Die digitale Transformation hat Einfluss auf alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Dieser Wandel schreitet mit einer rasanten Geschwindigkeit voran und leitet einen Paradigmenwechsel der vorherrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ein. Dabei macht er auch vor Führungskräften und Mitarbeitern nicht halt.
Neue Technologien, agile Arbeitsformen, veränderte Teamstrukturen und zunehmende Projektarbeit bestimmen den Arbeitsalltag in einem transformierenden Unternehmen. Welche Möglichkeiten der Transformation stehen nicht digitalen Geschäftsmodellen zur Verfügung? Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Mitarbeiterführung? Welche Schlüsselkompetenzen benötigt ein Digital Leader?
In ihrem Buch analysiert Jasmin Badarne die neuen Anforderungen an moderne Führungskräfte im Zeitalter der Digitalisierung. Anhand eines Finanzdienstleisters zeigt sie konkret, wie Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen von dem digitalen Wandel betroffen sind und welche Maßnahmen die HR-Abteilung für den erforderlichen Kompetenzaufbau initiiert. Sie untersucht dabei insbesondere, ob das Schulungskonzept für die Ausbildung von Digital Leadern ausreicht oder ob es angepasst werden muss.
Aus dem Inhalt:
- VUCA-Welt;
- Digital Natives;
- Agilität;
- Veränderungsbereitschaft;
- Generationenkonflikt;
- Führung 4.0
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung der Masterthesis
1.3 Aufbau der Masterthesis
2 Theoretischer Teil
2.1 Digitale Transformation
2.2 Digital Maturity Index
2.3 Digital Leadership
2.4 New Work: Die Arbeitswelt im Wandel
2.5 Zusammenfassung des theoretischen Teils
3 Methodischer Teil
3.1 Auswahl des Forschungsdesigns
3.2 Präzisierung der untersuchungsrelevanten Variable
3.3 Konzipierung des Forschungsplans
3.4 Qualitative Inhaltsanalyse der Interviews nach Mayring
4 Ergebnisse
4.1 Analyse der untersuchungsrelevanten Variablen
4.2 Digitale Transformation
4.3 New Work
4.4 Digital Leader
4.5 Schlüsselkompetenzen
5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Hypothesenprüfung und Beantwortung der Leitfragen
5.3 Überprüfung der Gütekriterien
5.4 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
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Abstract
Die sich sukzessive vollziehende digitale Transformation hat tiefgreifende Implikationen auf etablierte ökonomische Gesetzmäßigkeiten. Bestehende Organisationen mit den zugrundeliegenden Geschäftsmodellen sind im Zeitalter der digitalen Ökonomie aufgrund des neuen wirtschaftlichen Umfelds von einer potenziellen Marktverdrängung bedroht. Aber auch im Inneren der Organisation kristallisiert sich eine neue Arbeitswelt heraus, die insbesondere Führungskräfte in einer von Schnelllebigkeit und Komplexität dominierten Welt, vor neue Herausforderungen stellt. Hieraus leiten sich neue Anforderungen an Führungskräfte im vorherrschenden Transformationsprozess ab.
Vordergründig beschäftigt sich diese Masterthesis mit dem Themenschwerpunkt Digital Leadership und hat zum Ziel, die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Mitarbeiterführung darzulegen und zeitgleich die notwendigen Schlüsselkompetenzen von Digital Leadern aufzuzeigen. Ersichtlich wird, dass Führungskräfte eine entscheidende Rolle im Transformationsprozess einnehmen. Sie agieren als Treiber und Vorbild, geben zunehmend Macht an ihre Mitarbeiter ab und zeichnen sich durch Enabling und ausgeprägtem beziehungsförderndem Verhalten aus. Die dialogische Kommunikationsfähigkeit, die eigene Bereitschaft für Veränderungen, insbesondere die Reaktionsgeschwindigkeit und Agilität sowie die Fähigkeit des Mitarbeitercoachings, zählen zu den wichtigsten Kompetenzen zukünftiger Führungskräfte.
Am Beispiel der 123 Versicherung wurde mit Hilfe von Experteninterviews untersucht, ob das „Digital Leadership“ Qualifizierungsprogramm die Führungskräfte mit den erforderlichen Schlüsselkompetenzen für das digitale Zeitalter ausstattet. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die befragten Experten ein ausgeprägtes Verständnis für die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das Unternehmen besitzen. Deutlich wurde auch, dass ein Anpassungsbedarf im Schulungskonzept notwendig ist, um die Führungskräfte noch zielgerichteter auf die Anforderungen der neuen digitalen Arbeitswelt vorzubereiten.
Schlagwörter: Digital Leadership, Schlüsselkompetenzen, Digital Leader, New Work, Digitale Transformation, Führung auf Distanz, Führung 4.0, Digitalisierung, digitale Ökonomie, Change-Management, VUCA-Welt, Geschäftsmodelltransformation, digitaler Transformationsprozess, Führungskompetenzen im digitalen Zeitalter, Digital Maturity Index, Digitaler Reifegrad, Generationenkonflikt, Digital Natives
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Wirkungsrichtungen der digitalen Transformation auf die Ökonomie
Abbildung 2: Einflussfaktoren der Digitalisierung auf Branche und Wettbewerb
Abbildung 3: Digital Maturity Index
Abbildung 4: Die vier Treiber des Wandels in der Arbeitswelt
Abbildung 5: Die zentralen Veränderungen von Führung im digitalen Zeitalter
Abbildung 6: Operationalisierung des Konstruktes "Digital Leadership"
Abbildung 7: Rolle der Führungskraft im Transformationsprozess
Abbildung 8: Ergebnisdarstellung der zukünftigen Schlüsselkompetenzen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
„Das Internet ist wie eine Welle: Entweder man lernt auf ihr zu schwimmen oder man geht unter.“1 Die digitale Transformation ist omnipräsent und hat Einfluss auf alle Wirtschafts- und Lebensbereiche. Dieser Wandel schreitet mit einer rasanten disruptiven Geschwindigkeit voran und leitet einen Paradigmenwechsel der vorherrschenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ein. Es ist der Beginn einer neuen Ära, in der etablierte wirtschaftliche Leitplanken in einer Orientierungslosigkeit münden, das wirtschaftliche Umfeld in eine VUCA-Welt katapultiert wird und dadurch eine tiefgreifende Prägung erfährt.2 Erschwerend kommt hinzu, dass der Nährboden der florierenden Digitalisierung in der boomenden Globalisierung verwurzelt ist und eine hochgradig verwobene Ökonomie mit weltumspannenden Lieferketten hervorbringt. Dieser unberechenbare Wandel verursacht einen unaufhaltsamen Gegenwind zu den wichtigsten Faktoren, die in den vergangenen Jahrzehnten die Gewinnmarge etablierter Unternehmen beeinflusst haben.3
Die globale Wechselseitigkeit hat zur Folge, dass die Markteintrittsbarrieren für marktfremde Akteure sinken und etablierte Wettbewerbs- und Kostenvorteile entwertet werden sowie langjährige Marktexpertise agierender Unternehmen durch disruptive Technologien substituiert wird.4 Das exponentielle Wachstum der Rechen- und Speicherleistung, korrelierend mit den rekombinatorischen Eigenschaften innovativer Technologien, lassen etablierte Geschäftsmodelle unerwartet obsolet werden.5 Dabei stellen insbesondere Plattformgeschäftsmodelle eine besondere Bedrohung dar. Denn gelingt diesen die flächendeckende Akzeptanz der plattformeigenen Standards bei der jeweiligen Nutzergruppe, kann die Monopolstellung annektiert werden und der „the winner takes it all“-Effekt entfaltet seine umfängliche Wirkung.6 Im bestehenden Kontratjew-Zyklus sind Organisationen allesamt von einer potenziell großflächigen Marktverdrängung betroffen.7 Diese werden mit der erdrückenden Herausforderung konfrontiert, das eigene Geschäftsmodell grundlegend zu hinterfragen, damit dieses anschließend, unwissend der zukünftigen Rahmenbedingungen, digital transformiert werden kann. Der organisationale Transformationsprozess tangiert neben dem existierenden Geschäftsmodell auch die Produktion und die dahinterstehenden Wertschöpfungsketten. Insbesondere auf die Arbeitswelt von Unternehmensinhabern, Führungskräften und Mitarbeitern hat dieser Wandel einen erheblichen Einfluss.8 Dabei bestimmen neue Technologien, agile Arbeitsformen, veränderte Teamstrukturen und zunehmende Projektarbeit den Arbeitsalltag in einem transformierenden Unternehmen. In jenen veränderungsintensiven Zeiten, in denen kontinuierliche Schnelllebigkeit gepaart mit hochgradiger Komplexität dominieren, sind gut ausgebildete Führungskräfte, vor allem bei der Einführung neuer Arbeitsformen und Geschäftsmodellen, besonders gefordert. Durch den vorherrschenden Paradigmenwechsel werden grundlegend neue Anforderungen an zukünftige Leader und dem damit verbundenen Führungsverständnis gestellt. Entscheidend sind in diesem Kontext die Machtabgabe von Führungskräften hin zum Mitarbeiter sowie die Wandelungsfähigkeit des Leaders zum Mentor respektive Coach der Mitarbeiter.9
Vor einigen Jahren galt eine hohe Fachkompetenz noch als Zugangsvoraussetzung für eine Führungsposition. Hingegen ist im digitalen Zeitalter eine Kompetenzverschiebung zu ausgeprägten sozialen Fähigkeiten erkennbar. Führungskräfte und die, die es werden möchten, müssen sich einer Vielzahl an divergenten Anforderungen stellen.10 Unter anderem sind das neue technologische Ansprüche durch die zunehmende Virtualität der Teams, organisatorische, durch die zweifelsohne erwartete Agilität im Arbeitsalltag sowie nicht zuletzt kommunikative, durch die neuartige Form der Führung auf Distanz und der überlassenen Selbstorganisation der Mitarbeiter.11 Infolge des wandelnden Rollenprofils und der Verschiebung des relevanten Softskillsets begegnen betroffene Führungskräfte in Zeiten des Umbruchs auch einer grundlegenden persönlichen Herausforderung. Es wird erwartet, dass sie sich zu Mentoren und Coaches wandeln, die mit kühnem Mut voranschreiten, um den Raum zu schaffen, den es für die Entstehung von neuen Ideen bedarf.12 Dabei ist es offensichtlich, dass neue Ideen, Innovationen und Kreativität für den Erfolg des digitalen Transformationsprozesses und um eine potenzielle Marktverdrängung zu verhindern, unabdingbar sind.13 Allerdings bedarf es in Organisationen der richtigen Struktur, um neue Ideen zu fördern, Innovationen anzukurbeln und Kreativität zu entfalten. Kreatives Arbeiten ermöglicht die Ergründung neuer Wege, vorausgesetzt es werden genügend Freiräume den Beteiligten geboten.14 Ersichtlich wird, dass der Erfolg des Transformationsprozesses eines Unternehmens maßgeblich von seinen Führungskräften bedingt wird und diese eine wichtige Schlüsselressource in diesen veränderungsintensiven Zeiten einnehmen. Daher nehmen der Aufbau und die Manifestierung der relevanten Softskills über sämtliche Hierarchieebenen hinweg einen signifikanten Einfluss auf das Gesamtergebnis. Leader sind eine erfolgsbringende Schlüsselressource, die es gilt als Katalysatoren im Change Management Prozess einzusetzen. Dies gilt auch, wenn zeitgleich das organisationale Gebilde einem permanenten Wandel ausgeliefert ist.15
Einleuchtend ist in diesem Zusammenhang, dass dieser grundlegende Wandel in der Führungsmentalität und im Mindset der betroffenen Organisationsmitglieder nicht von heute auf morgen erfolgt. Dabei liegt die originäre Verantwortung dieser Transformation nicht nur bei der Führungskraft selbst, sondern vor allem bei den Human Resource Management-Abteilungen der betroffenen Unternehmen. Diese sind aufgefordert, peerorientierte Weiterbildungsformen zu konzipieren. Hierdurch sollen Führungskräfte für das Zeitalter des digitalen Leaderships mit den erforderlichen Skills respektive Kompetenzbereichen ausgestattet und diese über geeignete Formate vermittelt werden.16 Vorrangig geht es hierbei nicht um den Umgang mit neuen Technologien, sondern um die Unterstützung von Networking, dem Denken „outside the box“, der Partizipation und der Verankerung von Leitplanken, die trotz der rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit im unternehmerischen Umfeld Sicherheit gewähren.17 Auch die 123 Versicherung ist von den Implikationen des digitalen Wandels maßgeblich betroffen und befindet sich inmitten des digitalen Umbruchs- und Transformationsprozesses. Die HR-Abteilung des Versicherers sieht sich mit der Frage konfrontiert, wie sie ihre Führungskräfte bestmöglich unterstützen und ausbilden kann, um diese mit den relevanten und erforderlichen Kompetenzen für das digitale Zeitalter auszustatten. Der Versicherer hat für unterschiedliche Hierarchieebenen bereits divergente Weiterbildungsprogramme initiiert, um „Digital Leadership“ zu verankern und die individuelle digital Readiness der Führungskräfte zu erhöhen. Zentraler Untersuchungsgegenstand dieser Masterthesis ist die Erhebung der Effektivität und Effizienz der von der HR-Abteilung der 123 Versicherung initiierten Maßnahmen im Kontext von „Digital Leadership“.
1.2 Zielsetzung der Masterthesis
Das Ziel dieser Masterthesis ist es, mit Hilfe einer vorausgegangenen wissenschaftlichen Analyse der einschlägigen Literatur, die Implikationen der Digitalisierung auf die Mitarbeiterführung darzulegen und die daraus resultierenden Veränderungen in den notwendigen Schlüsselkompetenzen für moderne Führungskräfte im Zeitalter der Digitalisierung zu eruieren. Am Beispiel der 123 Versicherung wird konkret aufgezeigt, wie innerhalb des digitalen Transformationsprozesses Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen von dem digitalen Wandel maßgeblich betroffen sind und welche Maßnahmen die HR-Abteilung für den erforderlichen Kompetenzaufbau initiiert. Dabei beschäftigt sich die vorliegende Masterthesis schwerpunktmäßig mit der empirischen Untersuchung der durchgeführten Maßnahmen für die Führungskräfte in der 123 Versicherung im Hinblick auf deren bedarfsgerechten und nutzenstiftenden Einsatz. Mittels Experteninterviews wird untersucht, ob das Schulungskonzept der HR-Abteilung die Führungskräfte der 123 Versicherung mit dem erforderlichen Softskillset für die neue Form der Mitarbeiterführung ausstattet. Darüber hinaus wird analysiert, ob durch die angebotene Weiterbildung die Teilnehmer tatsächlich ihre persönliche digitale Readiness erweitern konnten oder ein Anpassungsbedarf im Schulungskonzept erforderlich ist.
Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser wissenschaftlichen Arbeit wird für das Konstrukt „Führung“ und die damit verbundenen klassischen Führungstheorien keine literaturbasierte Herleitung erfolgen.
1.3 Aufbau der Masterthesis
Nach einer Einführung in die Problemstellung sowie der Zielsetzung, denen sich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit widmet, wird anschließend der Terminus „Digitale Transformation“ literaturbasiert erläutert. In diesem Kontext werden die gravierenden Auswirkungen dieses Kontratjew-Zyklus auf die unterschiedlichen Bestandteile der Wirtschaft, bspw. Branchen, Kunden und Wettbewerb, aufgezeigt. Darüber hinaus wird das Akronym der herausfordernden VUCA-Welt detaillierter dargelegt. Der erste Teil der theoretischen Grundlagen findet seinen Abschluss in der Ausführung der Transformationsmöglichkeiten von nicht originär digitalen Geschäftsmodellen sowie der Vorstellung eines theoretischen Modells zur Ermittlung des digitalen Reifegrades im fortgeschrittenen Transformationsprozess. Darauf aufbauend findet in der weiteren Ausführung der Terminus „Digital Leadership“ nähere Betrachtung. Hierfür wird der Wandel in der Arbeitswelt aufgezeigt und welche Auswirkung die Digitalisierung auf die Mitarbeiterführung konkret hat. Ferner wird in diesem Zusammenhang auf den sich verschärfenden Generationenkonflikt zwischen den „Digital Natives“ und den „Digital Immigrants“ eingegangen. Anschließend werden literaturbasiert die essentiellen Schlüsselkompetenzen der Führungskräfte im digitalen Zeitalter herausgearbeitet. Anhand von empirischen Studien wird die derzeitige Ausprägung und Realisierung des relevanten Softskillsets in der deutschen Wirtschaft durchleuchtet. Darauf aufbauend wird im nächsten Schritt die Handhabung von Digital Leadership bei der 123 Versicherung näher betrachtet. Hierfür werden auf der Makroebene der Versicherer und seine Strategie im Umgang mit der digitalen Transformation vorgestellt. Sodann wird auf der Mesoebene das Führungsverständnis des Versicherers und das damit verbundene Konzept der HR-Abteilung zur Implementierung von Digital Leadership tiefergehend dargelegt. Der Ausgangspunkt zur Entwicklung der relevanten Forschungsfrage sowie die Ableitung der darauf bezogenen Kausalhypothesen, die in der weiteren Ausführung dieser wissenschaftlichen Arbeit untersucht werden, liefern die Zusammenfassung der zuvor eruierten theoretischen Erkenntnisse.
Der darauffolgende methodische Teil dieser wissenschaftlichen Arbeit widmet sich der empirischen Untersuchung der zuvor aufgestellten Kausalhypothesen. Zur Falsifizierung bzw. Verifizierung der Hypothesen wird ein halbstandardisierter Leitfadenfragebogen konzipiert und anschließend in Experteninterviews eingesetzt. Hierzu wird die Wahl der qualitativen Untersuchungsmethode detailliert begründet und in diesem Kontext das Forschungsdesign mit der zu untersuchenden Grundgesamtheit, die durchgeführte Stichprobenauswahl sowie Operationalisierung des Konstruktes „Digital Leadership“ konkreter erläutert. Weiter werden die zugrunde liegenden Überlegungen für die Konzeption des halbstandardisierten Leitfadenfragebogens sowie die Durchführung und Transkription der Experteninterviews erörtert. Das untersuchungsrelevante Material wird anschließend mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die aus dem hermeneutischen Verfahren eruierten Ergebnisse werden zunächst beschrieben und anschließend interpretiert. Hierfür werden die zuvor aufgestellten Forschungsfragen und Kausalhypothesen herangezogen und überprüft. Um die Qualität der angewendeten Forschungsmethode, bspw. hinsichtlich möglicher Limitierungen und Forschungslücken, zu bewerten, werden die Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens im anschließenden Diskussionsteil überprüft. Die wissenschaftliche Arbeit findet ihren Abschluss in einem zusammenfassenden Fazit und einem Ausblick zu der perspektivischen Entwicklung von Digital Leadership sowie Gestaltungsmöglichkeiten im Schulungskonzept der 123 Versicherung.
2 Theoretischer Teil
2.1 Digitale Transformation
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Und alles, was vernetzt werden kann, wird auch vernetzt. Das betrifft Menschen, Maschinen und Produkte gleichermaßen.“18 Die vorherrschenden Entwicklungen der Digitalisierung lassen deutlich erkennen, dass die digitale Transformation einen fundamentalen Einfluss auf etablierte Prozesse, Produkte, Dienstleistungen sowie auf das existierende Geschäftsmodell und der damit verbundenen Wertgenerierung einer Organisation hat. Dies ist nicht zuletzt auf den unaufhaltsamen disruptiven Charakter des digitalen Wandels zurückzuführen. Bereits im frühen zwanzigsten Jahrhundert erkannte Joseph Schumpeter die essentielle Notwendigkeit von Disruptionen, um wirtschaftliches Wachstum zu konstatieren.19 Schumpeter definiert in diesem Kontext Disruption als „kreative Zerstörung“, die es braucht, wenn der Wind des Wandels weht. Nur so könne Bestehendes aufgebrochen werden, um Neuartiges in Form von Innovationen zu schaffen.20 Basis-Technologien wie Big Data, Sensorik, Internet of Things, 3D-Druck oder künstliche Intelligenz sind disruptive Innovationen, die durch die Steigerung der technischen Leistungs- und Rechenfähigkeit entstehen. Diese beschreiben im Kern was den digitalen Wandel ausmacht und stellen zeitgleich den Katalysator des radikalen Paradigmenwechsels dar.21 Der Veränderungsprozess in die digitale Ökonomie ist einerseits sehr zeitintensiv, aber auch facettenreich. Andererseits liefert dieser durch eine neuartige Kombination von vorhandenen Produktionsfaktoren zeitgleich die Möglichkeit, eine einzigartige Customer Experience zu schaffen und damit die veränderten Kundenerwartungen zu bedienen.22
Die digitale Transformation beeinflusst neben den Kundenerwartungen das gesamte wirtschaftliche Handeln, sodass nachfolgendes Kapitel die Implikationen dieses tiefgreifenden Wandels auf den Kunden, das Unternehmen und die Branche aufzeigt. In diesem Kontext findet die VUCA-Welt, angesichts einer potenziell bevorstehenden Geschäftsmodelltransformation, besondere Betrachtung. Abschließend wird das „Digital Maturity Index“ Modell nach Westermann et al. zur Bestimmung des digitalen Reifegrades im Transformationsprozess erläutert.
2.1.1 Auswirkungen der digitalen Transformation
Die digitale Transformation hat enorme Auswirkungen auf das wirtschaftliche Umfeld sowie dem ökonomischen Miteinander. In der einschlägigen Literatur werden die Implikationen auf der Metaebene in drei Wirkungsrichtungen gegliedert. Unter anderem sind das die tiefgreifenden Veränderungen des Leistungsangebotes einer Organisation, der Wandel im Kundenverhalten und den zugrunde gelegten Erwartungen sowie die Verschiebungen in der Branche und im Wettbewerb. Westermann, Bonnet und McAfee weisen in diesem Kontext darauf hin, dass die drei Wirkungsrichtungen nicht isoliert voneinander zu betrachten sind, sondern ein wechselseitiger Einfluss in den Wirkungsfeldern herrscht.23 Nachfolgende Abbildung visualisiert die drei Wirkungsrichtungen der digitalen Transformation auf die Ökonomie sowie das damit resultierende Wirkungsgefüge.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Wirkungsrichtungen der digitalen Transformation auf die Ökonomie24
Werden zunächst die Implikationen auf der Ebene des Leistungsangebots einer Organisation betrachtet, so führt die Digitalisierung mit ihrer exponentiell wachsenden Rechen- und Speicherleistung, einerseits zu einer enormen technologischen Entwicklungsdynamik und andererseits durch den rekombinatorischen Charakter der neu entwickelten Technologien, zu einer erhöhten Innovationsdynamik.25
Westermann und Bonnet sehen darin mehrere Implikationen für das bestehende Leistungsangebot. Zum einen sind Unternehmen angehalten zu prüfen, welche physischen Güter und Dienstleistungen grundsätzlich Digitalisierungspotenzial besitzen und welche Produkte mit digitalen Lösungen substituiert werden.26 Zum anderen sehen Matzler, Bailom und von den Eichen in Zeiten des digitalen Umbruches angesichts neuer Innovationen und Marktakteuren, eine Notwendigkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des existierenden Leistungsangebots. Nicht zuletzt um eine potenzielle Marktverdrängung frühzeitig zu verhindern.27 Die Basistechnologien der digitalen Transformation liefern nach Schallmo, Reinhart und Kuntz eine Reihe an Impulsen, um neue Leistungsangebote zu entwickeln und darüber hinaus, die dahinterstehenden Wertgenerierungsprozesse zu vereinfachen respektive zu digitalisieren.28 Durch den Einsatz verschiedenster Technologien können die Interessen und Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppe im generischen Kundensegment zielgerichtet, individuell und dabei ressourcenschonend bedient werden. Dies kann bspw. mit einem durch künstliche Intelligenz betriebenen Chatbot auf der Homepage eines Onlineshops erfolgen.29 Die Auswirkungen auf das Leistungsangebot verändern die Mitarbeiteranforderungen und erfordern eine digitale Fitness, um Basistechnologien zielgerichtet einzusetzen. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Masterthesis werden diese Aspekte nicht detaillierter betrachtet.
Mit neuen technologischen Lösungen eröffnen sich Organisationen neben innovativen Leistungsangeboten auch die Möglichkeit, die bestehende Architektur ihrer Wertschöpfungsketten und die damit verbundenen Prozesse durch Kooperationen zu optimieren.30 Zunächst steht dabei die Kostenreduzierung und Fokussierung auf einzelne Elemente der Wertschöpfungskette im Vordergrund. Hierfür definieren Müller-Stewens und Lechner vier nachfolgende Typen von Wertschöpfungsarchitekturen. Bei der ersten Konstruktion sprechen die Autoren von einem „Schichtenspezialisten“, wenn sich ein Unternehmen auf einzelne Elemente einer Wertschöpfungskette konzentriert. Bspw. haben sich Klarna, AfterPay und Paypal auf die Zahlungsabwicklungen fokussiert. Dagegen handelt es sich beim zweiten Typen um „Orchestratoren“. Das sind Unternehmen, die einzelne Schichtenspezialisten in die Wertschöpfungskette integrieren und zeitgleich einzelne Elemente zur Leistungserbringung selbst abbilden. „Integratoren“ vergeben hingegen sämtliche Elemente ihrer Wertschöpfungskette an externe Partner. Die Akteure der vierten Wertschöpfungsarchitektur sind „Pioniere“, die vollständig autonom agieren und wesentliche Elemente zur Wertgenerierung selbst abbilden.31
Unverändert bleibt im Zuge der digitalen Transformation die entscheidende Rolle des Nutzenversprechens eines Unternehmens, um sich langfristig von Mitbewerbern im Markt zu differenzieren sowie die Marktpositionierung entsprechend zu schärfen.32 Dies alleine reicht in der zunehmend digitalisierten Ökonomie nicht aus, um die ausgeprägten Kundenerwartungen nachhaltig zu bedienen. Leibovitz führt den fundamentalen Wandel der Erwartungen sowie das Verhalten der Kunden auf die durch die Digitalisierung neu geschaffenen Möglichkeiten der Kommunikation und Vernetzung zurück.33 Dabei haben Kreutzer, Neugebauer und Pattloch eine Korrelation zwischen den immens gestiegenen Kundenerwartungen und der Loyalität gegenüber Unternehmen festgestellt. Die Integrität eines Kunden verringert sich dann, wenn es der Organisation nicht gelingt, diesen vom bestehenden respektive neuen Leistungsangebot zu überzeugen.34 Das Voranschreiten der Informations- und Kommunikationstechnologie offenbart Kunden einen neuartigen sowie umfassenden Zugang zu Informationen und Quellen. Die große Informationsmenge befähigt potenzielle Kunden zum einen dazu, Produkte und Anbieter deutlich besser bei reduzierten Such- und Transaktionskosten zu vergleichen, um das beste Preis-Leistungsangebot ausfindig zu machen.35 Zum anderen tragen Social Media Plattformen dazu bei, dass die Vernetzung zwischen den Kunden rasant steigt. So können Kundenerfahrungen über verschiedene Anbieter ausgetauscht werden und enttäuschende Erfahrungen letztlich massiven Druck auf Anbieter auslösen.36 Bereits hier zeichnet sich der enorme Einfluss der digitalen Transformation auf den Kunden ab, denn durch die „Mund-zu-Mund-Kommunikation“ wird dem Kunden eine höhere Authentizität als dem Anbieter zugeschrieben.37 Einige Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer Machtverschiebung vom Anbieter hin zum Kunden.38
Zusammengenommen haben die technologischen Entwicklungen tiefgreifenden Einfluss auf das Kundendasein und den damit verbundenen Interaktionen mit Organisationen. Kotler, Kartajaya und Setiawan ordnen daher dem Beziehungsmanagement zur Erfüllung der Kundenerwartungen im digitalen Zeitalter eine außerordentliche Bedeutung zu.39 Westermann, Bonnet und McAfee stützen diese These und betrachten die Schaffung von einzigartig positiven Kundenerlebnissen an den einzelnen Kundenkontaktpunkten entlang der Customer Journey als essentielle Aufgabe von Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation.40 Neben den Implikationen im Leistungsangebot einer Organisation und ihren Interaktionen mit potenziellen Kunden, haben die neuen Gesetzmäßigkeiten in der digitalen Ökonomie auch das Potenzial, Branchen respektive den Wettbewerb grundlegend zu verändern. Dabei nimmt die Digitalisierung auf divergente Weise prägenden Einfluss. Nachfolgende Abbildung subsumiert die Einflussfaktoren auf die Branche und den Wettbewerb, die im Folgenden näher erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einflussfaktoren der Digitalisierung auf Branche und Wettbewerb41
Katz und Shapiro beschreiben Netzwerkeffekte als Wechselwirkung zwischen dem Wert eines Produktes und der Anzahl der Nutzer.42 Leimeister führt in diesem Kontext auf, dass der Nutzen an Wert für den Kunden steigt, umso mehr Nutzer dieses Angebot in Anspruch nehmen.43 Netzwerkeffekte existieren bereits in der analogen Ökonomie, sind aber nach Shapiro und Varian aufgrund der zugrunde gelegten Stückkosten sowie physischen Grenzen limitiert, sodass ein bedeutender Einfluss auf Branche und Wettbewerb bisher ausblieb.44 In der digitalen Ökonomie verhält es sich dagegen differenzierter. Digitale Güter sind häufig Netzwerkgüter und liefern die Grundlage für Netzwerkeffekte. Insbesondere auf Plattformgeschäftsmodellen kann das jeweilige Gut dominieren und im Wettbewerb eine Monopolposition erreichen.45 Den restlichen Marktteilnehmern droht dann eine Marktverdrängung.
Die Branche und der Wettbewerb verändern sich im Zuge der digitalen Transformation auch dahingehend, dass ein zunehmender Übergang von physischen Gütern hin zu serviceorientieren Dienstleistungen stattfindet.46 Diese sukzessive Verschiebung hat maßgeblichen Einfluss auf das Leistungsangebot einer Organisation. Leimeister begründet die dargelegte Entwicklung mit der neu geschaffenen Möglichkeit in der digitalen Ökonomie, Transaktionsprozesse vollumfänglich zu automatisieren. Durch den Einsatz moderner Technologien sinken die Transaktionskosten, insbesondere für Dienstleistungsprozesse, sodass Dienstleistungen auch über regionale Grenzen hinweg Kunden angeboten werden.47 Ferner können Kunden durch die Informations- und Kommunikationstechnologie in den Dienstleistungserstellungsprozess eingebunden werden, wie bspw. in der Reisebuchung. Banerjee et al. bezeichnen den Wandel als „everything as a service“, da im Grunde alles als Dienstleistung angeboten werden kann.48 Im bestehenden Wettbewerb sind existierende Geschäftsmodelle von diesem Wandel maßgeblich betroffen. Unternehmen sind dazu angehalten, im Geschäftsmodell und dem damit verbundenen Leistungsangebot, Potenziale für neue Dienstleistungen respektive Ansätze zur Automatisierung von Dienstleistungsprozessen zu identifizieren.
Die Automatisierung von Transaktionsprozessen führt zur Überwindung regionaler Grenzen, die wiederum die Senkung von Markteintrittsbarrieren bedingen und weitreichende Implikationen für Branche und Wettbewerb haben.49 Die zunehmende Wechselwirkung zwischen der boomenden Globalisierung und der florierenden Digitalisierung, erlaubt das Eindringen marktfremder Akteure. Nicht zuletzt aufgrund der erhöhten Markttransparenz und der fehlenden Notwendigkeit von physischen Ressourcen.50 Die neuen Rahmenbedingungen erhöhen nach Müller-Stewens und Lechner die Wettbewerbsintensität sowie die Vernetzung in der weltweiten Volkswirtschaft enorm. Neben den nationalen Mitbewerbern stoßen weitere internationale Marktakteure durch die digitale Ökonomie hinzu. Dies erhöht letztlich auch den Handlungsdruck, das bestehende Nutzenversprechen sowie Geschäftsmodell etablierter Organisationen zu überdenken. Durch den Einsatz innovativer Technologien haben Organisationen auch die Möglichkeit, neben der Spezialisierung und Integration einzelner Teilelemente, die Wertschöpfungskette neu zu modellieren.51 Die möglichen Strukturveränderungen der Wertschöpfungskette werden im Einzelnen nicht vorgestellt. Vielmehr werden nachfolgend die damit einhergehenden Implikationen auf Branche und Wettbewerb betrachtet. Das Potenzial einer Marktverdrängung erhöht sich für Unternehmen, wenn Marktteilnehmer ihre Wertschöpfungsstruktur verändern. Dies begründet sich in der wegbrechenden Nachfrage für Unternehmen, wie bspw. in dem Verzicht eines Onlineanbieters auf Zwischenhändler oder die Zusammenlegung eigenständiger Dienstleistungen. Ferner verändern neue Modelle der sozialen Produktion das Marktgeschehen. Aufgrund der direkten Interaktion und Einbindung der Kunden in den Leistungserstellungsprozess entstehen neuartige Kundenerlebnisse.52 Erneut sind etablierte Unternehmen aufgefordert, das Nutzenversprechen grundlegend zu überdenken, um in der digitalen Ökonomie überlebensfähig zu bleiben.53
2.1.2 VUCA-Welt der digitalen Ökonomie
Ersichtlich wurde im vorausgegangenen Abschnitt, welche tiefgreifenden Auswirkungen die allgegenwärtige digitale Ökonomie auf bestehende Geschäftsmodelle, das ökonomische Umfeld und Handeln sowie die Interaktion mit der adressierten Zielgruppe hat. Dabei wurde deutlich, dass Unternehmen sämtlicher Wirtschaftssegmente von einer potenziellen Marktverdrängung tangiert werden, weshalb eine unverhoffte Konfrontation mit der digitalen Transformation und dem existierenden Geschäftsmodell nahezu unausweichlich wird. Oswald und Krcmar weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Organisationen sich nicht vordergründig mit der Entkopplung der vorherrschenden Entwicklung beschäftigen sollten, sondern vielmehr mit der Frage, wie der digitale Transformationsprozess proaktiv zu gestalten ist.54 Ferner würde die strategische Veränderung des etablierten Geschäftsmodells sowie die damit verbundene Infragestellung der vorherrschenden Logik von Organisationen ein hohes Maß an Agilität fordern. Oswald und Krcmar charakterisieren die digitale Transformation als „unausweichlich, unumkehrbar, unglaublich schnell und unsicher in der Ausführung.“55 Diese aufgestellten Grundsätze finden sich in der Theorie der „VUCA-Welt“ wieder. Ein Begriff, der in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen hat, um die differenten Dimensionen des unkontrollierbaren Umfelds zu beschreiben.56 Hierbei handelt es sich um kein gänzlich neues Phänomen der digitalen Ökonomie. Auch in der klassischen Betriebswirtschaft kann nur bedingt, durch die retrospektive Betrachtung der Entwicklungen, die zukünftige Ausgestaltung eines Unternehmens abgeleitet werden. Dennoch ist sich die einschlägige Literatur darüber einig, dass durch die rasanten Entwicklungen in der digitalen Ökonomie und insbesondere durch die neuartigen Herausforderungen, das wirtschaftliche Umfeld in eine sogenannte „VUCA-Welt“ katapultiert wird. Das mittlerweile etablierte Akronym steht für Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).57 Die Volatilität der Rahmenbedingungen ist auf die gewaltige Veränderungsrate im digitalen Zeitalter zurückzuführen. Diese wird durch die rasante Entwicklung von digitalen Innovationen, verbunden mit dem rekombinatorischen Charakter dieser Technologien, begünstigt. Damit korrelierend lässt sich eine hochgradige Unsicherheit einerseits in der Geschäftsstrategieplanung und andererseits im zielgerichteten Einsatz von Basistechnologien konstatieren. Das zunehmend dynamische Unternehmensumfeld fordert das strategische Management dazu auf, jegliche Entscheidungen kontinuierlich zu hinterfragen. Auch angesichts einer sich fortlaufend verändernden Branche, wodurch die Wertschöpfungsarchitektur des Geschäftsmodells erneut optimierungsbedürftig wird. In diesem von Unsicherheit und Volatilität geprägten Umfeld, können keine Prognosen über zukünftige Entwicklungen getroffen werden, auch nicht auf Basis statistischer Werte.58
Zum einen wird die digitale Ökonomie durch die bereits aufgezeigten tiefgreifenden Implikationen auf das wirtschaftliche Umfeld begleitet. Die neuen Gesetzmäßigkeiten sind von einer immensen Komplexität gekennzeichnet, die wiederum die Unsicherheit in der Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells verschärft. Zum anderen erzeugen die neuartigen facettenreichen Technologien und der dahinterstehende unbestimmbare Kombinationsfaktor eine intransparente Vielzahl an Möglichkeiten der Nutzung und Integration in eine bestehende Organisation. Die Ambiguität steigt hierdurch in der digitalen Ökonomie deutlich an. Die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der VUCA-Welt nehmen gegenseitig Einfluss aufeinander und stellen das strategische Management erneut vor große Herausforderungen. Infolge des Voranschreitens der exponentiellen Technologieentwicklung mit rapide steigender Innovationsdynamik, wird eine langfristige intendierende Geschäftsstrategie nahezu obsolet.59 Auf altgediente Ursachen-Wirkungsbeziehungen, als Nährboden zur Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells, kann das Management in der digitalen Ökonomie nicht mehr säen, um eine verankerte Marktpositionierung und Wettbewerbsvorteile zu ernten. Nichtsdestotrotz raten Oswald und Krcmar auch in einer VUCA-Welt zur Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie, um die bevorstehende Transformation des etablierten Geschäftsmodells erfolgreich zu initiieren und zu steuern.60 Auch Westermann, Bonnet und McAfee sehen neben der klaren Vision, die digitale Führung als ausschlaggebender Erfolgsfaktor der digitalen Transformation für die Weiterentwicklung des etablierten Geschäftsmodells.61
2.1.3 Transformation von Geschäftsmodellen
Der vorausgegangene Abschnitt verdeutlicht, dass im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung eine Konfrontation mit dem existierenden Geschäftsmodell von Organisationen unvermeidbar ist. Nicht zuletzt tragen auch Paradebeispiele, wie der Fotokonzern Kodak, dazu bei, dass Unternehmen sich zunehmend mit der Frage beschäftigen, wie eine Geschäftsmodellentwicklung im Zeitalter der digitalen Ökonomie zu gestalten ist. Die Aussage „uber yourself before you get kodak‘ed“62 wird in der Fachliteratur vielfach zitiert und erntet enormen Zuspruch. Die Redewendung soll zum Ausdruck bringen, wie realistisch eine potenzielle Marktverdrängung durch das Versäumnis der digitalen Transformation sowie der Bedrohung von neuen Plattformgeschäftsmodellen tatsächlich ist. Angesichts der neu entstandenen digitalen Gesetzmäßigkeiten, weist die einschlägige Fachliteratur im Zusammenhang der Geschäftsmodellweiterentwicklung zwei mögliche Lösungsansätze auf. Zum einen die Geschäftsmodellinnovation und zum anderen die Geschäftsmodelltransformation, wobei sich die Formen in ihrem Radikalitätsgrad grundsätzlich unterscheiden.63
Eine Geschäftsmodellinnovation beschreiben Schallmo, Reinhart und Kuntz als Veränderung am existierenden Geschäftsmodell, die sowohl inkrementell als auch autark erfolgen kann. Die beschriebene Veränderung kann entweder in Form einer Weiterentwicklung oder Neugründung eines Geschäftsmodells, ohne Bezug zum Bestehenden, verstanden werden.64 Der Innovationsmotor einer Organisation ist dabei maßgeblich für den Grad der Weiterentwicklung verantwortlich, weshalb Vahs und Brem auch eine Korrelation zwischen den vorherrschenden Rahmenbedingungen und der Innovationskraft konstatieren. Um im Rahmen einer Geschäftsmodellweiterentwicklung die Innovationskraft anzukurbeln, empfehlen die Autoren eine innovationsfördernde Unternehmensstruktur sowie Kultur, wobei einem angemessenen Führungsstil eine zentrale Rolle zugeordnet wird.65 Ferner führt Markides auf, dass eine räumliche Trennung notwendig sei, um das Verlernen von Routinen und Prozessen bei den betroffenen Mitarbeitern in der Geschäftsmodellinnovation zu beschleunigen.66 Eine Geschäftsmodelltransformation sehen Schallmo, Reinhart und Kuntz dagegen als eine tiefgreifende organisationale Veränderung eines intakten Unternehmens, welche sämtliche Organisationsbereiche und Ebenen grundlegend verändert.67 Daher sehen Khanagha, Volberda und Oshri in der Transformation des Geschäftsmodells eine weitaus komplexere Herausforderung für das Management, als lediglich in der Weiterentwicklung dessen. Dies begründen die Autoren mit den in der Transformation entstehenden vier wesentlichen Problemen der Komplexität, Kannibalisierung, Ressourcenallokation und Ambidexterität.68 Die digitale Transformation wird durch die VUCA-Welt von einer umfassenden Komplexität gepaart mit einer lähmenden Unsicherheit begleitet. Hierdurch stellt die Ausgestaltung des zukünftigen Geschäftsmodells mit allen betroffenen Unternehmensbereichen eine Herausforderung dar. Ferner werden im Zuge der Transformation zwei Geschäftsmodelle parallel betrieben, wodurch einerseits ein erhöhter Ressourcenbedarf entsteht und anderseits das Management mit einer erschwerten Ressourcenallokation konfrontiert wird. Das zukünftige Geschäftsmodell wird von dem bestehenden solange finanziert, bis es wirtschaftlich autark agieren kann. Die Geschwindigkeit der Kannibalisierung wird hierbei maßgeblich von der Verteilung der Ressourcen zwischen den Geschäftsmodellen beeinflusst. Weshalb eine räumliche Trennung, wie sie Markides empfiehlt, nicht möglich ist.69 Zusammengenommen führen diese Fragestellungen zum übergreifenden Problem der Ambidexterität, also der Herausforderung der Parallelität des etablierten und zukünftigen Geschäftsmodells im Zuge des digitalen Transformationsprozesses.70
Losgelöst von der Form der digitalen Transformation tangiert diese zwangsläufig sämtliche inner- als auch außerbetrieblichen Interaktionen eines existierenden Geschäftsmodells. Die einschlägige Fachliteratur differenziert in diesem Kontext zwischen drei Ebenen, die von dieser organisationalen Veränderung maßgeblich betroffen sind. Die Ebene der Leistungserstellung bildet die Basis der digitalen Transformation und beinhaltet die Veränderungen im Leistungsangebot sowie in den Geschäftsprozessen.71 Diese Ebene wird als Aktivitätssystem bezeichnet und liefert die Grundlage für die Kennzahlenanpassungen in der darauffolgenden Ebene der Planungs- und Steuerungssysteme.72 Die letzte Ebene stellt die Unternehmenskultur dar und bildet die psychologisch-emotionale Dimension im Transformationsprozess. In dieser Ebene sind die tiefgreifenden Implikationen des Transformationsprozesses auf die Mitarbeiter und Führungskräfte zu verorten.73
2.2 Digital Maturity Index
Die strategische Ausrichtung sowie Weiterentwicklung einer Organisation im Kontext der digitalen Transformation hängt maßgeblich vom vorherrschenden Digitalisierungsgrad des Geschäftsmodells ab. Meist liegen die anfänglichen Digitalisierungsversuche in der Ebene des Aktivitätssystems, bevor im weiteren Verlauf die zweite Ebene der Planungs- und Steuerungssysteme digitalisiert wird. Zur Ermittlung des Digitalisierungsgrades von Unternehmen und ganzen Branchen, existieren derweil in der Fachliteratur mehrere Modelle. Diese erlauben Rückschlüsse über den Fortschritt einer Organisation im digitalen Transformationsprozess sowie ein Benchmarking in der Branche.74 Der Digital Maturity Index nach Westmann et al. wurde in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatungsgesellschaft Capgemini auf Basis einer Befragung von rund vierhundert Unternehmen entwickelt und genießt sowohl in der Fachliteratur als auch in der praktischen Anwendung zunehmende Popularität.75 Die Matrix des Digital Maturity Indexes wird in nachfolgender Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Digital Maturity Index76
Das Modell betrachtet zur Ermittlung des digitalen Reifegrades zwei Dimensionen, einerseits die Intensität der Führungskompetenzen „leadership capabilities“ im Transformationsprozess auf der x-Achse und andererseits das Investment in neue Technologien auf der y-Achse, wobei ein koordinierter und zielgerichteter Einsatz dieser entscheidend ist.77 Für die leadership capabilities ist nach Auffassung der Autoren folgendes ausschlaggebend: „Transformation intensity consists of the vision to shape a new future, governance and engagegment to steer the course, and IT/business relationships to implement technology-based change“.78 Die Betrachtung beider Dimensionen bringt die in Abbildung 3 dargestellten vier Felder zur Ermittlung der digitalen Reife hervor.
Organisationen, die eine geringe Anzahl an digitalen Veränderungen auf der Ebene des Aktivitätssystems im existierenden Geschäftsmodell vorgenommen haben, weisen gering ausgeprägte digitale Fähigkeiten auf. Aufgrund überschaubarer Investitionen in digitale Lösungen sind erste Transformationserfolge nicht erkennbar. Diese Unternehmen gelten nach der empirischen Untersuchung von Westermann et al. als „Digital Beginners“ und lassen sich in Bezug auf die Führungskompetenzen, durch eine fehlende Notwendigkeit in moderne Technologien zu investieren und eine abwartende Haltung charakterisieren. Daher laufen diese Unternehmen Gefahr, vom Markt durch neue Marktakteure und einer versäumten Transformation verdrängt zu werden.79 Hingegen zeichnen sich „Digital Fashionistas“ durch einen hohen Aktionismus gepaart mit enormen Investitionen in neue Technologien aus. In diesem Transformationsprozess dominieren die digitalen Fähigkeiten, die allerdings weder einer übergeordneten Vision und Strategie noch einer gezielten Steuerung folgen. Digitale Fashionistas haben den Handlungsbedarf erkannt, sind aber potenziell von einer Ressourcenverschwendung und fehlenden Kompatibilität der einzelnen Technologien betroffen. Diese Probleme tangieren „Digital Convervatives“ nicht, denn „they favor prudence over innovation“.80 Nach der Entwicklung einer unternehmensspezifischen Digitalisierungsstrategie, wird sukzessive in passende Technologien investiert, auch wenn dadurch enorme Geschwindigkeitsnachteile entstehen. Als „Digirati“, die digitale Elite, sehen die Autoren jene Unternehmen, die neben dem zielgerichteten Einsatz sowie Aufbau von digitalen Technologien und Fähigkeiten, im Gleichschritt eine unternehmensumfassende und visionäre Digitalisierungsstrategie entwickeln.81
2.3 Digital Leadership
„Arbeit 4.0 wird Unternehmen, Geschäftsmodelle und Formen der Zusammenarbeit radikal verändern. Wenn Routinetätigkeiten automatisiert werden, wenn Entscheidungsprozesse von Algorithmen gesteuert werden, wenn Organisationen zu Netzwerken werden, braucht es dann noch Führung in unserem heutigen Sinn? Wahrscheinlich ja. Es ist aber an der Zeit, Führung für die Arbeitswelt von morgen grundsätzlich neu zu denken“.82
Die digitale Ökonomie wird von einer enormen Multioptionalität begleitet, die in der Arbeitswelt von morgen eine zunehmende Arbeitserleichterung und -optimierung sowie die verbesserte Vereinbarkeit vom Arbeits- und Privatleben ermöglicht. Neuartige Technologien erlauben neben der grenzenlosen Vernetzung von Menschen um den gesamten Globus auch die Arbeitsverlagerung an jeden beliebigen Ort. Die altgediente Arbeitswelt befindet sich im fundamentalen Umbruch, die neu in den Arbeitsmarkt eintretenden Digital Natives tragen maßgeblich dazu bei und die Digital Immigrants sind von Unsicherheit und Überforderung geplagt.
Der Terminus „Digital Leadership“ subsumiert hierbei all jene Anforderungen, die an Führungskräfte im transformativen Prozess des Unternehmens und insbesondere der Arbeitswelt gestellt werden. Die einschlägige Fachliteratur ist sich darüber einig, dass die digitale Transformation ein überarbeitetes Führungsverständnis in allen Facetten notwendig macht.83 „Die sich aus der Digitalisierung heraus ergebenden Chancen wie auch Risiken führen zu neuen Anforderungen an Führung.“84 Durch den Einsatz innovativer Technologien können Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz bspw. ins heimische Büro verlagern, sodass sich Führungskräfte plötzlich in die Lage versetzt sehen, ihre Mitarbeiter auf Distanz zu führen, dies wiederum setzt ein fundamentales Vertrauensverhältnis voraus. Doch die Anforderungen an Digital Leader sind deutlich weitreichender. Hofmann führt auf, dass unter den veränderten Rahmenbedingungen der neuen Arbeitswelt zukünftige Führungskräfte mit neuen „geschäftlichen, organisatorischen und personellen Anforderungen“ konfrontiert werden. Darunter sind konkret die aktive Förderung von Innovationen, die Bewältigung der Unsicherheit in Bezug auf das ökonomische Umfeld, der Umgang mit einer neuen selbstbewussten Generation sowie die konsequente Ausrichtung an die Unternehmensvision gemeint.85 Zur Bewältigung der schwindelerregenden Volatilitäten sowie rasanten Veränderungsgeschwindigkeit im unmittelbaren Unternehmensumfeld, erfordert es nach Creusen et al. ein grundlegend neues Mindset in der Unternehmenskultur und insbesondere bei den Führungskräften. Andernfalls verlieren Organisationen ihre wichtigste Ressource im hartumkämpften Wettbewerb der Marktpositionierung – den Menschen.86 Hofmann weist in diesem Kontext darauf hin, dass eine radikale Veränderung der Unternehmenskultur, bspw. die verstärkte Kommunikation auf Augenhöhe oder Selbstorganisation der Mitarbeiter, enormen Mut von der obersten Führungsebene bedarf.87 Dies unterstreicht Cole, denn die „digitale Transformation beginnt und endet in der Chefetage, aber sie durchzieht alle Unternehmensbereiche.“88
Weshalb nach Oswald und Krcmar die eigenen Mitarbeiter und insbesondere die Führungskräfte zu einem Umdenken aufgefordert sind.89 Digital Leadership beinhaltet zwei Perspektiven. Die Metaebene bildet nach Westermann et al. neben der Bildung einer klaren Unternehmensvision im Transformationsprozess den Kompetenzaufbau von digitalen Fähigkeiten auf der obersten Managementebene. Die Mikroebene, da sind sich Oswald und Krcmar sowie Westermann et al. einig, bildet im Kontext von digital Leadership den entscheidenden Erfolgsfaktor. Hier gilt es die Führungskräfte mit der Ausstattung der hierfür erforderlichen Schlüsselkompetenzen zu Enablern im digitalen Transformationsprozess zu entwickeln.90 Digital Leadership subsumiert Wagner daher als Aufgabe von Führungskräften, ein „digitales Geschäftsmodell zu etablieren und kontinuierlich weiterzuentwickeln; aber auch unter den veränderten Rahmenbedingungen die Mitarbeiter und sich selbst zu führen.“91
Im nachfolgenden Kapitel wird aufgezeigt, warum die Arbeitswelt mit ihren bestehenden Gesetzmäßigkeiten von der voranschreitenden Digitalisierung einen tiefgreifenden Wandel erfährt und welche Herausforderungen sich daraus für zukünftige Führungskräfte ergeben. Ferner wird in diesem Kontext auf den sich verschärften Generationenkonflikt der Digital Natives und Digital Immigrants eingegangen sowie den sich daraus ergebenden Implikationen in der Mitarbeiterführung.
Abschließend wird erläutert, wie Führungskräfte den Implikationen aus dem digitalen Wandel entgegnen können und welche Schlüsselkompetenzen Digital Leader hierzu aufzubauen haben.
2.4 New Work: Die Arbeitswelt im Wandel
Die Herstellung von physischen Gütern rückt durch die steigende Bedeutung von wissensintensiver Arbeit, insbesondere im Dienstleistungssektor, zunehmend in den Hintergrund. Durch den Einsatz neuer disruptiver Technologien gelingt zum einen die sukzessive Automatisierung von Arbeitsprozessen und verändert zum anderen bestehende Aufgabenprofile, sodass neue digitale Fähigkeiten erforderlich werden. Der Mensch mit seinem Wissen wird in der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen zur ultimativen Schlüsselressource. Die zunehmende globale Vernetzung, insbesondere durch soziale Medien, erhöht den Anpassungsdruck in den Unternehmen, die bestehende Kommunikations- und Kooperationstechnologie zu modernisieren. Nicht zuletzt, um den Anforderungen der Generationen Y und Z zu entsprechen und sich im unermüdlichen Kampf um die raren Fachkräfte zu positionieren. Schließlich fordert noch die VUCA-Welt mit ihrer dominierenden Unsicherheit ein hohes Maß an Agilität von allen Beteiligten.92 So lässt sich subsumieren, dass die bestehende Arbeitswelt einen tiefgreifenden Umbruch durch die neu eröffneten Möglichkeiten der digitalen Transformation sowie dem daraus resultierenden Wandel von einer Industrie- in eine Netzwerkökonomie erfährt. Die voranschreitenden Entwicklungen in der digitalen Ökonomie drängen die bisherige Arbeitswelt zu einer grundlegenden Umstrukturierung, denn die neuartige Form des Arbeitens wird zunehmend wissensintensiver, vernetzter und globaler als noch vor wenigen Jahrzehnten. Eine grenzenlos globale Vernetzung der Menschen verändert unsere Gesellschaft grundlegend, eröffnet neuartige orts- und zeitunabhängige Formen der Kommunikation und des mobilen Arbeitens.93
Die einschlägige Fachliteratur spricht in diesem Kontext von „New Work“ oder einer „New Work Bewegung“ und konnotiert die neuen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit in der digitalen Ökonomie. Allerdings prägte bereits in den 1970er Jahren der Philosoph Frithjof Bergmann mit seinem freiheitlich-philosophischen Denkansatz den Terminus. Bergmann lieferte mit seinen Werken Lösungsansätze für die neue Form des Arbeitens, um Entlassungen, bedingt durch die Automatisierung in der Automobilbranche, zu verhindern. Konkret zeigte er auf, dass die Lohnarbeit längst überholt ist und neue Arbeitsformen notwendig sind, um Mitarbeitern Freiräume zur Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung zu schaffen sowie die Arbeit grundsätzlich sinnhafter zu gestalten.94 Vollmer und Poppenberg betrachten New Work hingegen im Kontext der digitalen Transformation als „Klammerbegriff“, der die gegenwärtigen Entwicklungen rund um die Zusammenarbeit, Mitarbeiterführung und Organisation subsumiert sowie die „Gegenbewegung zum kalten, kapitalistischen Taylorismus des letzten Jahrhunderts“95 beschreibt. Für Hofmann et al. ist New Work dagegen „[…] heute nicht mehr in der Abgrenzung von der eigentlichen (Erwerbs-) Arbeit ein Thema, sondern steht synonym für die Versuche, innerhalb der Erwerbsarbeit eine Reihe von zukunftsorientierten Veränderungen zu implementieren, deren Realisierung eng mit den Möglichkeiten und Chancen der digitalen Transformation zusammenhängt.“96 Auch Schnell und Schnell sehen in diesem Konstrukt die veränderte Zusammenarbeit in einer zunehmend digitalen, vernetzten und globalen Arbeitswelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Ressource Mensch mit dem Zielbild einer transparenten Kommunikation sowie sinnstiftenden Tätigkeit, die an der gesellschaftlichen Teilhabe partizipiert.97 Berend und Brohm-Badry weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei der Auseinandersetzung mit New Work nicht nur um ein Change Management im Unternehmen handelt, welches Agilität und positive Führung implementiert, sondern der Diskurs vielmehr einer politischen Dimension bedarf.98 Bspw. im Arbeitnehmerschutz, wenn eine erhöhte Flexibilisierung zur Entgrenzung vom Berufs- und Privatleben führt.
In einer Studie zu New Work hat das Fraunhofer Institut gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Implikationen der digitalen Transformation auf die bestehende Arbeitswelt näher untersucht und dabei vier Wirkungsrichtungen der „New Work Bewegung“ identifiziert. Die voranschreitenden technologischen Entwicklungen führen einerseits zu einer grundlegenden Flexibilisierung von starrgeglaubten Arbeitsorten und Arbeitszeiten, die wiederum eine deutlich verbesserte Work-Life-Balance ermöglichen. Andererseits erfordert dieser Fortschritt auch die Notwendigkeit einer neuen räumlich-organisatorischen Gestaltung der Arbeitsumgebung. Nicht zuletzt auch durch die zunehmend soziale Vernetzungs- und Kommunikationsintensität sowie der überall geforderten Agilität in Organisationen.99 Die dritte Stoßrichtung beschreibt die weitreichenden Auswirkungen auf die Belegschaft, die durch eine steigende Bedeutung von wissensintensiver Arbeit und dem Einsatz moderner Technologien neue digitale Fähigkeiten benötigt. Im New Work Kontext stellen Mitarbeiter zum einen die Anforderungen nach Partizipation sowie Freiräumen zur Selbstbestimmung und -organisation. Zum anderen wird der Druck, insbesondere durch die Millennials, nach einer wertbasierten sinnstiftenden Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe immer größer.100 Die Schaffung einer Selbstorganisation der Mitarbeiter hat letztlich auch Konsequenzen auf das bestehende Führungsverständnis, denn die digitale Transformation fordert auch ihren Tribut von bestehenden Führungsstrukturen, etablierten Entscheidungsmechanismen und festgezurrten Hierarchien.
Gebhardt und Häupl haben gemeinsam mit dem Industrieverband Büro und Arbeitswelt eine New Work Studie durchgeführt und eine Übersicht der treibenden Kräfte eruiert, die den Wandel der Arbeitswelt maßgeblich beeinflussen. Nachfolgende Abbildung visualisiert die Treiberkräfte sowie die damit verbundenen Entwicklungen und Trends, die einen Umbruch unvermeidbar machen.
[...]
1 Bill Gates
2 Vgl. Matzler et al. (2016), S. 27
3 Vgl. Matzler et al. (2016), S. 13
4 Vgl. Matzler et al. (2016), S. 13
5 Vgl. Brühl (2015), S. 121
6 Vgl. Leimeister (2015), S. 346
7 Vgl. Hofbauer (2013), S. 31
8 Vgl. Appelfeller/Feldmann (2018), S. V
9 Vgl. Schwarzmüller et al. (2017), S. 612
10 Vgl. Schwarzmüller et al. (2017), S. 612
11 Vgl. Zwick (2018), S. 15
12 Vgl. Kohl-Boas (2016)
13 Vgl. Duncker/Schütte (2018), S. 2
14 Vgl. Maurer (2018), S. 20
15 Vgl. Botthof (2020)
16 Vgl. Hofmann/Wienken (2018), S. 30
17 Vgl. Hofmann/Wienken (2018), S. 34
18 Höttges (2015)
19 Vgl. Disselkamp (2012), S. 11
20 Vgl . Matzler/Bailom/von den Eichen (2016), S . 1; vgl. Disselkamp (2012), S. 11
21 Vgl. Schallmo/Reinhart/Kuntz (2018), S. 61; vgl. Brynjolfsson/McAfee (2014), S. 71
22 Vgl. Heinemann (2013), S. 4
23 Vgl. Westermann/Bonnet/McAfee (2014), S. 49 f.
24 Eigene Darstellung
25 Vgl. Oswald/Krcmar (2018), S. 2; vgl. Brynjolfsson/McAfee (2014), S. 71 f.
26 Vgl. Westerman/Bonnet (2015), S. 10
27 Vgl. Matzler/Bailom/von den Eichen (2016), S. 13
28 Vgl. Schallmo/Reinhart/Kuntz (2018), S. 65
29 Vgl. Schüller (2016), S. 155, vgl. Brühl (2015), S. 62
30 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2016), S. 356
31 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2016), S. 366
32 Vgl. Elste (2016), S. 8
33 Vgl. Leibovitz (2015), S. 30 f.
34 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch (2016), S. 154 f.
35 Vgl. Leibovitz (2015), S. 30 f.
36 Vgl. Kreutzer/Neugebauer/Pattloch (2016), S: 173 f.; vgl. Leibovitz (2015), S. 30 f.
37 Vgl. Kotler/Kartajaya/Setiawan (2017), S. 25 f.
38 Vgl. Elste (2016), S. 8 f.; vgl. Kotler/Kartajaya/Setiawan (2017), S. 25 f.
39 Vgl. Kotler/Kartajaya/Setiawan (2017), S. 25 f.
40 Vgl. Westerman/Bonnet (2015), S. 30 f.
41 Eigene Darstellung
42 Vgl. Katz/Shapiro (1986), S.146
43 Vgl. Leimeister (2015), S. 341
44 Vgl. Shapiro/Varian (1999), S. 173 f.
45 Vgl. Leimeister (2015), S. 346
46 Vgl. Leimeister (2015), S. 362
47 Vgl. Leimeister (2015), S. 37 f.
48 Vgl. Banerjee et al. (2011), S. 36 f.
49 Vgl. Matzler/Bailom/von den Eichen (2016), S. 61 f.
50 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2016), S. 169 f.
51 Vgl. Brühl (2015), S. 121 f.
52 Vgl. Leimeister (2015), S. 452 f.
53 Vgl. Brühl (2015), S. 126
54 Vgl. Oswald/Krcmar (2018), S. 187
55 Oswald/Krcmar (2018), S. 4
56 Vgl. Kraaijenbrink (2018)
57 Vgl. Matzler/Bailom/von den Eichen (2016), S. 27 f.; Müller-Stewens/Lechner (2016), S. 370
58 Vgl. Kraaijenbrink (2018)
59 Vgl. Brynjolfsson/McAfee (2014), S. 71 f.
60 Vgl. Oswald/Krcmar (2018), S. 77
61 Vgl. Westermann/Bonnet/McAfee (2014), S. 82 f.
62 Vgl. Bärtle (2016)
63 Vgl. Vorbach et al. (2017), S. 19; Schallmo (2013), S. 119
64 Vgl. Schallmo/Reinhart/Kuntz (2018), S. 59
65 Vgl. Vahs/Brem (2015), S. 193 f.
66 Vgl. Markides (2013), S. 314
67 Vgl. Schallmo/Reinhart/Kuntz (2018), S. 60
68 Vgl. Khanagha/Volberda/Oshri (2014), S. 322 f.
69 Vgl. Perkin/Abraham (2017), S. 54 f.
70 Vgl. Khanagha/Volberda/Oshri (2014), S. 324
71 Vgl. Westermann/Bonnet/McAfee (2014), S. 44 f.
72 Vgl. Macharzina/Wolf (2015), S. 445 f.
73 Vgl. Matzler/Bailom/von der Eichen (2016), S. 15
74 Vgl. Böhm et al. (2018), S. 73
75 Vgl. Westermann et. al. (2012), S. 2
76 Westermann et. al. (2012), S. 4
77 Vgl. Westermann et. al. (2012), S. 3 f.
78 Westermann et. al. (2012), S. 3
79 Vgl. Westermann et. al. (2012), S. 4
80 Westermann et. al. (2012), S. 4
81 Vgl. Westermann et. al. (2012), S. 4
82 Bruch/Berger (2016), S. 16
83 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017), S.2; Westermann et. al. (2012), S. 3 sowie Wagner (2018)
84 Welpe/Schwarzmüller/Brosi (2015) S. 155
85 Vgl. Hofmann (2018)
86 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017), S. 2
87 Vgl. Hofmann (2018)
88 Cole (2015), S. 32
89 Vgl. Oswald/Krcmar (2018), S. 190
90 Vgl. Westermann/Bonnet/McAfee (2014), S. 46 sowie Oswald/Krcmar (2018), S. 69
91 Wagner (2018), S. 3
92 Hofmann et al. (2019), S. 4
93 Vgl. Gebhardt/Häupl (2019), S. 6
94 Vgl. Bergmann (2017), S. 15
95 Vollmer/Poppenberg ( 2018), S. 22
96 Hofmann et al. (2019), S. 4
97 Vgl. Schnell/Schnell (2019), S. 7
98 Vgl. Behrend/Brohm-Badry (2020), S. 31
99 Vgl. Hofmann et al. (2019), S. 24
100 Vgl. Hofmann (2018)
- Citation du texte
- Jasmin Badarne (Auteur), 2021, Neue Anforderungen für New Work und Digital Leadership. Wie Führungskräfte zu Digital Leadern werden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/981451
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