuum, sondern auf einen ganzen Kontext (in diesem Fall ein ganzes Land) bezieht.
KH 1: Je höher die Chance, dass Frauen arbeitslos sind, gegenüber der Chance, dass Männer arbeitslos sind, desto weniger fühlen sich Frauen selbstbestimmt.
Die Selbstbestimmung von Frauen ist in den verschiedenen Ländern der Erde unterschiedlich stark ausgeprägt, was aus dem bereits erwähnten UN-Bericht ersichtlich wird. Schon der Titel enthält einen Hinweis auf die Dritte Welt und betont die mangelnde Selbstbestimmung der Frauen in diesen Staaten. (vgl. Ärzte Zeitung, 2000). Die Länder der Dritten Welt unterscheiden sich von den Industriestaaten in erster Linie durch ihren Entwicklungsstand. Aus diesem Grund stellen wir folgende Kontexthypothese auf:
KH 2: Je höher entwickelt ein Land ist, desto eher empfinden Frauen dieses Landes ihr Leben als selbstbestimmt.
Ein weiterer Themenbereich, der bereits in der Einleitung genannt wurde, ist die Politik. Diejenigen, die die Entscheidungen über Gesetze und Freiheiten in einem Land treffen, haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung und das Geschehen in einer Gesellschaft:
„The women’s movement has made dramatic progress in improving the opportunities for women, but women are still underrepresented in the parliaments of all advanced industrial democracies.“ (Kittilson, 1997).
In den nationalen Parlamenten sind Frauen Kittilson zufolge also nach wie vor unterrepräsentiert, obwohl es in Demokratien darum geht, in den Volksvertretungen die gesamte Bevölkerung zu repräsentieren.
„The severe underrepresentation of one-half of the population not only limits the diversity of parliaments but also contradicts one of the central tenets of representative democracy.“ (Kittilson, 1997).
Auf Grundlage dieser Thematik formulieren wir die folgende Hypothese:
KH 3: Je höher der Anteil der Sitze in einem Parlament, die von Frauen besetzt werden, desto eher fühlen sich die Frauen in dem jeweiligen Land selbstbestimmt.
Die letzte Annahme ist wiederum eine Individualhypothese und befasst sich mit den meisten der vorgestellten Theorien: Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist - wie bereits erwähnt - eine Voraussetzung dafür, dass sich Frauen selbstbestimmt und als Teil der Gesellschaft fühlen. In der Berufswelt, im Familienleben oder bei der Zusammensetzung des Parlamentes wird diese Gleichberechtigung von vielen Teilen der Gesellschaft angestrebt. Als eine Art zusammenfassende Hypothese ist somit folgende Annahme entstanden:
IH 6: Je mehr die Befragten der Aussage zustimmen, dass es Bestandteil einer Demokratie ist, dass Frauen dieselben Rechte haben wie Männer, als desto selbstbestimmter empfinden sie ihr Leben.
Abbildung 1 zeigt zusammenfassend die Faktoren, die möglicherweise die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen beeinflussen und deren Wirkung wir in der vorliegenden Arbeit analysieren werden.
Abbildung 1: Übersicht - Unabhängige (blau) und abhängige (weiß) Variablen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5. Beschreibung des Datensatzes und der Untersuchung
Nachdem wir nun die Veränderungs- sowie Individual- und Kontexthypothesen formuliert haben, möchten wir kurz unser methodisches Vorgehen erläutern.
5.1. Beschreibung des Datensatzes
Für unsere Untersuchung benutzen wir den World Values Survey2. Dabei handelt es sich um ein globales Forschungsprojekt, das die Werte und Einstellungen von Menschen aus vielen verschiedenen Ländern untersucht. Nach eigenen Angaben ist der WVS die weltweit größte nicht kommerzielle, länderübergreifende Langzeituntersuchung von Einstellungen und Werten. (vgl. WVSA, 2016). Diese Eigenschaften machen das Projekt zu einem geeigneten Werkzeug, um unsere Hypothesen zu testen: Es erlaubt es uns, diese für verschiedene Länder über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu überprüfen.
Als einer der Wegbereiter des WVS gilt der Politikwissenschaftler Ronald Inglehardt von der University of Michigan, USA. In Anlehnung an den European Values Survey suchte Inglehardt, solche Untersuchungen auf eine größere Zahl von Ländern auszuweiten. Durchgeführt wird die Erhebung von der World Values Survey Association3 - einer gemeinnützigen Organisation, die ihren Sitz in Stockholm hat, und deren Präsident lange Zeit Inglehardt war. (vgl. WVSA, 2016).
Organisatorisch handelt es sich beim WVS um ein „globales Netzwerk von Sozialwissenschaftlern, die den Wertewandel und dessen Auswirkungen auf das soziale und politische Leben untersuchen.“ (WVSA, 2008, S.2). Für jedes teilnehmende Land ist ein so genannter Principle Investigator, ein Mitglied der WVSA, für die lokale Durchführung verantwortlich. (vgl. WVSA, 2016). Die WVSA koordiniert also das Projekt, während die eigentliche Befragung vor Ort durch die nationalen Teams erfolgt.
Seit 1981, als die erste Befragung für den WVS stattfand, wurden in mittlerweile sechs Wellen Menschen zu ihren Einstellungen und Werten befragt. Während in der ersten Welle nur Personen aus 20 Staaten befragt wurden, wuchs die Zahl der untersuchten Länder in der aktuellsten Welle auf 61 an. Insgesamt befinden sich damit über 100 Länder in der Datenbank, in denen mindestens eine Welle durchgeführt wurde. In dieser Grundgesamtheit leben nach Angaben der WVSA über 90 Prozent der Weltbevölkerung. Teilweise nehmen jedoch nicht alle Ländern an allen Wellen teil, weswegen sich immer wieder Lücken auftun, die den Langzeitvergleich erschweren. (vgl. WVSA, 2016).
Durch den europäischen Ursprung des Projekts waren entwickelte westliche Staaten zunächst überrepräsentiert. Die Ausweitung der Untersuchung auf zahlreiche weitere Länder in Afrika, Südamerika und Asien sorgte diesbezüglich jedoch für einen Ausgleich. Es sind heute sechs Wellen des World Values Survey verfügbar, die jeweils über mehrere Jahre erhoben wurden:
- Welle 1 (1981-1984) - Welle 4 (1999-2004)
- Welle 2 (1990-1994) - Welle 5 (2005-2009)
- Welle 3 (1995-1998) - Welle 6 (2010-2014)
Die Erhebung der Daten erfolgt über einen einheitlichen Fragebogen, der aus etwa 250 geschlossenen Fragen besteht und in die jeweilige Landessprache übersetzt wird. Die Face-to- Face-Interviews werden von darauf spezialisierten Organisationen durchgeführt. Der Fragebogen wurde über die Jahre hinweg kontinuierlich weiterentwickelt: Uninteressante oder nicht mehr relevante Fragen wurden entfernt, um Platz für neue Themen zu schaffen. (vgl. WVSA, 2016).
Aus jedem teilnehmenden Land wird eine mindestens 1.000 Personen große Stichprobe gezogen - idealerweise per Zufallsauswahl. In Ausnahmefällen erlaubt die WVSA auch Quotenstichproben, die allerdings einige Kriterien erfüllen müssen. (vgl. WVSA, 2016).
5.2. Auswahl der Länder
Wir möchten unsere Untersuchung auf etwa 20 Länder beschränken. Dies hat zwei Gründe: Zum einen wäre eine Untersuchung mit allen im Datensatz des World Values Survey vorhandenen Ländern schlichtweg zu unübersichtlich und dadurch wenig praktikabel. Zum anderen wurden nicht alle Variablen in jeder Welle in allen Ländern abgefragt.
Zunächst betrachten wir also unsere abhängige Variable V55.4 Diese wurde nur in 17 Ländern in allen sechs Wellen abgefragt. In allen anderen Ländern fehlt sie mindestens drei Mal, oft kommt sie auch nur in einer einzigen Welle vor. Da es sich bei V55 um unsere zentrale Variable handelt, entscheiden wir uns dafür, alle 17 Länder, für die sie in allen Wellen erhoben wurde, in unsere Untersuchung aufzunehmen. Um eine Mindestanzahl von 20 Ländern zu erreichen, wählen wir nun noch drei Länder aus, in denen unsere abhängige Variable in mindestens drei Wellen abgefragt wurde. Bei der Auswahl der fehlenden Länder entscheiden wir uns aus persönlichem Interesse dafür, auch noch Schweden, Uruguay und Kolumbien in das Feld der zu untersuchenden Länder aufzunehmen.
Bei genauerer Betrachtung der Daten für die einzelnen Länder fällt uns jedoch auf, dass bei V58 (Anzahl eigener Kinder) in der fünften Welle für Kolumbien und die USA keine Daten vorliegen. Darüber hinaus wurde in Welle 5 die Zustimmung zur Aussage, ob gleiche Rechte für Frauen ein Teil der Demokratie sind (V139), ebenfalls in Kolumbien nicht abgefragt. In Argentinien wurde in der sechsten Welle nicht nach der Berufstätigkeit gefragt (V229), während in Russland nicht erhoben wurde, ob die Befragten noch bei ihren Eltern leben (V250). Um - vor allem mit Blick auf die multivariate Analyse - einen lückenlosen Datensatz nutzen zu können, müssen wir diese vier Länder von unserer Untersuchung ausschließen.
Nun befinden sich folgende 16 Staaten in unserer Auswahl: Australien, Chile, China, Deutschland, Indien, Japan, Südkorea, Mexiko, Peru, Polen, Slovenien, Südafrika, Spanien, Schweden, Türkei und Uruguay.
Die Verteilung auf die Kontinente ist zwar nicht ganz ausgeglichen, jedoch ist jeder Kontinent mit mindestens einem Land vertreten:
Nord-/Mittelamerika: 1, Südamerika: 3, Afrika: 1, Europa: 5, Asien: 5, Ozeanien: 1
5.3. Auswahl der Wellen
Auch bei den Wellen entscheiden wir uns dafür, auf einige Erhebungszeiträume zu verzichten. Hier hat diese Entscheidung ebenfalls praktische Gründe: Eine Untersuchung mit allen sechs Wellen wäre sehr unübersichtlich und ein zu hoher Aufwand. Zudem wurden nicht alle unsere unabhängigen Variablen in allen Wellen abgefragt: So liegen etwa für die dritte Welle so gut wie keine Daten über den Anteil von weiblichen Abgeordneten vor. Um Lücken zu vermeiden und möglichst komplette Daten nutzen zu können, beschließen wir, unsere Untersuchung auf die fünfte und die sechste Welle zu beschränken. Nur in diesen Erhebungszeiträumen wurden alle unsere Variablen für alle von uns ausgewählten Länder abgefragt.
5.4. Methodisches Vorgehen
Im Folgenden führen wir die Operationalisierung durch, im Rahmen derer die jeweiligen Variablen der Hypothesen und die deskriptiven Befunde vorgestellt werden. Dabei werden wir auch die Veränderungshypothese überprüfen. Im Anschluss werden dann unsere Individual- und Kontexthypothesen anhand einer bivariaten Analyse getestet. Dadurch wollen wir herausfinden, ob ein Zusammenhang zwischen den jeweiligen unabhängigen Variablen und der abhängigen Variable besteht - unabhängig von einer Betrachtung weiterer möglicher Einflüsse. In diesem Untersuchungsschritt werden mögliche intervenierende Variablen und andere Störfaktoren außer Acht gelassen. Um diese Störeinflüsse dennoch zu berücksichtigen, überprüfen wir unsere Annahmen zusätzlich anhand einer multivariaten Analyse. Abschließend werden wir die Ergebnisse diskutieren und sie in einem Fazit zusammenfassen.
6. Operationalisierung & Deskriptive Befunde
Für unsere Untersuchung gliedern wir zunächst alle Befragten aus dem Datensatz aus, die angegeben haben, männlich zu sein, da wir in dieser Arbeit nur die Werte und Einstellungen von Frauen untersuchen. Zudem entfernen wir bei allen Variablen die Ausprägungen für die fehlenden Werte. Um unsere Hypothesen zu testen, nutzen wir verschiedene Variablen aus dem Datensatz des World Values Survey.
6.1. Abhängige Variable
Unsere abhängige Variable - die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen - messen wir anhand des Itmes V55. Sie ist Bestandteil aller Individual- und Kontexthypothesen sowie der Veränderungshypothese. Die Fragestellung im deutschen Fragebogen lautet:
„Einige Leute meinen, dass sie völlig freie Wahl bei der Gestaltung ihres Lebens haben; andere meinen, dass sie keine Wahl dabei haben, wie ihr Leben verläuft. Wie sehen Sie das für sich selbst, wieviel freie Wahl haben Sie bei der Gestaltung Ihres Lebens?
Antworten Sie an Hand [sic!] dieser Skala. 1 bedeutet, Sie haben überhaupt keine freie Wahl, 10 bedeutet Sie haben völlig freie Wahl in der Gestaltung ihres Lebens.“ (WVSA, 2013, S. 5).
Überhaupt keine freie Wahl Völlig freie Wahl Je eher eine Person - in unserem Fall eine Frau - ihr Leben als selbstbestimmt wahrnimmt, desto höher müsste sie sich auf dieser Skala einstufen. Das arithmetische Mittel der Variable liegt bei 7,519.5 Abbildung 2 zeigt die genaue Verteilung der einzelnen Ausprägungen der Variable V55. Auch hier lässt sich anhand der linksschiefen Verteilung ein Übergewicht der höheren Werte erkennen. Auffällig ist, dass beim Wert „9“ eine recht tiefe Einbuchtung besteht, während die Kategorien „8“ und „10“ fast doppelt so häufig vorkommen.
[...]
1 Im Folgenden bezeichnen wir alle Hypothesen, deren Erklärungsfaktoren individueller Art sind, als Individualhypothesen (IH). Dagegen werden die Annahmen, deren erklärende Faktoren kollektiver Art sind und sich somit auf der Kontextebene befinden, Kontexthypothesen (KH) genannt.
2 Nachfolgend bezeichnet als: WVS.
3 Nachfolgend bezeichnet als: WVSA.
4 Im Folgenden benennen wir alle Variablen mit den im WVS benutzten Abkürzungen. Es kommt jedoch des Öfteren vor, dass die Nummern der Variablen von Welle zu Welle variieren. Deshalb beziehen wir uns stets auf die Variablennamen der sechsten Welle. Mehr dazu in Kapitel 6 (Operationalisierung).
5 Siehe Tabelle 1
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2016, Welche Faktoren beeinflussen die subjektiv wahrgenommene Selbstbestimmung von Frauen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984767
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