Inhaltsverzeichnis
1. Reflexion der grundlegenden Fragen des Religionsunterrichts
1.1 Begründung des kirchlichen RU in der staatlichen Schule
1.2 Aufgaben und Ziele des RU
1.3 Aufbau und Konzeption des Unterrichts
2. Analyse der Lehr- und Lernbedingungen
2.1 Äußere Bedingungen
2.2 Entwicklungspsychologische Voraussetzungen
2.2.1 Eriksons acht Lebensalter
2.2.2 Kohlbergs Entwicklungsmodell des moralischen Urteils
2.2.3 Fowlers Stufen des Glaubens
2.2.4 Zusammenfassung des Ertrags für den vorliegenden Unterrichtsentwurf
3. Fachwissenschaftliche Analyse
3.1 Bedeutung des Begriffes Freizeit
3.2 Verhältnisbestimmung von Arbeit und Freizeit
4. Fachdidaktische Analyse
4.1 Didaktischer Zusammenhang
4.2 Elementarisierende didaktische Analyse
4.2.1 Elementare Strukturen
4.2.2 Elementare Erfahrungen
4.2.3 Elementare Zugänge
4.2.4 Elementare Wahrheiten
5. Formulierung der Lernziele
6. Begründung und Diskussion des Lernwegs
6.1 Begrüßung
6.2 Einstieg ins Thema / Motivation
6.3 Erarbeitungsphase
6.4 Anwendung / Transfer 1
6.5 Anwendung / Transfer 2
6.6 Auswertung
7. Synoptischer Verlaufsplan des Unterrichts
Literaturverzeichnis i
Anhang mit den verwendeten Materialien
1. Reflexion der grundlegenden Fragen des Religionsunterrichts
1.1 Begründung des kirchlichen RU in der staatlichen Schule
In einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung und geringen Kirchenmitgliedschaft besonders in Ostdeutschland1 ist die Frage, warum die Kirche den schulischen RU erteilt, durchaus berechtigt. Ist es überhaupt noch sinnvoll RU zu erteilen? Warum kann das nicht der Staat machen? Und warum wird der RU konfessionell getrennt erteilt, wo doch viele Schüler nicht einmal mehr wissen, ob sie evangelisch oder katholisch sind.
Es ist dringend geboten, dass nicht nur die Religionspädagogik sich immer wieder neu auf diese Fragen einlässt und Begründungen für den RU sucht. Auch jeder unterrichtende und angehende Religionslehrer sollte für sich persönlich diese Fragen gewissenhaft beantworten, um Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegen zu können. Außerdem ergeben sich aus den Begründungen des RU automatisch Ziele für den Unterricht.
Im sehr begrenzten Umfang dieser Arbeit kann auf die verschiedenen Begründungsstränge in ihrer Bandbreite nicht näher eingegangen werden. Es sei hierzu auf die Zusammenstellung im Religionspädagogischen Kompendium 2 und auf die Denkschrift der EKD Identität und Verständigung 3 hingewiesen. Stattdessen wird exemplarisch ein Begründungsstrang entfaltet, aus dem sich direkt Ziele für den vorliegenden Unterrichtsentwurf ergeben. Relevant für das hier zu bearbeitende Thema sind vor allem die gesellschaftlichen Begrün- dungszusammenhänge4. Nach dem modernen Schulverständnis ist es Aufgabe der Schule, ,,Ausstattung zur Orientierung und Hilfe in der gegenwärtigen Welt"5 zu vermitteln. Die Schüler sollen befähigt werden, sich selbst, ihre eigene Lebenswelt und das Verhältnis zur Gesellschaft zu reflektieren. Es sollen Werte und Maßstäbe vermittelt werden, die bei der Orientierung in der Welt und der eigenen Identitätsfindung helfen. Die EKD Denkschrift fasst diese Aufgabe unter dem Begriff der ,,neuen allgemeinen Bildung" zusammen und stellt fest, dass jedes Schulfach einen Beitrag dazu leisten soll.6
Der schulische RU hat einen wesentlichen Anteil an dieser Aufgabe, ohne ihn würden bei der Vermittlung einer neuen allgemeinen Bildung wesentliche Aspekte verloren gehen. So sind viele Werte unserer gegenwärtigen Gesellschaft nur von ihrer Entstehung aus der christlichen Tradition her begründbar, z. B. der Sonntag als Ruhetag.7 Des weiteren kann die biblische Überlieferung wertvolle Impulse für eine sinnvolle Lebensgestaltung geben, indem sie in Geschichten und Gleichnissen aufzeigt, wie erfülltes Leben gelingen kann. Andererseits werden auch gängige Normen und Lebenseinstellungen kritisch hinterfragt, man denke nur an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, wo der Lohngerechtigkeit die Bedürfnis- gerechtigkeit gegenübergestellt wird. Insofern regt der RU an, sich mit verschiedenen Sinn-
und Wertangeboten auseinander zu setzen. Letztlich hilft der RU bei der persönlichen Identitätsfindung und -vergewisserung, indem er epochale Schlüsselprobleme der Schüler behandelt und Hilfestellung bei einer religiösen Orientierung leistet.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die hier dargebotene Argumentation für eine Begründung des schulischen RU noch nicht ausreicht, aber ein wichtiger Aspekt derselben ist.
1.2 Aufgaben und Ziele des RU
In engem Zusammenhang mit den verschiedenen Begründungen des RU stehen die Aufgaben und Ziele des Unterrichts. So ist die Vermittlung der oben beschriebenen neuen allgemeinen Bildung eine sinnvolle Aufgabe des RU, die sich direkt aus den gesellschaftlichen Begründungszusammenhängen ergibt. ,,Der Sinn des Religionsunterrichts ergibt sich aus zwei Perspektiven: aus der Sicht der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Beitrag zu ihrer persönlichen religiösen Orientierung und individuellen menschlichen Bildung wie auch aus dem Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule insgesamt."8 Auch im Bildungsplan für die Realschule wird die Begleitung der Schülerinnen und Schüler ,,bei ihrer Suche nach Orientierung und Lebenssinn" als Aufgabe des RU betont.9
Die weiteren Begründungsstränge des RU führen ebenfalls auf andere Aufgaben und Ziele, die für den vorliegenden Entwurf jedoch keine wesentliche Rolle spielen.
1.3 Aufbau und Konzeption des Unterrichts
Die Kenntnis und Auseinandersetzung mit der biblischen Überlieferung und christlichen Tradition ist für das Erreichen dieser Zielsetzung ebenso wichtig, wie das Aufgreifen von Themen und Problemen aus der Lebenswelt der Schüler. Auf jeden Fall sollte der oder die Lehrende offen für Schülerthemen sein, auch wenn sie nicht direkt mit dem zu behandelnden Stoff in Verbindung stehen. Die Entwicklung einer gepflegten Gesprächskultur, die Schaffung einer offenen, ehrlichen Atmosphäre und das persönliche Engagement des Lehrers oder der Lehrerin helfen bei der Vermittlung einer neuen allgemeinen Bildung. Der vorliegenden Unterrichtsentwurf folgt dem Konzept der Elementarisierung. Dieses Mo- dell hilft bei der mehrperspektivischen Erschließung des Unterrichts und geht an wichtigen Stellen über die didaktische Analyse Wolfgang Klafkis hinaus.10 Gewichtige Unterschiede zu Klafki sind das Festhalten am Konkreten anstelle einer Übertragung auf ein Allgemeines11 , die Frage nach der Erfahrung auch auf der Gegenstandsseite12 und die Frage nach der elemen- taren Wahrheit für die Schülerinnen und Schüler. Die Fragen nach elementaren Strukturen, Erfahrungen, Zugängen und Wahrheiten helfen bei der Suche nach angemessenen Lernwegen.
2. Analyse der Lehr- und Lernbedingungen
2.1 Äußere Bedingungen
Die dem Unterrichtsentwurf zugrundeliegende Stunde wird kurz vor Weihnachten in einer 9. Klasse Realschule gehalten. Die Schülerinnen und Schüler sind also ca. 14-15 Jahre alt und schließen ihre Schulbildung in 1½ Jahren mit der mittleren Reife ab. Es ist damit zu rechnen, dass Zusammenhänge und Besonderheiten der Berufswelt, wie z. B. das hier behandelte Thema ,,Arbeit und Ruhe", von zunehmendem Interesse für die Schüler sind, da der Schulab- schluss zumindest für einen Teil der Klasse den Eintritt ins Berufsleben bedeuten wird. Bei der Klasse handelt es sich nicht um eine homogene Gruppe, sondern um die evangeli- schen Schüler zweier Parallelklassen. Insgesamt sind es 10 Schülerinnen und 7 Schüler, also eine relativ ausgeglichene Gruppe. Innerhalb der Schülerschaft spielt der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen eine wesentlich geringere Rolle, als der Unterschied zwischen den beiden Parallelklassen. So sitzen Mädchen und Jungen durchaus gemischt in den Bänken, die beiden Klassen sind jedoch streng getrennt. Die Stimmung in beiden Gruppen ist sehr unterschiedlich: während die Schülerinnen und Schüler der einen Parallelklasse engagiert und gerne mitarbeiten, herrscht in der anderen Gruppe eher eine Anti-Haltung vor. Vor allem die Jungen fielen im Vorfeld mehrfach wegen Walkman hören und Stören auf. Sie beteiligen sich selten am Unterrichtsgeschehen. Erschwerend kommt hinzu, dass vier Mädchen, die aus Russland zugezogen sind, nur schlecht deutsch sprechen und mangelhaft schreiben können. Für den Unterricht bedeutet das eine Gratwanderung: die Schüler die gerne mitarbeiten und sich häufig melden, sollten nicht ausgebremst werden, damit der Unterrichtsverlauf im Fluss bleibt und nicht langweilig wird. Trotzdem sollten die anderen Schüler immer wieder motiviert und gefordert werden, beispielsweise durch Blickkontakt, Fragen oder explizite Miteinbeziehung ins Unterrichtsgeschehen.
Obwohl ein Teil der Klasse bereits konfirmiert ist, haben die Schülerinnen und Schüler kaum religiöse Vorkenntnisse (z. B. Kenntnis biblischer Geschichten). Zumindest der engagierte Teil der Klasse steht der Kirche und dem RU aber interessiert gegenüber, besonders den problemorientierten Unterrichtsinhalten.
Der Unterricht findet an einem Donnerstag in der dritten Unterrichtsstunde statt. Dieser Zeitpunkt ist für den RU gut geeignet, da die Schüler bereits wach, aber noch nicht ausgelaugt sind. Deshalb können sich die Schüler noch gut konzentrieren, wenn sie entsprechend gefordert werden. Störend wirkt sich die Enge und die kühle Atmosphäre des Klassenraums aus. Auch die Lichtverhältnisse sind sehr schlecht, da die Sonne einen Teil der Klasse so blendet, dass sie einen Tafelanschrieb oder das Bild eines Overheadprojektors nur schwer entziffern können. Die Jalousien sind funktionsuntüchtig, so dass dieser Missstand auch nicht behoben werden kann. Im Unterricht ist es deshalb wichtig die Tafel etwas anzuwinkeln und alles Angeschriebene nochmals laut zu wiederholen.
Obwohl die eine Parallelklasse für den RU das Klassenzimmer wechseln muss, ist nicht mit kollektiven Verspätungen zu rechnen, da das Klassenzimmer der Parallelklasse direkt daneben liegt. Meistens warten die Schülerinnen und Schüler auf dem Gang und betreten das Klassenzimmer gemeinsam mit dem Lehrer.
2.2 Entwicklungspsychologische Voraussetzungen
Bevor die einschlägigen entwicklungspsychologischen Modelle von Erikson, Kohlberg und Fowler auf ihre Relevanz für diesen Unterrichtsentwurf untersucht werden, sind einige grundsätzliche Bemerkungen zu Stufenmodellen angebracht.
Stufenmodelle sind keineswegs dazu gedacht, die ganze Klasse schematisch einer Stufe zuzu- ordnen und in eine Schublade zu stecken. Vielmehr dienen sie einer besseren Orientierung an den Schülerinteressen. Die oben erwähnten Modelle haben wesentlich dazu beigetragen zu verstehen, was die Schüler gerade beschäftigt, wie sie denken, wie sie Urteile fällen und über welche Kenntnisse sie verfügen. Je besser dem Lehrenden die Situation der Schüler bekannt ist, desto gezielter kann er sie ansprechen und fordern, ohne sie zu überfordern. Er kann besser voraussehen, wie die Schüler auf bestimmte Anforderungen wohl reagieren werden. Des weiteren gilt es zu beachten, dass in einer Schulklasse selten alle Schüler auf derselben Entwicklungsstufe stehen, sondern dass durchaus mehrere Stufen vertreten sein können. Selbst innerhalb einer Stufe können die Schüler unterschiedlich entwickelt sein. Neben der unterschiedlichen Entwicklung von Mädchen und Jungen, ist in dieser besonderen Gruppe auch die unterschiedliche Entwicklung der beiden Parallelklassen zu beachten.13
In den folgenden Unterabschnitten soll kurz der Ertrag der Modelle Eriksons, Kohlbergs und Fowlers für die zu behandelnde Unterrichtsstunde zusammengefasst werden, ohne auf die Besonderheiten des jeweiligen Entwicklungsmodells näher einzugehen.
2.2.1 Eriksons acht Lebensalter
Es ist davon auszugehen, dass die Schülerinnen und Schüler Eriksons vierte Krise, die meist in der Kindheit relevant ist, bereits gemeistert haben und nun mitten in der fünften Krise ,,Identität gegen Rollenkonfusion" stecken.14 Für Erikson ist diese Entwicklungsstufe, zusam- men mit der ersten Stufe, besonders wichtig für die religiöse Entwicklung von Jugendlichen.15 Indem die Jugendlichen in dieser Krise alle früheren Identifizierungen und Rollen in Frage stellen, suchen sie nun nach Identität und Sinn. Für Erikson ist Religion eine Möglichkeit für eine sinnstiftende ,,Ideologie"16 , es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten. Der RU ist m. E. eine gute Gelegenheit, die Schülerinnen und Schüler mit dieser Möglichkeit von Sinnstiftung bekannt zu machen und sie bei der Bewältigung ihrer Identitätskrise zu unterstützen.
Im vorliegenden Unterrichtsentwurf sollen die Schüler angeleitet werden, über ihren Umgang mit Zeit nachzudenken. Dieser Vorgang fördert die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die bei der Suche nach der eigenen Identität sehr nützlich ist. Dabei kann von den Jugendlichen wohl nicht erwartet werden, dass sie sich selbst aus der Außenperspektive betrachten. ,,Eine Distanz zu sich selbst, die Erikson als Selbsttranszendenz bezeichnet"17 , wird gewöhnlich erst im hohen Alter erreicht.
2.2.2 Kohlbergs Entwicklungsmodell des moralischen Urteils
Grundlage von Kohlbergs Untersuchungen sind Piagets Erkenntnisse über den kognitiven Fortschritt. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine Weiterentwicklung des moralischen Urteils, ist das Erreichen eines bestimmten kognitiven Niveaus. Bei Jugendlichen der 9. Klasse kann wohl bereits die oberste Stufe Piagets, das formal-operationale Denken, vorausgesetzt werden.18 Für die zu behandelnde Unterrichtsstunde ist dies wichtig, weil ,,formale Operationen [..] die Fähigkeit mit sich [bringen], eine persönliche Vergangenheit zu konstruieren und eine persönliche Zukunft zu antizipieren."19 Durch diese Fähigkeit sind die Jugendlichen besser als früher in der Lage, ihre eigene Persönlichkeit zu reflektieren und zu entfalten. Sie denken nicht mehr konkret situativ, sondern vielschichtig. Somit können sie mehrere Perspektiven in ihr Urteil miteinbeziehen.
Kohlberg überträgt nun diese Erkenntnisse auf das moralische Urteil und die Rollenübernah- me. Während das moralische Urteil für den Unterrichtsentwurf nur von sekundärer Bedeutung ist20 , spielt die Fähigkeit der Perspektiven- und Rollenübernahme eine wichtige Rolle. Da die Schüler altersgemäß eher im Stadium 3 als im Stadium 4 Kohlbergs anzusiedeln sind, wird diese Perspektivenübernahme auf der Beziehungsebene stattfinden, nicht auf Systemebene.21 Bei der Selbstreflexion erhalten Jugendliche im Stadium 3 schon ein recht vielschichtiges Bild ihrer eigenen Person, da sie miteinbeziehen können, wie sie selbst wohl von anderen gesehen werden. Allerdings besteht in dieser Vielschichtigkeit auch eine Gefahr und Unsicherheit, weil die Schüler sich wie oben beschrieben mitten in einer Identitätskrise befinden können, sich also über ihre eigene Identität und über die zum Teil unterschiedlichen Bilder, die andere von ihnen haben, höchst unsicher sind.
Gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge spielen bei der wechselseitigen Perspektivenüber- nahme noch keine Rolle, sind in dieser Unterrichtsstunde jedoch auch nicht gefordert.22
2.2.3 Fowlers Stufen des Glaubens
Aufbauend auf Piaget und Kohlberg beleuchtet Fowlers Entwicklungsmodell die Reflexions- fähigkeit des Glaubens.23 Eine Statistik24 und der Zusammenhang mit den Stufen Kohlbergs und Piagets lassen darauf schließen, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler Entwicklungsmerkmale der Stufe 3 (synthetisch-konventioneller Glaube) aufweisen. In dieser Phase, in der außer der Familie noch andere Bereiche wie z. B. Schule, Freunde, Medien und Religion ins Blickfeld der Jugendlichen rücken, wird ,,mit dem Auftreten der wechselseitigen interpersonalen Perspektivenübernahme [..] Gott einer Neukomposition unterworfen."25 Diese Neukomposition ist jedoch kein eigenes kritisches Urteil der Schülerinnen und Schüler, sondern auf die Erwartungen und Urteile bedeutender anderer Personen oder Gruppen abgestimmt. Individuierend-reflektierter Glaube ist erst auf Stufe 4 zu erwarten, die ,,kaum vor dem späten Jugendalter zu finden"26 ist.
Im Unterricht ist also damit zu rechnen, dass die Schüler bezüglich ihrer Zeiteinteilung, der Bedeutung des Sonntags in ihrem Leben und auch ihres Glaubens bereits eine Meinung haben, die jedoch stark von ihrem sozialen Umfeld abhängt und noch nicht kritisch hinterfragt wird. Gerade die Stellung zur Sonntagsruhe wird sehr von der familiären Praxis abhängen. Es ist eine lohnende Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler zur kritischen Reflexion dieser Werte und Normen anzuregen und aufzuzeigen, wie relativ sie sind. Der Gewinn ist zweifach: zum einen bekommen die Schüler Impulse zur Reflexion ihrer Zeiteinteilung, zum anderen ist es gerade dieses Vorgehen, das zum Übergang zur Stufe 4 beiträgt.27
2.2.4 Zusammenfassung des Ertrags für den vorliegenden Unterrichtsentwurf
Die entwicklungspsychologischen Erkenntnisse lassen vermuten, dass die Schülerinnen und Schüler in einer tiefgreifenden Umbruchsituation sind. Durch die neue Denkweise in formalen Operationen erschließt sich ihnen ein umfassenderes Wirklichkeitsverständnis als zuvor. In dieser Wirklichkeit müssen sie sich orientieren und die eigene Identität einordnen. Verstärkt wird die Gefahr der Orientierungslosigkeit dadurch, dass sich unsere Gesellschaft, bedingt durch technischen Fortschritt im Informationszeitalter, immer schneller wandelt. Die Anforderungen, sich zu orientieren und die Flut von Informationen und Angeboten zu selektieren, steigen ständig.
Bei der Suche nach Orientierung spielen für die Jugendlichen Bezugspersonen und Vorbilder eine wesentlich wichtigere Rolle, als eigenes kritisch-reflektiertes Denken. So kann der Lehrer eine solche Vorbildfunktion ausüben und gleichzeitig immer wieder zu eigenem Denken anregen. Gerade das Nachdenken über den Umgang mit Zeit, der Hinweis auf die gleichzeitige Notwendigkeit von Arbeit und Freizeit, kann den Schülern Hilfe zur Orientie- rung bieten. Weil die Jugendlichen sich intensiv darum bemühen, ihr Leben zu gestalten und ihre Persönlichkeit zu entwickeln, lassen sie sich von der Anleitung zur Selbstreflexion ansprechen und werden sich interessiert beteiligen. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass einzelne Schüler mit dem offenen Umgang ihrer Privatsphäre Schwierigkeiten haben und dieser Art von Unterricht und der Einmischung des Lehrers ablehnend begegnen.
3. Fachwissenschaftliche Analyse
Während es in den vorangegangenen Unterrichtsstunden um die Notwendigkeit von Arbeit gegangen ist, was insbesondere am Thema Arbeitslosigkeit erarbeitet wurde, sollen diese und die beiden folgenden Stunden auf die Notwendigkeit von Freizeit und Ruhe hinweisen. Dazu ist zunächst eine Begriffsklärung von Freizeit notwendig, um dann in einem zweiten Schritt das Verhältnis von Arbeit und Freizeit zu bestimmen und dabei besonderes Gewicht auf biblische Aussagen zu legen.
3.1 Bedeutung des Begriffes Freizeit
In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wird der Begriff Freizeit meist negativ in Abgrenzung zur Arbeit definiert. ,,Freizeit bestimmt sich in einer Gesellschaft, deren zentrale Kategorie noch immer die Arbeit ist, negativ: sie gilt als eine Art Rest; [..] ihre Freiheit ist zunächst eine Freiheit von Arbeit und sonst nichts."28 Mathematisch ausgedrückt ergibt sich demnach die Freizeit aus der Gesamtzeit minus Arbeitszeit, Schlaf, etc.. Diese Sichtweise spiegelt wieder, wie wichtig die Arbeit in unserer Gesellschaft angesehen ist. Arbeit wird sogar zur lebensbestimmenden Größe erhoben, indem alle anderen Bereiche an ihr gemessen werden. So kann Arbeit überbewertet und letztlich zur Religion erhoben werden, was vor allem früher geschah, seit der Industrialisierung und der Entfremdung von der Arbeit aber immer seltener wird.29
Heute überwiegt eher eine gegenteilige Sichtweise: Arbeit ist zwar eine wichtige Voraus- setzung des Lebens, aber nicht Teil desselben. Die Arbeit sichert nur den Lebensunterhalt und einen gewissen Lebensstandard, während sich das ,,eigentliche" Leben allein in der Freizeit abspielt. Freizeit ist ,,Sinn-Zeit". Ursache hierfür ist häufig die Mechanisierung der Arbeit und der Entzug von Verantwortung am Arbeitsplatz. So kommt es, dass Freizeit für die als negativ empfundene Arbeit Entschädigung schaffen muss. Freizeit bekommt Kompensationscharakter und wird im Extremfall zur Religion erhoben.30
Auch wenn Jugendliche, gerade angesichts wachsender Arbeitslosigkeit, die Arbeit für notwendig und erstrebenswert halten, so stehen sie im Allgemeinen wohl doch der zweiten Sichtweise näher. Das lässt zumindest die öffentliche Diskussion über unsere Konsum- und Erlebnisgesellschaft vermuten.
Bevor jedoch das ideale Verhältnis von Arbeit und Freizeit näher erörtert wird, sollen ver- schiedene Funktionen von Freizeit dargestellt werden. Der bisher leere Begriff, der sich aus der negativen Definition über das Gegenteil von Arbeit ergab, soll nun positiv gefüllt werden.
J. Habermas unterscheidet zwei komplementäre Funktionen von Freizeit in der Gegenwart.31 Die suspensive Funktion dient zur Wiederherstellung der Selbstbestimmung, ,,die von der Fremdbestimmung der Berufsarbeit verhindert wird." Damit meint Habermas einen ,,Beruf nach dem Beruf" und nennt u. a. die Übernahme von kirchlichen, karitativen und kommunalen Ämtern sowie Hobbys wie Gartenbau als Beispiel.
Dazu komplementär ist die kompensatorische Funktion von Freizeit. Die Belastungen im Beruf werden durch Familie, Konsum und Sport kompensiert.
Beide genannte Funktionen orientieren sich m. E. noch sehr an der Arbeit und sind zudem recht grob. Für die Lebenswelt der Schüler sind sie nichtssagend, deshalb müssen andere Möglichkeiten gefunden werden, die Funktionen von Freizeit zu beschreiben. Hilfreich ist dabei ein Text aus dem Evangelischen Erwachsenenkatechismus32 , der auch im Unterricht verwendet werden kann. Dort werden folgende sechs Funktionen beschrieben: Erholungszeit, Spielzeit, Privatzeit (für Familie, Hobby, Verein...), Bildungszeit, Besinnungszeit und Zeit für freiwillige Betätigung. Diese Kriterien helfen bei der Unterscheidung der Funktionen freier Zeit. Sie gelten für alle Menschen, auch wenn die Freizeitgestaltung individuell sehr unterschiedlich ausfallen kann. Allerdings ist auch dieser Apparat keineswegs vollständig. Beispielsweise geht er nicht darauf ein, dass Freizeit auch negativ empfunden werden kann. So gibt es gibt Zeit, die totgeschlagen wird, Zeit der Zerstreuung und erzwungene Freizeit wegen Arbeitslosigkeit. Diese als negativ empfundene Zeit erfüllt keine Funktion, ist also funktionslose Zeit.
3.2 Verhältnisbestimmung von Arbeit und Freizeit
Nachdem oben die beiden Extreme der Überbewertung von Arbeit bzw. Freizeit dargestellt wurden und der Begriff Freizeit positiv gefüllt wurde, kommt es nun darauf an zu begründen, wie sich Arbeit und Freizeit idealerweise zueinander verhalten sollen. Dabei sind zunächst die biblischen Zeugnisse zu berücksichtigen.
Der Begriff Freizeit kommt in der Bibel überhaupt nicht vor. Als Opposition für Arbeit wird durchweg der Sabbat genannt, der Ausdruck Ruhe kommt hingegen nicht uneingeschränkt in Frage.33 Der biblische Gegenbegriff zur Arbeit umfasst nicht alle Funktionen der Freizeit, die oben dargestellt wurden. Besonderes Gewicht erhalten die Funktionen Besinnung, Erholung und Bildung, während Zeit für freiwillige Betätigung nicht in den Rahmen des Sabbat fällt. Interessant ist, dass eine Wesensbestimmung der Arbeit nur im Schöpfungsbericht erfolgt.
Ansonsten wird Arbeit nur nebenbei erwähnt.34 Das liegt nicht daran, dass Arbeit für un- wichtig oder unnötig erachtet wird, sondern Arbeit wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Von Beginn der Menschheit an gehört Arbeit zur Bestimmung des Menschen und zwar nicht als Fluch oder Strafe für den Sündenfall. Im Gegenteil, bereits vor dem Sündenfall erhielt der Mensch das Mandat, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren.35 Auch weitere Bibel- stellen ermuntern zur Arbeit36 , ja es wird sogar betont, dass auch Jahwe arbeitet.37 Als Ziel der Arbeit gilt die Nahrungsbeschaffung, während einer Überbewertung der Arbeit klar entge- gengetreten wird.38 Auch wird nicht verschwiegen, dass Arbeit Mühsal mit sich bringt.39 Ein flüchtiger Blick aufs NT macht deutlich, dass auch dort Arbeit grundsätzlich positiv gesehen wird. So sind Jesus, die meisten Jünger und Paulus selbst Handwerker. Besonders Paulus legt Wert darauf, seinen Lebensunterhalt mit Arbeit zu verdienen und nicht von Spenden abhängig zu sein.40 Auch in den Gleichnissen Jesu wird häufig Treue und Arbeit im Dienst gefordert.41 Gleichzeitig wird allerdings vor einer Überbewertung der Arbeit gewarnt. Mt 6, 33 gewichtet Ruhe höher als Arbeit. Zuerst wird die Ruhe für Gott gefordert (V. 33a: ,,Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit"), danach folgt die Freiheit zur Arbeit (V. 33b: ,,so wird euch das alles zufallen").42 Besonders drastisch macht das Gleichnis vom reichen Kornbauern in Lk 12, 16-21 deutlich, wie wenig dem Menschen Arbeit allein nützt.
Sowohl die biblischen Zeugnisse, als auch die sozialwissenschaftlichen Zusammenhänge zeigen, dass es auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Ruhe bzw. Freizeit ankommt. Wenn der Mensch eines von beiden zu sehr gewichtet, verfehlt er seine Bestimmung und schadet sich letztlich selbst, indem er entweder an der vielen Arbeit zugrunde geht oder nutzlos und faul dahinvegetiert. Die jüdische Tradition des Sabbats und deren Fortsetzung im christlichen Sonntag helfen dem Menschen einen guten Rhythmus zwischen Arbeit und Ruhe zu finden. Leider gerät der Sonntag als Tag der Ruhe heute immer mehr unter Druck, die Diskussion um das Ladenschlussgesetz ist nur ein Beispiel dafür. Auch verliert der Sonntag in der Gesellschaft an Akzeptanz. Gerade von Jugendlichen wird er häu- fig als langweilig empfunden und dient nur dem Müßiggang und der Zerstreuung.43 Dabei ist der Zweck des Sabbats ,,von Anfang an ein humaner, nicht ein kultisch-religiöser gewesen."44 Letztlich kommt es nicht nur darauf an, das richtige Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, sondern die Freizeit auch ,,Sinn-voll" zu gestalten.45 Schließlich kann angesichts der kürzer werdenden Arbeitszeit, der hohen Arbeitslosigkeit und dem zu Recht immer noch gesetzlich geschützten Sonntag bzw. Feiertag von einem Mangel an Freizeit keine Rede sein.
4. Fachdidaktische Analyse
4.1 Didaktischer Zusammenhang
Die vorzubereitende Unterrichtsstunde hat ihren Platz in der UE ,,Arbeit und Ruhe", welche während der Hospitationsphase 11 Unterrichtsstunden umfasste. Davon entfielen die ersten 7 Stunden auf das Thema Arbeit. Anhand des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg, der Frage ,,Was bedeutet es arbeitslos zu sein?" und der Thematisierung von Jugendarbeits- losigkeit wurde verdeutlicht, wie wichtig Arbeit für den Menschen ist. Danach wurden verschiedene Formen von Arbeit unterschieden und Kategorien wie z. B. Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit eingeführt.
Die zu haltende Stunde sollte nun zum Thema Freizeit und Ruhe überleiten und deutlich machen, dass dies für den Menschen ebenso wichtig wie Arbeit ist und dass es auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Ruhe ankommt. Danach folgten drei Stunden über die Bedeutung des Sonntags und die sinnvolle Gestaltung freier Zeit. Eine Diskussion über das aktuelle Thema, ob die Geschäfte sonntags öffnen sollen oder nicht, trug zum Verständnis des Themas ebenso bei, wie die Beschäftigung mit dem biblischen Sabbatgebot und einem einschlägigen Text aus Michael Endes Buch Momo.
Die gewählte Struktur hat sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, obwohl die Gefahr bestand, dass der Bogen zwischen Arbeitslosigkeit und der Bedeutung von Ruhe und Freizeit zu weit gespannt ist. Schließlich erleben Arbeitslose häufig ein Übermaß an Freizeit und empfinden dieses eher als Last denn als Nutzen. Tatsächlich half gerade diese Struktur die Notwendigkeit sowohl der Arbeit als auch der Freizeit in einem ausgewogenen Verhältnis zu verstehen.
4.2 Elementarisierende didaktische Analyse
Wie bereits in Kapitel 1.3 erwähnt, erfolgt die didaktische Analyse mit Hilfe der vier Dimensionen des Elementarisierungsmodells von Schweitzer / Nipkow.
4.2.1 Elementare Strukturen
Die Struktur des Themas erschließt sich auf zwei Ebenen.
Zum einen ist die Unterscheidung von Arbeit und Freizeit in zwei Gegenpole charakteristisch für den Unterrichtsinhalt. Das folgt schon aus der Definition von Freizeit als Restzeit, die nach Abzug der Arbeitszeit von der Gesamtzeit übrig bleibt. Jeder der beiden Pole weist wiederum eine Mikrostruktur auf, die sich aus den verschiedenen Funktionen von Arbeit und Freizeit ergibt, bzw. aus der Art, wie Arbeit und Freizeit gestaltet wird. Während die Klasse sich schon eingehend mit dem Pol Arbeit beschäftigt hat und dessen Mikrostruktur kennen gelernt hat, kommt es nun darauf an, den anderen Pol ins Spiel zu bringen, die Polarität deutlich zu machen und ein Gleichgewicht zwischen beiden Polen zu finden. Eine Übergewichtung des einen oder des anderen schadet den Menschen und macht sie kaputt.46
Zum anderen gibt der Wochenablauf eine zyklische Struktur vor. Der Rhythmus von sechs Werktagen und einem Ruhetag ist den Jugendlichen seit frühester Kindheit bekannt. Diese Struktur ist im Schöpfungsbericht begründet und zeigt, dass Gott sowohl die Arbeit gutheißt und dem Menschen das Mandat dazu gegeben hat, als auch eine Begrenzung der Arbeit durch die Ruhe fordert. Er selbst hält sich bei der Schöpfung an diesen Rhythmus und weist auch die Menschen dazu an. Schließlich gibt er das Gebot der Sabbatruhe und zwar nicht um die Freiheit der Menschen zu beschneiden, sondern um sie zu schützen.47 Die Sinnmitte liegt m. E. sowohl in der rechten Gewichtung von Arbeit und Freizeit, als auch in der sinnvollen Gestaltung von beidem.
Damit den Schülerinnen und Schülern diese elementaren Strukturen deutlich werden und nicht abstrakt bleiben, scheint es sinnvoll, dass sie zunächst die Struktur ihrer eigenen Zeitpla- nung reflektieren. Wie dies geschehen kann, wird im Abschnitt 6 über Lernformen betrachtet werden. Anschließend können einzelnen Funktionen von Freizeit unterschieden werden.
4.2.2 Elementare Erfahrungen
Auf der Sachebene sind folgende für den Unterricht relevante48 Erfahrungen zu nennen:
- Während früher die Arbeit direkt mit dem Leben der Menschen in Verbindung stand, gilt seit der Industrialisierung häufig eine strikte Trennung. Die Arbeit wird als unbefriedigend empfunden und dient lediglich der Ermöglichung von Freizeit. Auch Jugendliche können die Schule, als sinnlos empfinden und ihre Erfüllung in der Freizeit suchen.
- Es gibt auch das Gegenteil: Menschen suchen den Sinn ihres Lebens in der Arbeit oder in ständigen Freizeitaktivitäten und vergessen darüber die Ruhe.
- Ein Übermaß an Freizeit kann als unbefriedigend und lästig empfunden werden. Besonders Arbeitslose, die gerne eine Herausforderung und einen Arbeitsplatz hätten, werden so denken.
- Besondere Fest- und Feiertage haben Geschenkcharakter. Sie heben sich vom allwöchentlichen Alltag ab und bieten zusätzliche Freizeit und positive Erfahrungen, wie z. B. Festfreude.
Die entwicklungspsychologischen Untersuchungen lassen vermuten, dass die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler sehr vom sozialen Umfeld geprägt sind. Von den erwerbstätigen Eltern bekommen sie mit, ob der Gang zur Arbeit positiv oder negativ erfahren wird. Ist in der Familie jemand arbeitslos, werden sie für dieses Thema besonders sensibel und offen sein. Auch der Umgang mit Freizeit innerhalb der Familie wird die Jugendlichen prägen. Wenn die Familie beispielsweise jeden Abend vor dem Fernseher sitzt, erfahren die Schülerinnen und Schüler die Qualität von Freizeit anders, als wenn in der Familie viel diskutiert wird und gemeinsame Unternehmungen an der Tagesordnung sind. Auch die Normen der Freizeitgestaltung in der Clique werden die Jugendlichen prägen.
Da die Schülerinnen und Schüler bereits konfirmiert sind, haben sie schon die Möglichkeiten der Sonntagsgestaltung kennen gelernt, welche die Kirche anbietet. Selbst wenn sie der Kirche nicht nahe stehen49 , wissen sie doch um diese Besinnungszeit und um die wichtige Rolle, die sie für Christen und ihre Beziehung zu Gott spielt.
Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Schülerinnen und Schüler bereits einen großen Erfahrungsschatz gesammelt haben und um die Erfüllung, aber auch um die Mühsal wissen, welche die Arbeit bringen kann. Ebenso haben sie sicherlich sowohl sinnvoll genutzte, als auch funktionslose Freizeit kennen gelernt. Von diesen und anderen Erfahrungen wird die Einstellung der Jugendlichen zur Arbeit und zur Freizeit abhängen. Die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen beidem werden sie gut nachvollziehen können. Es ist wichtig, Schüler, die sich mit ihren Erfahrungen in den Unterricht einbringen, ernst zu nehmen und ihre Beiträge in die Unterrichtsgestaltung miteinzubeziehen.
4.2.3 Elementare Zugänge
Da die Schüler Perspektivenübernahme auf Beziehungs- und nicht auf Systemebene vollziehen, ist es nicht sinnvoll, mit abstrakten Begriffen wie Arbeit und Freizeit einzusteigen und diese systematisch zu bearbeiten. Stattdessen ist bei der Erarbeitung des Themas darauf zu achten, dass die Schüler einen Zugang auf persönlicher Ebene bekommen. So ist es ihnen möglich, ihre eigenen Erfahrungen in den Unterricht einzubringen und mit dem Unterrichtsinhalt in Dialog zu treten. Der Lehrer kann diesen Dialog fördern, indem er Äußerungen der Schüler aufgreift und sie mit dem Unterrichtsinhalt oder anderen Schülerbeiträgen in Beziehung setzt. Treten dabei Konflikte und Gegensätze auf, werden sich die Schüler daran reiben und im Idealfall die verschiedenen Äußerungen kritisch hinterfragen. Dieser Schritt wird von vielen jedoch nicht vollzogen werden, da Urteile in diesem Entwicklungsstadium selten individuell reflektiert gefällt werden, sondern von wichtigen Bezugspersonen und -gruppen übernommen werden.
Gerade das Thema Zeitgestaltung kann für die Schülerinnen und Schüler in der Krise ,,Identität gegen Rollenkonfusion" hilfreich sein. Indem sie nämlich Struktur und Übersicht in ihre Aktivitäten bringen, werden sie sich der unterschiedlichen Rollen bewusst, die sie z. B. in der Familie, in der Schule oder im Verein einnehmen. Sie können vergleichen, in welcher Rolle und in welcher Art von Zeitgestaltung sie sich besonders wohl fühlen. Auch ein Verständnis für andere Perspektiven ist bereits entwickelt und sollte weiter gefördert werden, indem z. B. gefragt wird, wie Arbeitslose die Funktionen von Freizeit wohl erleben.
So kann eine Verbindung zum vorhergehenden Thema hergestellt werden. Eine umfassende gesamtgesellschaftliche Sicht kann dagegen noch nicht erwartet werden.50 Letztlich bleibt zu erwähnen, dass in dieser speziellen Klasse der Zugang über Bibelstellen, die in 3.2 genannt wurden, nicht sehr erfolgsversprechend ist. Dieses Vorgehen würde eine intensive Vorarbeit notwendig machen, die im Rahmen einer Unterrichtsstunde nur schwer zu realisieren ist. Allerdings ist es lohnend, im Unterricht die Stellung der Bibel zum Verhältnis von Arbeit und Freizeit zu erwähnen und miteinzubeziehen, ohne auf bestimmte Bibelstellen zurückzugreifen.
4.2.4 Elementare Wahrheiten
Es gibt mehrere wahrheitsrelevante Aspekte an diesem Thema. Die Analyse der Bibelstellen und die sozialwissenschaftlichen Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl Arbeit als auch Freizeit grundsätzlich positiv zu bewerten sind. Beides kann Spaß machen und zu einem gelingenden Leben beitragen. Da die Schüler dies höchstwahrscheinlich schon elementar erfahren haben, fällt ihnen die Erkenntnis dieser Wahrheit sicherlich nicht schwer. Auch die Erkenntnis der Problematik einer Überbewertung von Arbeit oder Freizeit ist elementar.51 Ein weiterer Aspekt ist die Freizeitgestaltung. Für die Gestaltung der Freizeit gibt es keine unbedingte Wahrheit, die für alle Schüler verpflichtend gilt. Keine der Funktionen ist verpflichtend, jeder Schüler sollte seine Freizeit nach den persönlichen Neigungen und Bedürfnissen gestalten. Dennoch kann mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit gesagt werden, dass weder ein übermäßiger Aktivismus (Spielzeit, Bildungszeit, Zeit für freiwillige Betätigung) noch ein absoluter Rückzug von Aktivitäten (Erholungszeit, Privatzeit, Besinnungszeit oder gar funktionslose Zeit) dem Menschen nützt. Dem RU kommt dabei die besondere Aufgabe zu, auf die Notwendigkeit von Besinnungszeit hinzuweisen. Sie verleiht dem Leben Tiefgang und ist notwendige Voraussetzung für Selbstreflexion, Gebet, Bibellese und innere Ruhe. In einer sich schnell verändernden Welt voller Möglichkeiten sind Momente der Besinnung von großer Bedeutung. In der Bibel und der jüdischen wie christlichen Tradition spielen solche Inseln der Ruhe im stürmischen Ozean des Aktivismus eine große Rolle. Diese Notwendigkeit ist eine elementare Wahrheit, die in direkter Verbindung mit dem Thema der darauffolgenden Unterrichtsstunde steht, dem Sabbatgebot.
Gerade die elementaren Wahrheiten sind im Unterricht schwer planbar.52 Es ist zwar möglich, die für den Lehrer wahrheitsrelevanten Punkte des Unterrichtsinhalts herauszuarbeiten.
Jedoch kann sich den Jugendlichen die Wahrheitsfrage an ganz anderen Punkten stellen, als der Lehrende erwartet hat. Diese Punkte sollten dann gemeinsam geklärt werden. Auf keinen Fall sollte der Lehrer vorschnell seine Antwort kundtun, sondern sich gemeinsam mit der Klasse auf die Suche begeben. Dieser Prozess der Suche nach Antworten ist für die Schüler viel wichtiger, als eine vorgekaute Antwort. So vollzieht sich der Schritt zur nächsten Stufe des moralischen Urteils und des individuierend-reflektierten Glaubens, auf der die Schüler nicht mehr Antworten ihrer Bezugsgrößen übernehmen, sondern individuell urteilen.
5. Formulierung der Lernziele
- Die Schülerinnen und Schüler können verschiedene Arten von Freizeitgestaltung unterscheiden und in ihrer eigenen Zeitplanung benennen.
- Sie erkennen, dass sowohl Arbeit als auch Freizeit gut für den Menschen ist und dass eine einseitige Übergewichtung problematisch ist.
Der erste Punkt beinhaltet noch ein langfristiges Ziel, das nicht als Lernziel einer einzigen Stunde genannt werden kann. Es handelt sich dabei um die Befähigung zur Selbstreflexion, welche durch die Erstellung einer persönlichen Zeitplanung eingeübt wird. Dieses Ziel ist nur realistisch, wenn der Lehrer die Klasse immer wieder auf persönlicher Ebene herausfordert.
6. Begründung und Diskussion des Lernwegs
6.1 Begrüßung
Nachdem die Schüler Platz genommen haben, werden sie freundlich begrüßt. Wegen der ungewohnten Situation, dass ein Praktikant vor der Klasse steht und die eigentliche Lehrerin zusammen mit dem Fachbetreuer hinten sitzt, ist mit einer neugierigen Aufmerksamkeit und Stille zu rechnen. Ist dem nicht so, wird die Klasse mit einem freundlichen aber bestimmten Tonfall gebeten sich hinzusetzen. Der Begrüßung folgt eine kurze persönliche Vorstellung des Praktikanten, wobei er auch den Fachbetreuer vorstellt. Ein Hinweis auf die besondere Situation des ersten Unterrichts des Praktikanten hilft bereits, Distanz abzubauen und ein offenes Klima zu schaffen.
Dann wird die Klasse gebeten, dem Fachbetreuer kurz zu schildern, was sie bisher in der UE ,,Arbeit und Ruhe" gemacht haben. Dadurch nehmen die Schüler selbst das bisherige Thema wieder auf und der Fachbetreuer erhält einen Eindruck vom Zusammenhang der UE. Danach folgt ein kurzer Überblick über die kommende Stunde: Der Lehrer fasst zusammen, dass es bisher um die Notwendigkeit von Arbeit ging und dass Arbeitslose dies ganz besonders empfinden. In dieser Stunde soll es um das Gegenteil von Arbeit gehen, nämlich um Freizeit. Der Vorteil dieser Übersicht ist, dass der Zusammenhang mit den letzten Stunden hergestellt wird und die Schüler bereits wissen, worauf es in dieser Stunde ankommen wird. Der Nachteil ist der Verlust an Spannung und dass die Schüler das Kommende schon aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten werden, also nicht mehr unvoreingenommen sind.
6.2 Einstieg ins Thema / Motivation
Um einen Einstieg auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler zu erreichen, wird das Arbeitsblatt ,,meine typische Woche"53 ausgeteilt. Sie bekommen den Auftrag, in Stillarbeit in die Kästchen einzutragen, was sie um diese Zeit ü blicherweise machen. Der Lehrer weist darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Kontrolle handelt, ob sie auch genügend Zeit für Hausaufgaben eingeplant haben und dass sie das Ergebnis niemandem zu zeigen brauchen. Stattdessen versucht er das Interesse der Schüler für diese Aufgabe zu wecken, indem er die Übersicht über die eigene Zeitgestaltung schmackhaft macht.
Da die Jugendlichen sich noch nicht lange in Piagets Stadium der formalen Operationen befinden und in der Schule oft situativ konkretes Denken statt abstrahiertem gefordert wird, kann es sein, dass sie mit der Aufgabenstellung Schwierigkeiten haben. Schließlich erfordert es Abstraktionsvermögen um von dieser und anderen konkreten Wochen auf eine abstrakte typische Woche zu schließen. Bei Bedarf kann der Lehrer deshalb darauf hinweisen, dass es nicht so sehr auf eine halbe Stunde hin oder her ankommt und dass es auch nicht schlimm ist, wenn manche Aktivitäten nicht berücksichtigt werden können. Es ist ja klar, dass nicht jede Woche genau gleich abläuft.
Dieses Arbeitsblatt nimmt die Schüler bereits mitten in das Thema hinein und stellt den direkten Bezug des Themas zu ihrem persönlichen Leben her. Das Arbeitsblatt wird später wieder aufgenommen, zunächst müssen aber noch einige begriffliche Kategorien erarbeitet werden.
Ein alternativer Einstieg wäre gewesen, verschiedene Bibelstellen zum Thema Arbeit und Ruhe auf Folie zu kopieren, auszuschneiden, nacheinander zu projizieren und auf dem Overheadprojektor in die Kategorien Arbeit bzw. Ruhe einzuordnen. So würde das Bild der Bibel von Arbeit und Ruhe und das Verhältnis zueinander deutlich, ohne viel Zeit für das Suchen der Bibelstellen investieren zu müssen. Aus den in 4.2.3 genannten Gründen und wegen des schlechten Zustands des Overheadprojektors wurde diese Möglichkeit jedoch verworfen.54
6.3 Erarbeitungsphase
Nun teilt der Lehrer eine Kopie des Textes ,,Wie gebrauche ich meine Zeit sinnvoll" aus dem Evangelischen Erwachsenenkatechismus aus.55 Während die Schüler den Text Abschnitt für Abschnitt vorlesen, schreibt der Lehrer die Begriffe Erholungszeit, Spielzeit, Privatzeit, Bildungszeit, Besinnungszeit und Zeit für freiwillige Betätigung an die Tafel, sobald sie im
Text erwähnt werden. Er nutzt dabei die gesamte Tafel mit beiden Flügeln aus und schreibt die Begriffe an den oberen Rand der Tafel, so dass unterhalb jedes Begriffes eine Spalte Platz bleibt.56 Er achtet darauf, dass er dabei der Klasse nur kurz den Rücken zuwendet. Da der Text aus dem Erwachsenenkatechismus ist, ist er für die Verwendung in der 9. Klasse nicht unmittelbar geeignet. Indem er wichtige Kriterien für die Unterscheidung verschiedener Funktionen von Zeit liefert, kann auf ihn jedoch nicht verzichtet werden. Wenn sich der Lehrer dieses Problems bewusst ist, kann er es im Folgenden entschärfen, indem er Fragen beantwortet. Den Jugendlichen möglicherweise unbekannte Fremdwörter kommen m. E. nicht vor, es könnte höchstens sein, dass die Länge der Sätze und die Semantik Schwierigkeiten bereiten. Da im nächsten Abschnitt die abstrakten Kategorien mit Beispielen gefüllt werden, wird der Text auch nach und nach deutlicher werden.57
6.4 Anwendung / Transfer 1
Die 6 Kategorien für Funktionen von Freizeit sollen nun mit konkreten Beispielen belegt und dadurch greifbarer gemacht werden. Dazu werden die Schüler gebeten, Freizeitaktivitäten aus ihrem Wochenplan vorzulesen und in eine der Kategorien an der Tafel einzuordnen. Da im Text bereits Beispiele genannt werden, dürfte dies den Schülern nicht allzu schwer fallen. Der Lehrer schreibt die genannten Begriffe in die Spalte, welche die Schüler vorschlagen, achtet aber darauf, dass die Kategorie auch wirklich treffend ist. Bei Bedarf kann er nochmals nachfragen und mit den Schülern gemeinsam die zutreffende Kategorie finden. Oft sind die Grenzen zwischen den Funktionen auch fließend. Beispielsweise könnte ,,Fußball" sowohl in die Spalte Spielzeit als auch in die Spalte Privatzeit eingeordnet werden. Falls sich die Schüler daran stören, kann der Lehrer erklären, dass es sich bei den Kategorien nur um eine grobe Unterteilung handelt, die helfen soll, verschiedene Arten von Freizeit zu unterscheiden. Bleibt eine Spalte unbesetzt, etwa die Spalten Besinnungszeit oder Zeit für freiwillige Betätigung, so wird sie zunächst auch nicht gefüllt. Dies kann in der Auswertungsphase hilfreich sein, wie in 6.6 ausgeführt werden wird. Jedoch kann mündlich geklärt werden, ob die Klasse die Bedeutung dieser Spalte(n) verstanden hat. Gegebenenfalls kann der Lehrer Beispiele nennen, ohne diese in das Tafelbild einzutragen.
6.5 Anwendung / Transfer 2
Durch den Schritt Anwendung / Transfer 1 ist den Schülerinnen und Schülern die inhaltliche Bedeutung der einzelnen Funktionen deutlich geworden. Nun sollen sie durch farbiges Hervorheben in ihrem persönlichen Wochenplan jedem einzelnen Eintrag eine Funktion zuordnen. Dadurch ist es ihnen möglich mit einem Blick festzustellen, welche Funktion die Freizeit bei ihnen besonders häufig hat und welche Funktion selten oder gar nicht vorkommt.
Diese Erkenntnis soll in der Auswertungsphase 6.6 reflektiert werden.
Wenn der Lehrer diese Aufgabe stellt, kann er gleich erklären, dass die Jugendlichen von Beruf Schüler sind. Die Schule ist also ihr Arbeitsplatz und hat keine Freizeitfunktion. Deshalb können die Einträge ,,Schule" entweder mit einer besonderen Farbe hervorgehoben werden oder frei bleiben. Wer keine farbigen Stifte dabei hat, soll die Einträge unterschiedlich schraffieren. Der Arbeitsauftrag sollte in Stillarbeit ausgeführt werden, der Lehrer steht bei Unsicherheiten oder Fragen gerne zur Verfügung. Um dies deutlich zu machen und Unruhen zu dämmen, kann er nach einiger Zeit unaufdringlich durch die Reihen gehen. Da es sich bei der Freizeitgestaltung um eine private Angelegenheit der Schüler handelt, sollte er nicht zu neugierig erscheinen und Schülerfragen in diskreten Tonfall beantworten. Während der Stillarbeit haben die Schüler schon Gelegenheit ihre ersten Entdeckungen zu machen, wie z. B. das häufige Auftreten einer bestimmten Funktion oder viele Lücken durch funktionslose Zeit.
6.6 Auswertung
Diese letzte Phase stellt das Ziel aller bisherigen Phasen dar. Hier wird das Erarbeitete reflektiert und die bereits gemachten Erkenntnisse gebündelt auf den Punkt gebracht. Dazu eignet sich am besten die Methode des fragend entwickelnden Unterrichtsgesprächs, da sie die Schüler in besonderer Weise zur Mitarbeit und Zusammenarbeit auffordert und der Lehrende immer wieder lenkend und motivierend eingreifen kann. Sie erfordert ein großes Feingespür vom Lehrer, schließlich muss er mehrere Ziele zugleich verfolgen. Einerseits gilt es, auf Schülerbeiträge angemessen einzugehen und die von den Schülern vorgegebene Richtung weiterzuverfolgen, andererseits sollte eine gewisse Struktur gewahrt bleiben und die vom Lehrer gesteckten Ziele nicht gänzlich aus dem Auge verloren werden. Um das Gespräch in Gang zu bringen stellt der Lehrer zunächst weite und nicht zu schwere Fragen, die die Grundlage des folgenden Gespräches bilden. Ein solcher Einstieg könnte die Frage nach dem Verhältnis von Freizeit und Schulzeit im Wochenplan sein. Haben die Schüler mehr Freizeit oder mehr Arbeitszeit? Finden sie das Verhältnis okay oder hätten sie es lieber anders? Hier zeigt sich bereits, ob die Schüler die Notwendigkeit von Arbeit, die in den vorherigen Stunden ausführlich thematisiert wurde, auch in ihrem eigenen Leben erkennen. Dass die Freizeit als zu viel betrachtet werden könnte lässt sich nur schwer vorstellen.
Danach sollten sich die Fragen mehr um die Funktionen von Freizeit drehen. Warum tauchen manche Funktionen sehr häufig auf und andere selten oder gar nicht? Fehlt im Leben etwas, wenn bestimmte Arten der Freizeitgestaltung gar nicht vorkommen? Mit diesem Fragenkomplex werden die unterschiedlichen Bedürfnisse und Neigungen der Schüler näher beleuchtet. Daran anschließen kann sich die Frage, ob die Schüler die Verteilung der
Funktionen gut finden, oder ob sie für irgendetwas lieber mehr Zeit hätten. Befriedigt die Zeiteinteilung? Sollte etwas umverteilt werden? Gerade die letzten drei Fragen sind bereits sehr persönlich und müssen im Unterricht auch nicht ausführlich behandelt werden. Da diese Selbstreflexion aber sehr wichtig ist und für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler elementar bedeutsam werden kann, sollten die Fragen wenigstens erwähnt und für die Beantwortung in einer ruhigen Minute nahegelegt werden. Alles bisher behandelte kann unter dem Begriff Reflexion der persönlichen Zeiteinteilung zusammengefasst werden. Da dieser Bereich besondere Bedeutung für das Erreichen der Lernziele der Stunde hat, sollte er den Schwerpunkt der Auswertungsphase bilden. Falls Schüler den Mut haben, sich mit ihrer persönlichen Zeitplanung in das Unterrichtsgespräch einzubringen, sollten die dadurch aufgeworfenen Aspekte vorrangig verfolgt werden. Erst wenn das Gespräch zu ermüden droht, sollte der Lehrer das bisher Erreichte zur Ergebnissicherung nochmals zusammenfassen, bevor er zu den folgenden Fragen übergeht.
Nun scheint es sinnvoll einen Perspektivenwechsel zu vollziehen. Das kann in Form einer Rückbesinnung auf die Arbeitslosenproblematik geschehen, indem gefragt wird, wie Arbeitslose wohl die einzelnen Funktionen von Freizeit erleben. Welche Bereiche sind ihnen besonders wichtig? Durch diese Fragen wird ein zweifaches Ziel verfolgt: einerseits wird der Zusammenhang und die Struktur der UE durch Rückverweise auf bisher Behandeltes deutlicher und prägt sich den Schülern besser ein. Andererseits wird die Fähigkeit der Schüler zur Perspektivenübernahme trainiert, die für Kohlbergs Stadium 3 charakteristisch ist. Durch Übernahme von Perspektiven anderer Bevölkerungsschichten wird das Urteilen auf Systemebene bereits vorbereitet.58
Auch diesen Komplex kann der Lehrer wieder kurz zusammenfassen und nötigenfalls ergänzen. Während beispielsweise Erholungszeit von Arbeitslosen eher als unbefriedigend empfunden wird, spielt Bildungszeit eine herausragende Rolle. Indem sie sich persönlich fortbilden, können Arbeitslose ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz erhöhen. Auch Zeit für freiwillige Betätigung wird einen hohen Stellenwert haben, da diese Betätigung einen Ersatz für Arbeit darstellen kann, indem sie das Selbstwertgefühl und das Gefühl, etwas geleistet zu haben, steigert.
Zuletzt kann bereits mit Hilfe des Wochenplans das Thema der nächsten Stunde vorbereitet werden. Der Lehrer kann folgende Fragen stellen: Welche Rolle spielt für euch der Sonntag? Ist er voll verplant oder habt ihr viel freie Zeit? Wird er positiv oder negativ erlebt? Durch diese Fragen erhalten die Jugendlichen einen persönlichen Zugang zum Thema Sonntagsruhe / Sabbatgebot und der Lehrer kann sich bereits ein Bild von der Situation der Klasse machen. Dieses kann er bei der Vorbereitung der kommenden Stunde berücksichtigen und bei Gelegenheit auf Äußerungen dieser Stunde zurückgreifen.
Spätestens an dieser Stelle müsste m. E. die Unterrichtszeit abgelaufen sein. Ist dies nicht der Fall, kann der Lehrer zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Entweder beleuchtet er die Stellung der Bibel zum Verhältnis zwischen Arbeit und Ruhe, wie in 6.2 dargestellt wurde. Oder er erzählt abschließend das Gleichnis vom reichen Kornbauern59 um damit speziell die Bedeutung der Ruhe und des Sonntags gegenüber der Arbeit am Werktag zu unterstreichen.
7. Synoptischer Verlaufsplan des Unterrichts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Literaturverzeichnis
1. Abkürzungen
RU = Religionsunterricht UE = Unterrichtseinheit
2. Literatur
2.1 Hilfsmittel
Kultus und Unterricht: Amtsblatt des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg. Bildungsplan für die Realschule, in: Lehrplanhefte, Reihe F Nr. XII 3/1994, Villingen- Schwenningen 1994.
2.2 Monographien
Adam, Gottfried / Lachmann, Rainer (Hrsg.): Religionspädagogisches Kompendium, Göttingen 51997.
Fowler, James W.: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991.
Kirchenamt der EKD (Hrsg.): Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 21995.
Mack, Rudolf / Volpert, Dieter: Kennen Sie die Zehn Gebote? Biblische Normen und verantwortliches Handeln, in: Marggraf, Eckhart / Röhm, Eberhard (Hrsg.): Oberstufe Religion, Materialheft 8 und Lehrerheft, Stuttgart 1985.
Schmidt, Heinz u. a. (Hrsg.): Das neue Kursbuch Religion 9/10, Stuttgart / Frankfurt a. M. 1988.
Schweitzer, Friedrich: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung im Kindes- und
Jugendalter, München 41999.
Schweitzer, Friedrich / Nipkow, Karl Ernst u. a. (Hrsg.): Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie. Elementarisierung in der Praxis, Gütersloh 1995.
2.3 Aufsätze und Artikel
Bienert, Wolfgang.: Art. Arbeit III in RGG3, Bd. 1, S. 539-545.
Colby, Ann / Kohlberg, Lawrence: Das moralische Urteil. Der kognitionszentrierte
entwicklungspsychologische Ansatz, in: Steiner, G.: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. VII Piaget und die Folgen, S. 348-366.
Gremmels, Christian: Art. Freizeit, in: TRE, Bd. 11 (1983), S. 572-578.
Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik: Brücken bauen, 23.02.2000, http://www.ekd.de/brueckenbauen/probleme.html.
Kirchenamt der EKD: Kirchenzugehörigkeit in Deutschland 1997, http://www.ekd.de/statistik/mitglied.html.
Preuß, Horst Dietrich: Art. Arbeit I in: TRE, Bd. 3, S. 613-618.
Schelkle, Karl Herrmann: Art. Arbeit III in: TRE, Bd. 3, S. 622-624.
[...]
1 Vgl. Kirchenamt der EKD: Kirchenzugehörigkeit und Gemeinschaftswerk: Brücken bauen.
2 Vgl. Adam/Lachmann: Kompendium, S. 121-137. Dort werden 5 verschiedene Begründungsstränge des RU genannt: kulturgeschichtliche Argumentation, gesellschaftliche Begründungszusammenhänge, bildungsorientier-ter Ansatz, anthropologische Argumentation und rechtliche Argumentation (Art. 4 und 7 GG).
3 Vgl. Kirchenamt der EKD: Identität und Verständigung. In dieser Denkschrift werden die Begründungen nicht schematisch übersichtlich wie im Religionspädagogischen Kompendium dargestellt. Stattdessen sind sie eng mit der Praxis des RU verwoben und breit ausgeführt. In Kapitel 2.2 wird der RU pädagogisch aus der Sicht der Schule begründet, in 3.1 rechtlich aus der Sicht des Staates und in 3.2 theologisch aus der Sicht der Kirche.
4 Vgl. Adam/Lachmann: Kompendium, S. 123.
5 Ebd.
6 Vgl. Kirchenamt der EKD: Identität und Verständigung, S. 10f und 25. Die neue allgemeine Bildung umfasst eine universale und eine individuelle Seite der Bildung, wobei ,,der christliche Religionsunterricht [..] auf beide Aufgabenperspektiven bezogen [ist]" (S. 11).
7 Diese Argumentation greift auf die kulturgeschichtliche Begründung des RU zurück, vgl. Adam/Lachmann: Kompendium, S. 122
8 Kirchenamt der EKD: Identität und Verständigung, S.36.
9 Vgl. Kultus und Unterricht: Bildungsplan, S. 14. Als Ziel der Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Realschule ist auf S. 10 formuliert ,,den Selbstfindungsprozess der Schülerinnen und Schüler auf dem Weg vom Kindes- zum Jugendalter zu begleiten und die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu fördern."
10 Vgl. Schweitzer u. a.: RU und Entwicklungspsychologie, S. 173.
11 A. a. O, S. 173f.
12 A. a. O, S. 174.
13 Vgl. 2.1.
14 Vgl. Fowler: Stufen des Glaubens, S. 71. Dort wird die Adoleszenz im Alter zwischen 13 und 21 Jahren verortet. Die nächste Krise wird dagegen erst im jungen Erwachsenenalter erreicht.
15 Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte, S. 83.
16 Mit diesem etwas unglücklich gewählten Begriff ist ein ,,sinnstiftendes Bezugssystem oder Weltbild" gemeint. Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte, S. 86.
17 Schweitzer: Lebensgeschichte, S. 87.
18 ,,Mit Sicherheit ist dieser Stand im Alter von 14 oder 15 Jahren erreicht", Fowler: Stufen des Glaubens S. 88.
19 Ebd.
20 Bei der Behandlung des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg einige Wochen zuvor, war die Kenntnis der moralischen Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler jedoch von herausragender Bedeutung. Im Unterricht war deutlich die Dominanz des konventionellen Niveaus im Stadium 3 zu erkennen. Durch Rollen-übernahme war es möglich, die moralische Entwicklung der Jugendlichen zu stimulieren.
21 Vgl. Colby / Kohlberg: Das moralische Urteil, S. 357.
22 Anders in der darauffolgenden Unterrichtsstunde, wo der Sonntag als Ruhetag aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden soll. Dort kann eine Perspektivenübernahme auf Systemebene, wie sie für Kohlbergs 4. Stadium charakteristisch ist, schon einmal vorsichtig geprobt und erläutert werden.
23 Fowler hat dabei ein sehr umfassendes Verständnis von Glauben. Er geht von der Angewiesenheit des Menschen auf Sinn aus. Vgl. Schweitzer: Lebensgeschichte, S. 138.
24 A. a. O., S. 153.
25 Fowler: Stufen des Glaubens, S. 170.
26 Schweitzer: Lebensgeschichte, S. 148.
27 Vgl. Fowler: Stufen des Glaubens, S. 166. Fowler nennt bei der Aufzählung von Faktoren, die zum Stufenübergang beitragen, ,,die Begegnung mit Erfahrungen oder Perspektiven, die zur kritischen Reflexion darüber führen, wie sich die eigenen Glaubensinhalte und Werte gebildet und verändert haben und wie relativ sie sind, indem sie von der eigenen Gruppe oder der eigenen Herkunft abhängen."
28 Gremmels: Art. Freizeit in: TRE, Bd. 11, S. 572. Obiges Zitat stammt von J. Habermas.
29 A. a. O., S. 575f (Religion der Arbeit).
30 A. a. O., S. 576 (Freizeit als Religion).
31 A. a. O., S. 574.
32 Abgedruckt in Mack / Volpert: Oberstufe Religion 8, S. 16.
33 Vgl. Preuß: Art. Arbeit I in: TRE, Bd. 3, S. 613f.
34 A. a. O., S. 613.
35 Gen 2, 15.
36 So z. B. Ps 128, 2; 2 Thess 3, 10-12; Eph 4, 28.
37 Dadurch hebt sich das AT bemerkenswert von seiner Umwelt ab. Jedoch wird darauf hingewiesen, dass man die Arbeit Gottes nicht mit der Arbeit des Menschen in Beziehung setzen sollte (vgl. Preuß: Art. Arbeit I in: TRE, Bd. 3, S. 614).
38 Vgl. Pred 2, 11-13; Mt 6, 19-34; Lk 10, 38-42 und besonders Lk 12, 15-21.
39 Vgl. besonders die Verfluchung des Ackers (nicht der Arbeit!) in Gen 3, 17-19, sowie Pred 2,11-13 und 3, 9f.
40 Die Gemeinde in Philippi ist die einzige, von der Paulus Spenden für sich selbst annimmt, vgl. Phil 4, 14-18.
41 Vgl. Schelkle: Art. Arbeit III in: TRE, Bd. 3, S. 622. Dort wird auf Mt 20, 1-16; 21, 28-32; 24, 45-51; 25, 14-30 und Lk 19, 12-27 hingewiesen.
42 Vgl. Bienert: Art. Arbeit III in RGG3, Bd. 1, S. 539.
43 Vgl. Schmidt u. a.: Das neue Kursbuch 9/10, S. 97; Mack / Volpert: Lehrerheft, S. 31. Beobachtungen des Autors während der Unterrichtshospitation bestätigen diese Sicht.
44 Mack / Volpert: Lehrerheft, S. 31. Vgl. auch Mk 2, 27.
45 Der Text von Wolfgang Belitz in: Schmidt u. a.: Das neue Kursbuch 9/10, S. 98 gibt wertvolle Impulse für eine ,,Versöhnung" von Arbeit und Ruhe und für eine sinnvolle Gestaltung des Sonntags. ,,Es ist ein Tag der Ruhe und des feierlichen Gottesdienstes, ein Tag des Schöpfungsfriedens und der Lebensfreude, weil eine bewusste Atempause gemacht wird in der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Natur sowie der Menschen zueinander."
46 Vgl. dazu die fachwissenschaftliche Untersuchung in Kap. 3.
47 Vgl. Mk 2, 27.
48 Relevant sind diejenigen Erfahrungen, ,,die für die Kinder und Jugendlichen heute elementar bedeutsam sein könnten oder relevant werden sollten." Schweitzer u. a.: RU und Entwicklungspsychologie, S. 182.
49 Vgl. die besondere Situation der Klasse in 2.1.
50 Vgl. 2.2.2.
51 Hier ist die Arbeitslosenproblematik bereits inbegriffen, da Arbeitslose ungewollt ein Übermaß an Freizeit haben.
52 Vgl. Schweitzer u. a.: RU und Entwicklungspsychologie, S. 178f.
53 Dieses Arbeitsblatt findet sich im Anhang.
54 Trotzdem befindet sich im Anhang ein Entwurf für diese Möglichkeit. Falls der gewählte Zugang zum Thema bei den Schülern unerwarteter Weise überhaupt nicht ankommt oder am Ende der Stunde noch viel Zeit übrig ist, kann darauf zurückgegriffen werden. Allerdings dürfte die Klasse nicht kommentarlos mit den Bibelstellen konfrontiert werden, sondern die Bedeutung jedes Verses müsste mit der Klasse zusammen erarbeitet werden.
55 Vgl. dazu 3.1. Der Text ist abgedruckt in Mack / Volpert: Oberstufe Religion 8, S. 16 und findet sich auch im Anhang.
56 Auch das fertig ausgefüllte Tafelbild befindet sich im Anhang.
57 Unbefriedigend sind jedoch sprachliche Mängel, wie beispielsweise ganz am Anfang des Textes. Dort wird die Metapher zweiter Lebensraum für Freizeit verwendet und davon gesprochen, dass sich viele dort lieber aufhalten als in der Arbeitswelt. Die ursprüngliche Metapher wird also im folgenden wie ein realer Begriff verwendet.
58 Vgl. Kapitel 2.2.2.
59 Lk 12, 16-21.
- Arbeit zitieren
- Holger Schmidt (Autor:in), 2000, Unterrichtsentwurf Klasse 9 Realschule zur Unterrichtseinheit "Arbeit und Ruhe", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97550
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