Stellen Sie sich eine Schule vor, in der jeder Schüler, unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten, aktiv am Lernprozess teilnimmt und sein Potenzial voll entfaltet. Dieses Buch bietet einen praxisorientierten Leitfaden für Lehrkräfte, die Gruppenarbeit als wirkungsvolle Methode zur Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung einsetzen möchten. Es beleuchtet detailliert die notwendigen Lernvoraussetzungen, sowohl im Hinblick auf Methodenkompetenzen als auch auf allgemeine kognitive und motorische Fähigkeiten, und zeigt auf, wie diese in kleinen Schritten vermittelt werden können. Die Gestaltung des Lernraums wird ebenso thematisiert wie die bedeutsame Frage der Gruppenbildung, wobei sowohl heterogene als auch homogene Gruppenkonstellationen und ihre jeweiligen Vorteile für die individuelle Förderung betrachtet werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der klaren und verständlichen Vermittlung von Arbeitsaufträgen, idealerweise durch visuelle Hilfsmittel und schrittweise Anleitungen, um den Schülern ein hohes Maß an Selbstständigkeit zu ermöglichen. Die Lehrerrolle wird neu definiert als die eines unterstützenden Begleiters, der motiviert und bei Bedarf Hilfestellung leistet, ohne die Eigeninitiative der Schüler einzuschränken. Das Buch gibt wertvolle Anregungen zur Dokumentation und Präsentation der Arbeitsergebnisse, angepasst an die kognitiven Fähigkeiten der Schüler, von Fotos und Zeichnungen bis hin zu Collagen und Rollenspielen. Inspirierende Beispiele für geeignete Themen, die die Selbstständigkeit fördern und konstruktive Anwendungen ermöglichen, werden vorgestellt, darunter Gruppenunterricht in Hauswirtschaft, Sport und lebenspraktischen Fähigkeiten. Ein konkreter Stundenentwurf zum Thema Blumenpflanzen veranschaulicht die praktische Umsetzung und bietet vielfältige Variationsmöglichkeiten. Abschließend werden wichtige Literaturhinweise gegeben, die eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Dieser Band ist eine unverzichtbare Ressource für alle Pädagogen, die inklusive Bildung leben und ihren Schülern mit geistiger Behinderung durch Gruppenarbeit zu mehr Selbstvertrauen, sozialer Kompetenz und Lernerfolg verhelfen wollen. Entdecken Sie neue Wege, um jeden Schüler in den Lernprozess einzubeziehen und seine individuellen Stärken zu fördern – für eine inklusive und erfolgreiche Lernumgebung.
Gruppenarbeit bei Schülern mit einer geistigen Behinderung
1 Lernvorausetzungen
1.1 Methodenkompetenzen
- Spielregeln der Gesprächsführung
- Arbeitsprotokolle erstellen ( bei Geistigbehinderten eignen sich besonders Wandzeitungen, Collagen und Fotodokumentationen)
- Fragen für das anschließende Unterrichtsgespräch formulieren
- Sammeln von Informationen
Um Geistigbehinderten mit der Methode der Gruppenarbeit vertraut zu machen, sollte sie vorher (eventuell frontal) in kleinen Schritten geübt werden.
1.2 Allgemeine Lernvoraussetzungen
Sowohl kognitive als auch motorische Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die geistigbehinderten Schüler selbständig in der Gruppe arbeiten können.
2 Räumliche Voraussetzungen
In fast allen Schulen für Geistigbehinderte stehen in den Klassen gesonderte Gruppenarbeitsräume zur Verfügung. Das Problem der Umgestalltung der Klassenräume in arbeitsfreundliche Gruppenarbeitsplätze, das in den Regelschulen öfters auftaucht, regelt sich hier also von selbst. Die jeweiligen Gruppe sollten ihren festen Platz in der Klasse haben und ihn auch persönlich gestalten dürfen.
3 Gruppenbildung
- Die Größe und Zusammensetzung der Gruppen sollte von den Zielen und Inhalten des Unterrichtes abhängig gemacht werden
- Sind Schwerstbehinderte im Klassenverband so kann man sie bei einer heterogenen Gruppenbildung integrieren. Es bietet sich hier aber auch die Möglichkeit einer Einzelförderung des Schwerstbehinderten bei gleichzeitiger selbständiger Gruppenarbeit der anderen Mitschüler an
- Bildet man homogene Gruppen, so kann man die Aufgaben für die einzelnen Gruppen differenziert formulieren und so den einzelnen Schüler verstärkt fördern
4 Vermittlung der Arbeitsaufträge
Die Schüler brauchen hier eine genaue Anweisung. Dieses muß in kleinen Schritten geübt werden. Am Anfang muß der Lehrer verstärkt überwachen, aber er darf nicht von alleine eingreifen. Eventuell kann er auch ohne Aufforderung in die Gruppen gehen. Das Auftreten muß jedoch abnehmen, damit die Schüler die erforderliche Eigenständigkeit lernen. Die Arbeitsaufträge können durch Bildanweisungen vermittelten werden, teilweise sind Stichwörter für die lesenden Schüler hilfreich.
5 Durchführung/Lehrerrolle
Bei der Durchführung ist eine spezielle Hilfe notwendig, die sich nach dem sonderpädagogischen Förderbedarf der Schuler richtet, beispielsweise kann hier eine Rutschfolie für motorisch unruhige Schüler sehr hilfreich sein. Der Lehrer sollte sich bei der Gruppenarbeit zurückhalten und nur auf direkte Anfrage eingreifen. Er muß jedoch verstärkt überwachen, wobei sich die Schüler nicht kontrolliert fühlen dürfen. Desweiteren muß er die Gruppen motivieren und ihnen nicht das Gefühl geben, daß sie alleine gelassen werden.
6 Dokumentation/Präsentation
Die Dokumentation und Präsentation muß den kognitiven Fähigkeiten der Schüler gerecht werden. Hier zu eigenen sich je nach Leistungsstärke und Gruppenarbeit:
- Fotos
- Aufmalen der einzelnen Arbeitsschritte
- Ausstellungen für alle Schüler
- Erzählen und Zeigen der Ergebnisse
- Collagen
- Rollenspiele und Standbilder
7 Themenauswahl
Für die Gruppenarbeit geeignet sind Themen, welche die Selbständigkeit der Schüler nahelegen bzw. erzwingen (z.B. Experimente, Rollenspiele), sowie konstruktive Anwendungsgebiete. Typisch ist an Schulen für Geistigbehinderte der Gruppenunterricht im Fach Hauswirtschaft (Pudding kochen), ebenso eignet sich der Sportunterricht oder das Üben lebenspraktischer Fähigkeiten.
8 Stundenentwurf
Thema: Blumenpflanzen
Richtlinienbezug: 3.5.2 ,,Mit Pflanzen sachgerecht umgehen" Förderung Schwerstbehinderter:
1. Fahigkeit, über die Hand Tasteindrücke wahrzunehmen
2. Fähigkeit, zur unmittelbaren Umgebung, dem Nahraum, Beziehungen aufzunehmen
5. Fähigkeit, verschiedene Materialien anzunehmen und sich mit diesen zu beschäftigen
Gruppenbildung:
3-4 Schüler pro Gruppe, heterogene Zusammensetzung (möglichst ein Schüler welcher Lesen kann pro Gruppe)
Voraussetzungen:
- möglichst Gruppenarbeitserfahren
- einige sollten lesen und schreiben können
- eventuell einige, die mit einem Fotoapparat umgehen können
- Fähigkeit, möglichst sauber und genau zu kleben und zu basteln
Durchführung:
Wenn die Möglichkeit gegeben ist, sollte jede Gruppe ein eigenes Beet bepflanzen können, ansonsten reicht eine größere Holzkiste aus. Die Schüler sollen das Beet vorbereiten, die Samen aussäen, bei Bedarf bewässern und das Wachstum bis zur Blüte beobachten. Die Schwerstbehinderten können als taktile Erfahrung die Erde befühlen, eventuell im Unterschied trocken-feucht.
Dokumentation:
Welche Art der Dokumentation gewählt wird, sollte den Schülern überlassen bleiben. Gut wäre es jedoch, Vorschläge zu machen, wie Fotos, Zeichnungen, Kurzbe-schreibungen, etc.
Variationen:
- verschiedenes Saatgut (Zwiebeln, Samen, Ableger)
- Gemüse pflanzen (im Hauswirtschaftsunterricht weiterverwenden)
- Saatgut selber besorgen
- Schilder basteln
9 Literatur
- Meyer, Hilbert, UnterrichtsMethoden Band II, 1987, Frankfurt/Main
- Richtlinien Schule für Geistigbehinderte
Häufig gestellte Fragen
Was sind die Lernvoraussetzungen für Gruppenarbeit bei Schülern mit einer geistigen Behinderung?
Die Lernvoraussetzungen umfassen Methodenkompetenzen wie Gesprächsführung, Erstellung von Arbeitsprotokollen (z.B. Wandzeitungen, Collagen, Fotodokumentationen), Formulierung von Fragen und Informationssammlung. Es sind auch allgemeine kognitive und motorische Voraussetzungen notwendig, damit die Schüler selbstständig in der Gruppe arbeiten können.
Welche räumlichen Voraussetzungen sind für Gruppenarbeit notwendig?
Idealerweise stehen in den Klassenräumen separate Gruppenarbeitsräume zur Verfügung. Die Gruppen sollten einen festen Platz im Klassenzimmer haben, den sie persönlich gestalten können.
Wie sollte die Gruppenbildung erfolgen?
Die Größe und Zusammensetzung der Gruppen sollte von den Zielen und Inhalten des Unterrichts abhängen. Bei heterogener Gruppenbildung können Schwerstbehinderte integriert werden. Alternativ ist eine Einzelförderung des Schwerstbehinderten bei gleichzeitiger Gruppenarbeit der anderen Schüler möglich. Homogene Gruppen ermöglichen eine differenzierte Aufgabenstellung zur individuellen Förderung.
Wie werden Arbeitsaufträge an die Schüler vermittelt?
Die Schüler benötigen genaue Anweisungen, die in kleinen Schritten geübt werden müssen. Der Lehrer muss am Anfang verstärkt überwachen, sollte aber nicht von alleine eingreifen. Die Arbeitsaufträge können durch Bildanweisungen oder Stichwörter vermittelt werden.
Welche Rolle spielt der Lehrer während der Durchführung der Gruppenarbeit?
Der Lehrer sollte sich zurückhalten und nur auf direkte Anfrage eingreifen. Er muss die Gruppen überwachen, ohne dass sich die Schüler kontrolliert fühlen. Zudem muss er die Gruppen motivieren und ihnen das Gefühl geben, nicht alleine gelassen zu werden.
Wie erfolgt die Dokumentation und Präsentation der Gruppenergebnisse?
Die Dokumentation und Präsentation muss den kognitiven Fähigkeiten der Schüler entsprechen. Geeignete Methoden sind Fotos, Aufmalen der Arbeitsschritte, Ausstellungen, Erzählen und Zeigen der Ergebnisse, Collagen, Rollenspiele und Standbilder.
Welche Themen eignen sich für Gruppenarbeit mit geistigbehinderten Schülern?
Geeignet sind Themen, welche die Selbständigkeit der Schüler nahelegen (z.B. Experimente, Rollenspiele) sowie konstruktive Anwendungsgebiete. Typische Beispiele sind der Gruppenunterricht im Fach Hauswirtschaft (Pudding kochen), Sportunterricht oder das Üben lebenspraktischer Fähigkeiten.
Was ist ein Beispiel für einen Stundenentwurf zur Gruppenarbeit?
Ein Beispiel ist das Thema "Blumenpflanzen", bei dem die Schüler in Gruppen von 3-4 Schülern (heterogene Zusammensetzung) ein Beet vorbereiten, Samen aussäen, bewässern und das Wachstum beobachten. Schwerstbehinderte können die Erde als taktile Erfahrung befühlen. Die Dokumentation kann in Form von Fotos, Zeichnungen oder Kurzbeschreibungen erfolgen.
Welche Literatur wird zur Gruppenarbeit bei Schülern mit einer geistigen Behinderung empfohlen?
Empfohlene Literatur ist unter anderem: Meyer, Hilbert, UnterrichtsMethoden Band II, 1987, Frankfurt/Main; Richtlinien Schule für Geistigbehinderte; Richtlinien zur Förderung Schwerstbehinderter.
- Arbeit zitieren
- Kerstin Holtz (Autor:in), 1996, Gruppenarbeit bei geistig Behinderten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97822