Dass Terrororganisationen die Medien nutzen, um sich selbst darzustellen, ist im Grunde nichts Neues. Schon zu Zeiten, in denen Al-Qaida als gefährlichste Terrorgruppe wahrgenommen wurde, setzte die Gruppe um Osama bin Laden auf die Verbreitung ihrer Videobotschaften durch die Berichterstattung im Fernsehen. Nicht anders geht seit einigen Jahren der Islamische Staat (IS) vor, allerdings verfolgt diese Terrororganisation eine sehr viel professionellere Medienstrategie, die ich im vorliegenden Essay untersuchen werde.
Die Propagandastrategie des Islamischen Staates
Dass Terrororganisationen die Medien nutzen, um sich selbst darzustellen, ist im Grunde nichts Neues. Schon zu Zeiten, in denen Al-Qaida als gefährlichste Terrorgruppe wahrgenommen wurde, setzte die Gruppe um Osama bin Laden auf die Verbreitung ihrer Videobotschaften durch die Berichterstattung im Fernsehen. Nicht anders geht seit einigen Jahren der Islamische Staat (IS) vor, allerdings verfolgt diese Terrororganisation eine sehr viel professionellere Medienstrategie, die ich im vorliegeneden Essay untersuchen werde.
Der Islamische Staat verfügt über ein breites Spektrum von Medienangeboten, um seine Propaganda zu betreiben: von Enthauptungsvideos über die Aktivität auf zahlreichen SocialMedia-Plattformen im Internet bis hin zum eigenen Magazin Dabiq, das nicht nur auf Arabisch, sondern auch auf Englisch und sogar auf Deutsch erschienen ist. (vgl. Tageszeitung, 2014). Um sich selbst möglichst gut darzustellen, nutzt sich die Terrororganisation also zahlreiche Wege - man könnte bildlich auch von Säulen sprechen, die die IS-Propaganda tragen.
Eine dieser Säulen ist die Veröffentlichung von Gewaltvideos beziehungsweise Videos, die zu Gewalt und Anschlägen aufrufen. Dabei nutzt der IS vor allem das Internet, um seine Filmmaterial zu verbreiten. Dabei handelt es sich unter anderem um Videobotschaften ranghoher IS-Kämpfer, die beispielsweise Anschläge in Europa ankündigen oder dazu aufrufen. Dies war etwa im August 2015 der Fall, als zwei deutschsprachige Kämpfer in einem Video zu Anschlägen in Deutschland und Österreich aufriefen (vgl. Zeit Online, 2015). Schon hier wird die Professionalität sichtbar, mit der der Islamische Staat seine Propaganda betreibt: Während zu den Hochzeiten von Al-Qaida Osama bin Laden in seinen Videobotschaften ausschließlich in arabischer Sprache dem Westen mit Terroranschlägen drohte, verbreitet der IS seine Videos in zahlreichen Sprachen. Dadurch erweitert die Organisation ihr „Publikum“, da sich im Prinzip heute jeder, der beispielsweise Deutsch spricht, die Botschaften des IS im Internet anschauen kann und sie auch versteht.
Allerdings nutzt der Islamische Staat die Verbreitung von Videomaterial nicht nur zur Ankündigung von Anschlägen, sondern auch gezielt zur Darstellung seiner Gräueltaten. In großem Stil insziniert die Terrororganisation Enthauptungen von Geiseln - wie etwa die des US-Journalisten James Foley. Zudem veröffentlichte sie im Juni 2015 ein Video, „das zeigt, wie Gefangene in ein Auto gesperrt und mit einer Panzerfaust beschossen werden“ (Süddeutsche Zeitung, 2015). Der vermeintliche Höhepunkt ist jedoch ein ebenfalls im Juni 2015 veröffentlichtes Video, auf dem zu sehen ist, wie mehrere Männer in orangefarbenen Ganzkörperanzügen (möglicherweise in Anlehnung an Guantanamo-Häftlinge) in einen Käfig gesperrt und darin langsam in einem Schwimmbecken ertränkt werden. Dabei wird der Überlebenskampf der Männer sogar noch mit Unterwasserkameras gefilmt. Letztlich wird der Käfig nach einiger Zeit wieder aus dem Wasser gezogen, wobei verschwommen die Ertrunkenen zu sehen sind (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2015). Im Vergleich mit früheren Videos, etwa von Al-Qaida, besteht das Videomaterial des IS nicht aus verpixelten Filmchen, sondern aus aufwändig inszinierten, fast hollywoodmäßig produzierten Videos, gespickt mit Nahaufnahmen, Zeitlupen und anderen Besonderheiten, wie zum Beispiel die Unterwasseraufnahmen. Auch hier ist ein sehr professionelles Vorgehen des IS zu erkennen.
Auch wenn sich zahlreiche deutsche Medien, darunter ARD und ZDF sowie Spiegel Online, Zeit Online und die Süddeutsche Zeitung, darauf verständigt haben, die Tötungsvideos des Islamischen Staates nicht zu zeigen, sondern lediglich darüber zu berichten, hat der IS keine Probleme, seine Propagandavideos zu verbreiten (vgl. Tagesschau, 2014). Vor allem das Internet bietet ihm viele Vorteile: geringer Aufwand, schnelle Verbreitung an ein breites Publikum und eine so gut wie nicht vorhandene Zensur (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, 2015). Zudem ist der Islamische Staat smoit nicht auf die „Kooperation“ von Fernsehsendern angewiesen, um seine Gewaltvideos zu verbreiten, wie dies etwa in den frühen Jahren von Al-Qaida der Fall war, sondern er kann sie einfach bei Videoplattformen wie YouTube veröffentlichen. Daraus ergeben sich mehr Unabhängigkeit und Freiheit, was die Publikation von Inhalten angeht.
Die zweite Säule neben der Verbreitung von Gewaltvideos ist die Präsenz des Islamischen Staates auf verschiedenen Social-Media-Kanälen im Internet. Die IS-Terroristen, beziehungsweise die für die Medienarbeit zuständigen Personen, wissen, dass sie ihre Botschaften über das Internet auf schnelle Art und Weise verbreiten können. Zwar reagieren Facebook, Twitter, YouTube & Co. nach gewisser Zeit und löschen die Inhalte und Nutzerkonten des IS. Allerdings reicht der Terrororganisation diese kurze Zeitspanne, damit ihre Botschaften und Videos wiederum von anderen Nutzern weiterverbreitet werden können (vgl. Süddeustche Zeitung, 2014). „In einem Fall [...] konnte ein Twitter-Account mit mehr als 10.000 Followern, bekannt für seine IS-Anhängerschaft, zwei Stunden lang Links verteilen“ (Süddeutsche Zeitung, 2014).
Stefan Rebbe, Chef der Werbeagentur „Kolle-Rebbe“, erkennt in einem Interview mit der dem ,Jetzt“-Magazin der Süddeutschen Zeitung in der IS-Propaganda eine „hochprofessionelle [Strategie], die sich gezielt an junge Menschen richtet“ (Jetzt.de, 2015). Der IS verbreitet im Internet etwa Inhalte, in denen IS-Kämpfer in einem Pick-Up auf überaus lässige Art und Weise durch Aleppo fahren und nach dem Rechten schauen. Laut Rebbe symbolisiert das Macht und soll neue Kämpfer anlocken - etwa perspektivlose Jugendliche aus den Vorstädten europäischer Großstädte. Darüber hinaus nutzt der IS eine einfache, möglichst klare Symbolik: „die schwarzen Kutten, die Fahne, der erhobene Zeigefinger“ (Jetzt.de, 2015). Rebbe erkennt darin Parallelen zu vielen früheren Jugendkulturen, die ebenfalls einfache Symbole zur Identifikation und Abgrenzung nutzten. Zudem spricht er von gezieltem Branding, das der IS betreibt, um sich als eine Art Marke zu etablieren. Dabei helfe nicht nur die schlichte Flagge, sondern auch der Name der Organisation: „Man muss sich mal vor Augen halten, was das für ein Konzept ist, sich selbst einen Namen zu geben, der ein Staatsgebilde unterstellt. Und die ganze Welt übernimmt das. Das ist reine Markenbildung“ (Jetzt.de, 2015). Durch die Präsenz in den sozialen Netzwerken kann sich der Islamische Staat also genauso darstellen, wie er es möchte. Die moderne Art und Weise, mit der er im Internet auftritt, erleichtert ihm auch den Zugang zu neuen Kämpfern.
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2016, Die Propagandastrategie des Islamischen Staates, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984765