Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des Christentums für die Hanse.
Ein Aspekt, der in jeder Mittelalter-Dokumentation eine Rolle spielt, ist die Religion. Denkt man an das Mittelalter, hat man sogleich das Bild von düsteren Kreuzgängen vor Augen, spärlich ausgeleuchtet vom Schein einer brennenden Fackel und untermalt von gregorianischen Chorälen. Der christliche Glaube, dessen Auslebung und insbesondere auch die katholischen Geistlichen, beeinflussten jeden Lebensbereich der Menschen in den mittelalterlichen Hansestädten.
Die christliche Religion mit Ausrichtung auf das römische Papsttum war keineswegs ein rein hansisches Phänomen, aber prägte die Lebenswirklichkeit der Hanse-Kaufmänner entscheidend. Bezeichnend für das Christentum: Die Erwartung auf ein Leben nach dem Tod. Ein Weg, um dem vielversprechenden Paradies ein Stück näher zu kommen, war nach einschlägiger Meinung das Errichten von Kirchen und anderen sakralen Gebäuden. Das äußere Erscheinungsbild der größeren Hansestädte wie Lübeck, Wismar oder Stralsund, wurde geprägt durch imposante Gotteshäuser, die in Zusammenarbeit zwischen der kaufmännischen Oberschicht, vertreten durch den Rat der Stadt, und der gesamten Bürgerschaft entstanden.
Inhalt
In Vorbereitung auf das Jenseits
Artikel 1: Frömmigkeit der mittelalterlichen Kaufmänner
Priester to go
Artikel 2: Kirchliches Leben in den hansischen Niederlassungen des Auslands
Gekrönt von Selbstbewusstsein
Artikel 3: Materielle Zeichen der Frömmigkeit am Beispiel der Marienkirche in Lübeck
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Artikel 1: Frömmigkeit der mittelalterlichen Kaufmänner
In Vorbereitung auf das Jenseits
Von der Wiege bis zur Bahre – Religion beherrschte alle Lebensbereiche der hansischen Kaufleute.
Ein Aspekt, der in jeder Mittelalter-Dokumentation eine Rolle spielt, ist die Religion. Denkt man an das Mittelalter, hat man sogleich das Bild von düsteren Kreuzgängen vor Augen, spärlich ausgeleuchtet vom Schein einer brennenden Fackel und untermalt von gregorianischen Chorälen. Der christliche Glaube, dessen Auslebung und insbesondere auch die katholischen Geistlichen, beeinflussten jeden Lebensbereich der Menschen in den mittelalterlichen Hansestädten.1
Ende des 10. Jhd. bildete der Ostseeraum noch ein Grenzmeer, dessen Küstenregionen weder religiös, noch politisch oder kulturell eine Einheit bildeten. Innerhalb der darauffolgenden 300 Jahren wandelte sich die Ostsee zu einem europäischen Binnenmeer, „dessen Küstenregionen allgemein typische kirchliche, herrschaftliche und ökonomische Grundstrukturen“ aufweisen.2 Metaphorisch ausgedrückt transportierten die Wogen der Ostsee nicht nur die geladenen Schiffe, sondern auch den christlichen Glauben nach Skandinavien. Nach und nach ließen sich die machtinnehabenden Eliten taufen, denen die Bevölkerung folgte, und die Christianisierung breitete sich flächendeckend über Europa aus.3
Die christliche Religion mit Ausrichtung auf das römische Papsttum war keineswegs ein rein hansisches Phänomen, aber prägte die Lebenswirklichkeit der Hanse-Kaufmänner entscheidend.4 Bezeichnend für das Christentum: Die Erwartung auf ein Leben nach dem Tod. „So war das Leben des mittelalterlichen Menschen gleichermaßen auf das Diesseits und Jenseits ausgerichtet“, schreibt der Historiker Johannes Schildhauer. „Das Leben voll auskosten, seine Freuden genießen – wozu auch kirchliche Feste und Feiertage zahlreiche Möglichkeiten boten – und durch gute Taten auf das Jenseits vorbereiten, um vor dem Jüngsten Gericht zu bestehen und Erlösung von den Sünden zu erlangen.“5 Ein Weg, um dem vielversprechenden Paradies ein Stück näher zu kommen, war nach einschlägiger Meinung das Errichten von Kirchen und anderen sakralen Gebäuden. Das äußere Erscheinungsbild der größeren Hansestädte wie Lübeck, Wismar oder Stralsund, wurde geprägt durch imposante Gotteshäuser, die in Zusammenarbeit zwischen der kaufmännischen Oberschicht, vertreten durch den Rat der Stadt, und der gesamten Bürgerschaft entstanden.6 Es ist kein Zufall, dass sich diese Kirchen nicht nur äußerlich sehr ähnlich sind, sondern auch in der Namensgebung. In den Küstenstädten der Hanse gibt es auffallend viele Petri- und Nikolaikirchen, die nach den Patronen der Fischer, Schiffer und Kaufleute benannt sind.7 Da die Kirchen und Gottesdienstbesuche einen Dreh- und Angelpunkt für die Gesellschaft bildeten, konnte man „frommes Tun mit bürgerlichen Prestigewünschen“ kombinieren. Für ihr hohes Engagement erhofften sich die Förderer eine besonders exponierte Grabstelle oder einen ranghohen Platz im Kirchengestühl.8 Leisteten die Einen ihren Beitrag durch direkte Arbeitskraft, unterstützen die Anderen den Bau finanziell. Besonders als im 15. Jhd. die Hansestädte von Pestwellen heimgesucht wurde, häuften sich die Schenkungen und testamentarisch verfügten Zuwendungen an die Kirche drastisch, da die Krankheit als „Strafe Gottes für begangene Sünden“ verstanden wurde.9 Eine aus heutiger Sicht amüsante Anekdote aus dem mittelalterlichen Lübeck: Selbst als die Klöster und Kirchen ihre Pforten aus Angst vor Ansteckung schlossen, warfen die Menschen Geld über die Mauern, um Seelenheil zu erlangen.10 Aber auch an weltlichen Bauwerken wurde die hohe Bedeutung des Glaubens sichtbar: Statuen von Heiligen flankierten Brücken, Stadttore und Rathäuser. Die wachsende Heiligenverehrung äußerte sich zudem in einer Häufung von Feiertagen und Prozessionen, bei denen oft Reliquien, also „Überbleibsel“ von Heiligen verehrt wurden.11
Zu den Pflichten eines „guten Christen“ gehörten auch Almosen an Bedürftige, die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen waren. Gang und Gäbe waren die sogenannten „Hausarmen“, die bei wohlhabenden Hanse-Familien Essen erhielten.12 Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass diese Mildtaten nicht unbedingt Akte der Nächstenliebe waren, sondern in erster Linie dem Seelenheil des Stifters selbst dienten: „Karitative Hilfe blieb oft symbolisch (…) Bettler waren ihr willkommenes Objekt; es ging mehr um die Quantität als um Qualität frommer Leistungen.“13 Ähnlich verhielt es sich auch mit Wallfahrten, die besonders im Spätmittelalter „in“ waren.
Ein weiterer Ausdruck der Frömmigkeit waren die sogenannten „Bruderschaften“ zu denen sich Bürger, Geistliche oder bestimmte Berufsgruppen im Namen Heiliger gruppierten. Ursprünglicher Zweck dieser Gemeinschaften waren das gemeinsame Abhalten von Messen, aber die Brüderschaften wurden zunehmend zu „Zentren der bürgerlichen Geselligkeit, in denen die ursprünglichen geistlichen Anliegen verflachten“.14 Im 15. Jhd. erlebten diese Gemeinschaften einen regelrechten Gründungsboom, allein in Hamburg gab es um 1500 mehr als 100 Bruderschaften.15
Kein Wunder, dass zu den häufigsten Berufen in der mittelalterlichen Hansestadt der Geistliche gehört. Bei einem Spaziergang durchs hansische Lübeck von 1500 wäre im Schnitt jeder 40. Passant ein Kleriker.16
Artikel 2: Kirchliches Leben in den hansischen Niederlassungen des Auslands
Priester to go
Auch auf ihren Reisen lebten die Kaufmänner nach den Regeln des christlichen Glaubens. Priester und Kirchenbedarf hatten sie einfach im Gepäck.
Gewinnstrebend und rational wirtschaftend auf der einen, religiöse „Verblendung“ auf der anderen Seite: Der gemeine hansische Kaufmann vereint Eigenschaften, die wir aus heutiger Sicht nur schwer „unter einen Hut bringen“. Doch gerade in den hohen Herausforderungen, die der Beruf mit sich bringt, sieht Antjekathrin Graßmann den Grund für das hohe Maß an Frömmigkeit der Kaufmänner: „Gefahr und Risiko, das Bewusstsein dieser Grundelemente im Leben des Kaufmann (auch wenn er später nicht mehr mit den Waren reiste) bedingt seine Suche nach Geborgenheit im Schoß der Kirche, des Glaubens.“17 Wie es aber der Kaufmann von Berufswegen gewohnt war, sollte auf eine Leistung auch eine Gegenleistung erfolgen. Für die Erfüllung kirchlicher Forderungen erhoffte man sich die Fürsprache bestimmter Heiliger und einen „besonders guten Draht nach oben.“ Man war sich einig: Nur mit Gottes Hilfe wird kaufmännischer Erfolg möglich und die Ware erreicht den Bestimmungsort.18
Im zwölften Jhd. ist zum ersten Mal vom Begriff „Kaufmannskirche“ die Rede, denn die Kaufmänner brachten auf Auslandsreisen ihre Kirche einfach mit. In den ausländischen Handelsniederlassungen wurden zunächst kleine Kirchen erbaut, speziell für die Hanse. Diese wurden bei der Heimkehr wieder verschlossen und dienten nur während des Auslandsaufenthalts als geistliche Zuflucht. Die Grundausstattung für Messen und Prozessionen hatten die Kaufmänner im Gepäck: Ein Priester samt religiösen Gewändern und Instrumenten begleitete sie.19 Dieser erfüllte während dem Auslandsaufenthalt zudem weltliche Aufgaben, beispielsweise im Kontor zu Bergen, wo der Geistliche auch Sekretär war, oder in Nowgorod, wo er als Dolmetscher diente. Auch im Kirchengebäude selbst zeigt sich die enge Verwobenheit von Religion und Kommerz, denn es wurde auch als Aufbewahrungsort und Speicher für wertvolle Waren benutzt.20 Diese Doppelnutzung sorgte im Alltag anscheinend für Probleme: Im Regelwerk des Nowgoroder Kontors beispielsweise, der „Schra“, wird ausdrücklich verboten, während der Gottesdienste in den Waren zu kramen. Auch wurde die Kirche stets bewacht und Schlüssel durfte nicht den Kontor verlassen, ja nicht einmal der einheimischen Bevölkerung gezeigt werden.21 Als zur Jahrhundertwende 1300 der Kommissionshandel aufkam, die Kaufmänner also nicht mehr selbst vor Ort sein mussten, sondern ihre Geschäfte von zuhause aus lenkten, verfielen zahlreiche dieser Kirchengebäude. Die Übrigen wandelten sich von saisonalen zu dauerhaften Einrichtungen und gingen teilweise in den Besitz der Einheimischen über.
Zusammenfassend lässt sich sagen, das die „Kaufmannskirche“ zahlreiche soziale Aufgaben erfüllte: „(…) Bibel und Katechismus (eignen) sich zur Disziplinierung der Jungen und der Gesellen, sowie der Einhaltung der Ordnung in einer eng zusammenlebenden Männergesellschaft in fremder Umgebung“, erklärt Graßmann.22 Insgesamt stellt die Historikerin die Kirche als Möglichkeit dar, sich in der Fremde einzugliedern. Diese Eingliederung erfolgte vor allem in den besonders weitentwickelten Gaststädten, wie London oder Brügge. In den konfessionell anders geprägten Novgorod hingegen blieben die Kaufmänner eher unter sich.23
Um noch einmal auf die anfänglich gestellte Frage zurückzukommen: Kirche und Kommerz, passt das zusammen? Für den deutschen Hansekaufmann auf jeden Fall. Die Religion stellte für ihn auch ein Instrument der Selbstinszenierung und Machtdemonstration dar. Beispielsweise durch die Teilnahme an Prozessionen, oder den wertvollen Kirchenschätzen, zeigte man „Erfolg und Solvenz des Kaufmanns“.24 Nicht zu vernachlässigen sind zudem die Handelskontakte, die man in den exponierten Reihen des Kirchengestühls knüpfen konnte.
Mit dem Bedeutungsverlust der Hanse wurde auch deren Präsenz im Ausland geringer. Speziell die Reformation und die nachfolgende Säkularisation beschleunigten diesen Prozess.25 Dennoch lassen sich bis heute die Spuren der hansischen Kaufmannskirche erkennen, beispielsweise in Stockholm, wo in der „deutschen Kirche“ (siehe Abb. 2) auch heute noch auf Deutsch gepredigt wird.
Artikel 3: Materielle Zeichen der Frömmigkeit am Beispiel der Marienkirche in Lübeck
Gekrönt von Selbstbewusstsein
Die Marienkirche in Lübeck zeugt von den ruhmreichen Zeiten der Hansestadt
Hoch über die Dächer der Lübecker Altstadt erstrecken sich die Türme der Marienkirche. Das Backsteingebäude beeindruckt auch heute noch mit monumentaler Nüchternheit.26 Dabei war das Wahrzeichen der Stadt eigentlich nicht als solches gedacht, sondern ist ein Ergebnis hansischen Selbstbewusstseins.
Doch zurück zum Anfang: Wir schreiben das Jahr 1157. Nach einem ersten, gescheiterten Versuch, gründet Herzog Heinrich der Löwe die Stadt Lübeck. Bereits zuvor war der günstig gelegene Knotenpunkt an der Trave eine Anlaufstelle für viele Kaufleute, aber ein verheerender Brand 1157 zerstörte die Infrastruktur.27 Mit der Absicht, „ein neues, großes Ausfalltor zur Ostsee zu bauen“, stattete der Welfe die junge Stadt mit zahlreichen Rechten und Freiheiten aus.28
In der Folge gewann Lübeck schnell an Bedeutung. Knapp drei Jahre nach dem Wiederaufbau, 1160, ernannte Heinrich die mittelalterliche „Großstadt“ mit knapp 25000 Einwohnern zum Bischofssitz, jedoch wurde der Bischof nicht zum Oberhaupt der Stadt.29 Standesgemäß für das neue religiöse Zentrum der Region förderte Heinrich der Löwe den Bau des Lübecker Doms. 1773 begann man mit dem Bau des bis dahin größten Backsteingebäudes Norddeutschlands.30
Alsbald sah sich die wohlhabenden Bürger Lübecks herausgefordert. Warum sollte ihre Stadtpfarrkirche, die Marienkirche (siehe Abb. 2), im Schatten des neuen Doms stehen? Rechtlich gesehen war die Marienkirche nur eine Filiale des Doms, aber über die Baukasse verfügten die Lübecker selbst. „Es kam also nur darauf an, wie viel Geld die Bürger für den Bau der Hauptpfarrkirche bereitzustellen vermochten“, erklärt der Kunsthistoriker Max Hassen. „Bald floß [sic] in die Baukasse der Marienkirche, im Volk gemeinhin `unser leven frowen´ genannt, mehr Geld, als die Domherren und ihre Anhänger aufbringen konnten.“31
[...]
1 Schildhauer, Kultur S. 175
2 Selzer, Hanse S.15
3 Ebd. S 15
4 Postel, Kirche S. 575
5 Schildhauer, Kultur S. 175
6 Schildhauer, Kultur S. 175
7 Postel, Kirche S. 567
8 Ebd. S. 576
9 Schildhauer, Kultur S. 177
10 Ebd. S. 177
11 Postel, Kirche S. 577-578
12 Schildhauer, Kultur S. 177
13 Postel, Kirche S. 577
14 Postel, Kirche S. 577
15 Ebd. S. 577
16 Ebd. S. 577
17 Graßmann, Niederlassung S. 113
18 Ebd. S. 114
19 Ebd. S. 114
20 Graßmann, Niederlassungen S. 115
21 Ebd. S .116
22 Ebd. S. 128
23 Ebd. S. 129
24 Ebd. S. 128
25 Ebd. S. 130
26 Graßmann, Niederlassungen S. 115
27 Stadtportal Lübeck, Geschichte
28 Ebd.
29 Hasse, Marienkirche S. 10
30 Stadtportal Lübeck, Geschichte
31 Hasse, Marienkirche S. 10
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Die Frömmigkeit der deutschen Hansekaufleute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984276
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