Diese Arbeit thematisiert das Leben, das Erleben sowie das Überleben der Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ziel ist eine Darstellung der besonderen Haftsituation und spezifischen Erfahrungen der Kinderhäftlinge. Und somit der Lebens- und Leidensgeschichte der Menschen, die – obwohl sie teils mehrere Jahre in einem Konzentrationslager inhaftiert waren – erst ab den 1990er-Jahren in der Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Forschung Aufmerksamkeit und Anerkennung als Opfer fanden.
Der Fokus richtet sich hierbei zunächst auf die Strukturierung des Lageralltags. Beim Blick darauf sind die Fragen nach den spezifischen Lebensbedingungen der Kinder innerhalb der Lagergesellschaft leitend. Des Weiteren wird sich die Arbeit mit der kindlichen Wahrnehmung des Lageralltags und den unterschiedlichen Reaktionsformen der Kinder auf ihre Haftsituation auseinandersetzen.
Hierbei soll der Frage nach Gewalterfahrungen, der psychischen Belastung und ihrer Verarbeitung durch spezifische kindliche Verhaltensformen nachgegangen werden. Darüber hinaus wird untersucht, welche Faktoren die Überlebenschancen der Kinderhäftlinge erhöht haben. In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Familie und familienähnlicher Strukturen in der Lagergesellschaft des KZ überprüft. Zudem soll geklärt werden, welche eigenen Strategien die ehemaligen Kinderhäftlinge ihrem Überleben zuschreiben. Abschließend stellt sich die Frage nach den unterschiedlichen Befreiungserfahrungen der Kinderhäftlinge.
Die Arbeit verfolgt einen erzähl- und erinnerungstheoretischen Methodenansatz. Die Rekonstruktion des Lebens, Erlebens und Überlebens der Kinderhäftlinge im Konzentrationslager Bergen-Belsen basiert vornehmlich auf der wissenschaftlichen Auswertung von Oral History Quellen. Da andere Überlieferungen keine oder sehr wenige Informationen bieten, kann nur das erinnerte Erleben der Kinder- überlebenden Aufschluss geben über ihre Lebens- und Überlebensbedingungen im Lager.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Thema, Fragestellung und methodische Vorgehensweise
1.2. Der Aufbau
1.3. Quellenbasis und Quellenkritik
1.4. Der Forschungsstand
2. Geschichte und Struktur des Konzentrationslagers Bergen-Belsen
2.1. Die Errichtung des Lagers
2.2. Die Struktur des Lagers und seine Häftlingsgruppen
2.2.1. Das Aufenthaltslager
2.2.2. Das Häftlingslager
3. Die Gruppe der Kinderhäftlinge
3.1. Die Anzahl der Kinder
3.2. Die Herkunft der Kinder und ihre Verteilung auf die verschiedenen Lagerbereiche
4. Die Lebensbedingungen der Kinder
4.1. Die Unterbringung
4.2. Die mangelhafte Versorgung
4.3. Appelle und Gewaltübergriffe
4.4. Krankheit und Tod
4.5. Die Lage der Neugeborenen und Säuglinge
5. Das Erleben der Kinder und Formen ihrer Reaktion
5.1. Hungererfahrungen
5.2. Leben in Angst
5.3. Verhaltensauffälligkeiten
5.4. Spielverhalten
5.5. Kreative Formen der Reaktion
6. Ressourcen des Überlebens
6.1. Familiäre Strukturen und Bindungen
6.2. Unterstützung durch die Häftlingsgesellschaft
6.2.1 Die Waisenbaracke der Familie Birnbaum
6.2.2 Die Kinderbaracke
6.2.3. Initiativen zur Beschäftigung der Kinder
7. Die Befreiung der Kinderhäftlinge
7.1. Im Konzentrationslager Bergen-Belsen
7.2. In den Evakuierungstransporten
8. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
Abbildungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Das Vermächtnis der Überlebenden von Bergen-Belsen
Erklärung aus Anlass des 60. Jahrestags der Einweihung der Gedenkstätte Bergen-Belsen
Seit mehr als sechs Jahrzehnten ist Bergen-Belsen weltweit ein Symbol für die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Die Gräber der Opfer verpflichten zum ewigen Gedächtnis. [...] Viele Überlebende von Bergen-Belsen haben in den Jahrzehnten seit der Befreiung wesentlich zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung beigetragen. Es ist unserer Generation eine heilige Pflicht, die Naziverbrechen in ihrem ganzen Umfang zu dokumentieren und die Welt über die Gefahren des Hasses und die Folgen von Gleichgültigkeit aufzuklären. Doch schwindet die Zeit. Unsere Erfahrungen des Grauens von Bergen- Belsen vertrauen wir denen an, die nach uns kommen. Auszug aus dem Vermächtnis der Überlebenden von Bergen-Belsen.
Erklärung aus Anlass des 60. Jahrestages der Einweihung der Gedenkstätte Bergen-Belsen am 30 November 2012.
Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): Jahresbericht 2012, Celle 2013, S. 6. <https://www.stiftung-ng.de/fileadmin/dateien/Stiftung/ueber_uns/Jahresberichte/Jahresbericht_SnG_2012.pdf> [Zugriff:12.09.2020].
1. Einleitung
Am 15. April 2020 jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen durch britische Truppen zum 75. Mal. Die für den 19. April 2020 von der Gedenkstätte Bergen-Belsen geplante Gedenkveranstaltung mit mehr als 100 ehemaligen Kinder- häftlingen konnte aufgrund der Coronavirus-Pandemie und der von der Bundesregie- rung angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht stattfinden.1
Um dem Vergessen vorzubeugen und die lebensgeschichtlichen Erzählungen der Opfer so authentisch wie möglich zu bewahren – damit die Verbrechen in den Konzentrationslagern für die kommenden Generationen nicht abstrakt werden, sondern verständlich bleiben – hat die Gedenkstätte Bergen-Belsen versucht, Selbstzeugnisse von ehemaligen Kinderhäftlingen für die nächsten Generationen „haltbar“ zu machen. So wurde am 18. April 2018 die Sonderausstellung Kinder im KZ Bergen-Belsen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Darstellung dokumentiert das Leben, Erleben und Überleben von Kinderhäftlingen in einem Konzentrationslager.2 Dazu hatten wissenschaftliche Mitarbeiter seit den 1990er-Jahren gezielt historische Quellen in Form von Selbstzeugnissen, unveröffentlichten Erinnerungsberichten, Objekten, Fotos und Dokumenten gesammelt. Parallel dazu wurde ein Videoprojekt realisiert, in dem seit dem Jahr 1999 66 lebensgeschichtliche Interviews mit Überle- benden geführt werden konnten.3 Transkribierte Ausschnitte aus diesen Interviews sowie Fotos und Exponate dokumentieren in der Ausstellung maßgeblich die Erinne- rungen der Child Survivors4 an ihre spezifischen Hafterfahrungen im Konzentrations- lager Bergen-Belsen.
Offiziell gab es zunächst keine inhaftierten Kinder oder Jugendliche in Konzentrationslagern. Sie tauchten bis 1941 in amtlichen Kundgebungen der natio- nalsozialistischen Führung nicht auf, obwohl davon ausgegangen werden muss, dass dort auch Kinder geboren wurden.5 Tatsächlich wurden aber nach der Errichtung der ersten großen Konzentrationslager wie 1933 in Dachau6, 1937 in Sachsenhausen7 und 1940 in Auschwitz8 auch minderjährige Häftlinge dorthin deportiert. Schließlich wurde in allen Konzentrationslagern, die der zentralen Verwaltungsinstanz Inspektion der Konzentrationslager (IKL) zugeordnet waren, eine steigende Anzahl von Kindern interniert.9 Sie wurden zunächst als Einzelpersonen und nicht in größeren Gruppen in die Lager verschleppt.
Erst mit der systematischen Massendeportation jüdischer Familien ab dem Herbst 1941 nahm die Zahl der inhaftierten Kinder stark zu, denn laut eines Runderlasses des Referats IV B 4 des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) sollten Kinder bis zu 14 Jahren nicht von ihren Eltern getrennt werden.10 Im Konzentrationslager Bergen- Belsen waren von seiner Errichtung im Sommer 1943 bis zur Befreiung am 15. April 1945 in unterschiedlichen Zeiträumen schätzungsweise 3.500 Kinder unter 14 Jahren interniert.11
1.1. Thema, Fragestellung und methodische Vorgehensweise
Die vorliegende Masterarbeit thematisiert das Leben, das Erleben sowie das Überleben der Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen.12
Ziel meiner Arbeit ist eine Darstellung der besonderen Haftsituation und spezifischen Erfahrungen der Kinderhäftlinge und somit der Lebens- und Leidensgeschichte der Menschen, die – obwohl sie teils mehrere Jahre in einem Konzentrationslager inhaf- tiert waren – erst ab den 1990er-Jahren in der Öffentlichkeit und der wissenschaftli- chen Forschung Aufmerksamkeit und Anerkennung als Opfer gefunden haben.
Der Fokus richtet sich hierbei zunächst auf die Strukturierung des Lageralltags. Beim Blick darauf sind die Fragen nach den spezifischen Lebensbedingungen der Kinder innerhalb der Lagergesellschaft leitend.
Des Weiteren wird sich die Arbeit mit der kindlichen Wahrnehmung des Lageralltags und den unterschiedlichen Reaktionsformen der Kinder auf ihre Haftsituation ausei- nandersetzen. Hierbei soll der Frage nach Gewalterfahrungen, der psychischen Belas- tung und ihrer Verarbeitung durch spezifische kindliche Verhaltensformen nachgegan- gen werden. Darüber hinaus wird untersucht, welche Faktoren die Überlebenschancen der Kinderhäftlinge erhöht haben. In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Familie und familienähnlicher Strukturen in der Lagergesellschaft des KZ überprüft. Zudem soll geklärt werden, welche eigenen Strategien die ehemaligen Kinderhäftlinge ihrem Überleben zuschreiben.
Abschließend stellt sich die Frage nach den unterschiedlichen Befreiungserfahrungen der Kinderhäftlinge.
Die vorliegende Arbeit verfolgt einen erzähl- und erinnerungstheoretischen Metho- denansatz. Die Rekonstruktion des Lebens, Erlebens und Überlebens der Kinderhäft- linge im Konzentrationslager Bergen-Belsen basiert vornehmlich auf der wissen- schaftlichen Auswertung von Oral History Quellen. Da andere Überlieferungen keine oder sehr wenige Informationen bieten, kann nur das erinnerte Erleben der Kinder- überlebenden Aufschluss geben über ihre Lebens- und Überlebensbedingungen im Lager.13
Um sich der Erfahrungsgeschichte der Kinderhäftlinge anzunähern, ist die Arbeit also auf lebensgeschichtliche Berichte, Memoiren und Interviews angewiesen.14
Man kann nur von den Kindern selbst erfahren, wie ihr Leben unter den spezifischen Bedingungen im Lager aussah und wie es ihnen gelang, sich dort zurechtzufinden.15 Im Hinblick auf die formulierten Fragestellungen sind daher lebensgeschichtliche Selbstzeugnisse die einzigen Quellen, welche die besonderen Lebens- und Überlebensbedingungen sowie die Erfahrungswelt von Kinderhäftlingen im Konzent- rationslager Bergen-Belsen dokumentieren können. Zudem geben sie Einblicke in die physischen und psychischen Belastungen, unter denen viele Kinderüberlebende heute noch leiden.
1.2. Der Aufbau
Die vorliegende Masterarbeit umfasst acht Kapitel. Nach der thematischen Einleitung und der kritischen Darstellung der Quellenbasis sowie des aktuellen Forschungsstan- des gibt das zweite Kapitel einen Überblick über die Entstehung des Konzentrations- lagers Bergen-Belsen, seine Lagerstruktur, die von 1943 bis April 1945 wechselnden Funktionszuschreibungen sowie über die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Häftlingsgruppen. Diese allgemeinen strukturellen Ausführungen zum Lager sind wesentlich für die nachfolgende Darstellung der Lebenssituation der Kinder im Lager, denn die verschiedenen Funktionszuschreibungen übten entscheidenden Einfluss auf die Existenzbedingungen der hier Internierten aus. Sie unterschieden sich einerseits je nach Zugehörigkeit zu einem Lagerteil stark voneinander, andererseits verschlechter- ten sie sich grundlegend seit dem Herbst 1944, als Bergen-Belsen endgültig zu einem überfüllten Evakuierungslager wurde.
Das nachfolgende Kapitel widmet sich dem Umfang und der Zusammensetzung der Gruppe der Kinderhäftlinge. Im Fokus stehen die Gruppengröße und ihre Entwicklung bis Anfang 1945 sowie die Herkunft der Kinder und ihre Zuordnung zu den unter- schiedlichen Häftlingsgruppen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit den Lebensbedingungen der Kinder in den unterschiedlichen Teilabschnitten des Konzentrationslagers. Hierbei werden die Unterbringung und die Versorgung mit Nahrung und Kleidung sowie die von Gewaltübergriffen, Krankheit und Tod geprägten Alltagsstrukturen im Vordergrund stehen.
Im fünften Kapitel wird die Wahrnehmung des Lageralltags durch die Kinder und ihre Reaktionsformen auf die Haftbedingungen untersucht. Dabei wird einerseits die extreme psychische Belastung durch die ständige Konfrontation mit Gewalt, Hunger, Krankheiten und Tod dargestellt, andererseits soll gezeigt werden, wie die Kinder ihre Lebenssituation in Spielen zu verarbeiten versuchten oder teils aggressiv, teils apathisch reagierten.
Die vielfältigen Faktoren, welche nach den Erzählungen der ehemaligen Kinderhäft- linge die Überlebenschancen der Kinder verbesserten, wird das sechste Kapitel heraus- arbeiten. Hierbei stehen sowohl familiäre Bindungen als auch familienähnliche Strukturen in der Lagergesellschaft im Mittelpunkt. Besondere Beachtung finden dabei von den erwachsenen Häftlingen selbst organisierte Einrichtungen, deren Ziel die Versorgung der zahlreichen Waisenkinder im Lager war.
Das vorletzte Kapitel thematisiert die unterschiedlichen Befreiungserfahrungen der Kinderhäftlinge im April 1945 und ihre Betreuung in dem von der britischen Armee in Bergen-Belsen eingerichteten Displaced Persons Camp. Eine zusammenfassende Schlussbetrachtung schließt die Masterarbeit thematisch ab.
1.3. Quellenbasis und Quellenkritik
Wie in vielen anderen Konzentrationslagern wurde auch in Bergen-Belsen die gesamte Häftlingsregistratur im Zuge der Auflösung des Lagers von der SS gezielt zerstört, genauer gesagt verbrannt, um so potenzielle Beweismittel für die NS-Verbrechen zu beseitigen. Damit wurden die wichtigsten namensbezogenen Quellen zur Geschichte der dort inhaftierten Menschen vernichtet.
Doch seit Anfang der 1990er-Jahre begannen Mitarbeiter der Gedenkstätte, systema- tisch namensbezogene Aktenüberlieferungen wie beispielsweise Transportlisten, Todes- und Geburtsurkunden sowie Befreiungslisten zu sammeln und in einer Daten- bank zu erfassen. Große Unterstützung bekamen sie dabei von Überlebenden, die wesentlich zur Vervollständigung dieser Daten beigetragen haben. Mithilfe des so entstandenen Namensverzeichnisses (NVZ) ist es heute nicht nur möglich, biografi- sche Daten zu 52.000 Häftlingen abzufragen, sondern auch Informationen zu Häftlingsgruppen und Teillagern sowie zur Altersstruktur oder zur Sterblichkeitsrate der ehemaligen Internierten abzurufen.16
Erwartungsgemäß fehlen Fotodokumente aus den Jahren 1943 bis 1945, aber aus der Zeit nach der Befreiung des Lagers existieren Tausende von Fotos, die von britischen Soldaten und Journalisten aufgenommen wurden. Viele dokumentieren deutlich den desolaten Gesundheitszustand der Kinderhäftlinge wie auch ihren Tod.17
Objekte, die auf die Haftsituation der Kinderhäftlinge verweisen, sind kaum vorhan- den. Die Kinder hinterließen aus ihrer Zeit im Konzentrationslager Bergen-Belsen nur wenige originäre Quellen. Daher lagern in der Sammlung der Gedenkstätte lediglich einige Zeichnungen, kleine Gedichte und eine Art Tagebuch eines elfjährigen Mädchens. Manche Objekte wurden der Gedenkstätte viele Jahre nach der Befreiung des Lagers als Schenkung überlassen, wie zum Beispiel ein Paar einem Waisenkind geschenkte Kinderhandschuhe.18
Als eine wesentliche Grundlage der Masterarbeit werden in Zeugenberichten und transkribierten Interviews festgehaltene Selbstzeugnisse von Überlebenden herangezogen19, welche als Kinder zumindest zeitweise im KZ Bergen-Belsen inhaftiert waren oder als Erwachsene aufgrund ihrer Funktion im Lager viel Kontakt mit Kindern hatten. Im Hinblick auf die formulierten Fragestellungen ist das in Selbstzeugnissen festgehaltene erinnerte Erleben ehemaliger Kinderhäftlinge die einzige Quelle, welche die spezifischen Lebens- und Überlebensbedingungen sowie die Erfahrungswelt von Kindern im Konzentrationslager Bergen-Belsen dokumentie- ren kann. Zudem bietet es Einblicke in die physischen und psychischen Belastungen, unter denen viele Kinderüberlebende noch heute leiden.
Die im Archiv der Gedenkstätte (AGBB) in einer Datenbank zusammengetragenen lebensgeschichtlichen Interviews stammen mehrheitlich aus der Zeit nach der Befrei- ung des Lagers. Sie wurden ab Ende der 1980er-Jahre von wissenschaftlichen Mitar- beitern der Gedenkstätte Bergen-Belsen durchgeführt und transkribiert.
Eine besondere Rolle unter den vorhandenen Selbstzeugnissen nehmen die ab 1999 entstandenen 66 lebensgeschichtlichen Videointerviews mit ehemaligen Kinderhäft- lingen ein. Sie ergänzen maßgeblich die unvollständigen Aktenüberlieferungen. Wie andere Selbstzeugnisse thematisieren sie Aspekte, Situationen und Ereignisse der Lebens- und Überlebensbedingungen, über die aus schriftlichen Quellen nichts bekannt ist. Zudem machen sie auch visuell in besonderem Maße die fortdauernde Traumatisierung vieler Kinderüberlebender deutlich.20 Die Interviews wurden nach dem sogenannten offenen Verfahren durchgeführt, bei dem in drei Schritten – das heißt, vom eigenen Erzählen über immanentes Nachfragen zum allgemeinen Nachfragen – vorgegangen wird. Im letzten Schritt wurden so auch Aspekte nachgefragt, die für die betroffenen ehemaligen Kinder nicht relevant erschienen, wohl aber für die historische Forschung.21
Die vorliegende Arbeit stützt sich ebenfalls auf die zahlreichen Autobiografien, die von Child Survivors aus dem ehemaligen KZ Bergen-Belsen ab Ende der 1980er-Jahre publiziert wurden. Auch sie dokumentieren anschaulich die Lebensbedingungen und die spezifische Erfahrungswelt der ehemaligen Kinderhäftlinge.
Selbstverständlich muss die Auswertung aller Selbstzeugnisse sehr quellenkritisch erfolgen. Bedacht werden muss insbesondere die Tatsache, dass Erinnerungsberichte und lebensgeschichtliche Interviews sehr subjektive Quellen sind, die das persönliche Erleben in den Vordergrund stellen und daher immer aus dem subjektiven Blickwinkel und der persönlichen Verfolgungsgeschichte ehemaliger Kinderhäftlinge heraus betrachtet werden müssen.
Laut der Historikerin Verena Buser ist es die Aufgabe der Historiker, sich trotz der Fülle unterschiedlicher Berichte „dem Kern der geteilten Erinnerung“ anzunähern.22 Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, die zahlreiche Videointerviews mit Überlebenden ausgewertet haben, sind davon überzeugt, dass der relativ breite Untersuchungspool – also die hohe Anzahl der Videointerviews sowie Vergleichsanalysen – ein Annähern an historische Tatsachen ermöglichen.23
Bei den in der Arbeit berücksichtigten Quellen handelt es sich um einige wenige zeitnahe, mehrheitlich jedoch um Jahrzehnte nach der Internierung der Kinder entstan- dene Selbstzeugnisse. Nach Erfahrung der Geschichtswissenschaftler Verena Buser und Thomas Rahe sind Jahrzehnte später verfasste Erinnerungen und Berichte jedoch keineswegs von geringem Wert, da der Interviewte sich in vielen Fällen, meist angehalten durch den Interviewer, an das Erlebte erinnert.24
1.4. Der Forschungsstand
Die zur Thematik der Masterarbeit vorliegende Forschungsliteratur ist nur wenig umfangreich. Eine wissenschaftliche Hinwendung zu Kindern als jüngste Verfolgte im Nationalsozialismus lässt sich frühestens ab Mitte der 1980er-Jahre erkennen. Zwar erfolgte in den letzten 10 Jahren eine maßgebliche Intensivierung der Forschungsarbeit zu kinderspezifischen Fragen, dennoch steht die historiografische Analyse der Konzentrationslager aus der Perspektive der ehemaligen Kinderhäftlinge erst am Anfang.
Noch Jahrzehnte nach der Befreiung der Lager wurden Kinder nicht als eigenständige Opfergruppe wahrgenommen beziehungsweise akzeptiert. Ihre besonderen Erinnerun- gen und ihr Status als Holocaustopfer wurden ihnen sogar abgesprochen.25 Um sie vor belastenden Erinnerungen an die schrecklichen Erfahrungen in den Konzentrationsla- gern zu schützen, wurde Kinderüberlebenden vielfach vermittelt, sie seien noch viel zu jung gewesen, um das, was sie erlebt haben, zu verstehen. Sie sollten die Vergan- genheit vergessen. Zudem könnten sie mit ihrer damals kindlichen Perspektive keine ernstzunehmenden Zeugen des Holocaust sein. Viele dieser Kinder schwiegen deswe- gen über Jahrzehnte.26
Erst 40 Jahre nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern erlangten die Child Survivors – welche man auch als Generation 1.5 bezeichnet, da ihre Zeitzeugenschaft nicht deckungsgleich mit der der First Generation ist – durch ihr inzwischen entwi- ckeltes Selbstverständnis, ihr Selbstbewusstsein und ihre mediale Präsenz öffentliches Interesse.27 Nicht zuletzt traten sie durch ihren hohen Organisations- und Vernetzungs- grad in den Vordergrund.28
Ab Mitte der 1980er-Jahre veröffentlichten zahlreiche ehemalige Kinderhäftlinge, die eines oder mehrere Konzentrationslager überlebt hatten, nach und nach ihre Erinne- rungsberichte oder gaben lebensgeschichtliche Interviews, die als Selbstzeugnisse für das Verständnis der spezifischen Perspektive ehemaliger Kinderhäftlinge unverzicht- bar sind. Einer der wesentlichen Gründe für ihre zunehmende öffentliche Präsenz ist die Tatsache, dass die Child Survivors die letzten ehemaligen KZ-Häftlinge sind, die noch ein persönliches und authentisches Zeugnis ablegen können, da die ehemalig erwachsenen Überlebenden bereits altersbedingt verstorben sind. Den Kinder- überlebenden ist es zu verdanken, dass die durch Selbstzeugnisse gut dokumentierten, kinderspezifischen KZ-Erfahrungen seit Ende der 80er-Jahre verstärkt in den Fokus der wissenschaftlichen Forschung gerückt sind.
Erstmals setzten sich englischsprachige Wissenschaftler aus den Fachdisziplinen Psychologie und Psychotherapie mit der kindlichen Verarbeitung des Geschehens in den Konzentrationslagern auseinander und analysierten mit Bezug auf die Psychoana- lyse die Langzeitfolgen dieser traumatisierenden Erfahrungen für die weitere Lebens- geschichte der Verfolgten.
Die Untersuchung der durch zahlreiche Selbstzeugnisse dokumentierten Erfahrungen und Verhaltensreaktionen der Kinder im Lager Bergen-Belsen sowie die Tatsache, dass die überlebenden Kinder nach dem Krieg weiter an ihrer KZ-Haft litten, machen es notwendig, sich in der Masterarbeit auch mit psychologischen und traumatologi- schen Forschungsfragen auseinanderzusetzen. Beachtenswert sind in diesem Zusam- menhang die Veröffentlichungen von Judith und Milton Kestenberg 29 Ihre Publikationen zählen zu den bekanntesten Studien, die ihren Schwerpunkt auf die Traumaforschung bei Kinderüberlebenden legen. Auch die 1992 veröffentlichte Untersuchung der Psychologin Suzanne Kaplan enthält bedeutsame Erklärungen zu den Auswirkungen der Nazi-Gräueltaten in den Konzentrationslagern auf die kindliche Psyche.30
Hinsichtlich der kindlichen Reaktionen auf die extreme psychische Belastung sind zwei weitere Publikationen für die Fragestellungen der Masterarbeit sehr aussagekräf- tig. Sie berichten über Kinderspiele im Ghetto sowie in den Lagern und analysieren deren Funktion für die kindliche Psyche. Es handelt sich hierbei um die 1988 erschie- nene Studie31 des Sportsoziologen George Eisen sowie um die Veröffentlichung des Psychologen Rolf Oerter über die Bedeutung des kindlichen Spiels. Seine Thesen zur überlebenswichtigen Funktion des Spiels für die internierten Kinder sind äußerst aufschlussreich für die Deutung der auch für das Lager Bergen-Belsen dokumentierten Kinderspiele.
In der geschichtswissenschaftlichen Forschung gibt es hinsichtlich der Untersuchung der konkreten Lebens- und Überlebenssituation der Kinder in den Konzentrationsla- gern sowie ihrer sozialen Verortung innerhalb der Lagergesellschaft auch heute noch Lücken. Eine der ersten Studien zu den besonderen Verfolgungserfahrungen von Kin- dern erschien 1991. Es handelt sich dabei um eine Publikation der am Child Study Center der Yale University forschenden Historikerin Debórah Dwork.32 Ihr Buch gilt mittlerweile als Standardwerk. Es ist stark durch einen erziehungswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt geprägt, denn es beschreibt das Leben jüdischer Kinder in Ghettos, Lagern und Verstecken als Geschichte einer Kindheit, die nicht den üblichen geschützten Raum für das Aufwachsen von Kindern bot. Erstmals in der historio- grafischen Literatur stützen sich die Ausführungen auf Selbstzeugnisse von Kinder- überlebenden.33
Seit Anfang der 1990er-Jahre wurden in vergleichsweise dichter zeitlicher Folge Publikationen veröffentlicht, die sich ebenfalls aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive dem Thema der Verfolgung von Kindern und Jugendlichen zuwenden. So erschienen drei deutschsprachige Sammelbände, die mittlerweile zu den Standardwer- ken über Kinder als Opfer des Nationalsozialismus gehören und damit inhaltlich auch Eingang in die Masterarbeit gefunden haben. Diese haben jedoch weitgehend Überblickscharakter, denn es handelt sich mehrheitlich um Sammelbände mit Aufsät- zen zu unterschiedlichen Aspekten des übergreifenden Themas. Daher macht die KZ- Haft in ihnen nur einen Aspekt bei der Darstellung der Geschichte verfolgter Minder- jähriger während der Zeit des Nationalsozialismus aus. Insbesondere in den frühen Veröffentlichungen werden die Morde an den jüngsten Häftlingen in den Vordergrund gestellt, ebenso wie die Berichte über die Lebenssituation der internierten Kinder. Zeitzeugenberichte werden hier eher selten herangezogen.
Den ersten Herausgeberband publizierten Ute und Wolfgang Benz 1993.34 Darin thematisieren die Psychologin und der Historiker gemeinsam die Erlebnisse verfolgter und nicht-verfolgter Kindern in den Jahren 1933-1945. Sie widmen sich der national- sozialistischen Erziehung, den Kriegserfahrungen sowie dem Leben von Kindern in Verstecken und verschiedenen Konzentrationslagern. Auch die von Barbara Distel und Wolfgang Benz veröffentlichte Reihe Dachauer Hefte 35 nahm sich in Heft 9 der Kinder und Jugendlichen als Holocaustopfer an. Durch die Schilderung der an den Kindern als „unmündige Geschöpfe“ verübten Gräueltaten sollte das Ausmaß der nati- onalsozialistischen Verbrechen besonders deutlich aufgezeigt werden.36 Aktuelle Veröffentlichungen kritisieren diese Herangehensweise an die Thematik als „emotio- nale Zuspitzung“37 oder „Überemotionalisierung“.38
In einem dritten Sammelband 39, bei welchem es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma und der Gedenkstätte
Beiden frühen deutschsprachigen Büchern ist gemeinsam, dass sie nicht auf Selbstzeugnissen der verfolgten Kinder basieren, weshalb ihre Inhalte in der Masterarbeit keine Berücksichtigung finden.
Haus der Wannseekonferenz in Berlin handelt, erschienen 1994 weitere geschichts- wissenschaftliche Aufsätze zu einzelnen Lagern sowie Zeitzeugenberichte. In einem der Beiträge setzt sich der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Thomas Rahe, erstmals mit den spezifischen Haftbedingungen der aus „rassischen“ Gründen verfolgten Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen auseinander.40 Neben den in der gleichen Veröffentlichung erschienenen Aufsätzen über Kinder und Jugendliche in Neuengamme 41 und in Buchenwald 42 gehören die Ausführungen zu Bergen-Belsen zu den ersten geschichtswissenschaftlichen Beiträgen, die ausschließ- lich die KZ-Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen thematisieren. Mit der Geschichte jüdischer Waisenkinder in Bergen-Belsen43 erweitert der Historiker 1998 in den Dachauer Heften Nr. 14 44 seine Forschungsergebnisse zur Lebenssituation der Kinderhäftlinge im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Das seit Mitte der 1990er-Jahre gewachsene historische Interesse an den Kindern als Holocaustopfer zeigt sich auch in dem von Wolfgang Benz und Barbara Distel 2005 herausgegebenen neunbändigen Werk über die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.45 Einige Lagerdarstellungen gehen hier in einem eigenen Abschnitt auf die Opfergruppe der Kinderhäftlinge ein. Dazu gehören die für die Masterarbeit sehr aufschlussreichen Ausführungen des Historikers Thomas Rahe zu der Haftsituation der Kinder im Lager Bergen-Belsen.
Inzwischen sind das Leben und Überleben von Kindern in den Konzentrationslagern durch schriftliche Überlebensberichte und Zeitzeugeninterviews zwar gut dokumen- tiert, dennoch sind monografisch angelegte Studien zum Thema auch aktuell noch eher selten und liegen nicht für alle Orte und Gruppen vor.
Die erste inhaltliche Monografie zur Geschichte von Kindern und Jugendlichen im Konzentrationslager wurde 2011 von der Historikerin Verena Buser46 veröffentlicht. Auf der Grundlage von archivarischen Quellen in Form von Zeitzeugeninterviews, Tagebüchern sowie veröffentlichten Erinnerungsberichten legt sie ihren Forschungs- schwerpunkt auf die spezifischen Erfahrungen und die Überlebensstrategien der Kinderhäftlinge in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Auschwitz und Bergen- Belsen. Insbesondere ihre Forschungsergebnisse hinsichtlich der Faktoren, welche die Child Survivors ihrem Überleben zuschreiben, fließen in die vorliegende Arbeit ein. Eine weitere beachtenswerte Studie wurde 2017 von der Erziehungs- und Sozialwis- senschaftlerin Wiebke Hiemesch publiziert.47
Ausgehend von einem erziehungswissenschaftlichen Zugang zeigt ihre Untersuchung das Erleben und Überleben der Kinderhäftlinge im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück als eine besondere Geschichte der Kindheit im 20. Jahrhundert. Dabei stützt sie sich auf die (Über)Lebenserinnerungen von fünf ausgewählten ehemaligen Kinderhäftlingen, die von ihr interviewt wurden. Aufgrund der Parallelen zwischen ihren Ausführungen zu den Kindern im Lager Ravensbrück und den Alltagserfahrun- gen der Kinderhäftlinge in Bergen-Belsen ist ihre Analyse der Faktoren, die das Überleben von Kindern begünstigten, für diese Untersuchungen von Bedeutung.
Besonders aufschlussreich ist diesbezüglich auch ein Aufsatz, in dem die Kustodin für audiovisuelle Medien und Zeitzeugen-Interviews, Diana Gring, im Kontext mit der Auswertung der Videointerviews die überaus große Bedeutung der Familie oder fami- lienähnlicher Strukturen im Lager für das Überleben der Kinderhäftlinge in den Blick nimmt.48
Wichtiger Ausgangspunkt für die Thematik und Fragestellung meiner Masterarbeit ist insbesondere die von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Gedenkstätte Bergen-Belsen konzipierte und Mitte April 2018 eröffnete Sonderausstellung Kinder im KZ Bergen- Belsen.49 An den Beispielen einiger Einzelschicksale werden hier die spezifischen Lebensbedingungen und die Erfahrungswelten der Kinder in der KZ-Haft vorgestellt. Die Darstellungen basieren auf Selbstzeugnissen von Kinderüberlebenden in Form von Tagebüchern, veröffentlichten Lebenserinnerungen und einigen Fotos. Wesent- licher Bestandteil sind ebenfalls Zitate aus Videointerviews, die seit 1999 von Mitarbeitern der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten mit Kinderüberlebenden durchgeführt wurden. Ihre Erzählungen liefern für die vorliegende Ausarbeitung wertvolle Informationen und geben Aufschluss über die Hafterfahrungen der Kinder und ihre Reaktionen darauf.
2. Geschichte und Struktur des Konzentrationslagers Bergen-Belsen
Seit seiner Errichtung im Frühjahr 1943 nahm das Konzentrationslager Bergen-Belsen eine Sonderfunktion im Gesamtsystem der nationalsozialistischen Lager ein. Es war kein Arbeits- und Vernichtungslager, sondern zunächst ein Sammellager für jüdische Häftlinge, die für einen potenziellen Austausch gegen im Ausland internierte Reichsdeutsche, Devisen oder Waren geeignet erschienen. Gleichwohl wurde es auf Anweisung des Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, von Anfang an dem Wirtschafts- Verwaltungs-Hauptamt (WVHA) unterstellt und damit in das System der Konzentrati- onslager eingegliedert. Diese Tatsache erleichterte ab dem Frühjahr 1944 den Ausbau Bergen-Belsens zu einem großen Häftlingslager.50
2.1. Die Errichtung des Lagers
Ende 1942 trafen Bestrebungen des Auswärtigen Amtes (AA) mit Plänen des Reichs- führer-SS Heinrich Himmler51 zusammen, den Zivilgefangenenaustausch von in Paläs- tina und im feindlichen Ausland internierten Deutschen zu intensivieren.52 Seit Kriegsbeginn hatte das AA in Deutschland befindliche Ausländer zum Austausch eingesetzt. Da jedoch sehr viel mehr Reichsbürger festsaßen als Ausländer von deutscher Seite ausgetauscht werden konnten, griff man zunehmend auf ausgewählte ausländische Juden zurück, die sich im deutschen Herrschaftsraum befanden und eine entsprechende Staatsbürgerschaft besaßen. Für das AA boten sich zunächst Juden mit britischer oder amerikanischer Staatszugehörigkeit als Austauschpersonen an. Ab dem Februar 1943 wurden jedoch auch holländische, belgische und sowjetische Juden in den Zivilgefangenenaustausch einbezogen.53
Die Pläne Himmlers zielten vornehmlich darauf ab, ausgewählte ausländische Juden gegen Devisen und Waren „auslösen zu lassen“, also freikaufen zu lassen. Zu diesem Zweck sollten sie in einem Sammellager interniert und dort für einen möglichen Austausch bereitgehalten werden, was auch im Interesse des AA war.54
Bei einem Treffen mit Hitler präsentierte Himmler am 10.12.1942 seine Pläne und holte sich dessen Zustimmung zur Errichtung eines solchen Lagers.55 Noch im Dezem- ber 1942 wies er das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) an, in den kommenden Monaten rund 10.000 Juden mit einflussreichen Verwandten in den USA als „wertvolle Geiseln“ in einem Sonderlager zu sammeln.56
Grundlegend für die Errichtung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen war ein vom Chef des RSHA, Ernst Kaltenbrunner, am 5. März 1943 herausgegebener Runderlass, nach dem etwa 30.000 Juden mit amerikanischer oder britischer Staatszugehörigkeit in einem Sonderlager für Austauschzwecke interniert und zur Verfügung gehalten werden sollten.57 Am 29. Juni 1943 erweiterten vom RSHA herausgegebene Richtli- nien den Kreis der für einen Austausch geeigneten Juden. Alle, die in verwandtschaft- lichen Beziehungen zu einflussreichen Personen in den USA sowie in Palästina standen und an deren Freikauf daher in den Feindstaaten erhebliches Interesse bestand, sowie Juden, die als Geiseln und politisches Druckmittel brauchbar sein konnten, wie beispielsweise jüdische Spitzenfunktionäre, sollten in das Sonderlager Bergen-Belsen gebracht werden.58
Im März oder spätestens Anfang April 1943 muss Himmler die Errichtung des Lagers auf der südlichen Hälfte des nicht mehr voll belegten Kriegsgefangenenlagers (Stalag XI/311) in Bergen-Belsen befohlen haben.59 Von Ende April bis zum Frühsommer 1943 wurde es von einem Baukommando von rund 600 KZ-Häftlingen aus Buchenwald errichtet.60 In der Korrespondenz des WVHA wurde es zunächst als Zivilinterniertenlager bezeichnet, aber bereits am 29.06.1943 erfolgte aus taktischen Gründen eine Umbenennung in Aufenthaltslager.61
2.2. Die Struktur des Lagers und seine Häftlingsgruppen
2.2.1. Das Aufenthaltslager
Zwischen dem 7. Juli und 21. Oktober 1943 trafen die ersten Häftlinge im neu errich- teten Aufenthaltslager ein. Es handelte sich um 2.500 polnische Juden aus Warschau, Lemberg, Krakau und anderen polnischen Städten. Viele verfügten über südameri- kanische Pässe oder Passzusicherungen, sogenannte Promesas.62 Andere Häftlinge waren im Besitz britischer Palästinazertifikate. 63 Die meisten polnischen Juden blieben nicht lange im Lager. Von Oktober 1943 bis Mai 1944 wurden insgesamt 1.800 Häftlinge vorgeblich in ein Lager Bergau bei Dresden, tatsächlich aber in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, da ihre Pässe und Zertifikate aus Sicht der SS gefälscht waren und sie so ihren Wert als Austauschjuden verloren hatten.64
Im September 1943 und von Januar bis September 1944 kamen in mehreren Transporten Häftlinge aus dem Polizeilichen Judendurchgangslager Westerbork nach Bergen-Belsen. Die meisten der 3.700 Deportierten waren niederländische Juden, jedoch befanden sich unter ihnen auch einige Deutsche, die vor den Nazis in das Nachbarland geflohen und dort festgenommen worden waren.65 Ab Mitte 1944 erreichten vor allem Transporte mit ungarischen Juden das Lager. Auch mehr als 700 Häftlinge mit der Staatsangehörigkeit neutraler wie auch befreundeter Staaten wurden in das Aufenthaltslager gebracht. Ende des Jahres 1944 waren dort mindestens 14.600 jüdische Häftlinge interniert.66
Anders als in den meisten übrigen Konzentrationslagern lebten die Inhaftierten nicht nach einer für alle gleichen Lagerordnung, sondern waren ihrer nationalen Herkunft entsprechend auf vier voneinander separierte Teilbereiche mit unterschiedlichen Lebensbedingungen im Lager verteilt.67 Im sogenannten Sternlager, wo die Insassen den Judenstern tragen mussten, waren die Austauschjuden im engeren Sinne interniert . Die meisten kamen aus den Niederlanden, jedoch waren auch griechische, jugosla- wische, albanische und nordafrikanische Juden sowie jüdische Familien aus dem französischen Sammellager Drancy dort untergebracht. 1944 belief sich die Anzahl der Häftlinge im Sternlager auf etwa 4.40068, insgesamt durchliefen etwa 5.400 Menschen diesen Lagerabschnitt.69
Ein weiterer Teilbereich des Aufenthaltslagers war das Ungarnlager, in welchem etwa 1.700 jüdische Ungarn mit ihren Familien inhaftiert waren. Im Neutralenlager waren vornehmlich Juden aus neutralen oder mit Deutschland verbündeten Staaten wie Spanien, Portugal, Argentinien und der Türkei untergebracht. Der letzte Lagerab- schnitt war das sogenannte Sonderlager für polnische Juden. Im Juli 1944 befanden sich dort noch 350 Personen.70 Es handelte sich bei ihnen um die Inhaber von Palästinazertifikaten, die von der SS als echt anerkannt wurden, oder um Inhaber provisorischer Papiere südamerikanischer Staaten.71
Die Sozialstruktur des Aufenthaltslagers wurde durch seine besondere Funktion bestimmt. In Bergen-Belsen waren überwiegend Familien interniert, also auch zahlrei- che Kinder und Jugendliche. Ein eventueller Austausch fand nicht zwischen Einzelpersonen, sondern unter Familien statt.72 Jedoch wurden nur etwa 2.500 der rund 14.600 jüdischen Häftlinge des Lagers wirklich ausgetauscht.73 Grund dafür waren einerseits die hohen Forderungen, welche die Deutschen an einen Austausch stellten, andererseits waren die Bemühungen der Westalliierten für die Freilassung jüdischer Gefangener begrenzt.74
Ende Juni 1944 konnten 222 Austauschhäftlinge nach Palästina ausreisen. Im Juli 1944 verließen 70 Juden mit britischem Pass Bergen-Belsen, und Ende Januar 1945 sollten 301 Austauschhäftlinge mit amerikanischem Pass in dem sogenannten deutsch- amerikanischen Zivilpersonenaustausch gegen in Palästina internierte Deutsche ausge- tauscht werden. Nur 136 von ihnen erreichten die Schweiz, die anderen wurden in süddeutsche Internierungslager gebracht. Des Weiteren gelangten fast alle 1.683
Gefangene des Ungarnlagers im August und Dezember 1944 nach Verhandlungen mit ausländischen jüdischen Organisationen über die Schweiz in die Freiheit.75 Auch 105 Juden mit türkischen Papieren konnten im März 1945 das Lager über Göteborg in Richtung Istanbul verlassen.76
2.2.2.DasHäftlingslager
Als sich zeigte, dass der Austausch von jüdischen Häftlingen mit im Ausland inter- nierten Deutschen beziehungsweise gegen Devisen oder Waren nicht so effektiv funktionierte wie erwartet und daher viele Austauschjuden lange im Lager interniert blieben, entschieden die Funktionäre des WVHA Anfang März 1944, dem Konzentra- tionslager Bergen-Belsen weitere Funktionen zuzuweisen. Dies sollte in der Folgezeit den Charakter des Lagers, seine Häftlingsgesellschaft und deren Lebensbedingungen entscheidend verändern.77
Ab März 1944 kamen zahlreiche Transporte mit kranken und daher nicht mehr arbeits- fähigen, männlichen Juden aus anderen Konzentrationslagern auf Reichsgebiet in Bergen-Belsen an. Sie wurden im Häftlingslager I untergebracht, das im SS-Jargon zynisch als „ Erholungslager“ bezeichnet wurde.78 Bis Ende 1944 trafen insgesamt 4.000 Häftlinge ein, von denen 1.700 starben, da sie keinerlei Pflege oder ärztliche Hilfe erhielten.79
Ab Sommer 1944 wurde das KZ Bergen-Belsen zu einem Durchgangslager für weibli- che Häftlinge. Viele davon waren nichtjüdische Polinnen, die von hier aus zu Arbeits- kommandos in der Rüstungsindustrie oder in andere Lager weitergeleitet wurden.80 Seit November 1944 diente Bergen-Belsen zunehmend als Evakuierungslager. Aufgrund seiner zentralen Lage im Deutschen Reich wurde es zu einem der Hauptziel- orte für die umfangreichen Räumungstransporte aus frontnahen Konzentrationslagern, unter anderem auch aus dem Konzentrationslager Auschwitz, das mit Heranrücken der Roten Armee im November 1944 von der Lager-SS evakuiert wurde.81 Von November 1944 bis April 1945 trafen etwa 85.000 Häftlinge im KZ Bergen-Belsen ein, obwohl dort alle räumlichen und versorgungstechnischen Voraussetzungen fehlten, um Zehntausende von Menschen aufzunehmen.82 In den Tagen vor der Befreiung des Lagers am 15. April 1945 kamen so umfangreiche Evakuierungstransporte in Bergen- Belsen an, dass die Lager-SS in Kasernen eines 2 km entfernten Truppenübungsplatzes ein zweites Konzentrationslager errichten musste.83
Infolge dieser Vielzahl von Häftlingstransporten wandelte sich die Topografie des Konzentrationslagers deutlich, denn ab dem Sommer 1944 musste es kontinuierlich erweitert werden. Da das existierende Haftlager I zu wenige Unterbringungskapazi- täten bot, ließ die SS-Lagerverwaltung für männliche Gefangene das sogenannte Häftlingslager II errichten. Ab Anfang August 1944 wurde ein Zeltlager für aus Auschwitz kommende Frauentransporte aufgebaut, da keine fertigen Baracken zur Verfügung standen. Die völlig überfüllten Zelte wurden jedoch bereits am 7. Novem- ber durch einen Sturm zerstört . Daraufhin errichtete die Lagerverwaltung das Kleine Frauenlager in Baracken des Sternlagers.84 Da es dort aber bald an Platz mangelte, begann die SS-Kommandantur im Januar 1945 mit der Errichtung des Großen Frauen- lagers auf dem Gelände und in den Baracken des ehemaligen Häftlingslazaretts der Wehrmacht.85
Infolge der umfangreichen Evakuierungstransporte veränderte sich ebenfalls die Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft. Während der Anteil jüdischer Häftlinge Ende des Jahres 1944 noch 80-90 % betrug, reduzierte sich dieser bis zur Befreiung im April 1945 auf 50 %.86 Die im Häftlingslager Internierten gehörten zu allen von den Nationalsozialisten verfolgten Gruppen. Neben vielen Juden befanden sich dort auch Sinti und Roma, Homosexuelle und Zeugen Jehovas.87
Auch in anderer Hinsicht hatten die zahlreichen Räumungstransporte eine Verän- derung der Häftlingsgesellschaft zur Folge. Seit August 1944 gelangten immer mehr Frauen in das Konzentrationslager, sodass Bergen-Belsen mehr und mehr zu einem Frauenlager wurde. Bis Ende 1944 wurden insgesamt 13.500 Frauen nach Bergen- Belsen verschleppt. Sie waren häufig begleitet von ihren Kindern.88 Bei der Befreiung machten weibliche Gefangene zwei Drittel der Internierten aus, in anderen Konzent- rationslagern waren die Proportionen genau umgekehrt.89
Aufgrund der unvollständigen Quellen lässt sich die genaue Entwicklung der Gesamt- häftlingszahlen nur ungefähr nachvollziehen. Während im Dezember 1944 etwa 15.257 Häftlinge in Bergen-Belsen interniert waren, waren es im Januar 1945 bereits 18.465 und am 15. März trotz der extrem hohen Sterblichkeit unter den Gefangenen sogar 41.520.90
Als britische Truppen am 15. April 1945 das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten, trafen sie dort auf rund 55.000 unterernährte und kranke Häftlinge. In den Baracken und auf dem Gelände verstreut fanden sie 10.000 Leichen.91
3. Die Gruppe der Kinderhäftlinge
3.1. Die Anzahl der Kinder
Aufgrund der Vernichtung der Lagerregistratur durch die Lager-SS kann die Anzahl der Kinderhäftlinge, die von 1943 bis April 1945 das Konzentrationslager Bergen- Belsen durchlaufen haben, nicht exakt bestimmt werden. Auf der Grundlage neuester Forschungen, die maßgeblich auf in der Datenbank der Gedenkstätte gesammelten Informationen basieren, lag die Anzahl der Kinder nach vorsichtiger Schätzung bei 3.500.92 Ausgangspunkt dieser Schätzung sind zwei statistische Aufstellungen, die als einzige Quellen erhalten geblieben sind. Sie listen für den März 1945 die Anzahl der weiblichen und männlichen Häftlinge sowie ihrer Kinder auf. Daraus kann für diesen Zeitpunkt auf die Internierung von 1.849 Kindern im KZ Bergen-Belsen geschlossen werden.93 Zusätzlich beruft sich die Schätzung auf Parallel- und Ersatz- überlieferungen, unter anderem auf noch erhaltene Namens- und Transportlisten, die in Bergen-Belsen oder in anderen Konzentrationslagern angefertigt wurden.94 Weitere Informationen zur Anzahl der inhaftierten Kinder liefern Teilbestände von Geburts- urkunden, die von dem seit 1943 im Lager ansässigen Standesamt ausgestellt wurden. Mindestens 200 Geburten sind so nachweisbar. Es muss jedoch von einer höheren Zahl von Geburten ausgegangen werden, denn das Lager Bergen-Belsen wurde seit dem Herbst 1944 immer mehr zum Zielort von Transporten schwangerer Frauen aus Auschwitz, Ravensbrück und Buchenwald.95 Zudem kann aus dem hohen Anteil weiblicher Gefangener an der Gesamtzahl der Inhaftierten – vor allem nach der Entstehung des Großen Frauenlagers Anfang 1945 – auf eine gewisse Anzahl von Geburten geschlossen werden.96
Nach Recherchen der Historikerin Verena Buser lassen sich allein für die Monate Januar bis April 1945 145 Geburten im Großen Frauenlager nachweisen.97 Für das Sternlager liegt sogar eine exakte Zahl vor, da der Judenälteste dort penibel Buch über die Geburten geführt hat.98
Die genaue Anzahl der im Lager verstorbenen Kinder ist aufgrund der schlechten Quellenlage nicht mehr zu klären.99 Zwar sind die Sterbefallbücher des Standesamtes von 1943 und 1944 noch erhalten, von 1945 existieren jedoch nur noch unvollständige Reste, da die Standesbeamten offensichtlich den Zehntausenden von Todesfällen innerhalb des Frühjahrs 1945 nicht mehr folgen konnten.100 Für das Aufenthaltslager hingegen ist eine Übersicht über die Sterbefälle vom 1. März bis zum 6. April 1945 erhalten geblieben. Sie wurde von einem niederländischen Juden erstellt, der seine Beschäftigung in der Häftlingsverwaltung des Lagers dazu nutzte, die Zahl der Verstorbenen in dieser Lagerabteilung zu dokumentieren.101
Um zu einer begründeten Schätzung der Gesamtzahl der Kinderhäftlinge zu kommen, die das Lager zwischen 1943 und April 1945 durchlaufen haben, muss schließlich auch die hohe Fluktuation der Häftlinge bedacht werden, die teilweise in noch vorhandenen Transportlisten nachzuvollziehen ist. Danach haben insgesamt 489 Kinder durch Austauschtransporte, Freilassungsaktionen und Transporte in andere Lager Bergen- Belsen verlassen.102
Nach Angaben der britischen Truppen, die im April 1945 das Lager erreichten, gab es unter den Befreiten 800 Kinder.103 Die Gesamtzahl der Kinder, die in den ersten Monaten des Jahres 1945 in Bergen-Belsen interniert waren, muss jedoch um ein Mehrfaches höher gewesen sein. Fast alle Häftlinge aus dem Aufenthaltslager waren einige Tage vor der Ankunft der britischen Truppen mit drei Zügen in Richtung Theresienstadt evakuiert worden. Somit hatten auch die zahlreichen in diesem Lagerbereich inhaftierten Kinder das Konzentrationslager verlassen.104
Dass eine Schätzung der Anzahl der Kinderhäftlinge letztendlich nur annähernd sein kann, zeigt auch die Tatsache, dass der wissenschaftliche Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, der Historiker Thomas Rahe, ihre Zahl 1995 auf 3.000 bezifferte.105 Aufgrund neuester Forschungsergebnisse musste er jedoch 2018 die Anzahl nach oben korrigieren. Im Begleitheft zur Ausstellung spricht er von 3.500 Kindern, die das Konzentrationslager durchlaufen haben.106
3.2. Die Herkunft der Kinder und ihre Verteilung auf die verschiedenen Lagerbereiche
In jedem Teilabschnitt des Lagerkomplexes befanden sich Kinderhäftlinge. Die meisten von ihnen waren im sogenannten Aufenthaltslager und im Großen Frauenla- ger interniert . Die Mehrzahl der Kinder wurde verfolgt, weil sie jüdisch war. Andere gehörten zur Gruppe der Sinti und Roma. Schließlich befanden sich auch viele Kinder zusammen mit ihren Müttern im Lager, wenn diese zur Zwangsarbeit oder aus politi- schen Gründen inhaftiert worden waren.107
Die genauesten Angaben zu den Kinderhäftlingen existieren für das Aufenthaltslager, aus dem für viele Häftlinge biografische Angaben in der Datenbank der Gedenkstätte vorliegen.108 In diesem Lagerbereich waren überwiegend Familien oder Mütter mit Kindern aller Altersgruppen inhaftiert. Bei den im Ausland internierten Deutschen, die gegen jüdische Familien eingetauscht werden sollten, handelte es sich ebenfalls meist um Familien. Die Kinderhäftlinge waren dabei aus Sicht der SS als Geiseln insofern besonders wertvoll, als dass sich die jüdischen Institutionen, die den Austausch betreuten, in besonderem Maße um die Freilassung von Kindern bemühten.109 In der Realität gelangten jedoch nur wenige Kinder aus dem Aufenthaltslager durch Austauschtransporte oder Freilassungsaktionen in die Freiheit.110
Im Sternlager, dem größten Teilabschnitt des Austauschlagers, lebte ein Drittel aller Lagerkinder. Der Anteil der Kinder von 18 % an der Gesamtzahl der Inhaftierten war dort im Vergleich zu den anderen Lagerteilen recht hoch.111 Viele Kinder waren bereits im September 1943 mit ihren Eltern aus dem niederländischen Judendurchgangslager Westerbork in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert worden und blieben dort fast zwei Jahre lang interniert.112 Ab dem Frühsommer 1944 wurden Ehefrauen jüdischer Kriegsgefangener aus Frankreich mit ihren Kindern aus dem Sammellager Drancy in das Sternlager überstellt.113
Im Sonderlager befanden sich unter insgesamt 600 Inhaftierten 90 Kinder.114 Sie waren zusammen mit ihren Eltern in Transporten aus dem Generalgouvernement nach Bergen-Belsen deportiert worden. Da viele Familien im Besitz südamerikanischer Pässe oder sogenannter Promesas waren,115 hofften sie auf eine baldige Ausreise, viele jedoch vergebens.116 Unter den 1.800 Häftlingen, die zwischen Oktober 1943 und Mai 1944 nach Auschwitz-Birkenau transportiert und dort ermordet worden waren, befand sich auch eine unbekannte Zahl von Kindern.117
Im Neutralenlager waren etwa 100 Kinder interniert, die ebenso wie ihre Eltern Staatsbürger eines neutralen Staates wie beispielsweise Portugal, Spanien, Argentinien und der Türkei waren.118 Im Ungarnlager befanden sich 873 Kinderhäftlinge. Sie waren seit dem Juli 1944 gemeinsam mit ihren Familien aus Ungarn ins Konzentrationslager Bergen-Belsen verschleppt worden. Der Kinderanteil an der Gesamtzahl der in diesem Lager Inhaftierten betrug etwa 14 %. 174 Kinder waren dort zwischen 7 und 8 Jahren alt. Zudem gab es über sechzig Kleinkinder im Alter von 1 bis 2 Jahren. Zwischen Juli 1944 und Februar 1945 wurden 11 Kinder geboren.119 260 dieser Kinder konnten im August bzw. Dezember 1944 das Lager mit den sogenannten Kasztner-Transporten120 in Richtung Schweiz verlassen.121
Im Häftlingslager befand sich eine nicht mehr zu rekonstruierende hohe Anzahl von Kinderhäftlingen, für die das Konzentrationslager Bergen-Belsen in vielen Fällen die Endstation einer teils Jahre dauernden Inhaftierung war.122 Eine Parallelüberlieferung wie für das Aufenthaltslager gibt es für diesen Lagerabschnitt nicht. Es existieren zwar einzelne Transportlisten oder konnten rekonstruiert werden, eine exakte Auswertung nach Jahrgängen ist jedoch nicht möglich. Für einen Teil der Kinder, die mit den großen Evakuierungstransporten nach Bergen-Belsen kamen, offensichtlich falsche Altersangaben vorlagen. Viele Minderjährige hatten vermutlich bereits in den Vernichtungslagern, aus denen sie mit Räumungstransporten nach Bergen-Belsen kamen, ein höheres Alter angegeben, um so der Selektion jüngerer Kinder zur Vernich- tung zu entgehen und damit ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Damit zählten sie hier offiziell nicht mehr zu den Kindern.123
In dem ab März 1944 neu eingerichteten Häftlingslager I für kranke und damit arbeits- unfähige Männer befanden sich einzelne Kinderhäftlinge, die in Begleitung des Vaters oder von Verwandten waren. Einige waren dort auch ohne Familienangehörige inhaftiert.124 Im Spätsommer 1944 erreichten große Transporte mit weiblichen Häftlingen aus dem Aufstand im Warschauer Ghetto und aus dem KZ Auschwitz das Kleine Frauenlager im KZ Bergen-Belsen. Sie waren begleitet von vielen Kindern, die bei dem Aufstand oder in dem Vernichtungslager schon einen Teil ihrer Familie verloren hatten.125
Mit den Evakuierungstransporten aus frontnahen Konzentrationslagern kamen zwischen Ende 1944 und April 1945 noch einmal zahlreiche Kinder aus unterschiedlichen Verfolgtengruppen nach Bergen-Belsen, darunter in größerer Zahl Kinder der Sinti und Roma, die zu dem Zeitpunkt als Häftlingsgruppe den größten prozentualen Anteil von Kindern im Großen Frauenlager stellten. Sie stammten vornehmlich aus den Transporten, die aus Auschwitz und seinen Außenlagern sowie aus Ravensbrück nach Bergen-Belsen gekommen waren.126
Ab Januar 1945 wurden schwangere Gefangene aus allen Konzentrationslagern im Reichsgebiet ausschließlich in das Konzentrationslager Bergen-Belsen überstellt, wodurch der Kinderanteil im Großen Frauenlager weiter angestiegen sein muss.
[...]
1 Anstelle der geplanten Feierlichkeiten fand eine kleine Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung und kurzen Ansprachen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und des Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Michael Fürst, am zentralen Denkmal der Gedenkstätte statt. Die eingeplanten Ansprachen wurden von den Rednerinnen und Rednern zu Hause auf Video aufgenommen. Die Gedenkstätte hat diese Botschaften sowie historisches Hintergrundmaterial zum Konzentrationslager Bergen-Belsen und seiner Befreiung auf einer Internetseite veröffentlicht: Gedenkstätte Bergen-Belsen, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten: Gedenken am 19. April 2020. <https://www.befreiung1945.de/de/75-jahre- befreiung/gedenken-2020/> [Stand: 15.05.2020].
2 Wagner, Jens-Christian/Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten (Hg.): Kinder im KZ Bergen- Belsen. Begleitheft zur Ausstellung, Celle 2018.
3 Theilen, Karin/Gring, Diana: Video-Interviewprojekte der Gedenkstätte Bergen-Belsen, in: BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 19/2 (2006), S. 1.
4 Als Child Survivors werden jüdische Kinder und Jugendliche bezeichnet, die „im NS-besetzten Europa durch welches Mittel auch immer im Versteck, als Partisanen, in den Ghettos oder in den Lagern [überlebt haben und] nicht älter als sechzehn am Ende des Krieges waren“; Kangisser Cohen, Sharon: Child Survivors of the Holocaust in Israel: „Finding their Voice“. Social Dynamics and Post- War Experiences, Sussex 2005, S. 2.
5 Rahe, Thomas/Tessa Bouwman/Diana Gring u.a.: Kinder im KZ Bergen-Belsen. Pädagogische Materialien, Celle 2018, S. 6.
6 Benz, Wolfgang/Königseder, Angelika (Hg.): Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression, Berlin 2008.
7 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 3. Sachsenhausen, Buchenwald, Flossenbürg, München 2006.
8 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 5. Hinzert, Auschwitz, Neuengamme, München 2007.
9 Buser, Verena: Überleben von Kindern und Jugendlichen in den Konzentrationslagern Sachsenhau- sen, Auschwitz und Bergen-Belsen, Berlin 2011, S. 12/269; Distel, Barbara: Kinder und Jugendliche im nationalsozialistischen Verfolgungssystem, in: Edgar Bamberger/Annegret Ehmann (Hg.): Kinder und Jugendliche als Opfer des Holocaust. Dokumentation einer internationalen Tagung in der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz 12. bis 14. Dezember 1994, Heidelberg 1995, S. 53-67.
10 Adler, H.G.: Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland, Tübingen 1974, S. 140/416.
11 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.):: Kinder im KZ Bergen-Belsen, S. 65; Der hier genannte Schätzwert basiert auf aktuellen Auswertungen des Namensverzeichnisses des Konzentrationslagers Bergen-Belsen (NVZ); Gring, Diana: Zwischen „Familie im Lager“ und „Lagerfamilie“. Kinder und ihre familiären Beziehungen in Videointerviews mit Child Survivors des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, in: Habbo Knoch/Thomas Rahe (Hg.): Bergen-Belsen. Neue Forschungen, Göttingen 2014, S. 124-149.
12 Dem Begriff „Kinder“ liegt eine Altersbegrenzung bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zugrun- de. Diese Festlegung ist meines Erachtens sinnvoll, da die jungen Häftlinge bis zum Alter von 15 Jahren einerseits zusammen mit ihren Müttern in einer Baracke untergebracht waren, andererseits noch keine Zwangsarbeit leisten mussten, sodass sich ihre Lebenssituation wesentlich von der der älteren Minderjährigen unterschied.
13 Dwork, Deborah: Children with a Star. Youth in Nazi Europe, New Haven/London 1993 (dt. Kinder mit dem gelben Stern. Europa 1933-1945, München 1994), S. 277-305; Plato von, Alexander: Oral
14 Gring: Zwischen „Familie im Lager“ und „Lagerfamilie“, S. 120-133.
15 Dwork: Children with a Star, S. 293-294.
16 Gedenkstätte Bergen-Belsen: Forschung & Dokumentation. <https://bergen-belsen.stiftung- ng.de/de/forschung-dokumentation/> [Stand: 29.02.2020].
17 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): Kinder im KZ Bergen-Belsen, S. 11/37-42; Gedenkstätte Bergen-Belsen: Forschung & Dokumentation. <https://bergen-belsen.stiftung- ng.de/de/forschung-dokumentation/> [Stand: 29.02.2020]; Die Gedenkstätte verfügt nur für wenige Fotos über ein uneingeschränktes Nutzungsrecht. Es liegt in den meisten Fällen beim Imperial War Museum in London.
18 Ebd. S. 19/27/31; Ebd.
19 Diese Selbstzeugnisse befinden sich in der Datenbank im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen (im Folgenden AGBB).
20 Theilen/Gring: Video-Interviewprojekte, S. 315.
21 Ebd. S. 314.
22 Buser, Verena: Überleben von Kindern und Jugendlichen in den Konzentrationslagern Sachsenhau- sen, Auschwitz und Bergen-Belsen, Berlin 2011, S. 29; Laut der Historikerin Dorothee Wierling sollte in diesem Zusammenhang nicht von der „Erinnerung“ der Überlebenden gesprochen werden, sondern von ihren „Erzählungen“, da wir nur auf diese Zugriff haben; Wierling: Fünfundzwanzig Jahre Oral History.
23 Gring: Zwischen „Familie im Lager“ und „Lagerfamilie“, S. 133.
24 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 30; Rahe, Thomas: Die Bedeutung der Zeitzeu- genberichte für die historische Forschung zur Geschichte der Konzentrations- und Vernichtungslager, in: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.): Kriegsende und Befreiung. Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland 2 (1995), S. 93.
25 Aus diesem Grund wurden Wiedergutmachungsverfahren, die Kinderüberlebende angestrengt hatten, abgewiesen; Kaplan, Suzanne: Wenn Kinder Völkermord überleben. Über extreme Traumati- sierung und Affektregulierung, Gießen 2010, S. 38; Walter, Verena: Kinder in Konzentrationslagern. Zur Bedeutung von Erinnerungsdiskursen, in: Dachauer Hefte 22/2006, S. 199-207, hier S. 199; Eitinger, Leo: Die Jahre danach. Folgen und Spätfolgen der KZ-Haft, in: Dachauer Hefte. Überleben und Spätfolgen Heft 8 (1992), S. 9.
26 Kangisser Cohen, Sharon: „The Silence of Hidden Child Survivors of the Holocaust”, in: Yad Vashem Studies 33 (2005), S. 171-202; Kestenberg, Judith und Milton: “Organized Persecution of Children by Nazis. Summary of the Study’s Results - Preliminary findings.” in: Echoes of the Holo- caust. Bulletin of the Jerusalem Center for Research into the Late Effects of the Holocaust. 2 (1993), S. 19
27 Suleiman, Susan Rubin: The 1.5 Generation. Thinking About Child Survivors and the Holocaust, in: American Imago 59/3 (2002), S. 277-295.
28 World Federation of Jewish Child Survivors of the Holocaust: <http://www.wfjcsh.org/> [Stand: 05.02.2020].
29 Kestenberg, Judith S./Kestenberg, Milton E.: Die Verfolgung von Kindern durch die Nazis, in: Gertrud Hardtmann (Hg.): Spuren der Verfolgung. Seelische Auswirkungen des Holocaust auf die Opfer und ihre Kinder, Gerlingen 1992. S. 80-92.
30 Kaplan: Wenn Kinder Völkermord überleben.
31 Eisen, George: Children and Play in the Holocaust. Games among the shadows, Massachusetts 1988 (dt. Spielen im Schatten des Todes. Kinder und Holocaust, München 1993).
32 Dwork: Children with a Star.
33 Die allerersten deutschsprachigen Veröffentlichungen sollen hier vollständigkeitshalber erwähnt werden. Es handelt sich dabei um die Publikation von Inge Deutschkron, die als Jüdin in einem Versteck die nationalsozialistische Verfolgung überlebt hatte und in ihrem 1965 erschienenen Buch die schrecklichen Erlebnisse einiger Kinder im Konzentrationslager Auschwitz dokumentiert. Auf der Grundlage von Zeugenaussagen in den Frankfurter Auschwitz-Prozessen schildert sie die Experimente des Arztes Josef Mengele an Zwillingen; Deutschkron, Inge: „…denn ihrer war die Hölle. Kinder in Ghettos und Lagern“, Köln 1965. Eine weitere Veröffentlichung erschien 1984. Die Pädagogin Lotte Adolphs beleuchtet darin verschiedene Aspekte der Inhaftierung Minderjähriger in Ghettos und Konzentrationslagern. Adolphs, Lotte: Kinder in Ketten. Kinderschicksale in Gettos und Konzentrationslagern, Duisburg 1984.
34 Ebd.
35 Ebd.
36 Ebd.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Rahe, Thomas: Aus "rassischen" Gründen verfolgte Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Eine erste Skizze, in: Bamberger, Edgar/Ehmann, Annegret (Hg.): Kinder und Jugendliche als Opfer des Holocaust, Heidelberg 1995, S. 129-143.
41 Grill, Michael „Kinder und Jugendliche im KZ Neuengamme“, in: Edgar Bamberger/Annegret Ehmann (Hg.): Kinder und Jugendliche als Opfer des Holocaust. Dokumentation einer internationalen Tagung in der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“. 12.-14. Dezember 1994. Heidelberg 1995, S. 107-128.
42 Hoffmann, Rosemarie: Das Schicksal der Kinder und Jugendlichen des Konzentrationslagers Buchenwald. Reflexionen in der Literatur, in: Edgar Bamberger/Annegret Ehmann (Hg.): Kinder und Jugendliche als Opfer des Holocaust. Dokumentation einer internationalen Tagung in der Gedenk- stätte „Haus der Wannsee-Konferenz“. 12.–14. Dezember 1994, Heidelberg 1995, S. 145-163.
43 Rahe, Thomas: Jüdische Waisenkinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen, in: Dachauer Hefte.: Verfolgung als Gruppenschicksal. Studien und Dokumente zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 14 (1998), S. 31-49.
44 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Verfolgung als Gruppenschicksal (Dachauer Hefte. Studien und Dokumente zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 14), Dachau 1998.
45 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager in neun Bänden, München 2005.
46 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen.
47 Hiemesch: Kinder im Konzentrationslager Ravensbrück.
48 Gring: Zwischen „Familie im Lager“ und „Lagerfamilie“, S. 124-149.
49 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): „Kinder im KZ Bergen-Belsen“.
50 Kolb, Eberhard: Bergen-Belsen. Vom „Aufenthaltslager“ zum Konzentrationslager 1943-1945, Göttingen6 2002, S. 21; Rahe, Thomas: Bergen-Belsen Stammlager, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 7, Niederhagen/Wewelsburg, Lublin-Majdanek, Arbeitsdorf, Herzogenbusch (Vught), Bergen-Belsen, Mittelbau-Dora, München 2008, S. 189.
51 Himmler war als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums für die Rückführung der im Ausland lebenden Reichs- und Volksdeutschen zuständig; Wenck, Alexandra-Eileen: Zwischen Menschenhandel und ‚Endlösung‘. Das Konzentrationslager Bergen-Belsen, Paderborn 2000, S. 76. 52 Rahe, Thomas: Bergen-Belsen Stammlager, S. 17.
52 Ebd.
53 Kolb: Bergen-Belsen, S. 23.
54 Wenck: Zwischen Menschenhandel und ‚Endlösung‘, S. 386; Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 189.
55 Adler, Hans G.: Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland, Tübingen 1974, S. 30.
56 Wenck: Zwischen Menschenhandel und ‚Endlösung‘, S. 42/76; Himmler übte als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei die oberste Kontrolle über das nationalsozialistische Lagersystem aus. 57 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen. Berichte und Dokumente, Göttingen 1995, S. 25-26.
57 Ebd.
58 Kolb: Bergen-Belsen, S. 24/132-133; Dokument im Abbildungsverzeichnis, S. 98.
59 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 189-190.
60 Kolb: Bergen-Belsen, S. 26-27.
61 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 190; Durch diese Umbenennung wollte die WVHA den freien Zugang zu dem Zivilinterniertenlager, der gemäß der Genfer Konvention für Internationale Kommissionen gewährt sein musste, unterbinden; Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 33-34
62 Promesas waren „konsularische Schreiben verschiedener südamerikanischer Schreiben, in denen die künftige Erteilung einer Staatsangehörigkeit in Aussicht gestellt wurde“; Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 191.
63 Die von der britischen Mandatsregierung ausgestellten Palästinazertifikate bestätigten die Anwartschaft auf ein Einreisevisum nach Palästina. Da die Einreise nach Palästina seit 1939 stark eingeschränkt war, handelte es sich hier um seltene und daher sehr begehrte Dokumente. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 26 und 40-45.
64 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 190; Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, Dokument 6, S. 26.
65 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 26.
66 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 191-193.
67 Ebd., S. 18.
68 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 27.
69 Datenbank im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen (AGBB).
70 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 27.
71 Kolb: Bergen-Belsen, S. 33.
72 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 18.
73 Ebd., S. 19.
74 Kolb: Bergen-Belsen, S. 30.
75 Ebd.
76 Ebd.
77 Ebd.
78 Ebd.
79 Ebd.
80 Ebd.
81 Kolb: Bergen-Belsen, S. 41-42.
82 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 204.
83 Ebd., S. 206.
84 Kolb: Bergen-Belsen, S. 38.
85 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 21; Lagerpläne im Abbildungsverzeichnis, S. 100-101.
86 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 190.
87 Ebd., S. 208.
88 Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 203.
89 Ebd., S. 207.
90 Ebd., S. 204.
91 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): Kinder im KZ Bergen-Belsen, S. 36.
92 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): „Kinder im KZ Bergen-Belsen“, S. 1.
93 Ebd., S. 130.
94 Rahe, Thomas: "Ich wußte nicht einmal, daß ich schwanger war". Geburten im KZ Bergen-Belsen, in: Füllberg-Stolberg, Claus/Jung, Martina/Riebe, Renate: Frauen in Konzentrationslagern. Bergen- Belsen, Ravensbrück, Bremen 2002, S. 148.
95 Ebd., S. 153-154.
96 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): „Kinder im KZ Bergen-Belsen“, S. 62.
97 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 264.
98 Rahe: "Ich wußte nicht einmal, daß ich schwanger war", S. 148.
99 Rahe: "Ich wußte nicht einmal, daß ich schwanger war", S. 152.
100 Ebd., S. 148.
101 Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Konzentrationslager Bergen-Belsen, Berichte und Dokumente, S. 164.
102 Rahe: Aus "rassischen" Gründen verfolgte Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen, S. 130.
103 Wagner/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (Hg.): „Kinder im KZ Bergen-Belsen“, S. 65.
104 Ebd., S. 130; Ebd.
105 Ebd.
106 Ebd.
107 Ebd.
108 Ebd.
109 Ebd.
110 Ebd.
111 Ebd.
112 Ebd.
113 Ebd.
114 Datenbank im Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen (AGBB); Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 226.
115 Es handelte sich dabei um „[…] konsularische Schreiben, in denen die künftige Erteilung einer Staatsangehörigkeit in Aussicht gestellt wurde.“; Rahe: Bergen-Belsen Stammlager, S. 191.
116 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 225.
117 Wenck: Zwischen Menschenhandel und ‚Endlösung‘, S. 153f.
118 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 232.
119 Ebd., S. 234-235.
120 Rudolf Kasztner war ein ungarisch-jüdischer Jurist, der als Mitglied des jüdischen Hilfskomitees Budapest nach der Besetzung Ungarns 1944 mit der SS über die Zukunft der ungarischen Juden verhandelte. Bereits vor dem Abtransport der Gruppe von Juden in das KZ Bergen-Belsen vereinbarte er mit der SS eine Zahlung von 1.000 Reichsmark pro Person für ihre baldige Freilassung. Mitte und Ende 1944 konnten daher insgesamt 1.690 ungarische Häftlinge das Lager mit den sogenannten Kasztner-Transporten in Richtung Schweiz verlassen. Benz, Wolfgang (Hg.): Lexikon des Holocaust (Beck’sche Reihe), München 2002, S. 117.
121 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 234; Wagner/Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten (Hg.): „Kinder im KZ Bergen-Belsen“, S. 13.
122 Buser: Überleben von Kindern und Jugendlichen, S. 258.
123 Ebd.
124 Ebd.
125 Ebd.
126 Ebd.
- Arbeit zitieren
- Elena Schmitz (Autor:in), 2020, Kinder im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Lebensbedingungen der Kinderhäftlinge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/983290
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