Gliederung
Vorwort
I.II HOFFMANNS WIRKEN IN DER POLITISCHEN UMWELT DES VORMÄRZES
Mmm1. Öffentliches Leben im Vormärz
Mmm2. Das Werk Hoffmanns von Fallersleben
Mmm3. Die Arbeitsweise der Zensurbehörden
Mmm4. Kritische Passagen der ,,Unpolitischen Lieder"
II.I DAS AMTSENTHEBUNGSVERFAHREN GEGEN HOFFMANN VON FALLERSLEBEN
Mmm1. Hoffmann von Fallersleben - Professor und Dichter zugleich Mmm2. Prozeßverlauf - ein Überblick
Mmmm3. 1. Anklage und Verteidigung im ersten Verhör Mmmm3. 2. Verlauf des zweiten Verhöres
Mmmm3. 3. Die Suspendierung Hoffmanns Mmmm3. 4. Die endgültige Amtsenthebung
III. SCHLUß
Mmm1. Das Amtsenthebungsverfahren aus heutiger Sicht
MmmLiteraturverzeichnis
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist so gegliedert, daß zunächst Hoffmanns Lyrik, insbesondere jene Gedichte, die letztlich zu seiner Amtsenthebung führten, vorgestellt wird. Dies geschieht vor dem Hintergrund der im Vormärz herrschenden politischen Verhältnisse in Bezug auf das Selbstverständnis der Regierungen als unanfechtbare Institutionen und der massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit zu dieser Zeit. Mit dieser Grundlage sind die einzelnen Phasen des Amtsenthebungsverfahrens, die in dieser Arbeit chronologisch dargestellt werden, leichter nachvollziehbar.
Wenn im Text das Wort ,,Deutschland" verwendet wird, so ist darunter das Staatengebilde des deutschen Bundes in der Zeit des Vormärzes zu verstehen. Zitate aus Schriften, die vor 1902 und damit vor der zweiten Reform der deutschen Rechtschreibung, erschienen sind, werden der heutigen Rechtschreibung angepaßt, so daß beispielsweise Ratschlag statt Rathschlag geschrieben wird.
I. Hoffmanns Wirken in der politischen Umwelt des Vormärzes
1. Öffentliches Leben im Vormärz
Als Vormärz bezeichnet man die Zeitspanne zwischen dem Wiener Kongreß von 1814/1815 und 1848, dem Jahr der gescheiterten Deutschen Revolution. Sie war geprägt vom Bestreben der europäischen Landesfürsten, ihre nach der französischen Revolution erschütterten Herrschaftssysteme zu konsolidieren.
Die von Metternich ins Leben gerufene Restaurationspolitik verschärfte sich mit den Karlsbader Beschlüssen aus dem Jahr 1819 deutlich: Die Ministerkonferenz des Deutschen Bundes ergriff Maßnahmen, deren Ziel es war, liberale und nationale Bestrebungen der Bevölkerung zu unterdrücken. Die Burschenschaften beispielsweise, in denen Studenten organisiert waren, mußten aufgelöst werden, weil ihnen gegen die Obrigkeit gerichtete Aktivitäten vorgeworfen wurden. Eine Zentraluntersuchungskommission sollte von nun an Presse und Hochschulen überwachen.
Nicht nur Journalisten und politisch engagierte Studenten hatten in Folge der Karlsbader Beschlüsse einen schweren Stand. Da jede freiheitlich-patriotische und demokratische Regung im Keim erstickt werden sollte, unterlagen auch die Druckerzeugnisse der Verlage einer strengen staatlichen Zensur. Schriftsteller waren gezwungen, Kritik an Staat und Gesellschaft entweder zu unterlassen oder so dezent zu gestalten, daß die Zensurbehörde keine Einwände erhob. Diese massive Unterdrückung der Meinungsfreiheit führte zu einer weitgehenden Erstickung des öffentlichen Lebens. Das sogenannte Biedermeiertum, gekennzeichnet durch ein zurückgezogenes Leben der Bürger nach den Befreiungskriegen, entstand.
2. Das Werk Hoffmanns von Fallersleben
Einer der wenigen Schriftsteller in Deutschland, die im Vormärz trotz Zensur seitens der Obrigkeit gesellschaftskritische Werke verfaßten, war August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Von Beruf Professor an der Universität Breslau, betätigte er sich auch als Dichter von Kinder- und Volksliedern, die mit zahlreichen Anspielungen auf Adel, Staat und Gesellschaft diese oft kritisierten und karikierten. Daß die Versprechen, die dem Volk während der Befreiungskriege gemacht worden waren, nun nicht eingehalten wurden, mag Hoffmanns Kritik an der Obrigkeit beflügelt haben.
Zwei in den Jahren 1840 und 1841 beim Verlag Hoffmann und Campe erschienenen Gedichtbänden gab er den ironischen Titel ,,Die unpolitischen Lieder". Die Inhalte des zweiten Bandes wurden von der Zensurbehörde beanstandet. In einem Disziplinarverfahren wurde Hoffmann 1842 seines Amtes als Professor der deutschen Sprache und Literatur ,,wegen seiner verderblichen Richtung"1 enthoben. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Verlauf des Amtsenthebungsverfahrens gegen Hoffmann von Fallersleben. Die Vorwürfe der Zensurbehörde sollen auf ihre Stichhaltigkeit hin ebenso untersucht werden wie die Argumentation Hoffmanns während des Verfahrens. Mit dem Versuch einer objektiven Beurteilung des Prozesses aus heutiger Sicht - also mit beinahe 160 Jahren Distanz - endet die Arbeit.
3. Die Arbeitsweise der Zensurbehörden
In Folge der Karlsbader Beschlüsse war es strengstens verboten, Druckerzeugnisse ohne die Genehmigung der Zensurbehörde zu verbreiten. War ein Text zu kritisch gegen Ordnung der Dinge gerichtet, wurde seine Veröffentlichung entweder völlig verboten, oder das Geschriebene so verändert, daß keine Einwände mehr von der Obrigkeit zu erwarten waren. Hoffmann erfuhr letztere Möglichkeit am eigenen Leibe2.
Für die Silvesterfeier des Breslauer ,,Winter-Kränzchens" war er 1841 gebeten worden, ein Lied zu dichten. Dieser Bitte kam Hoffmann nach, erlebte aber eine böse Überraschung, als er sein Lied aus der Druckerei abholte. Die zweite Strophe war vom Polizeipräsidenten Heinke geändert worden.
Ja, keine Zeit war jemals schlecht In jeder lebet fort Gefühl für Wahrheit, Ehr` und Recht Und für ein freies Wort.
So schrieb es Hoffmann. Heinke, den er daraufhin als ,,Zensor-Poet" verspottete, änderte die letzten beiden Verse wie folgt:
Gefühl für Freundschaft, Lieb` und Recht Und für ein traulich Wort.
Das Bestreben der Behörde, keine Kritik an der Zensur zuzulassen, wird an diesem Beispiel besonders deutlich. ,,Es ist unglaublich, was damals von der Polizei und Zensur für staatsgefährlich betrachtet und verfolgt wurde! Und wie überall das böse Gewissen Verbrecherisches witterte!", kommentierte Hoffmann später3.
4. Kritische Passagen der ,,Unpolitischen Lieder"
Hoffmanns Dienstherr, das königliche preußische ,,Ministerium der geistlichen Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten", begründete die Amtsenthebung und die Sperrung sämtlicher Dienstbezüge folgendermaßen4: ,,Der Inhalt der Gedichte hat als ein durchaus verwerflicher erkannt werden müssen. Es werden in diesen Gedichten die öffentlichen und sozialen Zustände in Deutschland, und respektive in Preußen, vielfach mit bitterem Spotte angegriffen, verhöhnt und verächtlich gemacht; es werden Gesinnungen und Ansichten ausgedrückt, die bei den Lesern der Lieder, besonders von jugendlichem Alter, Mißvergnügen über die bestehende Ordnung der Dinge, Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeiten hervorzurufen und einen Geist zu erwecken geeignet sind, der zunächst für die Jugend, aber auch im allgemeinen nur verderblich wirken kann."
In der Tat sind Themenkreis und stilistische Mittel der Kritik Hoffmanns weit gestreut. Bevorzugtes Ziel seines Spottes ist die Zensur, für ihn wohl eine der unangenehmsten Ausdrucksformen der Bevormundungstendenzen des preußischen Staates gegenüber seinen Bürgern. Gerne gab er auch Kräfte, die für die Erhaltung restaurativer Zustände eintraten, beispielsweise die Polizei in ihrer Eigenschaft als Bekämpferin der Demagogen, der Lächerlichkeit preis5. Antiquierte Standesunterschiede und die gesellschaftliche Erstarrung im Vormärz sind ihm, in Verbindung mit Titelsucht, Angeberei und Eitelkeit, immer wieder Zielscheibe6. Auch Themen wie Denkmalbau als Tatenersatz, die preußische Bürokratie7, biedermeierliche Horizontbeschränkung, die Unterdrückungsformen des Militärs und Geldmacht als Ersatzreligion sind Gegenstände seiner weit um sich greifenden Kritik.
Um zu einer objektiven Einschätzung der Vorwürfe seitens der preußischen Zensurbehörde zu gelangen, ist es vonnöten, einige der im zweiten Teil der ,,Unpolitischen Lieder" enthaltenen, Anstoß erregenden Gedichte näher zu untersuchen. In einem Artikel der Breslauer Zeitung vom 18. Januar 1843 werden sowohl das Verfahren gegen Hoffmann, als auch konkrete Vorwürfe zu den beanstandeten Passagen besprochen8.
In seinem Gedicht ,,Großhandel" vergleicht Hoffmann die Teilungen Polens zugunsten Preußens und Rußlands mit Sklavenhandel und Seelenverkäufen. Dieser Vergleich stellt die Politik Preußens in Frage, was nach den Karlsbader Beschlüssen tatsächlich ein Vergehen darstellte.
An anderer Stelle werde, so der Einwand der Zensurbehörde, mit Hindeutung auf Deutschland ausgeführt, der Bund (d. h. das Bestehen Deutschlands als ein Gebilde aus beinahe 40 Einzelstaaten) habe des Vaterlandes Hand und Mund geknebelt - man solle Strick und Knebel zersprengen. Hier tritt, wie im 1841 auf Helgoland verfaßten ,,Lied der Deutschen", Hoffmanns Drängen auf ein vereintes Deutschland zutage, eine Tendenz, die zwar im Bildungsbürgertum immer breiteren Zuspruch fand, von der Obrigkeit jedoch mit harten Mitteln bekämpft wurde.
Auch der Adel war immer wieder Ziel der ironischen Gedichte Hoffmanns. ,,Mit hämlicher Bitterkeit", so die Breslauer Zeitung, habe Hoffmann in ,,Schnaderhüpfel" die Fürsten als Jäger, den Adel als Hunde und das Volk als Wild dargestellt, worauf Jäger und Hunde Jagt machen. Auch die Kritik an der teils willkürlichen Herrschaft des Adels war in mehreren Gedichten das Thema. ,,Das allgemeine Beste" ist ein weiteres, von der Zensurbehörde beanstandetes Lied. Das von Hoffmann angewandte Wortspiel erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit: Die Fürsten hätten die Eigenschaft, nur das Beste des Volkes zu wollen. ,,Das Beste" meint in diesem Vers das Geld der Bevölkerung, wodurch die Fürsten als Ausbeuter des Volkes angeprangert werden.
Eine weitere Institution, die in der Lyrik Hoffmanns mit Spott versehen wird, ist die Kirche. Ihr wirft Hoffmann ihren Reichtum vor, während ein großer Teil der Menschheit hungert9 und, daß sie sich die Welt mit Waffengewalt dienstbar machen will10. In ,,Fürstliche Liturgie" empfiehlt der Dichter ironisch, den Landesherren ins Kirchengebet einzuschließen, ,,weil wir unsere Feinde lieben sollen". In einem anderen Vers wird den Bauern die Bitte in den Mund gelegt, statt der Kirchen ein einziges Haus bauen zu lassen, worin sie ihre Qual vergessen könnten. So vielfältig waren die Ansatzpunkte der Gesellschafts- und Obrigkeitskritik Hoffmanns, daß sogar die preußische Salzsteuer Gegenstand eines Gedichtes (,,Salziges") ist. Hier äußert der Dichter den Wunsch, die Tränen der Untertanen mögen aus Salz sein, damit sie wenigstens Salz zu ihrem bißchen Brote hätten. Das Bitten und Flehen deutscher Untertanen stelle, dichtete Hoffmann in vorwurfsvoll an die Regierung gerichteten Versen11, noch ärgere Mißtöne dar, als das Brüllen der Ochsen und das Grunzen des Schweins.
Wie sehr Hoffmann das Metier der ironischen Kritik beherrschte, zeigt auch das Gedicht ,,Eine himmlische Etymologie", in dem sich der Dichter über die Demagogenjagd lustig macht. Diese nahm in Deutschland in Folge der Karlsbader Beschlüsse teils groteske Ausmaße an. Schon ein kleiner Verdacht rechtfertigte langwierige Untersuchungen. In Hessen beispielsweise genügte es, als Student das Haar etwas zu lang oder einen altdeutschen Rock zu tragen, um als Revolutionär mit demagogischen Umtrieben in Verdacht zu geraten12.
Hoffmann schrieb13:
,,Ein Teufel ist schon Gog Ma-Gog ist ein viel gr öß rer noch Was aber ist der De-Ma-Gog, Das ist der allergr öß te doch."
So sprach dereinst der Engel Mund, Und das vernahm der Deutsche Bund Der machte schnell den Engelsfund Uns armen, armen Teufeln kund.
Die Namen Gog und Magog haben ihren Ursprung in der Bibel. Mit Gog ist der Teufel aus dem Lande Magog gemeint14. Selbstverständlich übertreibt Hoffmann, wenn er Demagogen mit dem Teufel vergleicht, aber tatsächlich verstand man sie im Vormärz als verbrecherische, durch hetzerische Aktivitäten gegen die Obrigkeit und die politische Ordnung gerichtete Personen. Daß das Wort ,,Demagoge" nicht einmal klar definiert war, betont Hoffmann in seiner ironischen Schlußpointe: Alle,,armen Teufel" müssen damit rechnen, sobald sie auch nur den kleinsten Zweifel an der Staatsführung hegen, als Demagogen verfolgt zu werden.
,,Indem der Verfasser auf solche Weise", so die Schlußpassage der Darstellung des Verfahrens wider Hoffmann in der Breslauer Zeitung, ,,der öffentlichen Ordnung, den Landesherren und bestehenden Zuständen feindselige, die Gemüter verwirrende, und zu Mißvergnügen anregende Gesinnungen und Ansichten durch die von ihm verfaßten und unter seinem Namen dem Druck übergebenen Lieder verbreitete, hat er seine Pflichten als öffentlicher Lehrer (...) gröblich verletzt und seine Unfähigkeit zur Verwaltung des ihm anvertrauten Lehramtes dargelegt."
Die Akribie, mit der die Zensurbehörde in 38 der im zweiten Teil der ,,Unpolitischen Lieder" erschienenen Gedichte staatsgefährdende Tendenzen ausmachte, und die Lyrik Hoffmanns als eine ,,den Adel-, Beamten- und Militärstand" angreifende und verächtlich und lächerlich machende15 auffaßte, zeigt deutlich, wieviel politischer Sprengstoff aus Sicht der damaligen Obrigkeit in den Versen der ,,Unpolitischen Lieder" steckte.
II. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Hoffmann von Fallersleben
1. Hoffmann von Fallersleben - Professor und Dichter zugleich
Bis zu seiner Amtsenthebung 1842 lehrte Hoffmann an der Universität von Breslau deutsche Sprache und Literatur. Daß er dieses Amt von seinem Stand als Dichter deutlich trennen wollte, ergibt sich aus einem Gespräch Hoffmanns mit dem königlichen außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten und Geheimen Oberregierungsrat Heinke am Tag vor seiner ersten Vernehmung16. Auf die Frage, ob er finde, daß er die Veröffentlichung der ,,Unpolitischen Lieder" mit seinem Amt vereinbar sei, entgegnet Hoffmann: ,,Ich bin hier nicht als Professor, sondern als Dichter aufgetreten; ich bin als Professor, nicht als Dichter angestellt." Dieses Zitat, in vielfältig abgewandelter Form, stellt während der späteren Verhandlungen stets das Fundament der Argumente zu seiner Verteidigung dar.
Bereits im Alter von 14 Jahren, als Schüler des Pädagogiums Helmstedt verfaßte der am 2. April 1798 geborene Dichter seine ersten Verse17. In Braunschweig besuchte Hoffmann von 1814 bis 1816 das Catharineum, wo er eine altsprachliche Ausbildung erfuhr, die es ihm einerseits ermöglichte, die Reife für die Universität zu erlangen und andererseits den Forschungsdrang auf dem Gebiet der deutschen Sprache und ihren Mundarten in ihm weckte. Ebenfalls etwas länger als zwei Jahre dauerte sein Studium an der Landesuniversität Georgia Augusta in Göttingen. Von 1816 an begann er zunächst ein Theologiestudium, das ihn aber nicht befriedigte und das er bereits binnen Jahresfrist abbrach. Auch die klassische Philologie, der er sich als nächstes zuwandte, empfand er als zu theoretisch, so daß auch diese ihn nicht erfüllte. Vielmehr fesselten Hoffmann Sprachen und Literatur der Neuzeit. Den Wunsch, sich mit antiker griechischer Kultur zu befassen, gab er nach einem Zitat Jakob Grimms, den er in Göttingen kennenlernte, auf. ,,Liegt Ihnen ihr Vaterland nicht näher?", fragte dieser Hoffmann, nachdem der ihm von seinen Reiseplänen erzählt hatte. Wie ein Donnerschlag, bekannte Hoffmann später, habe ihn diese Frage getroffen18. Von nun an wandte er sich zunächst ausschließlich dem Studium der deutschen Sprache, Literatur- und Kulturgeschichte zu. Bis zu seiner Anstellung an der Breslauer Universität als außerordentlicher Professor 1830 unternahm er zahlreiche Forschungsreisen, unter anderem in die Niederlande und auf die Insel Helgoland, die damals noch zu Großbritannien gehörte.
Neben Gedichten und Liedern wie ,,Ein Männlein steht im Walde" oder dem ,,Lied der Deutschen" verfaßte der Germanist und Philologe literatur- und sprachwissenschaftliche Abhandlungen, so zum Beispiel ,,Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache und Literatur"19 oder ,,Handschriftenkunde für Deutschland"20. Da er sich während seiner Zeit als Professor konsequent für die vollständige Anerkennung des Wissenschaftszweiges der Germanistik einsetzte, kam es mehr als einmal zu Konflikten mit Vorgesetzten und Kollegen, die nicht selten in Beschwerden beim Kultusministerium gipfelten21. So ist auch der Eifer, mit dem Heinke die Amtsenthebung Hoffmanns vorantrieb, zu erklären - mit der Veröffentlichung der ,,Unpolitischen Lieder" lieferte er Heinke eine Gelegenheit, sich des Querulanten zu entledigen22.
Mit der Herausgabe seiner ,,Unpolitischen Lieder" reihte sich Hoffmann in die Gruppe jener Vormärz-Dichter, die wie Ferdinand Freiligrath (1810-1876), Georg Herwegh (1817-1875) oder Franz Dingelstedt (1814-1881) mit lyrischer Gesellschaftskritik gegen bestimmte Mißstände im Staat vorgehen wollten.
2. Prozeßverlauf - ein Überblick
Teil I der unpolitischen Lieder erschien 1840 und erregte zunächst nicht das Aufsehen der Zensurbehörden. Dies änderte sich mit der Veröffentlichung des zweiten Bandes im August 1841 schlagartig. Das von der holsteinischen Landeszensur genehmigte Werk verkaufte sich überraschend gut. Zusammen mit dem ersten Teil wurden mehr als 12.000 Exemplare verkauft, eine für damalige Verhältnisse sehr hohe Zahl23.
Am 17. Oktober 1841 wurde das Disziplinarverfahren gegen Hoffmann eingeleitet, an dessen Ende seine endgültige Amtsenthebung am 20. Dezember 1842 steht. Drei Wochen zuvor, am 24. September 1841, ließ Heinke die Verse für Breslau untersagen. Dem Verbot schloß sich zunächst ganz Preußen an, weitere Bundesstaaten zogen nach24. Das Ausmaß des Anstoßes, den Hoffmanns Lyrik bei der Obrigkeit erregte, wird durch die Tatsache, daß zeitweilig die gesamte Produktion des Verlages Hoffmann und Campe in Preußen untersagt worden ist, deutlich. Das erste Verhör fand auf Einladung von Heinke und Universitätsrichter Behrens bereits am 3. November 1841 statt. Hoffmann wurde zum zweiten Band seiner ,,Unpolitischen Lieder" vernommen, stritt jedoch dessen staatsfeindliche Tendenzen ab. Am 6. Januar 1842 erfolgte die zweite Vernehmung, in der man ihm mit einer Gefängnis- oder Festungsstrafe drohte. Die Suspendierung Hoffmanns im April ging zunächst noch nicht mit einer Streichung seines Professorengehaltes einher. Zu dieser kam es erst, nachdem am 20. Dezember die Entlassung des Professors Hoffmann vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV bestätigt worden war. Am 18. Januar 1843 wurde über die Amtsenthebung Hoffmanns in der Breslauer Zeitung ausführlich berichtet, wobei, vermutlich als Folge der Zensur, die Position der preußischen Regierung als die richtige und Hoffmann als Vaterlandsverräter dargestellt wurde25.
3. 1. Anklage und Verteidigung im ersten Verhör
Die Abschrift des Protokolls vom 3. November 1841 ist durch Hoffmanns Autobiographie ,,Mein Leben" überliefert. Nachdem Hoffmann mit den Vorwürfen zum zweiten Teil der ,,Unpolitischen Lieder" (siehe I, 4) konfrontiert worden war, baute er seine Verteidigung im Wesentlichen auf vier Argumente auf. Zunächst erklärte er, er könne und werde sich auf eine Interpretation seiner Gedichte nicht einlassen26. Damit bezog er zwar eine nachvollziehbare Stellung, hatte doch tatsächlich noch nie ein Dichter seine eigenen Werke interpretiert, feindete sich aber mit den Heinke und Behrens an, da er so die Anklage ins Leere hätte laufen lassen. Zum Zweiten behauptete er, reproduzierten Dichter lediglich die Stimmung der Zeit, was bedeutet hätte, daß die in den ,,Unpolitischen Liedern" ausgemachten ,,verderblichen" Ansichten gar nicht seine eigenen sein mußten. Bei der Erwähnung seines Status als Universitätsprofessor und dem damit verbundenen Anspruch der Obrigkeit auf Loyalität, betonte Hoffmann, die Unpolitischen Lieder nur als Dichter herausgegeben zu haben, so daß ein Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung nicht vorgelegen habe. Das letztes Argument für seine Unschuld war ein durchaus überzeugendes: Das Buch erschien unter Bewilligung der holsteinischen Landeszensur, und seine Verbreitung war dadurch zunächst nicht illegal. Diesen Punkt zu Hoffmanns Gunsten, ließ man jedoch, wie aus dem Schreiben zu seiner Entlassung ersichtlich ist (siehe II. 3. 4.), nicht gelten.
Als Hoffmann auf keinen Anklagepunkt konkret einging, sondern sich immer wieder von Neuem auf die oben beschriebene Position zurückzog, drohten die Ankläger damit anzunehmen, Hoffmann habe ,,zu seiner Verteidigung gegen die vorliegende Anschuldigung nichts mehr anzuführen." Auch der Einwurf Hoffmanns, man könne ,,aus allen Büchern der Welt Nachteiliges ziehen", ohne daß diese dadurch zwingend staatsfeindlich seien, half nicht. Nach der Vernehmung entwickelte sich ein Gespräch zwischen Hoffmann und Heinke, das in den Memoiren des Dichters ebenfalls überliefert ist. Auf die Frage, wie er so etwas herausgeben könne, stellte Hoffmann lediglich die Gegenfrage, ob es denn gar kein Scherz, keine Ironie, kein Witz, keine Satire mehr geben solle.
Den Vorwurf, seine Veröffentlichungen seien insbesondere aus der Feder einen königlichen preußischen Beamten verwerflich, wies Hoffmann entschieden zurück. Keinem Beamten werde bei seiner Einstellung gesagt, was der Regierung gefiele und was nicht, weshalb es auch unmöglich sei, sich absolut sicher zu sein, mit seinen Schriften keinerlei Anstoß zu erregen. Hoffmann untermauerte diese These mit mehreren Beispielen und behauptete weiter, die Maßstäbe in Bezug auf Pressefreiheit würden von unterschiedlichen Regierungen unterschiedlich ausgelegt, seien also nicht ohne weiteres einzuhalten. Daß Hoffmann hier die Dinge naiver darstellte, als es ihm mit seiner politischen Bildung möglich gewesen wäre, mag den Willen Heinkes, Hoffmann seines Amtes zu entheben, gefestigt haben.
3. 2. Verlauf des zweiten Verhöres
Am 6. Januar 1842 wurde das Verfahren gegen Hoffmann fortgesetzt27. Gleich zu Beginn ließ er sich erneut die Vorwürfe der Zensurbehörde vorlesen, die ihm eine ,,verwerfliche Gesinnung und eine verderbliche Tendenz" in seinen Liedern unterstellten. Darauf erfuhr Hoffmann, daß man lediglich disziplinarisch gegen ihn verfahren und die Anwendung des Paragraphen 151 des preußischen Landesrechts unterlassen würde. Dieser lautet wie folgt: ,,Wer durch frechen unehrerbietigen Tadel, oder Verspottung der Landesgesetze und Unordnungen im Staate Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Bürger gegen die Regierung veranlaßt, der hat Gefängnis- oder Freiheitsstrafe auf 6 Monate bis 2 Jahre verwirkt." Wie erwartet stritt Hoffmann es energisch ab, ,,Mißvergnügen und Unzufriedenheit der Bürger" geschürt zu haben, sondern behauptete im Gegenteil, ,,in aller Welt sehr viel Vergnügen" mit den ,,Unpolitischen Liedern" bereitet zu haben.
Hoffmann bemerkt in seinen Aufzeichnungen zwar, die nun folgenden Fragen seien bestimmter gefaßt gewesen als jene in der ersten Anklageschrift, seine Antworten hingegen blieben ebenso wenig konkret wie bei der ersten Vernehmung durch Heinke und Behrens. ,,Ich werde mich nie auf eine Erklärung meiner Gedichte einlassen, glaube auch nicht, daß je ein Dichter dazu verpflichtet werden kann", erklärte er trotzig auf die erneute Aufforderung, sich zu konkreten Textstellen einiger seiner Gedichte zu äußern.
Mit dieser für ihn äußerst bequemen Einstellung beantwortete Hoffmann weitere Fragen. Bezogen auf sein Gedicht ,,Bauernglaube", in dem der Dichter das Heil der Erde mit einem Regal vergleicht, fragte Behrens, was er denn eigentlich mit Regal meine. Hoffmann erwiderte, ohne wirklich eine Antwort zu geben: ,,Herr Direktor, es gibt Dinge in der Welt, worüber man immer gestritten hat und ewig streiten wird (...). Mit Ministerialreskripten läßt sich so etwas nicht widerlegen. Will man mein Gedicht widerlegen, so mache man ein Gegengedicht. Man muß mit gleichen Waffen kämpfen, daß sind aber nicht Ministerialreskripte gegen Gedichte."
Zu dem Gedicht ,,Salziges" (siehe I, 4) befragt, äußerte sich Hoffmann ebenfalls ausweichend: ,,Wenn man mich deshalb zur Verantwortung ziehen will, so ist es (...) natürlicher, daß man mit dem Herrn Geh. Rat Weber den Anfang macht. Der ist viel gefährlicher als ich, der setzt in Prosa auseinander, daß die Tonne Salz, wenn es nicht Regal wäre, nur 3 - 4 - 5 Taler kosten würde, die doch jetzt an die 15 Taler kostet. Habe ich so etwas gesagt?"
Unbeeindruckt fuhren die Ankläger fort. Was Hoffmann als Staatsbeamter und Untertan zu Gedichten wie den ,,Unpolitischen Liedern" sage, wollte Behrens wissen. Die Antwort des Dichters erfolgte nach gewohntem Muster: ,,(...) Ich erkläre nochmals: Ich habe nur die Stimmung der Zeit und des Volkes wiedergegeben, denen ich nun einmal angehöre." Auf die Frage, wie er zur Kenntnis dieser Stimmung gelangt sei: ,,Durch Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, durch den Verkehr mit der Welt und auf meinen vielen Reisen in der Welt."
Zum Zeitpunkt dieser Vernehmung war der zweite Teil der ,,Unpolitischen Lieder" bereits in mehreren Bundesstaaten verboten. Im Gegensatz zum ersten Verhör, in dem er sich noch mit dem Hinweis auf die Genehmigung der holsteinischen Landeszensur zu verteidigen suchte, macht er sich nun den Umstand des Verbotes in seiner Argumentation zu nutze. Wenn, wie es die Zensurbehörde sah, die Kritik seiner Gedichte allein auf Preußen bezogen sei, warum haben dann auch andere deutsche Staaten, wie die freie Stadt Frankfurt, den zweiten Teil seiner Lieder verboten? Zu den weiteren Anklagepunkten äußerte sich Hoffmann kein weiteres Mal, sondern betonte lediglich, er bleibe bei seiner früher abgegebenen Erklärung. Geschickt wechselte Hoffmann daraufhin das Thema: ,,Wenn jedoch Eure Exzellenz glaubt, daß unsere Studenten sich um Gedichte bekümmern und dadurch verführt werden können, so verkennt der Herr Minister unsere Studenten." Eine Kritik der Zustände an den Universitäten schloß sich an. Studenten, behauptete er, wollen Bier trinken und Karten spielen, aufs Brot studieren, um schnell ins Brot zu kommen - weiter hätten sie gar kein Streben. Von politischem Sinn und geistiger Regsamkeit könne überhaupt keine Rede sein. Das Angebot sich schriftlich zu verteidigen, lehnte Hoffmann mit dem Hinweis, bereits alles gesagt zu haben, ab.
3. 3. Die Suspendierung Hoffmanns
Von der Suspendierung aus seinem Amt als ordentlicher Professor erfuhr Hoffmann verspätet28 am 27. April 1842. Zum Zeitpunkt dieses Beschlusses bereiste er die Städte Weimar, Coburg und Jena. In Folge eines Reskripts vom 9. April 1842 eröffnete Heinke in einem Schreiben vom 14. April Hoffmann dessen vorläufige Suspendierung, die nach einem Vortrag im königlichen Staatsministerium getroffen worden war.
Heinke betonte, die Haltung öffentlicher Vorlesungen sei Hoffmann von nun an untersagt. Trotz dieses Verbotes jeglicher akademischer Tätigkeiten beließ man Hoffmann bis zur endgültigen Entscheidung in seiner Sache sein Professorengehalt.
,,Durch meine einstweilige Entamtung war ich nun ein ganz freier Mann geworden und konnte meine Zeit nach Belieben verwenden", schrieb Hoffmann29. Er nutzte die gewonnenen Freiheiten, um erneut auf Reisen zu gehen. Während er in Köln, Hamburg, Cuxhaven oder Eichberg weiterhin an neuen Gedichten arbeitete, dort unter anderem die Vorrede für seine ,,Politischen Gedichte aus der deutschen Vorzeit" verfaßte, bemerkte er einen Stimmungsumschwung zahlreicher Zeitgenossen ihm gegenüber. In seinen Memoiren notierte er: ,,Die vielen guten Bekannten, zumal aus dem Beamtenstande, suchten jetzt absichtlich, jedes Treffen mit mir zu vermeiden, und um ihre verwandelte Gesinnung gegen mich zu verhüllen, grüßten sie mich um so freundlicher, beeilten sich aber an mir vorüberzukommen. Die Herrn Kollegen zeichneten sich in dieser Beziehung noch ganz besonders aus, sie flohen mich wie ein räudiges Schaf."
Die Repressalien gegen den Verfasser der ,,Unpolitischen Lieder" wirkten sich seit 1842 also nicht mehr allein in materiellen Einbußen, wie der Streichung seines Gehaltes im Dezember, aus, sondern betrafen indirekt sein gesamtes Umfeld. Egal, ob andere Professoren und Beamte oder die Vereinigung der Breslauer Poeten - Hoffmann bemerkte, wie man sich vielerorts von ihm distanzierte.
Die politische Öffentlichkeit spaltete sich in zwei Lager. Stolz berichtet Hoffmann von herzlichen Empfängen. Auf seinen Reisen durch Sachsen und Thüringen schlugen ihm größtenteils Sympathie und Solidarität entgegen, eine Tatsache die Hoffmann offenbar schmeichelte, denn er schildert die häufig empfangenen Würdigungen ausführlich. In Leipzig ließ man ihn bei einer Versammlung von dreihundert Buchhändlern hochleben, und die ,,Sächsischen Vaterlandsblätter" nannten ihn einen, der, wenn er ,,uns entgegentritt, den Gelehrten und Professor im ersten Augenblick vergessen und dafür den gemütlichen und durchaus volkstümlichen Dichter in ungeschminkter Treue sehen [läßt]."30
3. 4. Die endgültige Amtsenthebung
Vor seiner Rückkehr nach Breslau veröffentlichte am 23. September 1842 die Rheinische Zeitung, deren Chefredakteur zu dieser Zeit Karl Marx war, Hoffmanns Gedicht ,,An meinen König". Dieses gipfelte in der Aufforderung
Mein König, sprich das Wort: d a s W o r t i s t f r e i !
Dieser Wunsch Hoffmanns sollte sich zu seinen Lebzeiten nicht erfüllen. Nach seiner Rückkehr nach Breslau am Morgen des 24. Oktober 184231 stellte man ihm ein umfangreiches amtliches Papier zu, in dem die inkriminierten Texte des zweiten Bandes der ,,Unpolitischen Lieder" akribisch und in umständlichem Amtsdeutsch aufgelistet waren. Quintessenz des Schreibens war die Behauptung, daß ein Verfasser solcher Gedichte, selbst wenn er die Vorschriften der Zensur beachtet habe, gegen die Disziplinarvorschriften des öffentlichen Lehramtes verstoße und deshalb aus seinem Amt zu entheben sei. Wörtlich heißt es: ,,Das königliche Ministerium [hat] den Schluß gefaßt , daß der Dr. Hoffmann aus seinem Amte als ordentlicher Professor an der königlichen Universität zu Breslau ohne Pension zu entlassen sei. Dieser Beschluß ist von Seiner Majestät dem König bestätigt und bereits zur Ausführung gebracht worden."
III. Schluß
1. Das Amtsenthebungsverfahren aus heutiger Sicht
Sicherlich waren die ,,Unpolitischen Lieder" keineswegs unpolitisch. Auch die Einschätzung Hoffmanns, die darin enthaltenen Gedichte seien ,,harmlose Scherze"32 trifft nicht unbedingt zu. Im Gegenteil besaßen sie eine für Zeitgenossen ungewöhnliche politische Brisanz.
In einer Zeit, in der von der Zensurbehörde Kritikansätze weitgehend unterdrückt wurden, mußten auch Werke, die uns heute vergleichsweise harmlos vorkommen, eine viel größere Wirkung auf die Öffentlichkeit gehabt haben. Wenn einem Studenten, der etwas längere Haare hat, sofort demagogische Aktivitäten unterstellt werden, mußte jemandem, der die Fürsten öffentlich mit Jägern verglich und ihre Versprechen als ,,eitle Poesie" oder ,,Schall und Wind"33 abtat, erst recht dieser Vorwurf gemacht werden.
Was bewegte also Hoffmann, seine ,,Unpolitischen Lieder" zu veröffentlichen?
Zunächst einmal schien der Zeitpunkt günstig. Mit Friedrich Wilhelm IV bestieg ein König den Thron, von dem viele Zeitgenossen, unter ihnen sicherlich auch Hoffmann, annahmen, er würde die Politik liberaler gestalten und insbesondere einige der Einschränkungen der Meinungsfreiheit lockern. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht, so daß die Veröffentlichung des zweiten Teils der ,,Unpolitischen Lieder" vielleicht ein etwas voreiliger Schritt war.
Unklar bleibt nach wie vor, ob Hoffmann während den Verhören bewußt auf seinem Standpunkt verharrte und jegliches Einlenken vermied, um seinen Grundsätzen, besonders seinem brennenden Wunsch nach einer Lockerung der Pressegesetze, treu zu bleiben und die dadurch für ihn entstehenden Nachteile in Kauf nehmen. Auf diese Weise wurde er von vielen Zeitgenossen, was die zahlreichen Sympathie- und Solidaritätsbekundungen nach seiner Amtsenthebung zeigten, als eine Art Märtyrer betrachtet, der dem von ihm angeprangerten System selbst zum Opfer gefallen war.
Denkbar wäre aber auch, daß Hoffmann nach der Genehmigung der holsteinischen Zensurbehörde tatsächlich von einer problemlosen Verbreitung der kritischen Gedichte ausging. Dafür spräche unter anderem Hoffmanns Weigerung, konkrete Textstellen zu interpretieren. Anscheinend nahm er das Verfahren zunächst nicht so ernst, wie er es hätte tun sollen. Er verließ sich zu sehr auf seine Argumente, die Willkür der Obrigkeit und ihre panische Angst vor politischen Unruhen wie in Frankreich unterschätzend. Zu keiner Zeit äußerte er in seiner Autobiographie Zweifel an seinem Auftreten bei den Verhören. Daß es nicht reichte zu behaupten, ein Dichter könne nicht verpflichtet werden, seine eigenen Werke zu interpretieren und sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, er habe lediglich die Stimmungen des Volkes und der Zeit wiedergegeben, erkannte Hoffmann entweder zu spät, oder er erkannte es, verzichtete aber aus den oben genannten Gründen darauf, vor den Anklägern Einsicht zur Schau zu tragen.
So wird man zwar über Hoffmanns Motive vor, während und nach der Verhandlung zum Teil auch weiterhin nur rätseln können, die Selbstherrlichkeit und die Willkür der reaktionären deutschen Bundesstaaten des Vormärzes könnten jedoch durch kaum ein anderes Beispiel als Hoffmanns Amtsenthebung treffender charakterisiert werden.
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
- Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder II, Hamburg 1841
- Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen, Hannover 1868
- Hoffmann von Fallersleben: Zehn Aktenstücke über die Amtsentsetzung des Professors Hoffmann von Fallersleben, Mannheim 1843
Sekundärliteratur
- Schlink, Roland: Hoffmanns von Fallersleben vaterländische und gesellschaftskritische Lyrik, Stuttgart 1981
- Borchert, Wolfgang: Hoffmann von Fallersleben - ein deutsches Dichterschicksal, Berlin 1991
- Wiesemberg, Helmut: Hoffmanns ,,Unpolitische Lieder". In: Hoffmann von Fallersleben. Wollen - Wirken - Werke. Eine Gedenkschrift zum 100. Todestag des Dichters, Gelehrten und Sprachforschers am 19. Januar 1974, Wolfsburg 1974, S. 26 - 34
- Lexikon der Weltgeschichte, F. Englisch Verlag, Wiesbaden 1977
[...]
1 Hoffmann von Fallersleben: Zehn Aktenstücke über die Amtsentsetzung des Professors
Hoffmann von Fallersleben. Mannheim 1843, S. 3. Wird nachfolgend so zitiert: H. v. F.: Zehn Aktenstücke, a. a. O.: Seite
2 Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen. Band 2, Hannover 1868, S. 244 ff. Wird im Folgenden so zitiert: ML, Seite
3 ML, S. 245
4 H. v. F.: Wollen - Wirken - Werke, Eine Gedenkschrift zum 100. Todestag des Dichters, Gelehrten und Sprachforschers. Herausgegeben von der H. v. F.-Gesellschaft. Wolfsburg 1974, S. 26
5 Hoffmann von Fallersleben: Unpolitische Lieder II, Hamburg 1840,: S. 9, 13, 79, 140. Wird nachfolgend so zitiert: UL II, Seite
6 UL II: S. 12
7 UL II: S. 92
8 H. v. F.: Zehn Aktenstücke, a. a. O.: S. 18
9 UL II, S. 65
10 UL II, S. 62
11 UL II, S. 55
12 Schlink, Roland: Hoffmanns von Fallersleben vaterländische und gesellschaftskritische Lyrik, Stuttgart 1981, S. 15 f.
13 UL II, S. 85
14 Offenbarung des Johannes 20. 7,8,9; Hesekiel 38. 2
15 H. v. F.: Zehn Aktenstücke, S. 23
16 ML, S. 227
17 Andrée, Fritz: Hoffmann von Fallersleben - Des Dichters Leben, Wirken und Gedenkstätten in Wort und Bild, Fallersleben 1978, S. 16 ff.
18 ebd.: S. 19
19 H. v. F.: Fundgruben für Geschichte deutscher Sprache und Literatur, Breslau 1830.
20 H. v. F.: Handschriftenkunde für Deutschland, Breslau 1831.
21 Andrée: a. a. O.: S. 32
22 Jürgen Borchert: Hoffmann von Fallersleben - Ein deutsches Dichterschicksal, Berlin 1991, S. 123
23 Borchert: a. a. O.: S. 121
24 ebd., Seite 123
25 H. v. F.: Zehn Aktenstücke, S. 14
26 ML, S. 229 ff.
27 ML, S. 253
28 ML, S. 289
29 ebd., S. 295 ff.
30 Borchert, a. a. O., S. 126
31 H. v. F., a. a. O., S. 332
32 H. v. F.: a. a. O.: S. 232
33 UL II, S. 96
- Citar trabajo
- Marc Chmielewski (Autor), 1999, Staatliche Repression im Vormärz am Beispiel der Amtsenthebung Hoffmanns von Fallersleben, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98129
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