Krisen sind für Individuen und Organisationen gleichermaßen herausfordernd. Resilienz hilft, diese zu bewältigen. Ziel dieser Arbeit war es, zu überprüfen, ob sich Design Thinking als Methodik zur Führungskräfteentwicklung eignet, um Resilienz zu fördern.
Dazu wurden anhand einer Kombination aus Literaturrecherche und qualitativer Inhaltsanalyse von Experteninterviews zunächst Fähigkeiten, Kompetenzen und Haltung zur Bewältigung neuer Rahmenbedingungen eruiert, um diese dann mit Möglichkeiten der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking zu vergleichen.
Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass Design Thinking eine geeignete Methode zum Mindshift darstellt. Die Entwicklungsmaßnahme muss in den Organisationskontext eingebettet werden und die involvierten Trainer:innen sollten eine fundierte Ausbildung in der Methodik sowie die passende Haltung vorweisen. Aus diesen Erkenntnissen wurde ein Handlungsleitfaden einer zielführenden Entwicklungsmaßnahme für eine resiliente Organisation erstellt.
Inhalt
1 Einleitung
2 Theorie und Forschungsstand
2.1 Resilienz
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Organisationale Wirkebenen der Resilienz
2.2 Zusammenhang von Führung und Resilienz
2.2.1 Theoretischer Hintergrund
2.2.2 Resilienz und agile Führung
2.2.3 Mindset im Kontext Führung
2.3 Design Thinking
2.3.1 Design-Thinking-Prozess
2.3.2 Design-Thinking-Toolbox
2.3.3 Design-Thinking-Kompetenzen und -Mindset
2.4 Führungskräfteentwicklung
2.4.1 Ziele und Herausforderungen der Führungskräfteentwicklung
2.4.2 Erfolgsfaktoren der Führungskräfteentwicklung
2.4.3 Forschungsziel und Forschungsfragen
3 Methodik
3.1 Literaturanalyse
3.2 Experteninterviews
4 Ergebnisse
4.1 Erforderliche Kompetenzen und Einstellungen von Führungskräften
4.2 Eignung Design Thinking zur Führungskräfteentwicklung
4.3 Praktische Handlungsempfehlung
5 Diskussion und Fazit
Literatur
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1. Wirkebenen Resilienz im Arbeitsumfeld
Abbildung 2.2. Einflussfaktoren Transfererfolg einer Trainingsmaßnahme
Abbildung 2.3. Zusammenhang von Haltung, Kompetenz, Handlung und Kontext
Abbildung 3.1. Flussdiagramm Literaturrecherche
Abbildung 4.1. Idealtypischer Ablauf einer Entwicklungsmaßnahme mit DesignThinking
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1. Darwin Resilience Management Guidelines, DRMG
Tabelle 2.2. Zusammenfassung Ziele und Methodenauswahl der Design-Thinking-Phasen
Tabelle 2.3. Kompetenzdimensionen zur erfolgreichen Umsetzung von Design Thinking
Tabelle 3.1. Stichwortsuche themenrelevanter Literatur
Tabelle 3.2. Übersicht interviewter Experten
Tabelle 4.1. Umsetzung der DRMG „Supporting coordination and synchronisation of distributed operations“ in der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking
Tabelle 4.2. Umsetzung der DRMG „Managing adaptive capacity“ in der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking
Tabelle 4.3. Umsetzung der DRMG „Assessing resilience“ in der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking
Tabelle 4.4. Umsetzung der DRMG „Developing and revising procedures and checklists“ in der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking
Tabelle 4.5. Umsetzung der DRMG „Involving the public in Resilience Management“ in der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking
Zusammenfassung
Krisen sind für Individuen und Organisationen gleichermaßen herausfordernd. Resilienz hilft, diese zu bewältigen. Ziel dieser Arbeit war es, zu überprüfen, ob sich Design Thinking als Methodik zur Führungskräfteentwicklung eignet, um Resilienz zu fördern. Dazu wurden anhand einer Kombination aus Literaturrecherche und qualitativer Inhaltsanalyse von Experteninterviews1 zunächst Fähigkeiten, Kompetenzen und Haltung zur Bewältigung neuer Rahmenbedingungen eruiert, um diese dann mit Möglichkeiten der Führungskräfteentwicklung mit Design Thinking zu vergleichen. Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass Design Thinking eine geeignete Methode zum Mindshift darstellt.Die Entwicklungsmaßnahme muss in den Organisationskontext eingebettet werdenund die involvierten Trainer sollten eine fundierte Ausbildung in der Methodik sowie die passende Haltung vorweisen. Aus diesen Erkenntnissen wurde ein Handlungsleitfaden einer zielführenden Entwicklungsmaßnahme für eine resiliente Organisation erstellt.
Abstract
Crises are challenging for individuals and organizations alike. Resilience helps to cope with them. This thesis aims to determine whether Design Thinking is a suitable methodology for leadership development in order to promote resilience. To determine the skills, competencies, and attitudes necessary to cope with new framework conditions, a combination of literature research and qualitative content analysis of interviews with experts was used. The outcome was then compared with the possibilities of executive development fostered by Design Thinking. The results allow the conclusion that Design Thinking is suitable as a method to achieve the necessary mind shift to promote greater resilience. The development measure must be embedded in an organizational context, and trainers involved should have sound training in the methodology as well as the appropriate attitude. Based on these findings, a guideline was created for a target-oriented development measure to promote resilience in organizations.
1 Einleitung
„Vergeude keine Krise!“
Mit diesem Zitatfordern Förster und Kreuzer(2020), Herausforderungen als Chance zu sehen und sie zu nutzen.Krisenmanagement hat weltweit an Aktualität gewonnen. Die Corona-Pandemie zeigt eindrücklich, wie schnell sich Rahmenbedingungen für Unternehmen und deren Arbeitnehmer verändern können. 2020 ist laut Deutschem Arbeitgeberverband (2020, S. 1) „das Jahr, in dem die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt wurde“. Doch auch schon vor dieser aktuellen Herausforderung war die moderne Arbeitswelt geprägt von grundlegenden Transformationsprozessen (Negri, 2019).
Gerhardt (2020) spricht von einem volatilen, unsicheren, komplexen und von Ambiguität geprägten Umfeld.Er bezieht sich dabei auf eine Beschreibung, die erstmals 1998 in einem Report des United States War Colleges auftauchte (Whiteman, 1998) und mit dem Akronym VUCA abgekürzt wird. Die genannten Aspekte haben Auswirkungen auf das Entstehen neuer Geschäftsmodelle und Organisationsformen sowie auf das grundlegende Verständnis von Arbeit, der Rolle des Menschen im Arbeitsprozess und dessen Führung (Negri, 2019).
Als Antwort auf die Komplexität der Arbeits- und Lebensumwelt fordert Heller (2019) neue Fähigkeiten aller Beteiligten:flexibel mit unsicheren Situationen umgehen zu können, Entscheidungen im ambivalenten Umfeld zu treffen und Scheitern als eine mögliche Option zu akzeptieren. Die Autoren einer aktuellen Studie zu Risiko- und protektiven Faktoren während der SARS-CoV-2-Pandemie (Gilan et al., 2020) empfehlen, den Blick auf Resilienz als positiven Einfluss der psychischen Gesundheit zu richten.
Um zu beschreiben, wie der „VUCA Welt“ sinnvoll begegnet werden kann, wandelte Bill George von der Harvard Business School die vier Anfangsbuchstaben um in Vision, Understanding, Courage and Adaptability.So formulierte er VUCA 2.0 als Lösung für VUCA (Nell, 2017). Demnach sollten Führungskräfte klare Visionen schaffen, ein tiefes Verständnis für Kunden und Mitarbeiter erlangen, Mut haben, schnelle Entscheidungen zu treffen, und sich sofort dem Gegenüber sowie der Situation anpassen, um agil zu reagieren. Für Hofert(2016)bedeutet Agilität im Wirtschaftskontext flink, beweglich und rege zu sein, um schneller reagieren zu können. Agiles Vorgehen umfasst ihm zufolge ebenso soziale und kommunikative Aspekte und ist damit Zukunftskonzept und Führungsmethode. Als eine agile Methode hat sich Design Thinkingetabliert und geht dabei über die reine Methodik hinaus,denn jeder Innovationsschritt wird aus der Nutzerperspektive betrachtet. Anwender können Kunden ebenso sein wie Mitarbeiter einer Organisation. Design Thinking soll bei der Gestaltung der Transformation zu einem neuen Management-Paradigma helfen (Lewrick et al., 2018). Um traditionelle Unternehmen zu innovationsbereiten, krisensicheren Organisationen zu verändern, ist es erforderlich, ein Mindset zu etablieren, das darauf fokussiert ist, Veränderungen willkommen zu heißen.
Während sich Design Thinking als agile Methode zur Verbesserung von Produkten oder Services weitgehend etabliert hat, ist dessen Einsatz in der Führungskräfteentwicklung noch neu. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand aktueller Literatur und Experteninterviews, inwieweit sich Design Thinking als Gesamtkonstrukt eignet, um eine Haltungsänderung im Sinne einer resilienten Organisation hervorzurufen. Zunächst werden die Begriffe Resilienz und Führung erläutert, eingegrenzt und in Bezug zu den aktuellen Veränderungen gesetzt.Im Anschluss wird ein Überblick über Prozess und benötigte Haltung von Design Thinkinggegeben und Möglichkeiten der Führungskräfteentwicklung werden aufgezeigt. Ziel dieser Untersuchung ist es, Empfehlungen für künftige Seminare abzuleiten, um Führungskräfte zu inspirieren, eine resiliente Haltung für sich selbst, ihre Beschäftigten, ihre Teams und die Organisation zu schaffen, damit diese gemeinsame Krisen und Veränderungen erfolgreich meistern.
2 Theorie und Forschungsstand
Demographischer Wandel, Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die veränderte Altersstruktur, breitere Diversität durch Altern der Gesellschaft in Deutschland und soziologischer, aber auch kultureller Hintergrund sowie Vernetzung, Geschwindigkeit und technische Möglichkeiten führen zunehmend zu veränderten Aufgaben, mehr Komplexität (Janneck&Hoppe, 2018; Carbon Disclosure Project – CDP, 2016; Swiss Re, 2016) und einem Wertewandel (von Rosenstiel, 2015) in Arbeitsleben und Gesellschaft.Diese Einflussfaktoren fordern neue Fähigkeiten für Unternehmen und Arbeitnehmer, wie das aktuelle Beispiel der Corona-Pandemie (Kienbaum, 2020)in besonderem Maße verdeutlicht.
2.1 Resilienz
Um als Unternehmen auf Veränderungen adäquat reagieren zu können und Krisen gestärkt zu überstehen, empfehlen Felfe et al. (2014) und Heller (2019) eine resiliente Organisation. Im Zuge der Corona-Pandemie ist Resilienz „zu einem zentralen Thema in Unternehmen aller Branchen geworden“(Microsoft Deutschland & Arbeitgeberverband, 2020). Laut Kanabe et al. (2020) sind „Rising Resilient“-Unternehmen, also wachsende, widerstandsfähige Organisationen, Vorbild für Empathie, Toleranz und Gleichheit.
2.1.1 Begriffsbestimmung
Resilienz wird abgeleitet von resilire (lat.) und beschreibt laut Kalisch (2017) eine Mischung individueller Eigenschaften und Fähigkeiten, die helfen, sich bei Herausforderungen, belastenden Situationen oder Krisen anzupassen und mit ihnen so umzugehen, dass die Personen keinen persönlichen Schaden nehmen und anhand des Gelernten innerlichwachsen. Resilienz zeigt sich in der „dynamischen Anpassung eines Menschen an eine Belastung oder Krise“(Heller, 2019, S. 26). Heller (2019)überträgt die allgemeine Definition auf die Organisation und bezeichnet sie als resilient, wenn sie Krisen unbeschadet übersteht und sich schnell von diesen erholt.
Meneghel et al.(2016)konnten in ihrer Studie einen positiven Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und Team-Resilienzzeigen und auch, dass Letztere positiv mit Leistung korreliert. Resilienz weist laut Soucek et al.(2016)verschiedene inhaltliche Facetten auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen auf.Deshalb wird im Folgenden das Zusammenspiel der Resilienz-Kultur in Organisationen, Teams,der Rolle der Führungskraft sowie des Individuums berücksichtigt.
2.1.2 Organisationale Wirkebenen der Resilienz
Organisationale Resilienz aus Sicht der Beschäftigten ist laut Soucek et al. (2016) dann gegeben, wenn resilientes Verhalten durch Ressourcen getragen wird. Auf Organisationsebene wirken ihnen zufolgeHandlungsspielraum, Antizipation, Identifikation, Reaktion, Lernen sowie organisationale Achtsamkeit positiv. Diese Betrachtungsweise deckt sich mit Janneckund Hoppe(2018),die Resilienz als Prozess des Umgangs von Teams und Organisationen mit Krisen verstehen. Aus einem ganzheitlichen Verständnis heraus solltennicht nur diese Kompetenzengefördert, sondern auch das Zusammenspiel personaler und organisationaler Ressourcenberücksichtigt werden. Erst dadurch wird „eine nachhaltige Erschließung von Resilienz als betriebliche Ressource ermöglicht“ (Janneck& Hoppe, 2018, S. 28).
Auf Teamebene wirken Teamklima mit Vision und partizipativer sowie psychologischer Sicherheit als Ressource. Das Erkennen der Diskrepanz zwischen Anforderungen und Ressourcen sowie die nötige flexible Anpassung sind prozessual für ein resilientes Verhalten im Team förderlich für Leistung und psychische Gesundheit der Mitarbeiter, des Teams(Soucek et al., 2016).
Heller (2019, S. 119) fasst drei Facetten der Team-Resilienz wie folgt zusammen:
- Erkennen und Weitergabe von Veränderungen der Anforderungen
- Konstruktiver Umgang mit Fehlern und Überprüfung der Zusammenarbeit
- Flexible Reaktion auf unerwartete Probleme durch Anpassung der Ressourcen
Um Ressourcen gut zu nutzen, sollte das Team mit Fehlern konstruktiv umgehen und diese als Gelegenheit verstehen, die Zusammenarbeit im Team zu überprüfen.
Die Wirkebene von Resilienz im Arbeitskontext auf individueller Stufe beinhaltet personale Ressourcen wie Achtsamkeit, Ungewissheitstoleranz, Veränderungsbereitschaft, Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung sowie Netzwerk-, Lösungs- und Zukunftsorientierung (Heller, 2019, S. 27). Felfe et al. (2014, S. 7)erklären, dass „in zukünftigen Arbeitswelten Führungskräfte benötigt werden, die die Potentiale und Ressourcen der Beschäftigten erkennen und weiterentwickeln, um sie zu befähigen, komplexe und flexible Umwelten eigenständig zu gestalten“. Soucek et al.(2016) betonen in diesem Zusammenhang, dass sich Beschäftigte unterscheiden, eine gezielte Förderung individueller Resilienz notwendig ist und diese Diversität eine wesentliche Ressource darstellt. Unterschiedliche Erfahrungen, Wissenselemente und Bewältigungsstrategien können durch die betriebliche Förderung des Austausches zwischen diesen Beschäftigtengruppen die individuelle und auch die organisationale Resilienz stärken. So stellt laut Soucek et al.(2016) ein erfolgreiches betriebliches Resilienz-Management das Wohlergehen der Beschäftigten und der Organisation sicher. Hierbei wird die tragende Rolle der Führungskraft als Bindeglied zwischen Organisation und Individuum deutlich.
Zum besseren Umgang mit erwarteten und unerwarteten Krisen aufgrund von Katastrophen entwickelte DARWIN(European Union, 2018) ein EU-finanziertes Studienprojekt,die „DarwinResilienceManagement Guidelines“ (DRMG). Der Projektname ist eine Referenz zu Charles Darwin, der schon im 19. Jahrhundert Anpassungsfähigkeit als höchste Überlebenspriorität der Menschheit nannte. Diese sollte Organisationen, ihren Managern und Mitarbeitern helfen, schneller, effektiver sowie adaptiver auf Krisen zu reagieren. Dabei wurden die in Tabelle 2.1. aufgeführten fünf Themenfelder mit 13 konkreten Handlungsempfehlungen identifiziert.
Tabelle 2.1. Darwin Resilience Management Guidelines, DRMG (in Anlehnung an Union & Programme, 2018, S. 5)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die Umsetzung der DRMG ist ein Zusammenspiel aller Ebenen eines Unternehmens notwendig. Soucek et al. (2016) zeigen, wie der Abbildung 2.1. zu entnehmen ist, die Wirkebenen der Resilienz im Zusammenspiel von Organisation, Team und Individuum.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1. Wirkebenen Resilienz im Arbeitsumfeld (in Anlehnung an Soucek et al., 2016, S. 2)
2.2 Zusammenhang von Führung und Resilienz
Das Ziel erfolgreicher Führung ist es, die Resilienz von Mitarbeitern so zu unterstützen, dass sieKrisen und Veränderungsprozesse erfolgreich meistern und sogar gestärkt aus diesen hervorgehen. Dabei nehmen Führungskräfte selbst eine Vorbildrolle ein.Mourlane und Hollmann(2016) konnten in ihrer Studie zum Zusammenhang von Führung, Gesundheit und Resilienz eine Korrelation zwischen Resilienz-Quotienten und Führungsverhalten nachweisen.
2.2.1 Theoretischer Hintergrund
Führungskräfte haben demnach einen starken Einfluss auf Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und damit Resilienz der Mitarbeiter. Mourlane und Hollmann (2016) zeigen mit ihren Studienergebnissen, dass dies vor allem für ein Führungsverhalten zutrifft, das auf die psychologischen Grundbedürfnisse eines Menschen nach
- Sinn und Stimmigkeit,
- Orientierung und Kontrolle,
- Lustgewinn und Unlustvermeidung,
- Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz sowie
- Bindung abzielt.
Die Autoren beziehen sich hierbei auf das Modell der Konsistenztheorie (Ghadiri, 2018). Deren Kern ist nach Grawe (2004) das Herbeiführen und Halten des psychischen Gleichgewichts durch die Befriedigung der genannten psychologischen Grundbedürfnisse. Diese sind laut Grawe (2004)bei allen Menschen vorhanden.Hoffmann (2019, S. 86)zufolge wurde „die biologische Relevanz der Grundbedürfnisse im Gehirn ausreichend bestätigt“. Reinhardt (2014) belegt in einer empirischen Untersuchung im Rahmen von Neuroleadership, dass Führung anhand der Konsistenztheorie signifikant zur Leistungs- und Gesundheitsförderung beitragen kann.
Der größte Zusammenhang besteht laut der Studie von Mourlane und Hollmann beim Faktor Kohärenz, dem Bedürfnis eines Menschen nach Sinn und Stimmigkeit. Dies gibt wiederum einen signifikanten Hinweis darauf, dass Führungskräfte vor allem durch ein authentisches, vorbildliches sowie sinnvermittelndes Führungsverhalten einen positiven Einfluss auf Zufriedenheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter nehmen können. Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, also „etwas zu können, was zur Herbeiführung und Aufrechterhaltung der eigenen Ziele wichtig ist“ (Grawe, 2004, S. 232),findet sich im Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung wieder, die sich positiv auf Leistung und Arbeitszufriedenheit auswirkt(Stajkovic & Luthans, 1998; Judge & Bono, 2001). Diese spielt eine wesentliche Rolle im Umgang mit Stressoren(Peng et al., 2015).Kontrolle über das eigene Handeln zu haben, bedient auch das Bedürfnis nach Sicherheit (Hoffmann, 2019). Gleichzeitig sollte ein Anreiz durch Herausforderung gegeben werden, die eigene Komfortzone zu verlassen, um Wachstum zu ermöglichen.
Hoffmann (2019)gehtdavon aus, dass Menschen einem inneren Antrieb folgen,um neben physiologischen auch individuelle psychologische Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Führung bedeutet dies ihm zufolge, dass eine optimale Anpassung der Arbeitstätigkeit an die Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter den Lustgewinn befriedigt und verstärkt. Zudem empfiehlt er, eine positive Atmosphäre zu gestalten, die durch „Freiräume, Ermutigungen, Ermöglichungen, Vertrauen, konstruktive Fehlerkultur und transparente Information“ (Hoffmann, 2019, S. 95) ermöglicht wird.Hoffmann betont weiter, dass regelmäßiges Feedback und Interesse am Mitarbeiter dem Selbstwerterhalt und der Selbstwerterhöhung dienen. Als Bindeglieder zwischen Organisation und Mitarbeitern leisten Führungskräfte hauptsächlich Beziehungsarbeit. Insofern ist die Beachtung des Bedürfnisses nach Bindung auch in der Führung von besonderer Bedeutung.
2.2.2 Resilienz und agile Führung
Diese genannten Erkenntnisse decken sich mit den Ausführungen von Lenz (2019), der von Führung in einer sich schnell verändernden Welt die Fähigkeit einer Organisation verlangt, ihre Ressourcen dynamisch auf neue Anforderungen ausrichten zu können. Er schlägt vor, Führungskräfte nach den Prinzipien des agilen Managements zu fordern und zu fördern. Agilität in Organisationen beruht laut Hasebrook et al. (2019)auf Achtsamkeit, Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit sowie vor allem auf Teamarbeit. Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Agilität und Resilienz des Unternehmens weistElgamal(2018)nach.
Badura (2017) postuliert der Führung durch Kultur und Selbstorganisation künftig mehr Bedeutung als Hierarchie und Fremdorganisation früherer Zeiten. Laut Leffers et al. (2015)sollenerfolgreiche FührungskräftezunehmendAustausch, Vernetzung, Zutrauen in die Schaffenskraft, Ideenreichtum und Erfahrung ihrer Mitarbeiter in die Führung integrieren. Negri (2019) unterstreicht die Entfernung von der Prozess- und Hinwendung zur Mitarbeiterorientierung. Für erfolgreiches Führen soll sich demnach Denken, Fühlen und Handeln von Führungskräften ändern.
Die genannten Veränderungsprozesse bringen große Unsicherheiten für Mitarbeiter und deren Führungskräfte, aber auch Chancen mit sich. Waren früher Perfektion und Langlebigkeit gefragt, ist es heute Mut zu Fehlern und Risikobereitschaft. Bisher war Fachkompetenz der ausschlaggebende Faktor, um sich als Führungskraft zu qualifizieren, heute ist zu großes Detailwissen unter Umständen hinderlich, um als Führungskraft gut delegieren zu können. In der Vergangenheit wurden eher homogene Teams aus Fachkräften geführt, heutzutage ist es meist ein heterogenes, das unter Umständen auf Distanz und virtuell zu leiten ist. Führungskräfte sollten Visionen entwickeln, Mitarbeiter binden und motivieren sowie Widerstände überwinden können(Hofert, 2016).
2.2.3 Mindsetim Kontext Führung
GemäßHeller (2019) beeinflusst die innere Haltung eines Menschen dessen Umgang mit solchen Herausforderungen und Veränderungen. Diese Einstellung ist essenziellbeim Wahrnehmen einer Krise entweder als Problem und Überforderungoder als Herausforderung, die es zu bewältigen gilt,um gestärkt daraus hervorzugehen. In Abgrenzung zu Kompetenzen, die erworben werden, und Verhalten, das in bestimmten Situationen gezeigt wird, bezeichnetinnere Haltung das Wertesystem eines Menschen. Diese wird auch Mindset genannt.Hofert(2019) überträgt darüber hinaus das individuelle Mindset des Mitarbeiters auf die Denk- und Handlungslogik von Unternehmen, von der das Denken ihrer Mitarbeiter und deren Interaktionen geprägt werden. Sie beschreibt Mindset mit der „veränderlichen Denklogik eines Menschen, die sein Handeln oder Nichthandeln auslöst und durch sein Umfeld mitbestimmt wird“(Hofert, 2019, S. 8). Um als Führungskraft die in Kapitel 2.2.1 dargestellten Bedürfnisse anhand der Konsistenztheorie und einer agilen Führung (Kapitel 2.2.2) bedienen zu können sowie den VUCA-Umständen angepasste Fähigkeiten zu mobilisieren, ist lautHofert(2019)ein Mindset nötig, das Wachstum, Anpassungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen ermöglicht.
Grundlage für eine veränderte Einstellung, Haltung oder Mindset ist Dweck(2017)zufolge eine sich immer wieder erneuernde Grundhaltung, die den veränderten Anforderungen gerecht wird. Dweck (2006) unterscheidet das „fixedmindset“ und das „growthmindset“. Ersteres ist eine innere Einstellung, die davon ausgeht, dass jeder ist, wie er ist, ausgestattet mit einer bestimmten Intelligenz, Persönlichkeit und Fähigkeiten, die sich nicht verändern lassen.Das „growthmindset“ geht hingegen von ständiger Entwicklung aus. Menschen mit diesem Mindset glauben daran, dass sie ihre Intelligenz, Persönlichkeit oder Fähigkeiten bewusst entwickeln können. Die Ergebnisse von Dwecks und Yeagers(2019) Untersuchungen lassen sich auf Führungskräfte übertragen. Nur wenn diese an die Entwicklung von sich und anderen glauben, werden sie diese fördern können.DwecksGrowth Mindset ist laut Hofert(2019)die Basis für ein agiles, dynamisches Mindset. „Ein Unternehmen, das sich wandelt, braucht Menschen, die Wandel begrüßen“ (Hofert, 2019, S. 36).
2.3 Design Thinking
Viele der zuvor genannten Kompetenzen und Prinzipienfinden sich in der innovativen Produkt- und Serviceverbesserung. Als agile Methode hat sich hier Design Thinking etabliert. Laut Darbellay et al. (2017, S. 11) steht es für Offenheit, Kollaboration und Innovation.Design Thinkingerlebt nach Leifer(Lewrick et al., 2018, S. 5) „ein Revival, da es ein wichtiges Werkzeug ist, um die digitale Transformation einzuleiten“ und hilft laut Lewrick et al. (2018) bei der „Transition zu einem neuen Management-Paradigma“.Brenner et al.(2016)unterteilen Design Thinking in die drei Komponenten Prozess, Toolbox und Mindset.
2.3.1 Design-Thinking-Prozess
Ausgangspunkt beim Design Thinking ist der Mensch. Multidisziplinäre Teams arbeiten schrittweise in einem iterativen Prozess an für den künftigen Nutzer bestmöglichen Lösungen (Schallmo, 2017). Um ein neues Produkt oder einen neuen Service zu erfinden, werden im Design Thinkingmehrereiterative Phasen durchlaufen. In der Literatur finden sich zwischen drei und sieben, die sich meist an den Schritten von IDEO, d.school und Hasso Plattner Institut (HPI) orientieren(Lewrick et al., 2018, S. 39). Die vorliegende Arbeit orientiert sich am ProzessnachHPI mit folgenden Phasen (wie in Tabelle 2.2. dargestellt):
1. Verstehen
2. Beobachten
3. Standpunkt definieren
4. Ideen finden
5. Prototyp entwickeln
6. Testen
In der ersten und zweiten Phase liegt der Fokus darauf, Empathie für den Nutzer des Produkts oder Services aufzubauen, und auf der Aufgabe, den Markt und Restriktionen zu durchdringen. Dazu gehört es, die Bedürfnisse des Nutzers, die Problemstellung und den Gesamtkontext zu verstehen und zu dokumentieren.In der dritten Phase werden die gewonnenen Erkenntnisse innerhalb einer möglichst heterogenen Gruppe aufbereitet, weitere Einsichten abgeleitet, Fragestellungen formuliert und konkretisiert. Ziel dabei ist es, die tatsächlichen und unter Umständen auch unbewussten Bedürfnisse zu definieren sowie eine gemeinsame Basis herzustellen. In der vierten Phase werden möglichst schnell vielfältige innovative und kreative Ideen zur Lösung des definierten Problems generiert, ohne diese zu bewerten. Ziel ist es, möglichst unterschiedliche Konzepte zu entwickeln, zu visualisieren und in jeder Iteration die Kreativität zu steigern.Im Anschluss werden die Ideen in der fünften Phase als Modell umgesetzt. Ziel dieser „Prototyping-Phase“ ist es, erste Ideen in der Realität zu testen und „greifbar“ zu machen,um diese im Anschluss am Nutzer zu testen. In dieser sechsten Phase wird gezielt Feedback eingeholt, um den Prototypen weiter anzupassen. Feedback wird als wertvolle Chance gesehen, einen tatsächlichenNutzen zu schaffen. Die so gewonnene Rückmeldung dient als Grundlage zur Reflexion, die sich dem Zyklus anschließt, bevor eine weitere Iteration vorgenommen wird.
2.3.2 Design-Thinking-Toolbox
Innerhalb der verschiedenen Phasen des Design-Thinking-Prozesses stehen verschiedene Methoden der Zielerreichung zur Verfügung. Diese Methodensammlungwird im Design-Thinking-Sprachgebrauch als „Toolbox“ bezeichnet. In der Literatur finden sich zahlreiche, die je nach Fragestellung und Ziel sinnvoll eingesetzt werden können. Im Rahmen dieser Arbeit wird im Folgenden eine Auswahl vorgestellt, um die Methodenvielfalt zu demonstrieren,und in Tabelle 2.2. im Anschluss zusammengefasst.
In der„Verstehen Phase“ ist es wesentlich, herauszufinden, welche Bedürfnisse der Nutzer hat. Die intensive Auseinandersetzung in dieser Phase ist nötig, um auch tiefer liegende Bedarfe zu ergründen. Das Motto lautet: „Laufe in den Schuhen eines potentiellen Nutzers“ (Lewrick et al., 2018, S. 28). Die gängigste Technik hierfürist es, eine Persona (Uebernickel et al., 2015, S. 125)zu erstellen. Bei deren Schaffung wird derNutzer als reale Person gedacht sowie durchgezielte Interviews und Beobachtungen überprüft, ob sie die wahren Bedürfnisse und Gewohnheiten abbildet.
Für die „Beobachten Phase“ eignen sich Techniken wie die Erstellung einer EmpathyMap(Uebernickel et al., 2015, S. 122)oder das Durchlaufen einer„User Journey“(Schallmo, 2017, S. 98). Hierbei werden Teile einer Reise erlebt, die ein Kunde oder Nutzer macht. Diese Beobachtungen und erste Erkenntnisse werden anhand von Moodboards(Uebernickel et al., 2015, S. 118), Mindmap und Stimmungsbildern illustriert und visualisiert, nicht zuletzt, um auch Emotionen für sich selbst und andere sichtbar zu machen und zu reflektieren.Auch die AEIOU-Methode hilft anhand gezielter Fragestellungen, Ereignisse im Umfeld zu begreifen (Lewrick et al., 2018, S. 29).
Nachdem in den vorangegangenen Phasen Empathie zum Nutzer aufgebaut und seine Bedürfnisse und Probleme durchdrungen wurden, geht es nun darum, einen Standpunkt (Point of View) zu definieren. Hierbei werden alle Erkenntnisse zusammengetragen und zu einem einzigen Satz verdichtet, der die Fragestellung für die Ideenfindung vorgibt (Lewrick et al., 2018, S. 87). Als methodische Hilfestellung dienen Vorlagen im Lückentextstil oder auch Venn-Diagramme und Mindmaps.
In der „Ideen-finden-Phase“ werdenKreativität gefördert, Ideen generiert, strukturiert, ausgewählt, verfeinert und dokumentiert. Häufig findet diese Phase in einem „Kreativraum“ statt, der mit vielfältigen haptischen Materialien ausgestattet ist und in dem sich jeder frei bewegen kann. Um die beschriebenen Aspekte in den kreativen Prozess zu integrieren, bietet Design Thinkingverschiedene Kreativmethoden an. Wichtige Prinzipien im ersten Abschnitt dieser Phase sind „kreativer Mut“, „Quantität vor Qualität“ und „keine Kritik an Ideen“ (Lewrick et al., 2018, S. 91). Gängige Techniken sind die „Kopfstandmethode“ (Lewrick et al., 2018, S. 93), bei der zunächst negative Aussagen ins Positive umformuliert werden, um Widerstände und Blockaden aufzulösen. Auch die „Crazy 8“-Brainstorming-Methode (Brainbirds, 2020) ist eine Möglichkeit, schnell Ideen zu generieren. Als weitere, umfangreiche Kreativtechnik wird SCAMPER (Lewrick et al., 2018, S. 96)eingesetzt. Essteht als Akronym für Substitute, Combine, Adapt, Modify, Put tootheruses, Eliminate, Rearrange und hilft anhand von Fragestellungen, Ideen zu adaptieren und zu kombinieren, um innovative, neue Lösungen zu finden.
Für die Bewertung der Ideen wird durch weitere Techniken wie„Clustering“ anhand verschiedener Kriterien (Lewrick et al., 2018, S. 98)darauf geachtet, nicht in Hierarchien zu denken und zu bewerten. Für den dritten Abschnitt, die Auswahl der Ideen, ist es wichtig, dass jede Stimme zählt. Der größtmögliche Mehrwert für den Nutzer steht dabei im Vordergrund. In einem „Ideensteckbrief“ kann die Idee als Vorbereitung für die nächste Phase dokumentiert und strukturiert werden.
Ziel des Prototyping ist es, „Funktionen und Lösungen in der Realität zu testen, verbunden mit dem Wunsch, von Nutzern zu lernen, um ein Angebot laufend zu verbessern“ (Lewrick et al., 2018, S. 108). Modelle sollen das Angebot für den Nutzer greifbar machen und lediglich Entwurfscharakter haben. Hier gilt das Motto: „Never fall in lovewithyour prototype!“ (Lewrick et al., 2018, S. 109). Häufig werden diese Entwürfe in 3D, als vereinfachteApps, Zeichnungen, Storyboards und -telling(Uebernickel et al., 2015, S. 162) oder ganze „Mock-Up-Räume“ (Lewrick et al., 2018, S. 111) dargestellt.
Die „Testen“-Phasestartet, sobald ein Prototyp so gut ist, dass er die wichtigsten Merkmale des künftigen Angebots für die Zielgruppe verdeutlichen kann, um anhand eines Feedback-Erfassungsrasters Learnings abzuleiten und diese in einer weiteren Iterationsschleife zu integrieren.
Tabelle 2.2. Zusammenfassung Ziele und Methodenauswahl der Design-Thinking-Phasen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.3 Design-Thinking-Kompetenzen und -Mindset
Zum Gelingen einer Innovation im Sinne der Design-Thinking-Methode sind laut Lewrick et al. (2018)und Schallmo (2017) mehrere Faktoren notwendig. Während des gesamten Prozesses gelten vier Maxime:
1. Was:Der Mensch ist der Ausgangspunkt. Welche Bedürfnisse sind verletzt und müssen bedient werden, welches Problem liegt wirklich vor?
2. Wer: Welche Beteiligten sind für die Problemlösung nützlich?Multidisziplinäre Teams kommen zum Einsatz.
3. Wie: Anpassungen sind immer möglich, Feedback ist essenziell und wird umgesetzt, es wird iterativ vorgegangen.
4. Wo: Die Arbeit findet in einem kreativen Umfeld statt.
Um diese Prinzipien in allen Phasen des Prozesses zu integrieren,sind bestimmte Kompetenzen (Schmiedgen & Köppen, 2015)und das passende Mindset nötig. Hofert(2019)beschreibt eine Persönlichkeit, die für eine erfolgreiche Umsetzung von Design-Thinking-Methoden nötig ist,mit den Fähigkeiten divergentes Denken, Menschen verbinden und ermächtigen sowie Umsetzungsstärke. LautLewrick et al. (2018)ist es für die Anwender zusätzlich zu den von Hofert aufgeführten Kompetenzen für den Erfolg essentiell, neugierig zu bleiben, Komplexität zu akzeptieren, experimentell zu iterieren, kontinuierlich Fähigkeiten zu erweitern, situativ verschiedene Ansätze zu kombinieren, Prozessbewusstsein zu entwickeln undHandlungen zu reflektieren.Freudenthaler-Mayrhofer et al. (2017, S. 80) schließlich unterteilen die Kompetenzdimensionen eines „Design Thinkers“ wie in Tabelle 2.3. gezeigt in soziale Intelligenz, persönliche Fähigkeiten, Fach- und Umsetzungskompetenzen. Diese Ansicht deckt sich mit der Nennung von Optimismus, Empathie, integrativem Denken, Kooperationsfähigkeit und Experimentierfreude als Eigenschaften eines Design Thinkers von Schallmo (2018, S. 32).
Tabelle 2.3. Kompetenzdimensionen zur erfolgreichen Umsetzung von Design Thinking (verändert aus Freudenthaler-Mayrhofer et al., 2017, S. 80, eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die AutorenLewrick et al. (2018)sprechenbei Design Thinking von „New Mindset“ und „New Paradigm“. Diese Auffassung wird durch Antworten von Teilnehmern einer Studie des Hasso-Plattner-Instituts (Schmiedgen & Köppen, 2015 S. 114-115)durch folgende exemplarische Aussagen gestützt:
It’s a combinationof different layers. Oneisthemindset, oneisthemethod and oneistheculture. Itworksbest, whenyouare fully into all thelevels. Design Thinkingmayevenleadto a mindset shift forthewholeorganization.
Einen Vergleich zur Notwendigkeit, nicht nur die Technik zu erlernen, sondern auch die dazu notwendige Haltung zu verändern, liefert ein Zitat eines Rennradfahrers (Lewrick et al., 2018, S. 190):
Design Thinking ist wie ein tolles Rennrad, es bringt uns effektiv dorthin, wo wir noch nicht waren. Aber: Nur die Tatsache, dass wir ein Rennrad haben, bedeutet noch lange nicht, dass wir in der Lage sind, einen Alpenpass zu überqueren. Dazu braucht es die entsprechende Fitness!
Ausgehend von den Prinzipien und benötigten Kompetenzen für den erfolgreichen Einsatz der Design-Thinking-Methode kann die Veränderung, die zum„Design-Thinking-Mindset“ notwendig ist, folgendermaßen beschrieben werden.In großen Organisationen haben sich lautLewrick et al. Spezialisten-Teams entwickelt, die durch Prozessverbesserung innerhalb der eigenen Abteilungen „ihre eigene Fitness verbessern“ (Lewrick et al., 2018, S. 190). Erschwerend kommt hinzu, dass laut Lewrick et al. (2018, S. 191) in diversifizierten Organisationsformen eigene Arbeitsformen und Subkulturen gepflegt werden,die stark voneinander abweichen. Aus Sicht der Autoren führt diese Organisationsstruktur zwar einerseits zuKontrollierbarkeit, birgt aber die Gefahr des Verlustes einer übergeordneten Sinnstiftung. Um das Wissen und alle zur Verfügung stehenden Ressourcen einer Organisation zu nutzen, sollten Maßnahmen getroffen werden, die Veränderungsprozesse anstoßen, eine gemeinschaftliche Zielsetzung im Auge behalten und den Blick auf eine gemeinsame Vision richten. Für Redlich et al. (2019, S. 6) gehört zum Design-Thinking-Mindset auch, sich vorurteilsfrei in Prozesse zu begeben, empathisch und mit Vertrauen Neues zu kreieren. Lewrick et al. betonen, dass das Mindset von Design Thinking im Bereich der Kundenzentrierung den entscheidenden Beitrag leistenkann. Auf Ebene der Unternehmensführung ist die KundenzentrierungTeil der Unternehmensstrategie genauso wie Führung auf Vertrauensbasis. Deshalbist es wesentlich, eine offene, kooperative Struktur und Kultur zu schaffen. Dies wird durch Vernetzung und gleichzeitige Autonomie aller Beteiligten gefördert(Lewrick et al., 2018, S. 191). Elsbach et al. (2018) zeigen, dass die Herangehensweise der Design-Thinking-Werkzeuge und -Kultur eine Basis für die Veränderung einer Organisationskultur schafft.
2.4 Führungskräfteentwicklung
Die Veränderung der Organisationskultur bedeutet für Unternehmen ein Umdenken in Bezug auf das Führen von Mitarbeitern. Laut Badura (2017, S. 13) „benötigt Arbeit 4.0 eine Führungskultur 4.0“. Zusätzlich zu neuen Kompetenzen werden Führungskräfte auch alte verlernen müssen, erklärt COE Bloomgarden(Bruce-Lockhart, 2020).
2.4.1 Ziele und Herausforderungen der Führungskräfteentwicklung
Die Führungskräfteentwicklung hat zur Aufgabe, die Lücke der vorhandenen und erforderlichen Kompetenzen zu schließen. Ob eine Entwicklungsmaßnahme den gewünschten Erfolg bringt, wird häufig auch heute noch anhand der Effekte von Trainings gemessen(Kirkpatrick & Kirkpatrick, S. 21; Beinicke et al., 2019, S. 154).
Die vier Ebenen der Wirksamkeit nach Kirkpatrick und Kirkpatrick (2006) sind:
1. Reaktion: Teilnehmerzufriedenheit
2. Lernen: Wissen, Fertigkeiten und Einstellung
3. Verhalten: Sichtbares, verändertes Verhalten
4. Ergebnisse: Positive Konsequenzen, z. B. Qualitätsverbesserung, Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, Erhöhung der Umsatzzahlen, Verringerung der Krankentage
Der tatsächliche Trainingserfolg zeigt sich im Transfer und der Integration neuer Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen in den Arbeitsalltag, um dadurch eine positive Auswirkung auf Mitarbeiterzufriedenheit sowie eine Steigerung von Mitarbeiterleistung und -gesundheit herbeizuführen. Künftige Personalentwicklung bedeutet laut Hofert(2019), die Art der Wahrnehmung, das Mindset, zu ändern. Hier zählt für sie nicht nur dazu, das Wissen zu schulen, sondern davon eine veränderte Handlung abzuleiten und einen Mindshift von Beständigkeit zu Veränderung hervorzurufen.
Gut erforscht ist der Effekt von Schulungsmaßnahmen auf der Wissensebene. Schwierig hingegen ist das Erreichen von transformationalen Veränderungen und damit eine Verbesserung der Ergebnisse(Abrell et al., 2011). Vermutungen legen nahe, dass komplexe Verhaltensmuster wie die transformationale Führung einige Zeit zur Umsetzung benötigen. Darbellay et al. (2017, S. 165) unterstützen diese These, indem sie für das Lehren von kreativitätsförderndem Lernen oder Methoden wie Design Thinking darauf hinweisen, dass die Ergebnisse unter Umständen nicht sofort in kreative Handlungen umgesetzt werden, aber die Chancen erhöht werden, dass der Lerner Kreativität in einem anderen Kontext anwenden wird.
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1 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
- Arbeit zitieren
- Margit Weinert (Autor:in), 2020, Design Thinking. Eine Methode zum Mindshift in der Führungskräfteentwicklung für eine resiliente Organisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/979670
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