Controlling ist ein elementarer Baustein des heutigen Managements. Gezielt wird nach geeigneten Instrumenten gesucht, um eine verlässliche Informationsgrundlage für Entscheidungen zu schaffen. Die steigende Bedeutung von Prozessen hat sich dabei in den vergangenen Jahrzehnten auch auf die Kostenrechnung ausgewirkt. So wird seit den achtziger Jahren die Einführung der Prozesskostenrechnung für eine verursachungsgerechtere und transparentere Verrechnung von Kosten diskutiert. Ausgangspunkt waren die stetig steigenden Gemeinkosten vieler westlicher Industrieunternehmen und die damit einhergehenden Probleme mit der traditionellen Verrechnung dieser Kosten auf die Kostenträger.
Die XYZ-Gruppe ist ein weltweit führender Hersteller von qualitativ hochwertigen Produkten in verschiedenen Bereichen. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Eignung der Prozesskostenrechnung für den Produktionsstandort Musterstadt geprüft. Dafür wird dieses Controlling-Instrument aus theoretischer Sicht beleuchtet und ein allgemeines Vorgehen zur Einführung beschrieben. Anschließend wird die Eignung des Einsatzes für den Standort Musterstadt der XYZ Group geprüft und darauf aufbauend die Rechnung gezielt unternehmensindividuell konzipiert. Abschließend werden die Anforderungen an die Rechnung und die Zielerreichung durch diese kritisch analysiert.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Problemstellung
2 Betriebswirtschaftliche Grundlagen
2.1 Produktionsbetrieb und Logistik
2.2 Definition von Kosten, Leistungen und Erlösen
2.3 Charakteristika von Voll- und Teilkostenrechnung
2.4 Prinzipien der Kostenverrechnung
3 Grundlagen der Prozesskostenrechnung
3.1 Grundlagen des Prozessmanagements
3.1.1 Zunahme des Prozessdenkens in Unternehmen
3.1.2 Definition des Prozessmanagements
3.1.3 Prozessarten in Unternehmen
3.2 Prozesskostenrechnung
3.2.1 Entstehung und Grundgedanke der Prozesskostenrechnung
3.2.2 Vorgehensweise bei der Einführung der Prozesskostenrechnung
3.2.3 Etablierung einer kontinuierlichen Prozesskostenrechnung
3.2.4 Beispielhafte Durchführung einzelner Schritte der Prozesskostenrechnung
3.2.5 Analysemöglichkeiten der Prozesskostenrechnung
3.2.6 Grenzen der Prozesskostenrechnung
3.2.7 Gründe für das Scheitern der Prozesskostenrechnung
3.2.8 Bewertung der Prozesskostenrechnung
4 Die XYZ-Gruppe
4.1 Unternehmensprofil
4.2 Lösungen und Märkte
4.3 Produktherstellung
4.4 Veredelungstechniken
4.5 Organisatorischer Aufbau des Standorts Musterstadt
5 Bewertung der Eignung der Prozesskostenrechnung für den Standort
5.1 Beschreibung der bestehenden Bewertung von Prozessen
5.2 Analyse der bestehenden Bewertung von Prozessen
5.3 Bewertung der Anwendungsmöglichkeit der Prozesskostenrechnung
6 Konzeptionierung der Prozesskostenrechnung
6.1 Allgemeine Rahmenbedingungen
6.2 Vorgehensweise der Konzeptionierung
6.3 Prüfung der Sinnhaftigkeit der Prozesskostenrechnung
6.4 Definierung und Abgrenzung der relevanten Einsatzgebiete
6.5 Festlegung der Rechnungsart und -periode
6.6 Tätigkeitsanalyse
6.6.1 Vorbereitung und Begrenzung der Tätigkeitsanalyse
6.6.2 Durchführung der Tätigkeitsanalyse
6.7 Mikro- und Teilprozessbildung
6.7.1 Definierung der Prozesshierarchie
6.7.2 Mikroprozessbildung
6.7.3 Zuordnung von Zeiteinheiten zu Mikroprozessen
6.7.4 Teilprozessbildung
6.7.5 Versandprozessbildung
6.7.6 Bildung von Prozesskosten
6.7.7 Integration der Prozesskostenrechnung in bestehende Systeme
6.8 Hindernisse bei der Umsetzung
6.9 Handlungsempfehlungen zur weiteren Umsetzung
6.10 Bewertung der konzipierten Prozesskostenrechnung
7 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abstract
Controlling ist ein elementarer Baustein des heutigen Managements. Gezielt wird nach geeigneten Instrumenten gesucht, um eine verlässliche Informationsgrundlage für Entscheidungen zu schaffen. Die steigende Bedeutung von Prozessen hat sich dabei in den vergangenen Jahrzehnten auch auf die Kostenrechnung ausgewirkt. So wird seit den achtziger Jahren die Einführung der Prozesskostenrechnung für eine verursachungsgerechtere und transparentere Verrechnung von Kosten diskutiert. Ausgangspunkt waren die stetig steigenden Gemeinkosten vieler westlicher Industrieunternehmen und die damit einhergehenden Probleme mit der traditionellen Verrechnung dieser Kosten auf die Kostenträger.
Die XYZ-Gruppe ist ein weltweit führender Hersteller von qualitativ hochwertigen Produkten in verschiedenen Bereichen. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Eignung der Prozesskostenrechnung für den Produktionsstandort Musterstadt geprüft. Dafür wird dieses Controlling-Instrument aus theoretischer Sicht beleuchtet und ein allgemeines Vorgehen zur Einführung beschrieben. Anschließend wird die Eignung des Einsatzes für den Standort Musterstadt der XYZ Group geprüft und darauf aufbauend die Rechnung gezielt unternehmensindividuell konzipiert. Abschließend werden die Anforderungen an die Rechnung und die Zielerreichung durch diese kritisch analysiert.
Schlagworte:
Kostenreiber | Kostentransparenz | Kostenrechnung | Produktionsunternehmen | Prozesskostenrechnung
Controlling is a fundamental part of today’s management. In order to get reliable data, companies are searching for suitable tools. The increasing importance of processes in the past decades influenced cost accounting, too. Since the eighties, process accounting has become a discussed topic for a more transparent and cause-related cost allocation. The beginning of this change was the trend of constantly rising overhead costs of many western industrial companies and the connected problems with traditional cost allocation towards cost objects.
The XYZ Group is a global leader in the manufacturing of high-quality film for various application areas. This paper will examine the suitability of process accounting and its implementation at the production site Musterstadt. For this purpose, the controlling instrument will be examined theoretically and a general implementation procedure is described. Subsequently, the calculation will be adjusted to the needs of the company’s site. In the end, the calculation requirements will be compared to the defined objectives.
Key Words:
Cost Driver | Cost Transparency | Cost Accounting | Manufacturing Company | Process Cost Accounting
Abkürzungsverzeichnis
DE Deutschland
DS Drittstaat
EU Europäische Union
HUN Ungarn
Lmn Leistungsmengenneutral
Lmi Leistungsmengeninduziert
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kreislaufcharakter des Geschäftsprozessmanagements
Abbildung 2: Anteil der Gemein- und Lohneinzelkosten im Zeitverlauf
Abbildung 3: Fluss der Einzel- und Gemeinkosten in der Prozesskostenrechnung
Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Prozess, Ressource und Kostenträger
Abbildung 5: Verdichtung von Tätigkeiten zu Teil- und Hauptprozessen
Abbildung 6: Kreislaufcharakter der kontinuierlichen Prozesskostenrechnung
Abbildung 7: Veränderung der Kostenstruktur durch die Prozesskostenrechnung
Abbildung 8: Kostenträgerstückrechnung mit der Prozesskostenrechnung
Abbildung 9: Organigramm des Standorts Musterstadt
Abbildung 10: Prozesshierarchie des Standorts Musterstadt
Abbildung 11: Microsoft Excel Arbeitsblatt zur Prozessübersicht
Abbildung 12: Auswertung mit Microsoft Excel auf Kundenbasis mit Detailstufe eins
Abbildung 13: Auswertung mit Microsoft Excel auf Kundenbasis mit Detailstufe zwei
Abbildung 14: Auswertung mit Microsoft Excel auf Kundenbasis mit Detailstufe drei
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beispiele für Tätigkeiten und Kostentreiber
Tabelle 2: Beispiele für geeignete Kostentreiber
Tabelle 3: Beispielhafte Hypothesenbildung
Tabelle 4: Beispielhafte Tätigkeitsanalyse
Tabelle 5: Beispielhafte Teilprozessbildung
Tabelle 6: Beispielhafte Ermittlung von Teilprozesskosten
Tabelle 7: Beispielhafte Verdichtung zu Hauptprozessen
Tabelle 8: Erster Fragebogen zur Tätigkeitsanalyse
Tabelle 9: Tätigkeitskatalog der Logistik-Abteilung
Tabelle 10: Verdichtung der Tätigkeiten zu Mikroprozessen
Tabelle 11: Gebildete Mikroprozesse mit der Anzahl der gebündelten Tätigkeiten
Tabelle 12: Zeitbedarfe der einzelnen Mikroprozesse
Tabelle 13: Verdichtung der Mikroprozesse zu Teilprozessen
Tabelle 14: Zeitbedarfe der einzelnen Teilprozesse
Tabelle 15: Zeitbedarfe für einen Versandprozess
1 Problemstellung
Schon immer sahen sich Unternehmen mit Umweltveränderungen konfrontiert. Im Laufe der letzten Jahrzehnte kam es jedoch vermehrt zu einem Wandel der Unternehmensumwelt. Die steigende Dynamik und Komplexität der Märkte führen zu einem verstärkten Wettbewerb in allen Bereichen. Als Konsequenz beschäftigt sich die Unternehmensleitung laufend mit der Aufgabe, Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Die Suche nach weiteren Optimierungsmaßnahmen führt seit den achtziger Jahren dazu, dass Unternehmen sich zunehmend mit der Optimierung interner Abläufe beschäftigen.1
In der Vergangenheit und zum Teil noch heute fehlt in Unternehmen jedoch die Sicht auf Prozesse, stattdessen findet eine Konzentration auf Funktionen statt. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich ein Großteil aller Fragestellungen in Unternehmen, sei es organisatorisch, informationstechnisch oder betriebswirtschaftlich, direkt oder indirekt auf Prozesse beziehen. Auch in der Kostenrechnung spielte die Betrachtung einzelner Prozesse eine untergeordnete Rolle und fand in der Praxis außerhalb der Produktion keine außerordentliche Beachtung. Erst seit den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung der Identifikation, Modellierung, Analyse, Kontrolle sowie Verbesserung von Geschäftsprozessen stark an Bedeutung gewonnen.2
Controlling ist ein elementarer Baustein des heutigen Managements, deshalb hat die verstärkte Prozessorientierung auch im Bereich der Kostenrechnung zu Veränderungen geführt. Denn sie ist nur dann in der Lage eine aussagefähige und fundierte Informationsbasis zu schaffen, wenn die Kosten verursachungsgerecht, objektiv und möglichst genau auf die Bezugsobjekte verteilt werden.3 Durch drastische Umweltveränderungen, wie der Globalisierung, schneller werdenden technologischen Fortschritt, zunehmenden Konkurrenzdruck und vermehrten Dienstleistungsanbietern, stieg und steigt der Anteil der Gemeinkosten an der Wertschöpfung. Diese Entwicklung beschränkt sich dabei nicht nur auf einzelne Länder, sondern kann weltweit festgestellt werden. Traditionelle Kostenrechnungssysteme beziehen sich jedoch vornehmlich auf die Einzelkosten bzw. variablen Kosten. Dies führt in der Praxis in der klassischen Vollkostenrechnung zu Fehlkalkulationen und Intransparenz durch nicht verursachungsgerechte Kostenverteilung. In der traditionellen Teilkostenrechnung wiederum wird ein immer kleiner werdender Kostenblock, nämlich die variablen Kosten, betrachtet.4
Um Fehlinformationen sowie falsche Entscheidungen zu vermeiden und die Kostentransparenz wiederherzustellen, wird seit den achtziger Jahren die Prozesskostenrechnung als Lösungsansatz diskutiert. Im Zentrum dieser Rechnung stehen die Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche, welche durch eine möglichst verursachungsgerechte Verrechnung auf Basis von Prozessen verteilt werden.5
Wie die Mehrheit der deutschen Industrieunternehmen verzeichnet die XYZ-Gruppe seit Jahrzehnten steigende Gemeinkosten, welche zu einer zunehmenden Kostenintransparenz der traditionellen Kostenrechnungen im Gemeinkostenbereich führen. Die Informationsqualität leidet v.a. unter der nicht verursachungsgerechten Verrechnung der Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche. Diese werden bisher über die Gemeinkostenschlüssel auf die jeweiligen Kostenträger verteilt. Die Sinnhaftigkeit dieser Verrechnungsmethode wird durch die zuständige Abteilung des Standorts Musterstadt aber auch durch Verantwortliche in der Zentrale stark in Frage gestellt.
Der Standort Musterstadt wünscht sich ein Kostenrechnungssystem, mit dem:
- die Kosten einzelner ausgewählter Prozesse transparent gemacht,
- Produkte und Kunden mit den Kosten einzelner Prozesse belastet und analysiert,
- interne Optimierungsmaßnahmen auf Basis von Prozessen identifiziert sowie
- Entscheidungen zum Outsourcing getroffen und verifiziert werden können.
Im Rahmen dieser Arbeit soll daher geprüft werden, ob die Prozesskostenrechnung die genannten Punkte erreichen kann, Vorteile für den XYZ-Standort Musterstadt bietet und ob eine Einführung (in bestimmten Bereichen, wie der Logistik) sinnvoll ist. Ist dies der Fall, soll ein Vorgehen zur Einführung konzipiert und einzelne Prozesse als beispielhafte Vorgehensweise mit der Prozesskostenrechnung analysiert werden.
Zur Erreichung dieser Aufgabenstellung ist die Arbeit wie folgt gegliedert. Zunächst werden die notwendigen betriebswirtschaftlichen Grundlagen vermittelt, um darauf aufbauend die Prozesskostenrechnung näher zu erläutern. Dabei wird die Prozesskostenrechnung zunächst im Rahmen des Prozessmanagement dargestellt und anschließend ihr Grundgedanke, Ablauf und ihre Analysemöglichkeiten beschrieben. Darauf basierend werden die Vor- und Nachteile der Prozesskostenrechnung kritisch gegenübergestellt. Danach wird die Situation des XYZ-Standorts Musterstadt analysiert, die Eignung der Prozesskostenrechnung beurteilt und, falls sinnvoll, eine Einführung der gleichen konzipiert. Die abschließende Zusammenfassung stellt die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit dar.
2 Betriebswirtschaftliche Grundlagen
2.1 Produktionsbetrieb und Logistik
Gegenstand der Produktion ist der gesteuerte Einsatz von Produktionsfaktoren zur Bereitstellung von Dienstleistungen oder Erzeugung von Gütern. Die Steuerung erfolgt durch eine zielgerichtete Planung, Organisation und Kontrolle der Fertigung.6
Das Produktionsunternehmen (Synonym: Industrieunternehmen) ist ein mit seiner Umwelt verwobenes, dynamisches System. Es besteht aus Mitarbeitern, Nominal- und Realgütern sowie Informationen. Hauptmerkmal dieser Unternehmen ist der Produktionsprozess. In diesem wird der Prozessinput (Werkstoffe, Betriebsmittel und Arbeitskraft) durch eine Transformation (Produktion) zu einem Prozessoutput umgewandelt. Der Output kann sowohl gewollt (Sachgüter und Dienstleistung), als auch ungewollt (Ausschuss und Emissionen) sein. Der Prozessinput wird durch die Beschaffung aus der Umwelt bezogen, während nach der Produktion mit Hilfe des Vertriebs die Waren an diese wieder abgegeben werden. Der Transformationsprozess ermöglicht es dem Unternehmen seine individuellen Ziele zu verfolgen. Neben den Hauptfunktionen (Beschaffung, Produktion und Vertrieb), gibt es (je nach Unternehmen) zahlreiche weitere Funktionen wie Personalwirtschaft, Logistik, Finanzierung sowie Forschung und Entwicklung. Neben der funktionalen Sichtweise auf Unternehmen, kann auch die prozessorientierte Sichtweise angewandt werden.7
Zur praktischen Ausführung der Arbeit ist zudem der Begriff Logistik zu definieren. In der Literatur ist er nicht trennscharf formuliert. So beschreibt Schulte Logistik als „[...] marktorientierte, integrierte Planung, Gestaltung, Abwicklung und Kontrolle des gesamten Material- und dazugehörigen Informationsflusses zwischen einem Unternehmen und seinen Lieferanten, innerhalb eines Unternehmens sowie zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden.“8
Dahingegen sehen Czenskowsk und Piontek Logistik als Summe aller Prozesse, welche direkt oder indirekt der Überbrückung von zeitlichen oder räumlichen Unterschieden dienen. In der Industrie sehen sie v.a. die Aktivitäten der Planung und Steuerung der Lagerhaltung sowie des Transportes von Material und Informationen als Hauptaufgabe.9
Als generelle Kernprozesse der Logistik können somit der Transport, der Umschlag und die Lagerung von Sachgütern (wie Rohstoffe und Produkte für den Industriebetrieb), als auch von Personen und Informationen festgehalten werden.10
Die Logistik kann u.a. in Mikrologistik (Synonym: interne Logistik), welche innerhalb des Unternehmens stattfindet, und Meta- oder Makrologistik, welche über Unternehmensgrenzen agiert, unterschieden werden. Eine andere Unterscheidung richtet sich nach der Funktion der Logistik. Im Rahmen dieser Arbeit ist neben der internen Logistik (i.S.v. Lagerhaltung und Transport) die Absatzlogistik von Bedeutung, welche sich hauptsächlich mit der optimalen Distribution der Produkte beschäftigt.11
2.2 Definition von Kosten, Leistungen und Erlösen
Urheber der heutigen Kostendefinition ist Schmalenbach.12 Er verstand Kosten als den „[…] mit Preisen bewertete Verzehr von Produktionsfaktoren, der durch die betriebliche Leistungserstellung (und –verwertung) verursacht wird.“13 Die Definition wird in der Literatur durch verschiedene Merkmale ergänzt. So wird die Definition häufig dahingehend erweitert, dass die Kosten einem bestimmten Betrachtungszeitraum zugeordnet werden können.14 Eine Besonderheit stellen die sog. kalkulatorischen Kosten dar, welche eingesetzt werden, um Verzerrungen durch besondere Kosten- oder Leistungsaufkommen zu vermeiden, den tatsächlichen Wert von Kosten darzustellen, die Substanzerhaltung sicherzustellen und um Opportunitätskosten einbeziehen zu können.15 Nach dem Opportunitätskostenprinzip entstehen Kosten auch dadurch, dass eine alternative Verwendungsmöglichkeit nicht wahrgenommen wird.16
Leistungen bezeichnen vom Unternehmen geschaffenen Kostenträger. Sie stellen die in Geldeinheiten bewerteten Güter und Dienstleistungen dar, welche unter dem Einsatz von Produktionsfaktoren durch einen betriebszweckdienlichen Prozess erstellt wurden. Durch den Absatz der Leistungen erzielt das Unternehmen Erlöse als in einer Abrechnungsperiode zufließende finanzielle Mittel.17
2.3 Charakteristika von Voll- und Teilkostenrechnung
Je nach Art der Kostenverrechnung auf die Kostenträger werden in der Kostenrechnung die Systeme der Voll- und Teilkostenrechnung unterschieden. Trotz der unterschiedlichen Kostenverteilung ergeben sie bei der Gewinnermittlung (ohne Bestandsveränderung bei fertigen oder unfertigen Erzeugnissen) das gleiche Ergebnis. Grund dafür ist, dass die Summen der betrachteten Kosten und Erlöse identisch sind.18
Ziel der Vollkostenrechnung ist die Verrechnung aller Kosten des Betriebes auf die produzierten Kostenträger. Dabei werden die Kosten in Einzel- und Gemeinkosten unterteilt. Bei Einzelkosten (Synonym: direkte Kosten) handelt es sich um Kosten, welche einer Bezugsgröße, wie einem Produkt, verursachungsgerecht zugeordnet werden können. Sie entstehen je Leistungseinheit und sind daher variable Kosten. Beispiele wären die Kosten für das Blech in der Automobilproduktion sowie der Akkordlohn. Im Gegensatz dazu können Gemeinkosten (Synonym: indirekte Kosten) dem einzelnen Kalkulationsobjekt nur indirekt zugerechnet werden, da sie für verschiedene Bezugsobjekte gemeinsam anfallen. Gemeinkosten bestehen i.d.R. mehrheitlich aus Fixkosten. Sie werden auf dem Ort der Kostenentstehung, der sog. Kostenstelle, über einen bestimmten Zeitraum gesammelt und anschließend über Gemeinkostenschlüssel auf die betroffenen Kostenträger verteilt. Werden die Einzelkosten und die proportionalisierten Gemeinkosten des Kostenträgers addiert, ergeben sich die Selbstkosten des Kostenträgers. Durch die Hinzurechnung der Gewinnerwartung bildet sich der Verkaufspreis.19
Die Problematik der Vollkostenrechnung liegt zum einem an der fehlenden Differenzierung zwischen den variablen und fixen Kostenbestandteilen. Variable Kosten werden auch als mengenabhängige Kosten bezeichnet und verändern sich in Abhängigkeit von der Beschäftigung entweder proportional, progressiv, regressiv oder degressiv. Ohne Ausbringungsmenge fallen keine variablen Kosten an. Im Gegensatz dazu stehen Fixkosten, welche in ihrer absoluten Form unabhängig vom Beschäftigungsgrad sind und in gleichbleibender Höhe anfallen (z.B. Mieten oder Gehälter). Sie sind zumindest kurzfristig nicht durch das Unternehmen beeinflussbar und entstehen durch die Aufrechterhaltung der Produktionsbereitschaft. Sprungfixe Kosten steigen ab einem bestimmten Beschäftigungsgrad sprunghaft auf ein höheres bzw. niedrigeres Kostenniveau. Die fehlende Unterscheidung dieser Kostenarten führt bei einer sinkenden Beschäftigung dazu, dass jeder Kostenträger durch die Umverteilung der Gemeinkosten einen höheren Anteil an Fixkosten trägt. Als Folge steigt der Verkaufspreis. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen mit niedriger Auslastung kann die Vollkostenrechnung daher zu Fehlentscheidungen in der Preispolitik führen. Die kalkulierten Preise verschlechtern die Attraktivität der Produkte, was zu noch geringerem Absatz und damit zu einer geringeren Beschäftigung führen kann. Eine nur auf Vollkosten beruhende Preisfindung ist nicht marktorientiert und muss stets hinterfragt werden. Andererseits kann eine Proportionalisierung der Fixkosten für strategische Entscheidungen unter Umständen sinnvoll sein, da Fixkosten langfristig abbaubar sind. Jedoch muss hier überprüft werden, inwiefern die Fixkosten durch einen Kostenträger beeinflussbar sind.20 Eine Plausibilisierung durch weiter, ergänzende Analysen ist daher sinnvoll.21
Zum anderen führt die nicht verursachungsgerechte Berücksichtigung der Gemeinkosten zu der Annahme, dass alle verrechneten Kosten tatsächlich durch den Kostenträger entstehen und durch ihn beeinflussbar sind. Dies ist jedoch oft eine Fehlannahme, da Fixkosten i.d.R. für mehrere Kostenträger anfallen und kurzfristig nicht veränderbar sind. Kann ein Kostenträger seine Selbstkosten durch den realisierten Preis nicht mehr decken, wird bei einer Aufgabe das Ergebnis nur dann verbessert, wenn die variablen Kosten höher als der Verkaufspreis sind und/oder die Fixkosten im ausreichenden Ausmaß abgebaut werden können. Ist dies nicht der Fall, werden die restlichen Kostenträger durch die umverteilten Fixkosten zusätzlich belastet. Eine Proportionalisierung und Schlüsselung von Fixkosten ist daher unter Gesichtspunkten des Verursachungsprinzips nicht korrekt.22
Des Weiteren hat sich die Kostenstruktur seit Entwicklung der Vollkostenrechnung grundlegend verändert. Zur Zeit der Entstehung des Rechnungssystems war der Anteil der Gemeinkosten an den Gesamtkosten deutlich geringer als heute. Die Hauptkostenblöcke der Gemeinkosten (Arbeitslohn und Materialkosten) wurden über Zuschlagssätze auf die Material- und Lohneinzelkosten verrechnet. Durch die starke Zunahme der Gemeinkosten werden immer mehr Gemeinkosten auf immer weniger Einzelkosten umgeschichtet. Schon minimale Änderungen der Einzelkosten führen dadurch zu deutlichen Veränderungen der Selbstkosten eines Produktes. Die ursprünglich Verteilungsmethode ist damit deutlich fehleranfälliger geworden und hat stark an Aussagekraft verloren.23
Im Rahmen der Teilkostenrechnung werden nur entscheidungsrelevante Kosten auf die Kostenträger verteilt. Die Betrachtung umfasst sowohl die Erlöse der Kostenträger als auch deren variablen Kosten. Im Gegensatz zur Vollkostenrechnung wird in diesem System nicht der Stückgewinn betrachtet, sondern der Stückdeckungsbeitrag. Er berechnet sich aus der Subtraktion der variablen Stückkosten von den Erlösen. Die Summe der Deckungsbeiträge wird anschließend den restlichen Kosten des Unternehmens, welche i.d.R. Fixkosten darstellen, für die Ergebnisrechnung gegenübergestellt.24 Die Teilkostenrechnung wurde entwickelt, um die Schwächen der traditionellen Vollkostenrechnung zu vermeiden, deren Informationsgehalt zu ergänzen und v.a. für kurzfristige Fragestellungen die notwendige Informationsgrundlage zu schaffen.25
2.4 Prinzipien der Kostenverrechnung
Nachdem die Kosten erfasst wurden, werden diese durch die Kostenverrechnung auf die jeweiligen Bezugsobjekte verteilt. Dabei können verschiedene Prinzipien Anwendung finden, welche in diesem Teil der Arbeit vorgestellt und beschrieben werden.
Generell gilt in der Kostenrechnung das Verursachungsprinzip als erstrebenswert, da es den höchsten Informationsgehalt ermöglicht. Hierbei werden dem Bezugsobjekt nur jene Kosten zugordnet, welche es verursacht hat. Es kann unterschiedlich stark ausgelegt werden und wird in weitere Unterprinzipien unterteilt. Sie unterscheiden sich in der Definition von „verursachungsgerecht“:26
- Das Kausalitätsprinzip besagt, dass zwischen Bezugsobjekt und Kosten ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang besteht. Es ist eine besonders enge Auslegung des Verursachungsprinzips. Grundgedanke ist, dass die Kosten nicht ohne die Leistungserstellung entstehen würden. Es dürfen also nur Kosten verrechnet werden, die unmittelbar durch einen Kostenträger entstehen. Als Beispiel wären hier die Grenzkosten für die Herstellung eines zusätzlichen Tisches in einer Schreinerei zu nennen. V.a. in der Vollkostenrechnung ist dieses Prinzip nicht anwendbar, da i.d.R. nur variable Einzelkosten verrechnet werden können. In der Teilkostenrechnung kann das Prinzip durch die Einteilung der Kosten in fixe und variable Bestandteile leichter eingehalten werden.
- Das Finalitätsprinzip verrechnet Kosten nach einem Mittel-Zweck-Zusammenhang zwischen Kostenträger und Kosten. Es ist eine weiter gefasste Definition des Verursachungsprinzips. Neben den Einzelkosten können den Bezugsobjekten auch die verursachten Gemeinkosten zugeordnet werden. Beispiel wäre hier der anteilige Lohn für eine produzierte Ware oder die verursachten Gemeinkosten durch eine Maschine, welche speziell für ein Produkt angeschafft wurde.
- Durch das Beanspruchungsprinzip werden dem Bezugsobjekt (hauptsächlich Gemein-)Kosten durch die Inanspruchnahme von Betriebsressourcen zugeordnet. Es findet u.a. in der Prozesskostenrechnung Anwendung. Ein Beispiel für eine Verrechnung wäre die Zuordnung von Maschinenkosten über Maschinenlaufzeiten.
- Nach dem Identitätsprinzip können einem Bezugsobjekt nur dann Kosten zugerechnet werden, wenn sowohl die Kosten als auch das Bezugsobjekt durch eine identische Entscheidung verursacht wurden. Es handelt sich dabei um einen anderen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang als beim Kausalitätsprinzip. Die zurechenbaren Kosten richten sich nach den Fragen: Wer soll den Kostenträger produzieren? Wo soll er produziert werden? Wann soll er produziert werden? Die daraus resultierenden Kosten dürfen auf den Kostenträger verrechnet werden.
- Das Proportionalitätsprinzip ist nur dann verursachungsgerecht, wenn sich die Gemeinkosten proportional zum Bezugsobjekt verhalten. Die Kosten werden durch festgelegte Gemeinkostenschlüssel auf die Bezugsobjekte verteilt. Eine dafür notwendige lineare Kostenfunktion ist in der Praxis jedoch nur in Ausnahmefällen (z.B. bei Materialkosten) gegeben.
Wird das Verursachungsprinzip (möglichst) streng eingehalten, erhöht dies einerseits die Aussagekraft und Akzeptanz der Kostenrechnung. Andererseits ist ein hoher Aufwand (z.B. für exakte Messungen) nötig, welcher sich in den Kosten für die Kostenrechnung widerspiegelt. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips ziehen Unternehmen es daher vor, nicht alle Kostenzusammenhänge festzustellen. Außerdem sind in der Praxis nicht immer die notwendigen Zusammenhänge zwischen Kostenträger und Kosten gegeben. In diesen Fällen wird auf eine Einhaltung des Verursachungsprinzips verzichtet. Die Kostenverrechnung findet in diesen Fällen durch andere Prinzipien statt.27
Ein nicht verursachungsgerechtes Prinzip ist das Tragfähigkeitsprinzip. Es rechnet dem Bezugsobjekt die Kosten nach dem Ausmaß seiner Tragfähigkeit zu. So werden bspw. Kostenträger, welche einen hohen Verkaufspreis erzielen, stärker mit Kosten belastet als jene mit geringem Verkaufspreis. Analog kann die Tragfähigkeit am Deckungsbeitrag oder an der Gewinnspanne der Produkte festgelegt werden.28
Eine weitere Möglichkeit bietet das Durchschnittsprinzip. Es verteilt die Kosten in gleichem Maße auf alle Bezugsobjekte, ohne Beachtung des Verursachungsprinzips und des Tragfähigkeitsprinzips. Bei mehreren Bezugsobjekten können verschiedene Durchschnittssätze (je nach Ausprägung von bestimmten Bezugsgrößen) definiert werden.29
3 Grundlagen der Prozesskostenrechnung
3.1 Grundlagen des Prozessmanagements
3.1.1 Zunahme des Prozessdenkens in Unternehmen
Traditionelle ausgerichtete Organisationen sind vertikal i.d.R. hierarchisch über mehrere Ebenen strukturiert. Weisungen werden nach dem Top-Down-Prinzip erteilt. Horizontal werden diese Unternehmen typischerweise arbeitsteilig nach fachlichen Gesichtspunkten, d.h. nach Funktionen, gegliedert. In der Vergangenheit haben die Spezialisierung und strikte Arbeitsteilung nach Taylor die Produktivität in Unternehmen steigern können, da die Aufgaben größtenteils gleichbleibend sowie die Umweltbedingungen weniger komplex und dynamisch waren. Die Teilaktivitäten von Prozessen wurden getrennt voneinander betrachtet und bearbeitet, obwohl Prozesse durch mehrere Funktionen, das ganze Unternehmen und darüber hinaus verlaufen können.30
Unternehmen sehen sich in Zeiten der Globalisierung, Digitalisierung und gesättigter Märkte mit einer zunehmend dynamischen und komplexen Umwelt konfrontiert. Ausdruck bekommt dies durch einen wachsenden Wettbewerbsdruck, welcher sich v.a. auf die Faktoren Kosten, Zeit und Qualität niederschlägt. Unternehmen sehen sich gezwungen, sich verstärkt mit der Optimierung interner Abläufe zu beschäftigen. Dabei stört der funktionale oder divisionale Aufbau von Unternehmen den Ablauf von Prozessen. Typischerweise kommt es zu Abteilungsdenken, einer fehlenden Kundenorientierung, mangelnder Flexibilität, Koordinationsproblemen sowie einer fehlenden Sicht auf Gesamtprozesse. Dadurch entstehen lange Durchlaufzeiten, Fehler in der Bearbeitung, Mehrfachaufwand, Schnittstellenprobleme und hohe Kosten.31 Es lässt sich vermuten, dass auch die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Prozessen durch eine differenzierte Kostenbetrachtung nach Abteilungen oder Kostenstellen erschwert wird.
Damit Unternehmen flexibel auf die sich rasch ändernden Umweltbedingungen einstellen können, bedarf es einer effektiven und effizienten Unternehmensorganisation. Dies kann mit Hilfe einer verschieden stark ausgeprägten prozessorientierten Organisation verfolgt werden. Die Organisation wird dabei z.B. in abteilungsübergreifende Prozessteams gegliedert. Ziel ist eine vermehrte Orientierung an den Prozessen des Unternehmens, mit welcher kürzere Prozesszeiten, höhere Kundenzufriedenheit, bessere Qualität und geringere Kosten realisiert werden.32
3.1.2 Definition des Prozessmanagements
Das Prozessmanagement (Synonym: Business Process Management oder Geschäftsprozessmanagement) beschäftigt sich mit der Planung, Steuerung, Analyse, Dokumentation, Kontrolle, Optimierung und Führung von Prozessen in Unternehmen. Damit sollen operative sowie strategische Unternehmensziele erreicht und Kundenbedürfnisse erfüllt werden. Hauptziel des Geschäftsprozessmanagements ist es, die Prozesseffizienz und -effektivität zu steigern.33
Elementares Betrachtungsobjekt ist der (Geschäfts-) Prozess. Die Literatur beschreibt einen Prozess als „eine wiederholbare, zeitlich-logische (sequenzielle bzw. parallele) Abfolge von Aktivitäten, mit einem eindeutigen Anfang und Ende […], zur zielgerichteten Erledigung einer betrieblichen Aufgabe. Im Prozessablauf wird Input in Output (=Prozessleistung) umgewandelt. Es kann sich um Material- oder Informationstransformationen handeln.“34 Ein Prozess benötigt durchführende Organisationseinheiten (Stellen oder Abteilungen) sowie Ressourcen (z.B. Betriebsmittel, Mitarbeiter oder Informationen), um die einzelnen Prozessschritte abzuarbeiten. Leistungsempfänger können sowohl interne als auch externe Kunden sein.35
Abbildung 1 veranschaulicht das Prozessmanagement nach Allweyer als eine nie endende Aufgabe mit Kreislaufcharakter, wobei die Aktivitäten aller Phasen auch parallel stattfinden können:36
1) Strategisches Prozessmanagement: Kernprozesse und Ziele werden identifiziert und die Prozessorientierung im Unternehmen etabliert. Außerdem wird entschieden, welche Prozesse durch externe Dienstleister zugekauft werden sollen. Durch die Balanced Scorecard wird untersucht und dargestellt, wie Prozesse Unternehmensziele beeinflussen.
2) Prozessentwurf: Die Prozesse des Unternehmens werden modelliert und mit Hilfe der Prozesskostenrechnung sowie von Simulationen analysiert. Anschließend werden Sollprozesse, i.S.v. optimierten Prozessabläufen, entworfen.
3) Prozessimplementierung: Die überarbeiteten Prozesse werden mit Hilfe von Change Management-Maßnahmen und Informationssystemen implementiert.
4) Prozesscontrolling: Prozessorientierte Kennzahlen werden erhoben. Die Prozesse werden geplant, gesteuert und überwacht. Darauf basierend wird eine kontinuierliche Verbesserung vorangetrieben. Der Kreislauf beginnt von Neuem.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kreislaufcharakter des Geschäftsprozessmanagements
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Allweyer (2005), S.91.
3.1.3 Prozessarten in Unternehmen
In der Literatur und Praxis werden verschiedene Arten von Prozessen unterschieden. Sie differenzieren sich nach Strukturierungsgrad, Informationsintensität, Wiederholfrequenz, Umfang, Dauer sowie Änderungshäufigkeit und -umfang. Routineprozesse sind bspw. genau strukturiert, schnell durchführbar, haben eine geringe Änderungsintensität, benötigen wenig Informationen und werden oft wiederholt. Ausnahmeprozesse hingegen beschreiben das Gegenteil.37
Eine in der Literatur verbreitete Unterscheidung findet nach der Wertschöpfung statt:38
- Geschäftsprozesse dienen der Wertschöpfung des Unternehmens. Sie sind damit zentral für den strategischen und operativen Unternehmenserfolg verantwortlich. Beispiele sind Prozesse in Forschung- und Entwicklung, Produktion sowie Logistik.
- Kernprozesse bezeichnen Geschäftsprozesse, welche Kernkompetenzen des Unternehmens widerspiegeln. Sie kennzeichnen Prozesse mit hohem Kundenwert und sind damit besonders erfolgs- und wettbewerbskritisch. Teilweise werden sie in der Literatur als Synonym für Geschäftsprozesse verwendet.
- Unterstützungsprozesse sind nötig, um Geschäftsprozesse durchführen zu können. Sie erzeugen keine oder nur sehr geringe direkte Wertschöpfung. Sie umfassen z.B. die Kostenrechnung oder das Gebäudemanagement.
- Führungsprozesse steuern Geschäfts- und Unterstützungsprozesse durch Planung, Kontrolle und Entscheidung. Dazu zählen bspw. die Personalentwicklung oder die Unternehmensstrategie und -planung.
3.2 Prozesskostenrechnung
3.2.1 Entstehung und Grundgedanke der Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung gewann ab den achtziger Jahren aufgrund der kontinuierlich steigenden Gemeinkosten deutlich an Bedeutung. Miller und Vollmann analysierten die in der amerikanischen Industrie anfallenden Gemeinkosten von 1845 bis 1980. Abbildung2 zeigt die Ergebnisse dieser Erhebung. Demnach erreichten die Gemeinkosten bereits 1980 einen Anteil von ca. 75%, während die Lohneinzelkosten von mehr als 50% auf etwa 25% sanken.39
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung2: Anteil der Gemein- und Lohneinzelkosten im Zeitverlauf
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Miller/Vollmann (1985), S.143.
Wie folgende Gründe vermuten lassen, ist davon auszugehen, dass sich der Trend steigender Gemeinkosten weiter fortgesetzt hat:40
- Veränderte Umweltbedingungen: Die Globalisierung, der Wechsel zum Käufermarkt (Qualitätsverbesserungen, Lieferzeitreduzierung, steigende Produktvarianten und kürzere Produktlebenszyklen), ein steigender Wettbewerb sowie der Anstieg von Dienstleistungsunternehmen verändern die Unternehmensumwelt.
- Zunehmendes Outsourcing: Fertigungsintensive Prozesse bzw. Unternehmensbereiche werden in Länder mit günstigeren Produktions- und Lohnkosten verlagert. Der direkte Bereich nimmt dadurch ab und die Einzelkosten sinken.
- Zunehmend indirekte Leistungsbereiche: Die steigende Komplexität und Dynamik sowie wachsende Interdependenz der Unternehmensumwelt führen zu einem höheren Bedarf an Planungs-, Kontroll- und Steuerungssystemen. Gleichzeitig wird eine schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität gefordert, welche die Tätigkeiten in indirekten Leistungsbereichen wie Forschung- und Entwicklung, Vertrieb, Change Management und Qualitätssicherung intensivieren. In diesen Bereichen herrschen typischerweise personalintensive Prozesse vor, welche v.a. Fix- und damit Gemeinkosten darstellen.
- Steigende Technologiekosten: Durch kürzere Produktlebenszyklen, Digitalisierung und schnelleren technologischen Fortschritt steigen die Automatisierungsgrade und Technologiekosten (Zinsen, Energie, Wartung sowie Abschreibungen). Neben einem Anstieg an den Gemeinkosten führt dies in der klassischen Vollkostenkalkulation zu möglichen Fehlkalkulationen, da als Grundlage für die Gemeinkostenverrechnung die Einzelkosten herangezogen werden. Produkte, welche auf alten Maschinen mit hohem Anteil an manueller Arbeit hergestellt werden, sind stärker belastet als Produkte auf neuen Maschinen mit geringen Lohneinzelkosten. Die neuen Maschinen erzeugen jedoch größtenteils die Technologiekosten. In Folge findet eine interne Umverteilung der verursachten Kosten satt.
Fehlkalkulationen der klassischen Vollkostenrechnung, wie sie in diesem und in Punkt 2.3 beschrieben werden, können in der heutigen Unternehmensumwelt zu falschen Entscheidungen und damit zur Unrentabilität von Produkten und Unternehmen führen. Auch in der Teilkostenrechnung kann eine sinkende Aussagekraft gesehen werden, da ihr Hauptaugenmerk den variablen Kosten gilt. Durch die steigende Bedeutung der Fixkosten verliert sie jedoch in der klassischen Form zunehmend an Aussagekraft.41
Bis in die achtziger Jahre wurden die Veränderungen der Kostenblöcke in der Kostenrechnung nicht oder nur unzureichend erfasst. Unternehmen sahen sich jedoch zunehmend gezwungen, die Veränderungen in die Kostenrechnung einzubeziehen und diese anzupassen.42 So verfolgten Miller und Vollmann die Idee, dass sich die Produktivität durch eine bessere Verrechnung der Gemeinkosten deutlich mehr steigern lässt als durch Einsparrungen im Einzelkostenbereich. Der Gemeinkostenblock wurde zentrales Betrachtungsobjekt der Verrechnung. Mit dem Artikel „The hidden factory“ stellten Miller und Vollmann dar, dass Unternehmen Gemeinkosten meist willkürlich ohne Wirkungszusammenhang auf Kostenträger verteilten. Sie gingen davon aus, dass (Gemein-)Kosten nicht von der produzierten Menge, sondern von Prozess(-schritten) bzw. Tätigkeiten abhängen. Dies gilt bis heute als Grundgedanke der Prozesskostenrechnung. Sie schlussfolgerten, dass eine Verrechnung nach Produktionsmenge oder beschäftigungsabhängigen Einzelkosten (z.B. Lohneinzelkosten) zu falschen Informationen und damit zu fehlerhaften Entscheidungen führen. Im Fokus ihrer Untersuchung standen die indirekten Leistungsbereiche mit ihren ansteigenden Kosten, welche sie als „hidden factory“ bezeichneten.43
Auf Basis dieser Einsicht versucht die Prozesskostenrechnung eine verursachungsgerechte Gemeinkostenverrechnung mit höherem Informationsgehalt zu schaffen. Sie widmet sich nicht mehr der ehemals wichtigsten Kosteneinflussgröße Beschäftigung und dem damit verbundenen Umsatz, sondern den Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche, wie der Logistik, dem Vertrieb oder der Forschung und Entwicklung. Dabei versucht sie möglichst konkret die eigentlichen Verursacher für Kosten zu identifizieren und zu messen, um die Verrechnung zu verbessern und die Kostentransparenz wiederherzustellen. Zwar wird sie teilweise als neues Kostenrechnungssystem bezeichnet, ist jedoch i.d.R. vielmehr eine Ergänzung bestehender Systeme.44 Basis dafür ist die Identifizierung, Aufnahme und Bewertung von Prozessen.45
3.2.2 Vorgehensweise bei der Einführung der Prozesskostenrechnung
3.2.2.1 Übersicht über die grundsätzliche Vorgehensweise
Abbildung 3 veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen Kostenarten-, Kostenstellen-, und Kostenträgerrechnung im Rahmen der Prozesskostenrechnung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Fluss der Einzel- und Gemeinkosten in der Prozesskostenrechnung
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schmidt (2017), S.225.
Die verschiedenen Kostenarten werden in der Kostenartenrechnung simultan zur traditionellen Vollkostenrechnung erfasst und gegliedert. Die anfallenden Einzelkosten fließen direkt in die Kostenträgerrechnung, während die Gemeinkosten zunächst auf Kostenstellen gesammelt werden. Im Rahmen der Prozesskostenrechnung werden Teile der dort gesammelten Gemeinkosten (möglichst) verursachungsgerecht auf Basis von Prozessen über Prozesskosten in die Kostenträgerrechnung aufgenommen. Die nicht in der Prozesskostenrechnung einbezogenen Gemeinkosten werden weiter über andere Verrechnungsmethoden, wie der klassischen Zuschlagskalkulation, verrechnet. Die Prozesskostenrechnung ergänzt damit die traditionelle Zuschlagskalkulation der Vollkostenrechnung und ersetzt sie teilweise durch Prozesskosten. Die Ergebnisse der Kostenträgerrechnung fließen in die Ermittlung des Betriebsergebnisses ein.46
Zwar gibt es in der Literatur unterschiedliche Vorschläge zum Aufbau und Ablauf der Prozesskostenrechnung, im Rahmen dieser Arbeit soll sich jedoch an der folgenden Vorgehensweise bei der Einführung der Prozesskostenrechnung orientiert werden:47
1) Prüfung der Sinnhaftigkeit: Ist der Einsatz der Prozesskostenrechnung sinnvoll? Kann sie umgesetzt werden?
2) Hypothesenbildung bezüglich Hauptprozesse und Kostentreiber: Was wird als Hauptprozess gesehen? Welche Zusammenhänge werden bezüglich Hauptprozessen und Kostentreiber vermutet?
3) Tätigkeitsanalyse innerhalb der Kostenstellen: Welche Tätigkeiten fallen in den relevanten Bereichen an?
4) Teilprozessbildung: Welche Tätigkeiten lassen sich zu Teilprozessen zusammenfassen?
5) Hauptprozessbildung: Wie hängen Teilprozesse in der Wertschöpfung zusammen? Welche Hauptprozesse gibt es?
6) Bildung von Prozesskosten: Welche Kosten fallen für Teil- und Hauptprozesse an? Welche Prozesse sind besonders kostenintensiv?
7) Integration der Prozesskostenrechnung: Wie wird die Prozesskostenrechnung in die bestehende Kostenrechnung übernommen? Welche EDV-Systeme sind nötig und wie wird die Rechnung in diese eingebunden?
Generell gilt für alle Schritte der Prozesskostenrechnung: Je detailreicher Tätigkeiten und Prozesse gegliedert und analysiert werden, desto höher sind die dadurch entstehenden Kosten. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine möglichst simple Strukturierung von Tätigkeiten und Prozessen erstrebenswert, um die Kosten, die Komplexität und den Aufwand der Rechnung adäquat zu halten.48 Dabei ist die Prozesskostenrechnung je nach Unternehmen und Ziel der Rechnung individuell anzupassen.
In der Literatur gibt es außerdem verschiedene Meinungen bezüglich des dauerhaften Einsatzes der Prozesskostenrechnung. In einigen Quellen wird angemerkt, dass es sich bei der Prozesskostenrechnung nicht um eine einmalige Planung, Steuerung und Kontrolle der Gemeinkosten handelt, sondern um ein permanentes Controlling-Instrument.49 In anderen Quellen wird ausdrücklich erwähnt, dass sie auch als Ad-Hoc-Rechnung genutzt werden kann.50 Bei dem Einsatz in der Praxis ist daher im Vorfeld zu überlegen, welche Einsatzfrequenz angestrebt wird, um die Durchführung effizient zu gestalten. Andererseits kann nach dem erstmaligen Durchführen der künftige Aufwand besser abgeschätzt und die Entscheidung auf Erfahrungsbasis getroffen werden.
3.2.2.2 Prüfung der Sinnhaftigkeit
Vor der Durchführung der Prozesskostenrechnung sollte sichergestellt werden, dass sowohl die Unternehmensführung, die betroffenen Abteilungsleiter als auch ihre Mitarbeiter bereit sind, die zusätzliche Belastung v.a. zu Zeiten der Einführung und Konzeptionierung der Prozesskostenrechnung zu tragen. Insbesondere ist die offene Unterstützung durch die Unternehmens- bzw. Werksleitung für eine Durchführung nötig. Sinnvoll ist eine Einführung außerdem nur, wenn die gewonnen Informationen zur Optimierung der internen Abläufe oder der Kostenverrechnung genutzt werden und das Wirtschaftlichkeitsprinzip beachtet wird.51
Ist dies der Fall, sind die Einsatzgebiete abzugrenzen, welche durch die Prozesskostenrechnung analysiert werden sollen. Die Prozesskostenrechnung lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsprinzips nicht für das ganze Unternehmen und für jeden Prozess sinnvoll nutzen. Vielmehr sollte sich ihr Einsatz auf Bereiche beschränken, welche einen besonders hohen Anteil an Gemeinkosten besitzen und bei welchen die Verrechnung dieser Kosten bisher nicht verursachungsgerecht und transparent möglich ist. Typischerweise betrifft das indirekte Leistungsbereiche. Außerdem führt die Prozesskostenrechnung nur zu einem Informationszugewinn, wenn die Kostenträger die Prozesse der indirekten Leistungsbereiche unterschiedlich stark beanspruchen. Dies ist v.a. der Fall, wenn das Unternehmen verschiedene Produktvarianten anbietet.52
Aufgrund des hohen Aufwands sollte sich auf Bereiche mit Prozessen beschränkt werden, welche folgende Merkmale erfüllen:53
- Wiederholbare Prozesse: Geeignete Prozesse sind repetitiv.
- Häufige Ausführung: Je häufiger der Prozess abläuft, desto mehr lohnt sich der Aufwand zur Bildung von Prozesskostensätzen.
- Homogenität: Die Prozesse sind möglichst klar definiert und standardisiert. Die Möglichkeiten verschiedener Abläufe sind möglichst gering. Nur so beansprucht ein Prozess bei jedem Durchlauf (annährend) in gleicher Weise die Ressourcen des Unternehmens.
- Dienen dem Betriebszweck: Es werden nur Prozesse untersucht, welche dem eigentlichen Betriebszweck dienen und damit Kosten im Sinne dieser Arbeit erzeugen.
Beispiele für geeignete Bereiche wären nach diesen Kriterien bspw. die Logistik (z.B. Transport von Paletten) oder der Vertrieb (z.B. Angebotserstellung). Ungeeignet hingegen sind kreative Tätigkeiten oder Leitungsaufgaben, wie das Führen einer Abteilung, Projektarbeit oder Ähnliches.54
3.2.2.3 Hypothesenbildung
Eine vorläufige Bildung von Hypothesen bezüglich anfallender Hauptprozesse und deren Kostentreiber (siehe zum Begriff Punkt 3.2.2.4) kann helfen, die Tätigkeitsanalyse und Teilprozessbildung zu strukturieren und somit zielorientiert zu gestalten. Eine Zerstreuung in unwichtige Aspekte sowie unnötiger Arbeitsaufwand wird durch die Vorgabe der zu betrachtenden Hauptprozesse vermieden. Mögliche Hypothesen können in Rahmen von Workshops oder Besprechungen mit Kostenstellenleitern getroffen werden. Alternativ können auch Entscheidungssituationen des Unternehmens und der Unternehmensleitung analysiert und davon Hauptprozesse abgeleitet werden.55
In der Literatur wird empfohlen die Menge an Hauptprozessen gering zu halten. So wird von Barth und Barth vorgeschlagen, die Summe für ein Unternehmen auf zehn Hauptprozesse zu begrenzen.56 In der Praxis muss jedes Unternehmen jedoch selbst entscheiden, welche Prozessbildung sinnvoll ist.
3.2.2.4 Tätigkeitsanalyse
Zur Einführung und bedarfsweisen Anpassung der Prozesskostenrechnung müssen die ausgewählten Kostenstellen im Rahmen der Tätigkeitsanalyse zunächst auf alle in ihr ausgeführten Tätigkeiten analysiert und strukturiert werden. Dafür werden die anfallenden Tätigkeiten identifiziert und z.B. in einem Tätigkeitskatalog aufgelistet.57
Tätigkeiten sind die Kernelemente der Prozesskostenrechnung. Sie beschreiben einen Vorgang in einer Kostenstelle, welcher Produktionsfaktoren verwendet. Tätigkeiten sind die kleinsten, in sich geschlossenen Handlungseinheiten im Unternehmen. Sie ermöglichen die Prozessbildung.58
Bereits im Rahmen der Tätigkeitsanalyse können Tätigkeiten, welche von der Prozessmenge abhängig sind, mit Kostentreibern in Verbindung gebracht werden. So lassen sie sich anschließend einfacher zu übergeordneten Teilprozessen verdichten. Außerdem können neben den Tätigkeiten, die darin eingehende Arbeitskraft (z.B. in Mannjahren) sowie vor- und nachgelagerte Tätigkeiten festgehalten werden.59
Ein Kostentreiber (Synonym: Cost Driver) ist die Bezugsgröße für die Kostenentstehung innerhalb von Tätigkeiten oder Prozessen. Sie stellen die Beziehung zwischen Tätigkeit bzw. Prozess, Kosten und Kostenträger her.60
Ein geeigneter Kostentreiber sollte:61
- (möglichst) proportional zur Inanspruchnahme von Produktionsfaktoren verlaufen,
- quantitativ erfassbar,
- transparent und eindeutig sein sowie
- sich möglichst einfach (Wirtschaftlichkeitsprinzip) und schnell (Aktualität) aus vorhanden Informationsquellen ermitteln lassen.
Ein Kostentreiber lässt sich nur für Tätigkeiten und Prozesse bestimmen, die von der Prozessmenge abhängen. Sie werden als leistungsmengeninduziert (im Folgenden: lmi) bezeichnet. Die Menge eines Kostentreibers ergibt die Prozessmenge des dazugehörigen Prozesses. Leistungsmengenneutrale (im Folgenden: lmn) Tätigkeiten bzw. Prozesse sind oft nicht repetitiv und lassen sich quantitativ nicht genau bestimmen. Sie hängen nicht von der Prozesshäufigkeit ab, so dass keine Kostentreiber definiert werden können.62 Eine in Literatur und Praxis verbreite Bezeichnungsmethode für Tätigkeiten und Prozesse ist die Verbindung von einem Nomen mit einem Verb (z.B. Aufträge abwickeln, Materialien beschaffen oder Waren einlagern).63
Die nachfolgende Tabelle zeigt Beispiele für Tätigkeiten der Kostenstelle „Einkauf“, ihre verbundenen Kostentreiber sowie Mengenabhängigkeiten. So ist die Tätigkeit „Angebote einholen“ mengenmäßig abhängig von der Anzahl der Angebote. Es handelt sich damit um eine lmi Tätigkeit. Die Tätigkeit „Mitarbeiter leiten“ ist nicht abhängig von einem bestimmten Kostentreiber und ist somit eine lmn Tätigkeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle1: Beispiele für Tätigkeiten und Kostentreiber
Quelle: eigene Darstellung.
Die Tätigkeitsanalyse kann auf verschiedene Weise stattfinden:64
- Dokumentenanalyse (Sekundärforschung): Es werden bereits bestehende interne Daten und Informationsquellen zur Analyse genutzt.65 Sie umfassen Unterlagen, wie Stellenbeschreibungen, Ablaufbeschreibungen, Anweisungen, Organisationspläne oder Formulare.
- Prozessaufnahme (Primärforschung): Neue Daten werden erhoben und analysiert.66 Sie umfasst z.B. das Durchführen von Interviews oder Workshops mit Mitarbeitern sowie Kostenstellenleitern oder das Ausfüllen von Fragebögen oder Checklisten mit gezieltem Bezug zu den Tätigkeiten. Alternativ können die betroffenen Mitarbeiter anfallende Tätigkeiten selbst identifizieren und beschreiben (sog. Selbstaufnahme).
Die Analyse bestehender Unternehmensunterlagen ist deutlich schneller und weniger aufwändig als die Aufnahme neuer Informationen durch die Primärforschung. Allerdings hat sie den Nachteil, dass die Informationen auf vergangenheitsorientierten Prozessen beruhen, die in der Praxis nicht immer eingehalten werden oder sich im Laufe der Zeit verändert haben. Außerdem bestehen Unsicherheiten bezüglich der Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Daten. Die Aufnahme neuer Informationen bietet aktuellere und womöglich auch umfassendere Informationen, jedoch ist die Informationsgewinnung zeitintensiver und aufwändiger. Auf sie kann jedoch i.d.R. nicht verzichtet werden, da die Controlling-Abteilung nicht über die notwendigen Informationen verfügt. In der Praxis ist eine Kombination aus Primär- und Sekundärforschung üblich.67
Das Festlegen von Tätigkeiten und ihren Einflussgrößen ist je nach Umfang mehr oder weniger komplex und unterliegt oft subjektiven Einflüssen. Eine empirische Untersuchung ist zwar der Idealfall, in der Praxis jedoch oft mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Daher werden oft nur Annahmen verwendet.68
3.2.2.5 Teilprozessbildung
Die in der Tätigkeitsanalyse identifizierten Tätigkeiten sind oft zu zahlreich und verschieden, um mit ihnen eine sinnvolle Verrechnung der Gemeinkosten zu betreiben. Daher werden auf Basis der Tätigkeitsanalyse mehrere Tätigkeiten zu Teilprozessen zusammengefasst. Sie unterscheiden sich z.B. durch die Art der Verrichtung oder dem Bezugsobjekt. Eine mögliche Aggregation der Tätigkeiten zu Teilprozessen kann z.B. über gleiche Kostentreiber oder einem sachlichen Zusammenhang stattfinden.69
Ein Teilprozess hat folgende Merkmale:70
- Homogene Arbeitsfolge: Die im Teilprozess gebündelten Tätigkeiten sind homogen in ihrem Ressourcenverbrauch, Kostentreiber und Output.
- Abhängige Arbeitsfolge: Die im Prozess gebündelten Tätigkeiten sind voneinander abhängig.
- Unabhängigkeit zu anderen Teilprozessen: Der Teilprozess ist in seiner Durchführung von anderen Teilprozessen der Kostenstelle unabhängig.
- Kostenanfall: Der Prozess verursacht Gemeinkosten, welche zuordenbar sind.
- Quantifizierbar: Der Teilprozess und seine Durchführung sind messbar.
Auch Teilprozesse lassen sich analog zu den Tätigkeiten in lmi und lmn Prozesse einteilen. Für lmi Prozesse müssen geeignete Kostentreiber für die Kostenverrechnung identifiziert werden, insofern sie sich nicht durch die Kostentreiber der in ihm verbundenen Tätigkeiten ergeben. Durch sie werden die Prozessmengen und -kosten gemessen, verrechnet, geplant und kontrolliert. Für lmn Prozesse werden keine Kostentreiber definiert.71 Typischerweise sind lmn (Teil-)Prozesse unstrukturiert und besitzen ein hohes Maß an Individualität. Sie haben eine geringe Häufigkeit.72
Beispiele für Teilprozesse und ihre Kostentreiber stellt folgende Tabelle 2 dar. So kann bspw. mit Hilfe der Anzahl an innerbetrieblichen Fahrten die Gemeinkosten für den innerbetrieblichen Logistikprozess bestimmt und die anfallenden Kosten verrechnet werden. Es handelt sich damit um einen lmi Prozess. Dahingegen ist der Teilprozess „Logistik-Abteilung leiten“ lmn, da er keine Mengenabhängigkeit besitzt und sich kein Kostentreiber definieren lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Beispiele für geeignete Kostentreiber
Quelle: eigene Darstellung.
Durch die hohe Heterogenität der Aktivitäten in indirekten Unternehmensbereichen gibt es viele verschiedene Einzelprozesse, welche identifiziert und mit geeigneten Kostentreibern verknüpft werden können. Daher sollte die Teilprozessbildung nach den gesetzten Zielen der Prozesskostenrechnung erfolgen und sich an der Hypothesenbildung orientieren. Durch die zielgerichtete Bildung von Teilprozessen werden nur relevante Prozesse gebildet und der entstehende Informationszuwachs kann effizient genutzt werden. Das Risiko für steigende Kosten aufgrund einer zu komplexen Prozessbetrachtung wird begrenzt.73 Im Bezug zum Wirtschaftlichkeitsprinzip ist anzumerken, dass eine Konzentration auf wesentliche Prozesse sinnvoll sein kann, auch wenn eine hohe Informationsgenauigkeit und Transparenz mit möglichst vielen Teilprozessen und Kostentreibern erreicht wird.
3.2.2.6 Bildung von Prozesskostensätzen
Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den Grundgedanken der Bildung von Prozesskostensätzen durch den Zusammenhang zwischen Ressource, Prozess und Kostenträger. Der Prozess beansprucht Ressourcen, wofür ihm Kosten über Kostentreiber verrechnet werden. Der Prozess wiederum wird von dem Kostenträger beansprucht und dafür mit den jeweiligen Prozesskosten über den Prozesskostensatz belastet. Der Prozess fungiert damit als zentrales Bindeglied zwischen Ressourceninanspruchnahme sowie Kostenträger und ermöglicht eine verursachungsgerechte Kostenverrechnung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung4: Zusammenhang zwischen Prozess, Ressource und Kostenträger
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Braun (2007), S.105.
Zu Berechnung des Prozesskostensatzes werden Prozessmenge- und kosten benötigt.
Die Prozessmenge wird nach Festlegung der Tätigkeiten und Kostentreiber entweder für eine Ist-Berechnung ermittelt oder für eine zukunftsorientierte Betrachtung geplant. Sie gibt die Menge der Prozessdurchführungen in einer Betrachtungsperiode wieder. Da im Rahmen einer Konzeptionierung aus Gründen der Komplexitätsreduzierung und mangelnder Vergleichswerte aus der Vergangenheit auf eine Ist-Rechnung abgezielt wird, soll diese im Rahmen dieser Arbeit im Vordergrund stehen.74
Die Prozesskosten können durch verschiedene Verfahren ermittelt werden. Da andere Verfahren, wie die analytische Planung der Prozesskosten oder die technisch-kostenwirtschaftliche Analyse sehr zeit- und kostenintensiv sind, wird in der Praxis oft eine Verteilung mit der retrograden Bestimmung bzw. Planung der Prozesskosten betrieben.75
[...]
1 Vgl. Nadig (2000), S.5f.; Tissberger (2007), S.1.
2 Vgl. Allweyer (2005), S.25-28; Schröder u.a. (2019), S. 92.
3 Vgl. Messner (2019), S.117; Heyd/Meffle (2020), S.213.
4 Vgl. Remer (2005), S.3; Braun (2007), S. 21-42; Laharnar (2010), S.13f.
5 Vgl. Miller/Vollmann (1985), S.142-150; Schweitzer u.a. (2016), S.367.
6 Vgl. Zäpfle (2000), S.1; Fandel (2005), S.1f.; Bloech u.a. (2014), S.3.
7 Vgl. Berndt/Cansier (2007), S.2f.; Blohm u.a. (2008), S.27f.; Bloech u.a. (2014), S.3.
8 Vgl. Schulte (2009), S.1.
9 Vgl. Czenskowsky/Piontek (2007), S.24.
10 Vgl. Bogatu (2008), S.16f.
11 Vgl. Bogatu (2008), S.16f.; Olfert/Oeldorf (2008), S.333.
12 Vgl. Schmalenbach (1963), S.5-10.
13 Wöhe u.a. (2016), S.290.
14 Vgl. Schweitzer u.a. (2016), S.36; Fischbach (2018), S.11; Mumm (2019), S.10.
15 Vgl. Plinke u.a. (2015), S.67; Wöhe u.a. (2016), S.867; Fischbach (2018), S.49-68.
16 Vgl. Dörrie/Preißler (2004), S.99; Wöhe u.a. (2016), S.867; Fischbach (2018), S.15.
17 Vgl. Dörrie/Preißler (2004), S.42; Götze (2007), S.7; Fischbach (2018), S.17.
18 Vgl. Preißler (2014), S.156; Fischbach (2018), S.31f., 137.
19 Vgl. Preißler (2014), S.156f.; Olfert (2016), S.35f.; Fischbach (2018), S.31, 117f.
20 Vgl. Preißler (2014), S.164; Fischbach (2018), S.127.
21 Vgl. Olfert (2016), S.37-45; Fischbach (2018), S.126-129; Mumm (2019), S.238-240.
22 Vgl. Preißler (2014), S.161; Schweitzer u.a. (2016), S.83; Fischbach (2018), S.126f.
23 Vgl. Remer (2005), S.9-16.
24 Vgl. Dörrie/Preißler (2004), S.75-79; Olfert (2016), S.37-45; Fischbach (2018), S.128f.
25 Vgl. Jossé (2018), S.124; Mumm (2019), S.238.
26 Vgl. Plinke u.a. (2015), S. 48; Schweitzer u.a. (2016), S.75-78; Fischbach (2018), S. 16f.
27 Vgl. Schweitzer u.a. (2016), S.79; Fischbach (2018), S.17.
28 Vgl. Götze (2007), S.19; Plinke u.a.(2015), S.48.
29 Vgl. Götze (2007), S.19; Fischbach (2018), S.17.
30 Vgl. Taylor (1903), S.1337-1480; Gadatsch (2018), S.2f.; Seidlmeier (2019), S.2.
31 Vgl. Löcker (2007), S.1; Seidlmeier (2019), S.2f.
32 Vgl. Jahnes u.a. (2008), S.22-25;Gadatsch (2018),S.48f.; Seidlmeier (2019),S.6.
33 Vgl. Schmelzer/Sesselmann (2013), S.5; Gadatsch (2018), S.1f.; Seidlmeier (2019), S.5f.
34 Seidlmeier (2019), S.7.
35 Vgl. Jahnes u.a. (2008), S.6f.; Seidlmeier (2019), S.7f.
36 Vgl. Allweyer (2005), S.90-94.
37 Vgl. Allweyer (2005), S.65-69; Jahnes u.a. (2008), S.16f.
38 Vgl. Becker/Kahn (2012), S.7; Gadatsch (2017), S.8-10; Seidlmeier (2019), S.8.
39 Vgl. Miller/Vollmann (1985), S.143; Nadig (2000), S.3; Jossé (2018), S.169.
40 Vgl. Braun (2007), S.22-42; Laharnar (2010), S.14; Schweitzer u.a. (2016), S.366.
41 Vgl. Remer (2005), S.7; Braun (2007), S.21; Jossé (2018), S.168f.
42 Vgl. Nadig (2000), S.5; Laharnar (2010), S.12; Horváth/Mayer (2011),S. 5.
43 Vgl. Miller/Vollmann (1985), S.142-150; Schweitzer u.a. (2016), S.367.
44 Vgl. Remer (2005), S.7; Braun (2007), S.21; Laharnar (2010), S.13f.
45 Vgl. Braun (2007), S.16; Laharnar (2010), S.14f.; Schweitzer u.a. (2016), S.366.
46 Vgl. Tissberger (2007), S.10; Jahnes u.a. (2008), S.95; Wöhe u.a. (2016),S.931.
47 Vgl. Jahnes u.a. (2008), S.85; Laharnar (2010), S.40-42; Jossé (2018), S.170f.
48 Vgl. Laharnar (2010), S.30.
49 Vgl. Laharnar (2010), S.111.
50 Vgl. Nadig (2000), S.16, 48; Scheld (2015), S. 175.
51 Vgl. Nadig (2000), S.17; Remer (2005), S.68; Laharnar (2010), S.15.
52 Vgl. Braun (2007), S.57; Preißler (2014), S.172; Heyd/Meffle (2020), S.214.
53 Vgl. Nadig (2000), S. 46; Braun (2007), S.65; Heyd/Meffle (2020), S.214.
54 Vgl. Heyd/Meffle (2020), S.214.
55 Vgl. Barth/Barth (2008), S. 325; Jahnes u.a. (2008), S. 86.
56 Vgl. Barth/Barth (2008), S. 325.
57 Vgl. Götze (2007), S.220; Jahnes u.a. (2008), S.87; Laharnar (2010), S.29.
58 Vgl. Steger (2006), S.547; Braun (2007), S.47; Posluschny/Treuner (2009), S.17.
59 Vgl. Eberlein (2006), S. 227; Laharnar (2010), S.29; Scheld (2015), S. 33.
60 Vgl. Laharnar (2010), S. 33.
61 Vgl. Braun (2007), S. 63-66; Laharnar (2010), S. 33.
62 Vgl. Baus (2006), S.159; Jossé (2018), S.170f.; Heyd/Meffle (2020), S.215.
63 Vgl. Götze (2007), S.220; Laharnar (2010), S.29; Schmidt (2017), S.224.
64 Vgl. Michel u.a. (2004), S.270; Braun (2007), S.60-62; Jahnes u.a. (2008), S.29.
65 Vgl. Remer (2005), S.99; Eichhorn u.a. (2009), S.23.
66 Vgl. Eichhorn u.a. (2009), S.26.
67 Vgl. Braun (2007), S.61; Eichhorn u.a. (2009), S.23-27.
68 Vgl. Braun (2007), S.69; Laharnar (2010), S.51.
69 Vgl. Götze (2007), S.220; Laharnar (2010), S.29; Schmidt (2017), S.224.
70 Vgl. Michel u.a. (2004), S.272.
71 Vgl. Baus (2006), S.159; Jossé (2018), S.170f.; Heyd/Meffle (2020), S.215.
72 Vgl. Götze (2007), S.221; Schmidt (2017), S.226.
73 Vgl. Braun (2007), S.49f.; Posluschny/Treuner (2009), S.18; Laharnar (2010), S.30, 52f.
74 Vgl. Steger (2006), S.551; Laharnar (2010), S.55.
75 Vgl. Horváth/Mayer (1989), S.217; Barth/Barth (2008), S.330f.
- Citation du texte
- Dominik Bachmeier (Auteur), 2020, Konzeptionierung einer Prozesskostenrechnung in einem Produktionsbetrieb, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/980835
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