Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Ehrenamtsförderpreis "Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt". Konkret soll die Frage beantwortet werden, ob die Fußballhelden-Bildungsreise nach Spanien dazu beiträgt, die ausgezeichneten Ehrenamtlichen nachhaltig an das Ehrenamt im Fußballverein zu binden. Dazu wurden die von 2016 bis 2019 ausgezeichneten Fußballhelden befragt. Die Teilnehmer der Fußballhelden-Bildungsreise werden der Forschungsgruppe zugeordnet. Als Kontrollgruppe sollen alle Ehrenamtlichen fungieren, die zwar als Fußballhelden geehrt wurden, aber aus diversen Gründen nicht an der Reise teilgenommen haben.
Deutschland ist eine Sportnation. Fast jeder Dritte ist Mitglied in einem der über 88 000 organisierten Sportvereine in Deutschland und damit auch im Deutschen Olympischen Sportbund e. V. (DOSB). Diese leisten jedes Jahr einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl der Bevölkerung. Dabei spielt das Ehrenamt eine tragende Rolle. Es stellt die zentrale, bei zwei Dritteln der Vereine sogar die einzige personelle Ressource zur Übernahme der Vereinsarbeit dar. Den übrigen Vereinen stehen neben den Ehrenamtlichen und freiwilligen Helfern auch bezahlte Mitarbeiter und/oder Führungskräfte zur Verfügung.
Trotz eines aktuell leichten Wachstums der Mitgliederzahlen insgesamt, fällt es den Fußballvereinen zunehmend schwerer, Ehrenamtliche für die Vereinsarbeit zu gewinnen und an ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten im Verein zu binden. Dieser Umstand wird als eine existenzbedrohende Schwierigkeit von vielen Vereinen wahrgenommen, wie der aktuelle Sportentwicklungsbericht 2017/2018 zeigt. Den Ergebnissen zufolge liegen die drei Hauptprobleme sowohl der reinen Fußballvereine als auch der Mehrspartenvereine mit Fußballangebot in der Bindung und Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern, Schiedsrichtern sowie Übungsleitern und Trainern. Gerade die Bindung und Gewinnung der Ersteren ist in der Wahrnehmung der Fußballvereine nochmals gestiegen.
Um die Vereine bei der Förderung und Bindung junger ehrenamtlicher Menschen zu unterstützen, vergeben der DFB und die gemeinnützige Gesellschaft "KOMM MIT" seit 2016 den Ehrenamtsförderpreis "Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt". Im Rahmen dieser Auszeichnung werden Ehrenamtliche aus ganz Deutschland zur sogenannten Fußballhelden-Bildungsreise nach Spanien eingeladen.
Inhaltsverzeichnis
I. Tabellenverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Überblick des Ehrenamtes in Sportvereinen
2.1. Definition von Ehrenamt und freiwilligem Engagement
2.2. Ehrenamt in Zahlen
2.2.1. Gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes
2.2.2. Ökonomische Wertschöpfung
2.3. Entwicklung des Ehrenamtes
2.3.1. Struktureller und demografischer Wandel
2.3.2. Personalprobleme der Sportvereine
2.3.3. Krise des Ehrenamtes
3. Motivationen zur Ausübung ehrenamtlichen Engagements
3.1. Grundlegende Einflussfaktoren
3.1.1. Motivationsprozess
3.1.2. Gründe für ehrenamtliches Engagement
3.2. Motive Ehrenamtlicher in Fußballvereinen
3.3. Bindungs- und Gewinnungsstrategien im Fußballsport
3.3.1. Fußballvereine
3.3.2. Deutscher Fußball-Bund
4. ‚Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt‘
4.1. Die Auszeichnung ‚Fußballhelden‘
4.2. Zwischenfazit
5. Befragung der Fußballhelden
5.1. Methodenauswahl
5.2. Durchführung und Forschungsgruppe der Befragung
5.3. Aufbau der Befragung
6. Ergebnisse und Diskussion
6.1. Ergebnisse
6.2. Interpretation
6.3. Limitation
6.4. Ausblick
7. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
V. Internetquellen
VI. Anhang
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Die ausschließliche Verwendung der männlichen Form ist geschlechtsunabhängig zu verstehen.
I. Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Idealtypische Gegenüberstellung von Merkmalen des ‚alten‘ und ‚neuen Ehrenamts‘
Tab. 2 Entwicklung der wöchentlichen ehrenamtlichen Arbeitsstunden nach der Auszeichnung
Tab. 3 Übersicht über die aktuellen wöchentlichen ehrenamtlichen Arbeitsstunden
II. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Entstehung von Motivation
Abb. 2 Entscheidungs- und Willensbildungsprozess
Abb. 3 Zukünftig geplantes Engagement der Fußballhelden der Forschungsgruppe
Abb. 4 Polaritätsprofil der Fußballhelden zum Wertewandel im Ehrenamt
Abb. 5 Bewertungen der Forschungsgruppe zu unterschiedlichen Aussagen über die Auszeichnung als ‚Fußballheld‘
Abb. 6 Bewertungen der Kontrollgruppe zu unterschiedlichen Aussagen über die Auszeichnung als ‚Fußballheld‘
III. Abkürzungsverzeichnis
bzw. beziehungsweise
ca. circa
DFB Deutscher Fußball-Bund e. V., Deutscher Fußball-Bund e. V.
DOSB Deutscher Olympischer Sportbund e. V.
inkl. inklusive
RCT Rational-Choice-Theorie
Std. Stunden
SWFV Südwestdeutscher Fußballverband e. V.
u. a. unter anderem
z. B. zum Beispiel
ZiviZ Zivilgesellschaft in Zahlen
1. Einleitung
Deutschland ist eine Sportnation. Fast jeder Dritte ist Mitglied in einem der über 88 000 organisierten Sportvereine in Deutschland und damit auch im Deutschen Olympischen Sportbund e. V. (DOSB).1 Diese leisten jedes Jahr einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl der Bevölkerung. Dabei spielt das Ehrenamt eine tragende Rolle. Es stellt die zentrale, bei zwei Dritteln der Vereine sogar die einzige personelle Ressource zur Übernahme der Vereinsarbeit dar.2 Den übrigen Vereinen stehen neben den Ehrenamtlichen und freiwilligen Helfern auch bezahlte Mitarbeiter und/oder Führungskräfte zur Verfügung.3
Der DOSB gliedert sich in insgesamt 100 Mitgliederorganisationen.4 Eine dieser Organisation ist der Deutsche Fußball-Bund e. V. (DFB). Mit über 7,1 Millionen Mitgliedern und mehr als 24 500 Vereinen ist der DFB der mitglieds- und vereinsstärkste Einzelverband im DOSB.5 Von den Mitgliedern des DFB engagieren sich über 400 000 ehrenamtlich im Fußballverein oder der Fußballabteilung ihres Mehrspartenvereins.6
Trotz eines aktuell leichten Wachstums der Mitgliederzahlen insgesamt,7 fällt es den Fußballvereinen zunehmend schwerer, Ehrenamtliche für die Vereinsarbeit zu gewinnen und an ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten im Verein zu binden. Dieser Umstand wird als eine existenzbedrohende Schwierigkeit von viele Vereine wahrgenommen, wie der aktuelle Sportentwicklungsbericht 2017/2018 zeigt. Den Ergebnissen zufolge liegen die drei Hauptprobleme sowohl der reinen Fußballvereine als auch der Mehrspartenvereine mit Fußballangebot in der Bindung und Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern (1), Schiedsrichtern (2) sowie Übungsleitern und Trainern (3). Gerade die Bindung und Gewinnung der Ersteren ist in der Wahrnehmung der Fußballvereine nochmals gestiegen.8
Um diesem Problem entgegenzuwirken und die Vereine bei der Förderung und Bindung junger ehrenamtlicher Menschen zu unterstützen, vergeben der DFB und die gemeinnützige Gesellschaft KOMM MIT seit 2016 den Ehrenamtsförderpreis ‚Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt‘. Im Rahmen dieser Auszeichnung werden Ehrenamtliche aus ganz Deutschland zur sogenannten Fußballhelden-Bildungsreise nach Spanien eingeladen.9
Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss der Auszeichnung als Fußballheld sowie der Bildungsreise nach Spanien auf die ausgezeichneten Personen selbst und ihre ehrenamtliche Vereinsarbeit im Zeitraum nach der Veranstaltung zu analysieren. Dazu werden die von 2016 bis 2019 ausgezeichneten Fußballhelden mittels einer Online-Umfrage befragt. Die Teilnehmer der Fußballhelden-Bildungsreise werden der Forschungsgruppe zugeordnet. Als Kontrollgruppe sollen alle Ehrenamtlichen fungieren, die zwar als Fußballhelden geehrt wurden, aber aus diversen Gründen nicht an der Reise teilgenommen haben (Nichtteilnehmer). Daher ergibt sich folgende zentrale Fragestellung: Trägt die ‚Fußballhelden-Bildungsreise‘ dazu bei, die ausgezeichneten Ehrenamtlichen nachhaltig an das Ehrenamt im Fußballverein zu binden?
Um diese Frage systematisch zu beantworten, sollen zunächst die Begriffe ‚Ehrenamt‘ und ‚freiwilliges Engagement‘ bzw. ‚freiwillige Tätigkeit‘ definiert werden. Anschließend wird die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung des Ehrenamtes in Sportvereinen analysiert. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Ehrenamtes und die daraus resultierenden Probleme und Aufgaben im Zusammenhang der häufig beschriebenen ‚Krise des Ehrenamtes‘ diskutiert.
Des Weiteren werden grundlegende Einflussfaktoren auf den Motivationsprozess sowie verschiedene Gründe für ehrenamtliches Engagement allgemein und die Motive ehrenamtlich Engagierter in Fußballvereinen beschrieben. Anschließend werden die bisherigen Maßnahmen der Vereine und des DFB zur Bindung und Gewinnung Ehrenamtlicher untersucht.
Vor einem Zwischenfazit wird das Projekt ‚Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt‘ genauer beschrieben, ehe die Methodik zur Befragung der Zielgruppen vorgestellt sowie die Ergebnisse präsentiert, interpretiert und diskutiert werden. Abschließend folgen eine Zusammenfassung und ein Ausblick hinsichtlich einer möglichen Umsetzung des Projektes für weitere Sportverbände in Deutschland.
2. Überblick des Ehrenamtes in Sportvereinen
2.1. Definition von Ehrenamt und freiwilligem Engagement
Um die Thematik und den Umfang ehrenamtlicher Tätigkeiten genauer zu skizzieren, bedarf es zunächst einer Abgrenzung der häufig in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe des ‚Ehrenamtes‘ und des ‚freiwilligen Engagements‘ oder auch der ‚freiwilligen Tätigkeit‘.
Unter Ehrenamt wird allgemein die Übernahme einer Funktion oder eines Amtes in den Organen von Vereinen, Verbänden oder Genossenschaften durch ein nicht hauptamtlich beschäftigtes Mitglied verstanden. Dabei ist dieses unentgeltlich oder nur gegen eine geringe Aufwandsentschädigung tätig.10 Bezogen auf Sportvereine sind ehrenamtliche Mitarbeiter formell und dabei mindestens auf der Vorstands- oder der ihr untergeordneten Ausführungsebene beschäftigt. Zu diesen dauerhaft auf mehr als geringfügigen Umfang ausgelegten Funktionen zählen vor allem Vorstandsmitglieder, Trainer, Übungsleiter und Schiedsrichter.11
Freiwilliges Engagement beschreibt die Spende von Zeit und Fähigkeiten einer Person, die für eine gewisse, meist kurze Zeitspanne oder ein bestimmtes Projekt, z. B. eine Veranstaltung, unentgeltlich arbeitet. Dabei werden Aufgaben ohne Weisungs- und Entscheidungsbefugnis ausgeführt.12 Als Beispiele für den Sportverein können an dieser Stelle die Unterstützung bei Vereinsfesten, Fahrdienste im Rahmen des Meisterschafts- und Wettkampfbetriebs oder auch handwerkliche Tätigkeiten wie Renovierungen genannt werden.13
2.2. Ehrenamt in Zahlen
2.2.1. Gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamtes
Die Vereinslandschaft spielt für die wachsende organisierte Zivilgesellschaft in Deutschland eine tragende Rolle. Laut dem ZiviZ-Survey von 2017, einer repräsentativen Befragung von Vereinen, Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft, gab es im Jahr 2016 erstmals über 600 000 eingetragene Vereine in der Bundesrepublik.14 Ein großer Anteil dieser Organisationen sind Sportvereine. Im Jahr 2019 verzeichnete der DOSB über 88 000 Sportvereine mit rund 27,5 Millionen Mitgliedern. Dem formellen Fußballsport als mitgliederstärkste Sportart im DOSB mit dem DFB als Spitzenverband sind dabei mehr als 24 500 Vereine oder Abteilungen in Mehrspartenvereinen mit 7,1 Millionen Mitgliedern zugehörig.15 Das den Mitgliedern zur Verfügung gestellte Sportangebot in den Vereinen wird zumeist von ehrenamtlich und freiwillig engagierten Mitglieder erbracht.
Der Deutsche Freiwilligensurvey von 2014 zeigt ein allgemeines freiwilliges Engagement der deutschen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren von 43,6 Prozent. Für den Bereich ‚Sport und Bewegung‘ ließ sich ein Zuwachs verzeichnen: Zwischen 1999 und 2014 konnte der Anteil engagierter Personen von 11,2 auf 16,3 Prozent gesteigert werden, was insgesamt rund 1,7 Millionen ehrenamtlichen Mitgliedern entspricht.16 Von ihnen hatten 2014 über 113 000 Personen ein Ehrenamt in einem reinen Fußballverein und fast 295 000 Personen eines in einem Mehrspartenverein mit Fußballabteilung. Laut Sportentwicklungsbericht 2017/2018 engagieren sich insgesamt 6,3 Millionen Menschen freiwillig in Sportvereinen, davon mehr als 1,2 Millionen im Fußballsport.17 Somit sind ca. 8 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtlich engagiert und schaffen mit ihrer Arbeit ein entsprechendes Angebot für die 27,5 Millionen Mitglieder der Sportvereine.18 Daher weist der Bereich Sport und Bewegung die höchste Engagementquote auf, gefolgt von ‚Schule und Kindergarten‘ (9,1 Prozent) und ‚Kultur und Musik‘ (9,0 Prozent).19 Die jüngste Altersgruppe von 14 bis 29 Jahre ist hierbei am stärksten vertreten.20
Neben der Anzahl ehrenamtlich und freiwillig engagierter Personen unterstreichen auch die Aussagen von z. B. Alfons Hörmann, Präsident des DOSB21, Karin Fehres, Vorstand für Sportentwicklung im DOSB22, DFB-Präsident Fritz Keller23 oder die Enquete-Kommission des deutschen Bundestags24 die Bedeutung des Ehrenamtes für die Gesellschaft und den Sport. Auch die Bundesregierung hat diese mit der Verabschiedung des Ehrenamtsstärkungsgesetzes inkl. eines neuen Ehrenamtspakets im Jahr 2013 hervorgehoben.25 Dabei wurden die Übungsleiter- und die Ehrenamtspauschale für ehrenamtlich Engagierte erhöht. Im neuen Gesetz ist eine Übungsleiterpauschale von maximal 2.400 € jährlich für Trainer und Übungsleiter vorgesehen (§ 3 Abs. 26 EStG). Die Ehrenamtspauschale beträgt maximal 720 € pro Jahr und kann an ehrenamtliche Funktionsträger gezahlt werden (§ 3 Abs. 26a EStG).
2.2.2. Ökonomische Wertschöpfung
Neben dem gesellschaftlichen Mehrwert sorgt die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen auch für eine hohe ökonomische Wertschöpfung. Im Rahmen des Deutschen Freiwilligensurveys 2014 konnte ermittelt werden, dass 58,1 Prozent der Engagierten bis zu zwei Stunden pro Woche, 23,8 Prozent zwischen zwei und sechs Stunden pro Woche und weitere 18,1 Prozent mehr als sechs Stunden pro Woche für ihre freiwillige Tätigkeit aufwenden.26
Im Amateurfußball sind Ehrenamtliche in einem reinen Fußballverein durchschnittlich 23,9 Stunden und in einem Mehrspartenverein mit Fußballabteilung 17,2 Stunden pro Monat aktiv. Eine Befragung im Rahmen einer Sonderauswertung des Sportentwicklungsberichts für Trainer und Übungsleiter sowie Vorstandsmitglieder in Fußballvereinen ergab, dass Erstere durchschnittlich 4,5 Stunden pro Woche im Verein tätig sind und 1,4 Mannschaften betreuen.27 Vorstandsmitglieder investieren im Mittel knapp 30 Stunden pro Monat in die Vereinsarbeit und 9,2 Prozent von ihnen sind als Jugendleiter durchschnittlich über 35 Stunden pro Monat beschäftigt.28
Somit entsteht eine Gesamtleistung von rund 7,8 Millionen Stunden ehrenamtlicher Arbeit in den Sportvereinen. Nicht einkalkuliert sind dabei die Leistungen der freiwilligen Helfer, die sich unterstützend bei etwaigen Arbeitseinsätzen zur Verfügung stellen.29 Zur Berechnung der Wertschöpfung stehen in der Literatur verschiedene Methodiken und Bewertungsgrundlagen zur Verfügung.30 Emrich und Fenger (2018) verwendeten zwei Berechnungsmethoden, zum einen den durchschnittlichen Stundenlohn in Höhe von 21,– € aus dem Jahr 2017 und zum anderen den damals gesetzlich geltenden Mindestlohn von 8,84 € pro Stunde. Ein weiterer Berechnungsansatz ist der in Anlehnung an Heinemann und Schubert (1994) im Sportentwicklungsbericht verwendete Wert in Höhe von 15,– € pro Stunde. Auf dessen Basis ergibt sich durch die Tätigkeit Ehrenamtlicher in den Vereinen eine monatliche Wertschöpfung von über 116,5 Millionen € bzw. eine jährliche Wertschöpfung, die etwas unterhalb von 1,4 Milliarden € liegt.31
Zudem kann die wirtschaftliche Bedeutung des gesamten Amateurfußballs, in dem der Großteil der freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer engagiert ist, mit der des Profifußballs gleichgesetzt werden. Von privaten Haushalten werden jährlich 5,5 Milliarden € jeweils sowohl für die Ausübung des Fußballsports als auch die Konsumierung des Profifußballs als Zuschauer ausgegeben.32 Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt lag der Beitrag des Sports im Jahr 2016 bei 2,3 Prozent und absolut bei 71,6 Milliarden €, was im Vergleich zu 2010 eine Zunahme von 4,9 Milliarden € bedeutet.33
2.3. Entwicklung des Ehrenamtes
2.3.1. Struktureller und demografischer Wandel
Das ehrenamtliche Engagement hat sich, auch aufgrund der gesellschaftlichen Wertveränderungen, gewandelt. Faktoren wie zeitliche Flexibilität, Vergütung und Selbstverwirklichung sind für potenzielle Ehrenamtliche bei der Übernahme und Ausübung eines Ehrenamtes zunehmend bedeutsamer geworden. Diese allgemeine Veränderung stellt die Sportvereine bei der Gestaltung ihres ‚Freiwilligenmanagements‘ vor besondere Aufgaben.34
Der strukturelle Veränderungsprozess des Ehrenamtes35 lässt sich charakteristisch mit dem Wandel vom ‚alten‘ zum ‚neuen‘ Ehrenamt beschreiben. Diese idealtypischen Merkmale zeigen, dass Engagierte heute vermehrt kurzläufige oder projektbezogene Engagements bevorzugen, die in ihre Biografie passen, anstatt sich langfristig an ein Ehrenamt im Verein zu binden.36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Idealtypische Gegenüberstellung von Merkmalen des ‚alten‘ und ‚neuen Ehrenamts‘ (vgl. Baur & Braun, 2000)
Ein weiterer spürbarer Einfluss auf das Ehrenamt in den Sportvereinen ist der demografische Wandel. Im Wesentlichen lässt sich dieser mit einer sinkenden Geburtenrate und einer durch die gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung bedingten wachsenden Anzahl an älteren Menschen zusammenfassen.37 In den Sportvereinen zeigt sich dieser Alterungsprozess besonders deutlich. Zwischen 1999 und 2009 hat sich die Anzahl der über 70-jährigen Ehrenamtlichen auf der Ausführungs- oder Vorstandsebene von 5,2 Prozent auf 11,6 Prozent mehr als verdoppelt, wobei sich fast jeder zweite Tätige 2009 ehrenamtlich in einer Leitungs- oder Vorstandsfunktion engagierte. Zum Vergleich ist im gleichen Zeitraum z. B. die Menge der Ehrenamtlichen in der Altersklasse ‚30 bis 39 Jahre‘ von 40 Prozent auf 24 Prozent gesunken ist.38 Auch die Bestandserhebung 2019 des DOSB bestätigt den Trend. Mit über 92 500 neuen Mitgliedern wies die Altersklasse der über 60-Jährigen absolut das größte Wachstum aller Altersklassen im Vergleich zum Vorjahr auf. Die Altersklassen ‚7 bis 14 Jahre‘, ‚15 bis 18 Jahre‘ und ‚19 bis 26 Jahre‘ hingegen verbuchten allesamt ein geringeres Wachstum bei der Anzahl der neuen Mitglieder auf Basis des Jahres 2018.39
2.3.2. Personalprobleme der Sportvereine
Die gesellschaftlich bedingte Entwicklung des Ehrenamtes stellt viele Vereine vor teilweise große Probleme. So bewerteten die befragten Sportvereine im Zuge des Sportentwicklungsberichts 2017/2018 die Bindung und Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern (1), jugendlichen Leistungssportlern (2) sowie Übungsleitern und Trainern (3) als die drei größten Probleme. Weiterhin gaben 37,8 Prozent aller Sportvereine an, dass sie mindestens ein existenzbedrohendes Problem im Verein haben. Von dem Problem der Anwerbung ehrenamtlicher Funktionsträger fühlten sich insgesamt 14,5 Prozent bedroht. Weitere 7,5 Prozent sahen den Fortbestand ihres Vereins durch die fehlende Gewinnung von Übungsleitern und Trainern gefährdet.40
Bei Fußballvereinen und Mehrspartenvereinen mit Fußballabteilung ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar. Von diesen wurden die Bindung bzw. Gewinnung von ehrenamtlichen Funktionsträgern (1), Kampf- und Schiedsrichtern (2) sowie Trainern und Übungsleitern (3) als die drei Hauptprobleme beschrieben. Dabei fühlten sich die Verantwortlichen von fast jedem zweiten reinen Fußballverein (rund 48 Prozent) und von über 40 Prozent der Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung durch mindestens ein Problem existenziell bedroht. Bei den reinen Fußballvereinen ist die Wahrnehmung des Problemdrucks bei der Bindung und Gewinnung ehrenamtlicher Funktionsträger zur letzten Erhebungswelle des Sportentwicklungsberichts gestiegen und stellte mit 21 Prozent das größte existenzielle Problem dar. Die Anwerbung und Bindung von Trainern und Übungsleitern gefährdete die Existenz knapp jedes zehnten Vereins. Auch die Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung sind von diesen beiden Problemen in ihrem Bestehen besonders bedroht, wenn auch mit 9,7 bezogen auf die Gewinnung und Bindung von Funktionsträgern bzw. 9,4 Prozent für die Bindung und Gewinnung von Trainer und Übungsleiter weniger stark als die reinen Fußballvereine.41
Wie sich zeigt, liegen die schwerwiegendsten Probleme der Sportvereine sowie im Speziellen der Sportvereine mit Bezug zum Fußballsport heute im personellen Bereich. Dieser Umstand lässt sich aber noch genauer differenzieren. Wie schon in Kapitel 2.3.1 durch den Strukturwandel des Ehrenamtes angedeutet, bestehen in Sportvereinen Schwierigkeiten bei der langfristigen Gewinnung und Bindung von Ehrenamtlichen, sei es auf der Vorstandsebene (Funktionsträger) oder der Ausführungsebene (Übungsleiter und Trainer) des Vereins. Weniger als 20 Prozent hat demnach Probleme, freiwillig Engagierte für kurzfristige Tätigkeiten zu finden. Dagegen haben fast zwei Drittel der Vereine Probleme, ihre ehrenamtlichen Positionen langfristig zu besetzen.42
2.3.3. Krise des Ehrenamtes
Die Schwierigkeiten im personellen Bereich sind nicht neu. Bereits zu Beginn der 1980er-Jahre beklagten über drei Viertel der Vereine das Problem, welches hauptsächlich die Bereitschaft zum formellen und nicht zum informellen Ehrenamt betrifft,43 Ämter im Verein zu besetzen.44 Daher verwundert die seit vielen Jahrzehnten kontrovers geführte Diskussion um eine mögliche Krise des Ehrenamtes45 an dieser Stelle nicht. Allerdings konnte diese, empirisch bislang nicht belegt werden.46 Zwar war durch den Freiwilligensurvey für den Zeitraum von 2004 und 2009 erstmals eine dynamische Abnahmetendenz im Ehrenamt für den Sportbereich erkennbar, dieser Trend bestätigte sich in der Folge aber nicht. Während die Engagementquote für den Sportbereich von 11,2 Prozent (1999) auf 11,1 Prozent (2004) nur leicht zurückging, sank sie bei den im Sport Engagierten auf 10,1 Prozent (2009), wobei die gesamte Engagementquote der Bevölkerung mit rund 36 Prozent stabil blieb.47 Mit 16,3 Prozent im Jahr 2014 (vgl. Kapitel 2.2.1) zeigt sich die Engagementquote jedoch wieder stark verbessert.
Auch die Ergebnisse der Sportentwicklungsberichte können eine Krisentendenz nicht endgültig belegen. Zwar ist eine Steigerung der subjektiven Problemwahrnehmung der Sportvereine klar zu erkennen (vgl. Kapitel 2.3.2), die Zahlen der Ehrenamtlichen haben sich aber, verglichen mit den Resultaten aus dem Sportentwicklungsbericht 2013/2014, nur um rund 3,6 Prozent verringert,48 während im gleichen Zeitraum die Anzahl der Sportvereine um knapp 2,7 Prozent zurückging.49 Auch in den Fußballvereinen zeigte sich die Anzahl der Ehrenamtlichen weitestgehend unverändert.50
Vielmehr weisen Studien zum ehrenamtlichen Engagement auf ungenutztes Engagementpotenzial der bisher nicht freiwillig oder ehrenamtlich Engagierten in den Sportvereinen hin. Nach Angaben des Freiwilligensurveys 2014 waren mehr als zwei Drittel der aktiven, aber noch nicht ehrenamtlich tätigen Mitglieder in Sportvereinen mindestens vielleicht bereit, sich zukünftig zu engagieren.51 Das größte Potenzial lag dabei in der Altersklasse der 14- bis 29-Jährigen. Fast 28 Prozent waren zur Aufnahme eines Engagements bereit. Weitere 51 Prozent waren vielleicht bereit, sich zu engagieren. Bei den Altersklassen ‚30 bis 49 Jahre‘ und ‚50 bis 64 Jahre‘ lag die Engagementbereitschaft jeweils bei rund 26 Prozent. Von den über 65-Jährigen konnte sich nur knapp jeder Zehnte vorstellen, sich zu engagieren. Zusätzlich waren schon im Verein engagierte Personen zur zeitlichen Ausdehnung ihres Engagements bereit. Rund 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen konnten sich eine Ausweitung ihres Ehrenamtes vorstellen. In den weiteren Altersklassen lag die Bereitschaft zwischen 31 und 44 Prozent.52
Die Engagementpotenziale zeigen, dass es für die von den Vereinen thematisierten Hauptprobleme im Bereich Personal kurzfristige Lösungsmöglichkeiten gibt. Dabei kommt es vor allem auf die Attraktivität der ehrenamtlichen Tätigkeit an. Um die Aufgaben- und Tätigkeitsfelder entsprechend zu gestalten, ist es für die Verantwortlichen in den Vereinen essenziell, die Einflussfaktoren auf die Motive zur Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit der potenziell Engagierten zu kennen.
3. Motivationen zur Ausübung ehrenamtlichen Engagements
3.1. Grundlegende Einflussfaktoren
3.1.1. Motivationsprozess
Einer der entscheidendsten Faktoren zur Aufnahme bzw. (langfristigen) Bindung an eine ehrenamtliche Tätigkeit ist die Motivation des Engagierten. Sie entsteht durch eine Wechselwirkung von persönlichen Neigungen und Interessen (intrinsisch) sowie den Anreizen aus der Umwelt (extrinsisch). Motivation kann somit vereinfacht als Ergebnis von persönlichen Motiven und situativen Anreizen definiert werden.53
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Entstehung von Motivation (vgl. Heckhausen & Heckhausen 2010)
Wie auch schon der Wandel vom ‚alten‘ zum ‚neuen‘ Ehrenamt gezeigt hat, stehen die eigenen Interessen sowie die Entwicklungsmöglichkeiten der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen als Motive der Ehrenamtlichen im Vordergrund (vgl. Kapitel 2.3.1). Um nun für den Verein potenzielle Engagierte gewinnen und langfristig binden zu können, müssen Anreize geschaffen und die Rahmenbedingungen der ehrenamtlichen Tätigkeit an die individuellen Motive angepasst werden.54 Die erstmalige Übernahme eines Ehrenamtes findet meist erst nach einem längeren Entscheidungsprozess statt. Einen solchen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess stellen Schwartz und Howard (1981), wie in Abbildung 2 zu sehen, dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Entscheidungs- und Willensbildungsprozess (vgl. Schwartz & Howard (1980))
Aus der Kenntnisnahme über ein mögliches ehrenamtliches Engagement heraus erwächst ein Interesse an der Tätigkeit. Dieses wird im Gesamtzusammenhang mit den Umweltfaktoren und Anreizen der Tätigkeit evaluiert. Nach der Entscheidungsfindung bildet sich die entsprechende Motivation, die zur Übernahme des Engagements führt.
3.1.2. Gründe für ehrenamtliches Engagement
Nachdem zunächst die allgemeine Motivationsbildung und die Einordnung in den Entscheidungsprozess zur Übernahme eines Ehrenamtes skizziert wurden, gilt es nun zu analysieren, welche Gründe zu einem ehrenamtlichen Engagement führen.
Ein verbreiteter und viel diskutierter Ansatz ist die Rational-Choice-Theorie (RCT). Mit dieser wird versucht, die Entstehung gesellschaftlicher Phänomene auf Basis individueller rationaler Handlungen zu erklären.55 Dabei werden in der Literatur die beiden ‚idealtypischen paradigmatischen analytischen Menschenbilder‘ des nutzenorientierten Homo oeconomicus und des sozialnormenorientierten Homo sociologicus verwendet, um Gründe für ehrenamtliches Engagement darzulegen.56
Ein möglicher Erklärungsansatz ist das Verhältnis von Nutzen, z. B. in Form der eigenen Partizipation im Verein oder der Verbesserung von Chancen am Arbeitsmarkt durch die Bildung von sogenannten Soft Skills, und Kosten, z. B. die Investition von Zeit und Anstrengung. Ein Ehrenamt wird demnach nur solange ausgeführt, bis die Kosten den Nutzen übersteigen.57
Eine weitere Erklärung sind die Opportunitäten (Zweckmäßigkeit) zur Ehrenamtlichkeit. Individuen optimieren demnach ihr Verhalten, orientiert an den Ehrenamtskosten, der Zeitinvestition und den Opportunitätskosten. Beispielsweise wird mit einem erhöhten Einkommen und/oder weiteren Freizeitalternativen im Sinne der Verbesserung durch einen erhöhten Einsatz monetärer Mittel z. B. für alternative Sportangebote versucht, Zeit zu sparen.58
Des Weiteren wird eine Abnahme handlungsrelevanter Werte und gemeinschaftlicher Solidarformen in Folge des Wertewandels (‚altes‘ und ‚neues‘ Ehrenamt) diskutiert. Demnach führt vor allem die Selbstsuche mit entsprechenden Ansprüchen auf Selbstverwirklichung zu einer Instabilität ehrenamtlichen Engagements.59
Darüber hinaus wird in der Literatur eine Veränderung in der Organisation thematisiert. Als Basis einer Organisation gilt die kollektive Handlungsorientierung aller Mitglieder auf die (gemeinsamen) Vereinsziele. Gerade Sportvereine im Wachstum können durch die Öffnung für Nichtmitglieder Divergenzen erzeugen, was in der Konsequenz die Bindung von Mitgliedern zum Verein schwächen kann.60
Zusammenfassend lassen sich die Erklärungsansätze der RCT zum Kosten-Nutzen-Verhältnis und zu den Opportunitäten dem nutzenorientierten Homo oeconomicus zuordnen. Die Ansätze zum Wertewandel und der Vereinsbindung entsprechen dem an sozialen Normen orientierten Homo sociologicus. Diese klare Trennung und Charakterisierung sind als idealtypisch anzusehen. Im individuellen Entscheidungsprozess potenziell Ehrenamtlicher dürften sowohl Aspekte der normativen als auch der rationalen Theorie von Bedeutung sein.61
3.2. Motive Ehrenamtlicher in Fußballvereinen
Ähnlich vielschichtig wie die Erklärungsansätze der Motivation für ehrenamtliches Engagement sind auch die Motive der bereits ehrenamtlich Engagierten selbst. Bei einer Befragung unter Trainern und Übungsleitern in Fußballvereinen im Zuge des Sportentwicklungsberichts 2017/2018 gaben die meisten Teilnehmer den Spaß als stärkstes Motiv für die Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit an. Weitere häufig genannte Beweggründe sind das gute Gefühl bei der Ausübung, die Verbundenheit zur Sportart und der Spaß, anderen zu helfen. Auch der Verein selbst spielt als Motiv eine relevante Rolle. So gaben 81 Prozent der Befragten an, ihre Tätigkeit auszuüben, weil sie es genießen, ein Teil des Vereins zu sein, und 79 Prozent stimmten der Aussage zu, etwas für die Vereinsgemeinschaft tun zu wollen. Hingegen haben besonders monetäre Aspekte kaum Einfluss. Dem Motiv, wegen einer finanziellen Entlohnung oder einer Beitragsminderung in der Mitgliedschaft ehrenamtlich engagiert zu sein, stimmten nur 6 bzw. 2 Prozent zu.62
Bei der gleichen Befragung unter Vorstandsmitgliedern in Fußballvereinen war das im Durchschnitt stärkste Motiv die Förderung der Vereinsgemeinschaft, gefolgt von der Verbundenheit zum Verein, den persönlichen Werten und Überzeugungen sowie einer persönlich als sinnvoll erscheinenden Freizeitgestaltung. Auch den Spaß an der Tätigkeit selbst und daran, anderen zu helfen, stuften die Befragten als hoch ein. Genau wie bei den Trainern und Übungsleitern spielen monetäre Aspekte für die Vorstandsmitglieder die mit Abstand geringste Rolle. Sowohl dem Aspekt der finanziellen Vergütung, als auch dem der Beitragsverringerung stimmten nur jeweils 1 Prozent als Motiv zu.63
3.3. Bindungs- und Gewinnungsstrategien im Fußballsport
3.3.1. Fußballvereine
Sind die intrinsischen Motive der ehrenamtlichen Mitarbeiter bekannt, gilt es für den Verein, die entsprechenden Maßnahmen zur Aktivierung bzw. Verstärkung dieser Anreize zu gestalten und umzusetzen.
Im Jahr 2011 wurden die Ehrenamtlichen aller Vereine des Südwestdeutschen Fußballverbandes (SWFV) zu den getätigten Unterstützungsleistungen ihres Vereins befragt. Dabei gaben 83,1 Prozent von ihnen an, keine Geld- oder Sachleistungen vom Verein zu erhalten.64 Angesichts der in Kapitel 3.2 ermittelten Motive von ehrenamtlichen Trainern, Übungsleitern und Vorstandsmitgliedern erscheint diese Maßnahme als sinnvoll, da die häufig knappen finanziellen Mittel vom Verein eingespart werden und der Bindungseffekt vermutlich ohnehin nur geringfügig ausfallen würde. Besonders stark unterstützen die Vereine des SWFV ihre ehrenamtlich Tätigen durch die immaterielle Würdigung ihrer Leistung. Dadurch wird die Länge der ehrenamtlichen Tätigkeit positiv beeinflusst. Ehrenamtliche, die während der Ausübung ihres Amtes eine Ehrung erhalten haben, wiesen eine höhere Amtsdauer auf (15 Jahre ± 12) als Personen ohne diese Form der Anerkennung (11,3 Jahre ± 11,3). Auch die externe Bedeutung und Wahrnehmung der Ehrung stehen in einem signifikant positiven Zusammenhang zur Ausübungsdauer des Ehrenamtes. Ein weiterer positiver Einfluss auf die Dauer der Ausübung des Ehrenamtes konnte in der fachlichen Hilfestellung der Vereine erkannt werden. Ehrenamtliche, die diese Hilfen erhalten haben, waren durchschnittlich länger im Amt (13,8 Jahre ± 11,9) als Personen ohne fachliche Hilfestellungen (9,2 Jahre ± 10,2).65
Bei der Befragung der Vereine der Panelgruppe des Sportentwicklungsberichts 2017/2018 gaben diese die Kostenübernahme von Fort- und Weiterbildungen als stärkste Unterstützungsleistung für ihre ehrenamtlichen Trainer und Übungsleiter an. Zudem wird ihnen Gestaltungsfreiraum bei neuen Ideen gewährt. Im Mittel nutzten Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung die beiden Maßnahmen etwas stärker als reine Fußballvereine. Die Würdigung in den Vereinsmedien wurde von beiden Vereinstypen ähnlich stark genutzt. Wie sich zeigt, kamen in 43 Prozent der reinen Fußballvereine und 60 Prozent der Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung Ehrungen und Auszeichnungen als Bindungsmaßnahme stark bis sehr stark zum Einsatz. Trotz des nachgewiesenen positiven Einflusses auf die Ehrenamtsdauer verwendeten 30 Prozent der reinen Fußballvereine und 19 Prozent der Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung Ehrungen und Auszeichnungen als Unterstützungsleistung für die vereinseigenen Trainer und Übungsleiter gar nicht bzw. eher nicht.66
Bei den Unterstützungsleistungen für Vorstandsmitglieder wurde besonders stark auf die Gestaltungsfreiräume für neue Ideen gesetzt, gefolgt von der Kostenübernahme für Fort- und Weiterbildungen und der Würdigung in den Vereinsmedien. Wie schon bei den Trainern und Übungsleitern wurden die jeweiligen Maßnahmen stärker von Mehrspartenvereinen mit Fußballabteilung als von reinen Fußballvereinen ergriffen. Fast deckungsgleich zu den Trainern und Übungsleitern wurden Ehrungen und Auszeichnungen für die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder genutzt. Diese Maßnahme wendeten 42 Prozent der reinen Fußballvereine und 57 Prozent der Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung stark bis sehr stark an. Jedoch setzten rund 35 Prozent der reinen Fußballvereine und mehr als 20 Prozent der Mehrspartenvereine mit Fußballabteilung diese Form der Unterstützung gar nicht bzw. eher nicht ein.67
3.3.2. Deutscher Fußball-Bund
Die Ehrenamtsstruktur im Fußball in Deutschland ist einmalig auf der Welt.68 Deshalb versucht auch der DFB, mit verschiedenen Maßnahmen und Aktionen eine langfristige Amtsdauer im Ehrenamt bei den ehrenamtlich Engagierten der Vereine zu fördern oder die Vereine bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
Der DFB hat die Förderung und Stärkung des Ehrenamtes als eine seiner Kernaufgaben definiert und satzungsmäßig verankert.69 Um ihr gerecht zu werden sowie bestehende und zukünftige Maßnahmen und Projekte zu bündeln, initiiert der DFB bereits seit 1997 die ‚Aktion Ehrenamt‘. Dabei sollen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels insbesondere junge Ehrenamtliche vor allem auf der Vorstandsebene der Vereine gefördert werden, ohne dabei die vorhandenen und erfahrenen Personen im Ehrenamt zu vernachlässigen.70
Ein zentraler Punkt der ‚Aktion Ehrenamt‘ ist die DFB-Anerkennungskultur. Sie besteht aus den folgenden drei Säulen:
- DFB-Ehrenamtspreis inkl. ‚Club 100‘
- Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt
- DFB-Urkunden und DFB-Uhren
Der ‚DFB-Ehrenamtspreis‘ wird einmal pro Jahr vergeben. Dabei können Vereine ihre(n) engagiertesten Ehrenamtlichen bei ihrem Fußballkreis für die Auszeichnung vorschlagen. Die über 260 Kreisvorstände wählen die entsprechenden Kreissieger aus und die 100 besten Kreissieger werden zusätzlich ein Jahr lang in den ‚Club 100‘ aufgenommen. Der Ehrenamtsförderpreis ‚Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt‘ für die Zielgruppe der jungen Ehrenamtlichen von 18 bis 30 Jahren ist das Pendant zum DFB-Ehrenamtspreis.71 Knapp 10 000 Ehrenamtliche konnte der DFB gemeinsam mit seinen 21 Landesverbänden72 seither mit den beiden Preisen auszeichnen. Über 100 000 weitere Personen wurden mit der DFB-Urkunde und DFB-Uhr geehrt.73 Vor dem Hintergrund des Arbeitsthemas und der eingangs formulierten Forschungsfrage soll nachfolgend besonders auf den Förderpreis ‚Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt‘ eingegangen werden.
[...]
1 Vgl. DOSB (S. 3, 2020a)
2 Vgl. Hartmann-Tews (S. 10, 2017)
3 Vgl. Braun (S. 45, 2017a)
4 Vgl. DOSB (2020b)
5 Vgl. DOSB Sportbund (S. 3, 2020a); DFB (S. 2, 2020a)
6 Vgl. Breuer et al. (S. 16 f., 2019b)
7 Vgl. DOSB (S. 4 f., 2020a); vgl. DFB (S. 4, 2020a)
8 Vgl. Breuer et al. (S. 1 f. & 37 ff., 2018b)
9 Vgl. DFB (2019a)
10 Vgl. Springer (2018a)
11 Vgl. Breuer & Feiler (S. 22, 2019)
12 Vgl. Springer (2018b)
13 Vgl. Breuer & Feiler (S. 16, 2017)
14 Vgl. Priemer et al. (S. 5 f., 2017)
15 Vgl. DOSB (S. 1 ff., 2020a)
16 Vgl. Breuer & Feiler (S. 22, 2019)
17 Vgl. Breuer et al. (S. 16 ff., 2019b)
18 Vgl. Kausmann et al. (S. 64, 2018); Feiler et al. (S. 106, 2018); Priemer & Schwind-Gick (S. 2 f., 2020)
19 Vgl. Simonson et al. (S. 7, 2016)
20 Vgl. Simonson et al. (S. 126, 2017)
21 Vgl. Sportverein 2020 (2015); Rump & Hopp (S. 15, 2015)
22 Vgl. Nowakowski (2019)
23 Vgl. Kicker (2020)
24 Vgl. Enquete-Kommission (S. 7, 2002)
25 Vgl. Geckle (2013); Rump & Hopp (S. 37, 2015)
26 Vgl. Hameister et al. (S. 338, 2017)
27 Vgl. Breuer et al. (S. 9, 2018a)
28 Vgl. Breuer et al. (S. 37 f. 2018a)
29 Vgl. Breuer et al. (S. 17 f., 2019)
30 Für einen Überblick vgl. Orlowski & Wicker (2015); Wicker (S. 333 f., 2017)
31 Vgl. Breuer et al. (S. 18, 2019)
32 Vgl. an der Heiden et al. (S. 3 f., 2015)
33 Vgl. Ahlert et al. (S. 7, 2019)
34 Vgl. Braun (S. 75 f., 2017a)
35 Vgl. Olk (1987)
36 Vgl. Braun (2017b); DOSB (S. 27, 2007)
37 Vgl. Reymann & Braun (2013)
38 Vgl. Braun (S. 58 ff., 2017a)
39 Vgl. DOSB (S. 2 f., 2020a)
40 Vgl. Breuer & Feiler (S. 25 ff., 2019)
41 Vgl. Breuer et al. (S. 36 ff., 2018b)
42 Vgl. Hartmann-Tews (S. 11, 2017); Priemer & Schwind-Gick (S. 4, 2020)
43 Vgl. Braun (S. 46, 2017a)
44 Vgl. Schlagenhauf & Timm (S. 164, 1981)
45 Vgl. z. B. Heinemann & Schubert (1994, 1999); Pitsch (1999); Emrich et al. (2001)
46 Vgl. z. B. Emrich et al. (S. 247 f., 2001); Rittner et al. (S. 255, 2007); Flatau (S. 266, 2009); Flatau et al. (S. 70, 2012); Simonson et al. (S. 21, 2016); Braun (S. 30, 2017a)
47 Vgl. Braun (S. 45, 2017a)
48 Vgl. Breuer & Feiler (S. 12, 2015); Breuer & Feiler (S. 23, 2019)
49 Vgl. DOSB (S. 3, 2013); DOSB (S. 3, 2020a)
50 Vgl. Breuer et al. (S. 23, 2018b)
51 Vgl. Braun (S. 50 f., 2017a)
52 Vgl. Braun (2016)
53 Vgl. Heckhausen & Heckhausen (S. 3, 2010)
54 Vgl. Heckhausen & Heckhausen (2010)
55 Vgl. Diefenbach (S. 239, 2009)
56 Vgl. Flatau (S. 260, 2009)
57 Vgl. Badelt (1985); Erlinghagen (2003)
58 Vgl. Gronau (1977); Heinemann (1995); Downward et al. (2009)
59 Vgl. Beher et al. (2000); Olk (2004)
60 Vgl. Nagel (2006); Emrich (2009)
61 Vgl. Schlesinger & Nagel (S. 6, 2011)
62 Vgl. Breuer et al. (S. 28 ff., 2018a); Breuer et al. (S. 21 ff., 2019)
63 Vgl. Breuer et al. (S. 51 ff., 2018a); Breuer et al. (S. 26 ff., 2019)
64 Vgl. Emrich et al. (S. 1 ff., o. J.)
65 Vgl. Emrich et al. (S. 4 f., o. J.)
66 Vgl. Breuer et al. (S. 27 ff., 2018b); Breuer et al. (S. 31 ff., 2019a)
67 Vgl. Breuer et al. (S. 23 ff., 2018b); Breuer et al. (S. 34 ff., 2019a)
68 Vgl. DFB (S. 4, 2017)
69 Vgl. § 4 Abs. 2. f)
70 Vgl. DFB (S. 12 f., 2017)
71 Vgl. DFB (S. 14 f., 2017)
72 Vgl. DFB (2020b)
73 Vgl. DFB (S. 15, 2017)
- Citar trabajo
- Sebastian Heuser (Autor), 2020, Bindung junger Menschen an ehrenamtliche Tätigkeit im Fußballverein. Der Förderpreis "Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/980402
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