In der Arbeit werden rechtspositivistische und naturrechtliche Rechtsauffassungen während der Weimarer Republik untersucht sowie die Frage gestellt, ob die unterschiedlichen Definitionen von "Recht" Einfluss auf politische Entwicklungen hatten bzw. ob mit der Auslegung geltenden Rechts Politik betrieben wurde. Hintergrund ist die heute weit verbreitete Auffassung, dass der Aufstieg Hitlers und der NSDAP sowie die Abschaffung der Demokratie nur möglich war, weil die Verfassung der Weimarer Republik keine verbindlichen, auf Naturrecht basierenden, Grundrechte kannte, wie sie heute im Grundgesetz der Bundesrepublik verankert sind (Die Würde des Menschen in unantastbar etc.). Die Arbeit zeigt anhand der Diskussionen in den Parlamenten und Institutionen der Weimarer Zeit, dass diese Annahme ein Irrtum und unser heutiges Grundgesetz kein Garantie dafür ist, dass sich Geschichte wiederholt.
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
II. HAUPTTEIL
1. Die Entwicklung des Rechtsstaats in Deutschland
1.1. Die Entstehung des Begriffs Rechtsstaat
1.2 Rechtsstaatliche Bestrebungen inn ausgehenden 18. Jahrhundert
1.2.1 Der Einfluss der Aufkliirung
1.2.1.1 Immanuel Kant
1.2.1.2 Wilhelm von Humboldt
1.2.2 der aufgekliirte Absolutismus
1.2.3 Das allgemeine Landrecht fiir die Preu8ischen Staaten
1.3 Die Ausgestaltung des Rechtsstaats im 19. Jhd
1.3.1 Materielles Rechtsstaatsdenken im Deutschen Bund
1.3.1.1 Die Anfnnge des Konstitutionalismus
1.3.1.2 Die Rechtsstaatslehre Robert von Mohls
1.3.2 Die Formalisierung des Rechtsstaats
1.3.2.1 Die Folgen der „Deutschen Revolution“
1.3.2.2 Die Rechtsstaatsdefinition F.J. Stahls
1.3.2.3 Das deutsche Kaiserreich und die Wendung zum Positivismus
1.3.2.4 Die „juristische Methode“ Paul Labands
1.4 Zusammenfassung
2 Rechtsstaatliches Denken und juristische Praxis in der Weimarer Republik
2.1 Die Weimarer Nationalversammlung
2.2 Die Saulen des Rechtsstaats in der neuen Verfassung
2.2.1 Die Giundrechte
2.2.2 Die Gewaltenteilung
2.2.3 Die Verwaltung
2.2.4 aie Justiz
2.2 Das richterliche Priifungsrecht in der Praxis
2.2.1 Die Behandlung des Priifungsrechts inn Verfassungsausschuss der Nationalversammlung
2.2.2 Die Entscheidungen der Gerichte
2.2.2.1 Die erste judizielle Gesetzespriifung
2.2.2.2 Die gerichtliche Interpretation des Art.153 WRV
2.2.2.3 Die Grundrechte der Beamten als „Ewigkeitsgarantien“
2.2.2.4 Der Aufwertungsstreit wahrend der Inflation
2.2.3 Zusammenfassung: Die Justiz und die Demokratie
2.2.4 Die parlamentarische Behandlung des Priifungsrechts
2.3 Die Staatsrechtslehre und ihre Stellung zum richterlichen Priifungsrecht
2.3.1 Positivistische Positionen
2.3.1.1 Gerhard Anschtitz
2.3.1.1.1 Ablehnung des Priifungsrechts aufgrund des Artikels 70 WRV
2.3.1.1.2 Ablehnung des Priifungsrechts aufgrund des Art. 76 WRV
2.3.1.1.3 Ablehnung des Priifungsrechts aufgrund des Art. 102 WRV
2.3.1.2 Richard Thoma
2.3.1.3 Zusammenfassung
2.3.2 Antipositivistische Positionen
2.3.2.1 Gerhard Leibholz und die Neuinterpretation des Art. 109 WRV
II.2.3.2.2 Erich Kaufmann und die Erledigung des Positivismus
11.2.3.3 Die Kollision positivistischer und antipositivistischer Positionen
II.2.3.3.1 Die Befiirworter des Priifungsrechts
II.2.3.3.1.1 Triepel
11.2.3.3.1.2 Holstein
11.2.3.3.1.3 Hensel
11.2.3.3.2 Die Gegner des Priifungsrechts
II.2.3.3.2.1 Anschiitz
11.2.3.3.2.2 Thoma
II.2.2.3.2.3 Kelsen
11.2.2.3.2.4 Heller
III. SCHLUSS
IV. BIBLIOGRAPHIE
Quellen
19. Jahrhundert
20. Jahrhundert
Sekundarliteratur
I. Einleitung
Die Definition der zentralen Begriffe der Themenstellung dieser Arbeit, „rechtsstaatliches Denken“ und „juristische Praxis“ erweist sich alles andere als trivial. Vergleichsweise unproblematisch gestaltet sich dabei zunachst der Begriff des rechtsstaatlichen Denkens der Weimarer Zeit. Auf den ersten Blick scheint der Begriff des Rechtsstaats aus sich selbst heraus verstândlich zu sein, handelt es sich doch um einen zusammengesetzten Begriff, dessen Teilaspekte Recht und Staat zueinander in Beziehung gebracht werden. Der Staat, so die nahe liegende Interpretation des Kompositums, ist ein „Staat des Rechts“. Man ist also durchaus geneigt, der Definition des Brockhaus zu folgen, gemiifl welcher ein Staat genau dann ein Rechtsstaat ist, „wenn dessen Tatigkeit vom Recht bestimmt und begrenzt wird. “1 Dennoch sind damit die Schwierigkeiten, die sich bereits durch die Vagheit der Teilbegriffe „ Staat“ und „Recht“ aufdriingen, mitnichten geliist. Schon Rudolf von Gneist, der 1872 erst ein knappes Jahrhundert Begriffsgeschichte iiberblicken konnte,2 war der Meinung, dass es nicht leicht sei, zum Rechtsstaat auch nur „zwei in den Hauptpunkten iibereinstimmende Auffassungen zu finden“ und Hugo Preufi stellte wenige Jahre spiiter verwundert fest:
.. ID]ie Jurisprudenz f is@ die Wissenschaft der Definitionen, ihre eigenen Grundbegriffe, Recht und Staat, hat sie aber nicht in unbestrittener Fassung zu definieren vermocht. 3
Die Frage, was Recht eigentlich ist, beschiiftigt eine Teildisziplin der Philosophie. Eine Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass eine Erkltirung des Rechtsbegriffs nicht erfolgen kann, ohne auf das jeweils zu Grunde liegende Rechtsversttindnis Bezug zu nehmen. So sind insbesondere die moderneren Defmitionsversuche vom Gegensatz zwischen formellem und materiellem Rechtsverstiindnis, d.h. zwischen Anschauungen des Rechtspositivismus und des Naturrechts, gekennzeichnet.4
Die Rechtspositivisten legen Wert auf eine strikte Trennung von Recht und Moral bzw. unterscheiden zwischen dem Recht, wie es ist und dem Recht, wie es sein sollte.5 Gemii8 dieser Auffassung hiingt die Giiltigkeit eines Rechtssatzes allein von seiner Entstehung ab, so dass nur das vom Gesetzgeber gesetzte Recht als solches akzeptiert wird.
Grundgedanke der verschiedenen Naturrechtslehren ist hingegen die Annahme der Existenz von angeborenen, iiberpositiven Rechten, die dem Menschen von Natur aus zukommen und die unabhtingig vom jeweils gesetzten Recht allgemein giiltig sind.
Seit ihrem Auftauchen Ende des 18.Jahrhunderts unterliegt die jeweilige Rechtsstaatsidee dem Wandel dieser unterschiedlichen Auffassungen von Recht.6 Wie noch zu zeigen sein wird, kollidierten diese beiden verschiedenen Rechtsanschauungen in der Weimarer Republik und sollten fiir das jeweilige Rechtsstaatsverstandnis von erheblicher Bedeutung sein.
Daraus ergibt sich ein erstes Ziel dieser Arbeit: Da die zeitgenossischen Diskussionen um den Rechtsstaat in der Weimarer Republik in einem historischen Kontext stehen, sind sie ohne eine Kenntnis desselben nur schwer nachzuvollziehen. Daher scheint es zunachst notwendig, die geschichtliche Entwicklung derjenigen rechtsstaatlichen Prinzipien darzustellen, die schlie0lich fiir die Weimarer Verfassung charakteristisch sein sollten. In diesem Zusammenhang sind hauptstichlich vier Punkte ausschlaggebend:
1. Die Gewiihrung von Grundrechten.
2. Die Gesetzmil8igkeit der Verwaltung.
3. Die Gewaltenteilung.
4. Die Unabhiingigkeit der Justiz.
Auf dieser Grundlage wird dann in einem zweiten Tei1 zunachst die Frage untersucht, ob sich die so gewonnene und ntiher bestimmte Auffassung von Rechtsstaatlichkeit mit dem Ubergang vom Kaiserreich zur Republik, bzw. von konstitutioneller Monarchie zu parlamentarischer Demokratie, entscheidend wandelte, oder vielmehr von Kontinuitat gepragt war und somit, weiter in der Tradition des 19. Jahrhunderts stehend, keine wesentlichen Vertinderungen erfuhr.
Aufschluss dariiber geben die Debatten der Weimarer Nationalversammlung und natiirlich die nahere Betrachtung der Verfassung selbst, die von Beginn an Gegenstand zahlreicher Werke und Diskussionen der Rechtsliteratur war.
Im sogenannten „Richtungs- und Methodenstreit“ der Staatsrechtslehrer, der 1927 seinen Htihepunkt erfuhr, prallten positivistische- und antipositivistische Positionen in einer bis dahin nicht gekannten Schiirfe aufeinander, so dass die hier gefiihrten Debatten einen tiefen Einblick in das dem jeweiligen Standpunkt zu Grunde liegende Rechtsstaatsverstiindnis erlauben.
Gegenstand heftiger Kontroversen war dabei die Problematik des richterlichen Priifungsrechts. Die Frage, ob den Richtern das Recht zustehe, vom Parlament erlassene Gesetze auf deren Verfassungskonformitat zu uberpriifen, erscheint aus heutiger Sicht unzweifelhaft. Denn6 in Gestalt des Bundesverfassungsgerichts verfiigt die Bundesrepublik heute iiber eine Institution, die eben jene Funktion zu erfiillen hat und die trotz mancher Wamungen vor den Gefahren einer justizormigen Politik, oft als Vollendung des Rechtsstaats bezeichnet wird.7 Zwar bestand auch in der Weimarer Republik die grundsatzliche Moglichkeit, Fragen, die friiher als rein politische angesehen wurden, auf dem Wege der Rechtsprechung zentral zu losen. Der auf Grund von Artikel 108 der Weimarer Reichsverfassung dafiir vorgesehene 8 aber nur eine eng begrenzte Zustiindigkeit, die im Wesentlichen auf bestimmte Streitigkeiten zwischen Bund und Landem sowie auf den Fall der Prasidenten- und Ministeranklage beschrankt war.
Verstandlich wird die Brisanz der Auseinandersetzungen um das richterliche Priifungsrecht in der Weimarer Republik vor dem Hintergrund des tiefen Misstrauens, welches das kommunistische und sozialdemokratische Lager gegeniiber der Justiz im allgemeinen und den Richtern, die in ihrer uberwiegenden Mehrzahl der konservativ biirgerlichen Schicht entstammten, inn besonderen hegte. Die Justiz, die in dem kurzen Zeitraum von vierzehn Jahren wiihrend der Weimarer Republik au8erst groves Aufsehen erregte, war von Beginn an heftiger Kritik ausgesetzt. Dies belegen 9, die von einem tiefen Misstrauen gegeniiber der „Dritten Gewalt“ zeugen, ebenso, wie die zahlreich erschienen Monographien iiberwiegend dem sozialdemokratischen und kommunistischen Milieu zuzuordnender Schriftsteller. 1921 erschien Erich Kuttners Aufsehen erregendes Buch „ Warum versagt die Justiz?“10, ein kiln: spiiter dessen Studie „Bilanz der Rechtsprechung 11 und die Analyse des Joumalisten Erich Eyek
„Die Krisis der Rechtspfiege “. Axi die Adresse der Richterschaft richtete sich der allgemeine Vorwurf, bei der Rechtsfindung in politischen Strafprozessen mit zweierlei Ma8 zu Messen und auf dem rechten Auge blind zu sein. Die Beispiele an vergleichenden Urteilen, die als Belege angefiihrt wurden, sind zahlreich vorhanden 12 und wurden bereits 1921 von dem Privatdozenten fiir Statistik E. J. Gumbel wissenschaftlich ausgewertet. In einer Broschiire machte dieser die unterschiedliche Behandlung politisch motivierter Morde namhaft: Bis zu diesem Zeitpunkt ziihlte Gumbel insgesamt 15 von links begangene Morde, die mit 8 Hinrichtungen und im Durchschnitt 14 Jahren Gefângnis geahndet wurden, wtihrend auf 314 Morde von rechts nur durchschnittlich 2 Monate Gefângnis entfielen, weil mud 90% dieser Morde ungesiihnt blieben und nur 22 einer vergleichsweise geringen Strafe zugefiihrt wurden.13 Der eigentliche Ausliiser fiir den aufbrandenden Sturm der Entriistung, diirfte allerdings die strafrechtliche Bewiiltigung des Kapp-Putsches von 1920 gewesen sein, die in denkbar scharfem Gegensatz zu der rigorosen Bestrafung der Aufstândischen in der Miinchner Riiterepublik stand und iiberdies mit der Nichtverfolgung der politischen Morde an Rosa Luxenburg und Karl Liebknecht korrespondierte. Nun wurde fiir jedermann offensichtlich, dass den Richtern eine gewaltsame Revision der Verfassung zugunsten einer autoritiir-nationalistischen Rechtsregierung, wie sie Kapp vorschwebte, sehr viel weniger strafungswiirdig erschien, als die riiterepublikanischen Experimente in Bremen oder Miinchen. So wurde nur ein Mitglied der engeren Mannschaft Kapps, Jagow, durch das Reichsgericht verurteilt. Obwohl er eine fiihrende Funktion im Rahmen des Putschversuches ausgeiibt hatte, erkannte das Gericht nur auf Beihilfe zum Hochverrat und verhiingte eine sehr geringe Strafe. „Solch grofiziigige Vergabe des Mitlauferstatus kontrastierte in atemberaubender Weise der Zumessung der
Fuhrereigenschaft bei Kommunisten14 iiber die sich teilweise schon auf Grund der bloflen Mitgliedschaft eine Flut von Landes- und Hochverratsprozessen ergoss.
Nach den politisch motivierten Morden an Erzberger und Rathenau, in deren Zusammenhang der Erlass des Republikschutzgesetzes von 1923 zu sehen ist, dehnten sich die Vorwiirfe an die Justiz auch zunehmend auf das liberale Lager aus und fiihrten in den Jahren 1926-28 schlie£lich zur „ Vertrauenskrise der Justiz“15 Symptomatisch fiir die diese Justizkrise ist die Au8erung Kurt Tucholskys in der Zeitschrift die Weltbiihne aus dem Jahr 1927:
„Angemerkt mag sein, dass der heutige Typus noch Gold wert ist, gegen jenen der im Jahr 1940 Richter sein wird. Dieses verhetzte Kleinbiirgertum, das heute auf den Universitaten randaliert, ist gefiihlskâlter und erbarmungsloser als selbst die vertrockneten alten Herren, die wir zu bekampfen haben. Wahrend in der alten Generation noch sehr ofi ein Schuss Liberalismus, ein Schuss Bordeaux-Gemiitlichkeit anzutreffen ist, ein gewisser Humor, der noch wenigstens manchmal mit sich reden lasst, lassen diese kalten, glasierten Fischaugen der Freikorpsstudenten aus den Nachkriegstagen erfreuliche Aspekte aufsteigen: Wenn diese Jungen einmal ihre Talare anziehen, werden unsere Kinder etwas erleben. Ihr Mangel an Rechtsgefiihl ist vollkommen.16
In einer solchen Atmosphiire des weit verbreiteten Misstrauens gegeniiber der Justiz konnte es nicht ausbleiben, dass die Diskussionen um das Fiir und Wider eines richterlichen Priifungsrechts in der Staatsrechtslehre stark politisiert waren. Obwohl ein gewisser Zusammenhang nicht zu leugnen ist, soil es aber inn Folgenden weniger um die dem jeweiligen Standpunkt zugrunde liegende politische Uberzeugung gehen. Untersucht werden soll vielmehr die Frage, auf welche Weise die jeweilige Stellung zum richterlichen Priifungsrecht durch die verschieden Rechtsanschauungen beeinflusst und begriindet wurde bzw. welches Rechtsstaatsverstandnis den einzelnen Uberzeugungen anhaftete. Dazu werden jeweils zwei positivistische und antipositivistische Positionen herangezogen, bevor die Kollision dieser Standpunkte auf der Tagung der Staatsrechtslehrer 1927 in Miinster dargestellt wird. Die Auswahl dieser Standpunkte erfolgte subjektiv und es wird hiermit nicht behauptet, die ausgewiihlten Standpunkte seien reprasentativ fiir die Gesamtheit der Positionen in der Staatsrechtslehre. Besonders im antipositivistischen Lager wurden durchaus divergierende Auffassungen vertreten, die aber im Rahmen dieser Arbeit nicht im Detail behandelt werden ktinnen. Namentlich trifft dies auf die Werke Carl Schmidts, aber auch auf die „Integrationslehre“ Rudolf Smends z:u. Von der positivistischen Gegenseite findet die „Reine Rechtslehre“ Hans Kelsens keine Beriicksichtigung. Ebenfalls aus Griinden der Begrenzung wird der Begriff der ,juristischen Praxis“ hauptsiichlich auf die Tatigkeit der Staatsrechtslehrer bezogen. Die ,justizielle Entscheidungspraxis“ der Gerichte wird nur in dem Ma8e beriicksichtigt, wie sie fiir die Problematik des richterlichen Priifungsrechts relevant sind. Auf die — zweifellos interessante — strafrechtliche Praxis der Justiz kann leider im Einzelnen nicht eingegangen werden.
Wie noch zu zeigen sein wird, war es hauptsachlich die erweiterte Auslegung des in Art. 109 WRV verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitssatzes durch die antipositivistische Lehre, die den Ausgangspunkt fiir die Ertirterungen iiber die Nachpriifbarkeit der Gesetze durch den Richter bildete. Die Entscheidung fiir die Darstellung der Ansichten Gerhard Leibholz und Erich Kaufmanns begriindet sich dadurch, dass es vor allem diese beiden Staatsrechtslehrer waren, die die Lehre von der Neuinterpretation jenes Gleichheitssatzes entwickelten und vehement vertraten.
Hier stiitze ich mich auf das 1925 in erster Auflage erschienene Werk Leibholz „Die Gleichheit vor dem Gesetz“, die in der Friihphase der Weimarer Republik entstandene Abhandlung „Kritik der neukantischen Rechtsphilosophie“ von Erich Kaufmann, sowie dessen Referat „ die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung“, das er 1927 auf dem Treffen der Staatsrechtslehrer hielt. Die im dritten Band der „ Veroffentlichungen der Deutschen Staatsrechtslehrer“ zahlreich enthaltenen Reaktionen der positivistischen Gegenseite auf den Vortrag Kaufmanns verdeutlichen die Positionen Gerhard Anschiitz’, Richard Thomas und Hans Kelsens. Relevant fiir die Auffassungen Anschiitz’ sind zudem dessen begleitende Kommentare zur Weimarer Reichsverfassung, wiihrend Thoma seine Ansichten zum richterlichen Priifungsrecht ausfiihrlich im zweiten Band des
„Handbuchs des Deutschen Staatsrechts“, sowie in dem 1922 im „Archiv des offentlichen Rechts“ erschienen, Aufsatz „Das richterliche Prufungsrecht“ darlegte. Aus der Sekundârliteratur ist fiir den ersten Tei1 dieser Arbeit der zweite Band der
„Geschichte des offentlichen Rechts“ von Michael Stolleis hervorzuheben. Zur
Darstellung der rechtsstaatlichen Bestrebungen am Ende des 18. Jahrhunderts waren mir die beiden Aufsatze von Dietmar Willoweit und Hans Hattenhauser niitzlich, die beide der Frage der Rechtsstaatlichkeit Preu8ens zu dieser Zeit nachgehen. Mit dem Rechtsstaatsbegriff des 19. Jahrhunderts und der Fiille der darin entwickelten Rechtsstaatstheorien befasst sich Edin Sarcevic im ersten Tei1 seiner umfangreichen Dissertationsarbeit „Begriff und Theorie des Rechtsstaats“. Einen umfassenden Uberblick fiber die Entwicklung des Rechtsstaats „von seinen Anfangen bis zum Grundgesetz“ bietet au8erdem das Buch „Der Rechtsstaat — Idee und Wirklichkeit in Deutschland“ von Theo Stammen, das 1965 in Miinchen erschien.
Fiir den zweiten Tei1 sind zunachst zwei Werke iiber die Weimarer Reichsverfassung mafigebend, die beide sehr umfangreich sind: Das schon etwas altere, aber nach wie vor aktuelle und viel zitierte Buch von Willibalt Apelt „Die Geschichte der Weimarer Reichsverfassung“, sowie das 1997 erschienene Werk „Die Wefmarer Reichsverfassung“ von Christoph Gusy. Vom selben Autor stammt auch die Abhandlung „Richterliches Priifungsrecht“, die ausgehend von der Gewaltenteilungslehre Montesquieus einen Uberblick fiber die geschichtliche Entwicklung des Priifungsrechts bis in die Weimarer Republik hinein bietet. Mit der Entscheidungspraxis der Gerichte zum richterlichen Priifungsrecht befasst sich ausfiihrlich Helmut D. Fangmann in seinem Buch „Justiz gegen Demokratie“, dem ich zahlreiche Quellenhinweise verdanke. Au8erdem ist schlieElich das Buch Helge Wendenburgs „Die Debatte um die Verfassungsgerichtsbarkeit und der Methodenstreit der Staatsrechtslehre in der Weimarer Republik“ za nennen, das die Problematik des richterlichen Priifungsrechts unter dem Blickwinkel der Verfassungsgerichtsbarkeit beleuchtet.
II. Hauptteil
1. Die Entwicklung des Rechtsstaats in Deutschland
1.1. Die Entstehung des Begriffs Rechtsstaat
Bis heute konnte die Forschung nicht eindeutig klâren, wann der Rechtsstaatsbegriff zum ersten Mal verwendet wurde. Wiihrend E.W. BiickenPorde in seiner Studie
„Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs“ behauptet, die erste Verwendung des Begriffs „Rechtsstaat“ lieEe sich ziemlich genau angeben und sei zuerst „von Carl Th. Weckler 1813 und dann 1824 f. -J von Joh. Christoph Freiherr v. Aretin 17, also von dem Friihliberalismus zuzurechnenden Autoren, gebraucht worden, weist
Theo Stammen darauf hin, dass das Wort Rechtsstaat sporadisch schon 1809 in den
„Elementen der Staatskunst“ des Romantikers Adam Miiller, also im Lager des politischen Gegners auftauche.18 Dies ist insofern verwirrend, als dass der Rechtsstaat Wecklers ein „Staat der Vernunft“ ist19 und somit in der liberalen Tradition der aufgekliirten Philosophie Kants steht. Michael Stolleis aber betont, dass die Tendenz des Werkes Adam Miillers „klar antiaufklarerisch und konservativ, adels- und kirchenfreundlich, antiliberal und antikonstitutionell20 sei.
Schon diese beiden Beispiele aus der Begriffsgeschichte lassen vermuten, dass der Rechtsstaatsbegriff eine politisch und rechtlich mehrdeutige Schiipfung ist, die, iiber den rein wiirtlichen Gebrauch hinaus, mit den klassisch liberalen Ideen der Aufkliirung einerseits und einem konservativ traditionalistischen Denken andererseits verkniipft ist.21 Dem Aspekt der Ausgestaltung des Rechtsstaats wiihrend des 19. Jahrhunderts soll daher inn weiteren Verlauf dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. 17 Bockeftirde, Ernst Wolfgang: Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharoun, Hans (Hrsg.):Festschrift fiir Adolf Arndt, Frankfurt a. M. 1969, S. 55.
Im Gegensatz zur Begriffsgeschichte besteht Einigkeit beziiglich der Entstehungsgeschichte des Rechtsstaats: Sie beginnt parallel zu den biirgerlichen Revolutionen in Nordamerika (1783) und in Frankreich (1789)22, ist also eng mit dem Aufkommen des liberalen Biirgertums als „Drittem Stand“ verkniipft. Da aber in den deutschen Territorialstaaten des „Heiligen Rtimischen Reiches“ diese Schtirfe der Konfrontation mit dem Staat fehlte und eine Revolution ausblieb, gelang es dem deutschen Biirgertum nicht wie in Frankreich, wo mit dem Ausbruch der Revolution das biirgerliche Zeitalter begann, sich den Fesseln des Absolutismus endgiiltig zu ent1edigen.23 Erst nach dem Zerfall des Reiches und der Griindung des „Deutschen Bundes“ 1815 gelang es, elementare liberale Forderungen nach einer festgelegten Verfassung, Rechtssicherheit und individueller Freiheit, in den einzelnen Staaten allmiihlich durchzusetzen. 24
Erst in dieser Epoche des Liberalismus erhielt auch die 25 Nach allgemeiner Auffassung war es der Staatsrechtslehrer Robert von Moh1 , der den Begriff„Rechtstaat“ als Erster im heute verstandenen Sinne, nâmlich als Staatstyp, gebrauchte, ihn durch das 1829 erschiene Buch „Staatsrecht des Konigreichs Wiirttemberg“ zuniichst in die juristische Literatur einfiihrte und ihn schlie8lich unter erstmaliger Aufnahme in einen Buchtitel mit dem umfangreichen Werk „Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsatzen des Rechtsstaats“ 1832 allgemein gebriiuchlich machte.26
Diese Leistung Mohls war seinen Zeitgenossen durchaus bewusst. So erkliirte der Rechtsgelehrte Rudolf von Gneist:
„Die Einfiihrung des Wortes Rechtssstaat in die Wissenschaft geh’ort Robert von Mohl in verschiedenen Schriften . ] Dass das Wort so rasch das Biirgerrecht gewonnen hat, ist ein bedeutungsvolles Zeichen, dass es einen Grundzug des nationalen Denkens einen entsprechenden Ausdruck gibt. 27
Auch wenn der Rechtsstaatsbegriff also erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in die juristische und politische Sprache eingefiihrt wurde, entstand die mit dem Begriff verbundene Idee schon wesentlich further. Aus diesem Grund ist es angemessen, die gesellschaftliche und politische Situation des ausgehenden 18.Jahrhunderts sowie die ihr zugrundeliegende Philosophie in groben Ziigen darzustellen, bevor auf die eigentliche Ausgestaltung des Rechtsstaats wahrend des 19.Jahrhunderts eingegangen werden kann.
1.2 Rechtsstaatliche Bestrebungen im ausgehenden 18 Jahrhundert.
1.2.1 Der Einfluss der Aufklârung
1.2.1.1 Immanuel Kant
Obwohl in der Philosophie Kants das Wort „Rechtsstaat“ nicht zu finden ist, muss er als einer der ma8geblichen Vordenker der Rechtsstaatsidee gelten. In seinem 1797 erschienen Werk „Die Metaphysik der Sitten“, dessen zweiter Teil aus der
„Rechtslehre “ besteht, werden wesentliche Bedingungen eines modernen Rechtstaates entwickelt. Das von Montesquieu entwickelte Prinzip der Gewaltenteilung auf gesetzgebende, ausiibende und richterliche Gewalt, wird hier ebenso vervollkommnet28, wie das, auf Rousseau zurñckfiihrbare, Konzept der Begrenzung der Staatsgewalt durch die Herrschaft allgemeiner Gesetze29 und die damit verbundene Idee eines Verfassungsstaates.
Das Revolutiontire in der Sittenlehre und der darin integrierten Rechtslehre Kants ist die Forderung nach einer Begrenzung des Staatszwecks, wie sie das Modell der
„Kantschen Republik“ verkorpert: Deren „Heil“ soll nicht mehr „im Wohl der Staatsbiirger“ und deren „Gliickseeligkeit“, sondem allein in der Wahrung und Verwirklichung des Rechts 1iegen.30 Da Kant Begriindung der Erkenntnis ausschliefilich durch empirische Erfahrungen ablehnt , sollen auch die Gesetze der
„Kantschen Republik“ frei von Gefiihlen, Erfahrungen und Gewohnheiten gewonnen werden. Das bedeutet, dass sich das Recht nicht weiter aus Traditionen ermitteln lasst; Herkunft, bzw. Privilegien spielen keine Rolle mehr, und die auf erlieferung beruhende Ordnung verliert ihre Legitimationsgrund1age.31 Diese These machte sich das erstarkende Biirgertum zu Eigen und wandte sich mit ihr gegen die Anmafiung des absolutistischen Wohlfahrtstaates, der sich in seiner Eigenschaft als alleiniger
Verwalter der Vernunft zur Erfiillung jeder Lebensaufgabe berufen fiihlte „ und bis in den hintersten Winkel der biirgerlichen Privatsphare hineinzuregieren versuchte 32 Die wesentliche Bedingung fiir den Eintritt eines Volkes in den „biirgerlichen Zustand“, ist nach Kant eine gesetzliche Verfassung, die es sich selbst gegeben hat. Erst wenn diese Voraussetzung gegeben sei, wandele sich die bloke „Menge der Menschen“ in eine Biirgerschaft, deren Glieder als Biirger zu begreifen sind.33 Mit diesem Biirgerstatus sind drei „ unabtrennliche“, rechtliche Attribute verbunden: Freiheit, Gleichheit und Selbstândigkeit. Der Begriff der „Freiheit“ wird als
„gesetzliche Freiheit“ verstanden und bedeutet, dass jeder Biirger keinem anderem
Gesetz gehorchen muss, „ ale zu welchem er seine Zustimmung gegeben hat. 34 Mit
„Gleichheit“ meint Kant, dass zwischen Biirgem und Regierenden ein Gegenseitigkeitsverhiiltnis besteht, das heifit der Biirger brauche nur diejenige Autoritiit als solche anzuerkennen, die er „ebenso rechtlich zu verbinden das moralische Vermogen hat, als diese(r) ihn verbinden kann. 35 Der Begriff der
„Selbstiindigkeit“, mit dem Kant, im Gegensatz zur Parole „Liberté, Egalité, Fraternité“, den revolutionâren Dreiklang der Franztisischen Revolution beschlieflt, meint schliefllich die Selbstverantwortung des Einzelnen, d.h. den Ausschluss fremder Wil1kiir.36
Mit der beriihmt gewordenen Definition, wonach Staaten „die Verreinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen 37 seien, setzt Kant die Staatlichkeit mit Rechtlichkeit gleich. Der rechtliche Zustand des Staates habe aber nur Bestand, wenn nicht mehr Menschen, sondem Gesetze herrschten:
„Dies ist die einzig bleibende Staatsverfassung, wo das Gesetz selbstherrschend ist und an keiner besonderen Person hangt. 38
Mit der Uberzeugung, dass die Herrschaft des Gesetzes auf der Herrschaft des Volkes fu en muss, verankert Kant neben dem Rechtlichkeitsbegriff auch das Demokratiegebot fiir den Bereich der Gesetzgebung. Denn inn Volk befânde sich
„ursprunglich die oberste Gewalt“, die sie jedoch nicht ausiibt:
„Alle wahre Republik aber ist und kann nichts anderes sein, als ein reprâsentatives System des Volkes, um im Namen desselben, durch alle Staatsbiirger vereinigt, vermittelst ihrer Abgeordneten ihre Rechte zu besorgen. 39
Die Ausiibung der Staatsgewalt soll also einer Abgeordnetenversammlung als Staatsoberhaupt ubertragen werden, wobei die Rolle des Oberhaupts einer einzelnen Person, z.B. dem Konig, dem Adelsstand oder aber der „ganzen Volkszahl“, dem
„demokratischen Verein“ zukommt.40
Die Rechtsslehre Kants bezeichnet Edin Sarcevic als „ liberale Theorie, in welcher der integrale Rechtsstaatsbegriff schon angekundigt wird“ und die „ihren okonomischen Bezug im Ideal eines liberalen okonomischen Systems gleichberechtigter, freier und durch die Konkurrenz vereinigter Individualitaten“ finde.41 Diese „revolutionare Wendung im Denkansatz der politischen Theorie“, welche die „ biirgerliche Subjektivitat“ zx ti n Ausgangspunkt aller rechtsstaatlichen Uberlegungen erhob, wirke nachhaltig auf das liberale Denken in Deutschland bis weit in das 19. Jahrhundert hinein.42
1.2.1.2 Wilhelm von Humboldt
Als weiterer Vorlaufer einer friililiberalen Rechtsstaatstheorie erweist sich Wilhelm von Humboldt. In der 1792 verfassten, jedoch erst nach seinem Tod 1851 vollsttindig veroffentlichten Abhandlung „ Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen 43, entwirft Humboldt ein Staatskonzept, das auf dem Prinzip des Schutzes der individuellen Freiheit als dem hochsten Gut beruht.44 Schliisselgedanke seiner Uberlegungen ist die konsequente Anwendung der Prâmisse, dass der Staat nur dort handeln dart, wo ihm das Recht ein Handeln gestattet. 45 Diese Vorstellung weist einen direkten Einfluss der Theorie Kants auf, nach der ein Staat ein Rechtskonstrukt bzw. die Vereinigung von Menschen unter Rechtsgesetzen ist. Allein das Recht erscheint als Fundament und Ordnung des Staates, der damit keine „ ureigene, natiirliche oder gottgegebene Souveranitat“ mehr besitzt, „ aus der irgendwelche Kompetenzen abgeleitet werden konnten. 46
Uber die Anwendung dieses, eng an den Priimissen des philosophischen Systems Kants orientierten, Rechtlichkeitsprinzips findet man bei Humboldt konkrete Angaben: Zur Strafrechtsordnung bemerkt er, dass nur bei Gesetzesiibertretungen, welche die Rechte eines Biirgers verletzten, nicht aber aus Griinden der blo8en Priivention bestraft werden dfirfe. Sanktionierbar sind also nur vorsiitzliche bzw. schuldhafte Gesetzesiibertretungen, womit das Schuldprinzip und der Giundsatz “nulla poena sine lege“ bekraftigt wird.47 Zudem stellt Humboldt Voraussetzungen fiir den Erlass von Polizeigesetzen auf. Dabei fordert er, dass polizeigesetzliche Regelungen ausschlieElich um der Sicherheit der Biirger willen getroffen werden kiinnen, und dass sich diese Normen, aufgrund der postulierten Begrenzung des Staatszwecks auf Rechtswahrung und Rechtssicherheit, nur gegen jene richten diirfe,
„deren Handlungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Rechte anderer schmalern konnen. 48 Mit dieser Konzeption, in der die Angemessenheit einer staatlichen Ma£nahme zum Kriterium erhoben wird, steht sich Humboldt einer Polizeistaatstheorie entgegen, die Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem pragenden Einfluss Justis in die deutsche Rechtsphilosophie eingefiihrt wurde. Die Absicht dieser Theorie war es, jedes Eingreifen des Staates in die persiinliche Sphiire des Biirgers als gerechtfertigt zu beweisen, wenn es der „allgemeinen Wohlfahrt“ dienlich sei. Dementsprechend forderte Justi einen allmachtigen, starken Staat als Voraussetzung fiir den Erhalt der “Gliickseligkeit“ seiner Mitglieder:
„Wenn viele einzelne Menschen ihren Willen und ihre Krafte miteinander vereinigen, um einen Staat oder eine Republik zusammen auszumachen, so tun sie dieses zu dem Endzwecke ihrer gemeinschafilichen Gliickseligkeit, und das Mittel, dessen sie sich hierzu bedienen, ist, dass sie eine oberste Gewalt iiber sich setzen,[...] Die oberste Gewalt, oder der Regent, ist also eines der hauptsachlichen Mittel zu ihrer Gliickseligkeit; [...] Ohne oberste Gewalt ist es ganz unmoglich, dass die gemeinschafiliche Gliickseligkeit vieler vereinigter Menschen befordert werden kann."49
Im scharfen Gegensatz zu Justi forderte Humboldt, dass sich der Staat weder um den Wohlstand seiner Biirger, noch um deren „Erziehung von Geist, Charakter und
Sitte“ kiimmem sol1e.50 Niemand anderes, als die Individuen des Staates selbst diirften iiber ihr eigenes Wohl entscheiden.51
Wie die Rechtslehre Kants, so kann auch Humboldts „ Versuch der Staatszwecksbegrenzung“ als eine friihliberale Rechtsstaatstheorie betrachtet werden, in deren Mittelpunkt die Freiheit des Individuums steht. Da diese individualistische Auffassung des Rechtsstaats aber mit der Praxis eines sich um das Wohl und die Gliickseligkeit kiimmemden und im Namen des Gemeinwohls entscheidenden Staates unvereinbar war, konstituierte sich die friihe Rechtsstaatidee in erster Linie als Gegenpol zu jener Poliziestaatstheorie. Der einzelne Mensch wurde nun sowohl als sittliche, als auch rechtliche Grti8e entdeckt und als Individuum dem Staat gegeniiber gestellt.
1.2.2 der aufgekliirte Absolutismus
Im ntiheren Verstandnis des „ kantschen“ Begriffs der Freiheit, der in erster Linie als „geistige Miindigkeit“ verstanden wurde und die Vernunft bzw. ratio in den Mittelpunkt der Philosophie stellte, zeigte sich eine, fiir die deutsche Aufkltirung charakteristische Beschriinkung auf die geistige, d.h. wissenschaftliche, religiose und kiinstlerische Freiheit und ein deutliches Zuriickschrecken gegenuber der konsequenten Ausdehnung auf die politische Freiheit. Wiihrend sich das franzosische Biirgertum der Bevormundung des absolutistischen Wohlfahrtsstaates mit der Franzosischen Revolution endgiiltig entledigte, fehlte in Deutschland diese Schtirfe der Konfrontation mit dem Staat. Zwar zeugen Quellen aus der Entstehungszeit der Franzosischen Revolution in deutschen Gelehrtenkreisen von einer anfdnglichen Euphorie und unverhohlener Zustimmung fiir die Ereignisse im Nachbar1and. 52 Als man sich aber mit der zunehmend radikalisierenden Entwicklung der Revolution, die immer gewaltsamere Ziige annahm und bald zum Eroberungskrieg Napoleons iibergehen sollte, konfrontiert sah, schlug die Stimmung schnell ins Gegenteil um. Man reagierte entt4uscht und erschreckt.53 Revolutionâre Tendenzen fanden weder im Biirgertum, noch unter den Intellektuellen weiterhin Anhiinger. Immanuel Kant z. B. lehnte die Moglichkeit einer Revolution nach dem Vorbild Frankreichs trotz aller fortschrittlichen Gedanken entschieden ab:
“Wider das gesetzgebende Oberhaupt des Staates gibt es also keinen rechtmâfligen Widerstand des Volkes; denn nur durch Unterwerfung unter seinen allgemein gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher Zustand moglich; also kein Recht dev Aufstandes (seditio), noch weniger des Aufruhrs (rebellio), am allerwenigsten gegen ihn als einzelne Person (Monarch) unter dem Vorwande des Mifibrauchs (tyrannis) Vergreifung an seiner Person, ja seinem Leben (monarchomachismus sub specie tyrannicidii). Der geringste Versuch hierzu ist Hochverrath (proditio eminens), und der Verrather dieser Art kann als einer, der sein Vaterland umzubringen versucht (parricida), nicht minder ale mit dem Tode bestrafi werden. 54
Trotz der ausbleibenden Revolution und der Kontinuitiit des absolutistischen Herrschaftssystems bewirkten die Ideen der Aufkliirung aber einen wichtigen und zukunftsweisenden Wandel im Versttindnis der Staatsfunktion. Der Zweck des Staates sollte nun nicht mehr hauptsiichlich in Machterweiterung und Machtsteigerung bestehen. Vielmehr entwickelte sich die Sicherung und Wahrung der Freiheit der Staatsbiirger zur primâren Aufgabe. Der Staat, forderte G.F. Lambrecht, habe die Aufgabe „seine Burger in allem Betracht gesitteter, gesiinder, aufgeklârter, wohlhabender, sicherer zu machen, ihnen Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens zu verschaffen. “55
Diese individualistischen Forderungen des Biirgertums vermischten sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts mit dem absolutistischen Herrschaftssystem. Dieses deutsche Spezifikum der politischen Entwicklung fiihrte nun zum sogenannten
„aufgeklarten Absolutismus“, der das allmahliche Herausltisen der staatlichen Verwaltung aus den herrschaftlichen Interessen des Monarchen zur Folge hatte. Dieser konnte sich somit nicht liinger mit dem Staatswesen gleichsetzen, sondem unterlag nun auch Pflichten, die sich aus eben jenem Wandel im Staatsverstiindnis ergaben und durch die „Beforderung der Allgemeinen Wohlfahrt” bestimmt wurden.56 Die Veriinderung im Staatsdenken und daraus resultierender Regierungspraxis liisst sich besonders deutlich am Beispiel Preu8ens nachvollziehen, das unter der Regentschaft Friedrich II., der sich von den Ideen der Aufkliirung tief beeindruckt zeigte, stand. Die von diesem Kiinig, der auf Grund seiner intellektuellen und musischen Begabung den Beinamen „der Grofle“ erhielt57, eingeleiteten Reformen, die 1743 mit der Abschaffung der Folter begannen und 1794 in der
Verkiindung des „Allgemeinen Landrechts fiir die Preufiischen Staaten“ gipfelten, beeindruckten selbst Kant derart, dass er das Zeitalter der Aufklkrung mit dem „Jahrhundert Friedrichs“ gleichsetzte. 58
1.2.3 Das allgemeine Landrecht fiir die Preu0ischen Staaten
Das Bñrgertum, dem unter der Herrschaft Friedrichs II. Handel und Gewerbe weitgehend uberlassen wurde, wiilirend der Adel die Verwaltung bestimmte und weiterhin die hoheren Beamten stellte, empfand die Wohlfahrtsverwaltung des aufgekltirten Staates zunehmend als unzulassigen Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Dementsprechend wurden die Forderungen nach einer Gesetzgebung, an welche die Staatsgewalt grundsatzlich gebunden sein und willkiirlichen Zugriffen in die biirgerliche Privatsphiire vorbeugen sollte, immer lauter. Dieser wachsende Reformdruck veranlasste Friedrich II. zu Ma8nahmen, die zunachst die Justiz betrafen. Angesichts der herrschenden Unñbersichtlichkeit des aus verschieden Quellen gewonnen Rechts, verlangten Verstand und Ratio nach der Zusammenfassung des gesamten Rechts in einem einzigen Gesetzeswerk. 59
Mit dieser Aufgabe beauftragte Friedrich II. seinen Justizminister Graf von Carmer und dessen Mitarbeiter Carl Gottlieb Svarez 1780 zur Ausarbeitung eines allgemeinen Gesetzbuches. Als Vorbild hierzu diente das 1748 publizierte Werk Montesquieus „De l’esprit des Loix“, in dem der Weg zur Herrschaft des Gesetzes beschrieben ist, und das bereits die rechtsstaatlichen Elemente der Gewaltenteilung und der Unabhiingigkeit der Justiz entha1t.60 Wie bereits erwtihnt, war Friedrich II. von diesen Gedanken sehr beeindruckt und erkannte die Unabhiingigkeit der Rechtspflege in seinem bereits 1752 verfassten „Politischen Testament“ an:
„Ich habe mich entschlossen, niemals in den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens einzugreifen; denn in den Gerichtshofen sollen die Gesetze sprechen und der Herrscher soll schweigen.61
Auch wenn eine deutliche Diskrepanz zwischen diesen Au8erungen und der Praxis bestand — es wurden in seiner Regierungszeit insgesamt dreiunddrei0ig Eingriffe in das Strafrecht durch Machtspriiche registriert62 -, erweist sich dieses Bekenntnis doch als richtungsweisend fiir die zukiinftige Entwicklung zu einem Gesetzesstaat, in dem Dietmar Willoweit die wesentliche Vorbedingung zum Rechtsstaat sieht.63
Aus den Bestrebungen zu einem allgemeinen Gesetzbuch entwickelte sich das
„Allgemefne Landrecht fiir die Preuflischen Staaten“, das 1794 in Kraft trat. Es sollte die gesamte Rechtsordnung erfassen und regelte dementsprechend Zivil-, Handels-, Straf- und Staatsrecht. Das ALR enthielt Bestimmungen, die bis in die heutige Zeit als bedeutender Schritt auf dem Weg zum Rechtsstaat angesehen werden“: Rechtsstaatlich war die ausdriickliche Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz, wie sie in Svarez „Kronprinzenvortragen“ formuliert sind. Unter der Uberschrift „Pfiichten dev Regenten und Einschrankungen seiner Gewalt“ wurde der Monarch nun in seiner Handlungsfreiheit wesentlich eingeschrânkt:64 So diirfe dieser seine „Gewalt nur nach den vorhandenen allgemeinen Gesetzen ausiiben, weil Willkiir mit der Sicherheit des Eigentums und der Rechte nicht bestehen kann.“ Weiterhin diirfe er „die natiirliche Freiheit seiner Untertanen nur insoweit einschranken, als es notwendig ist, um die Sicherheit und Freiheit aller zu schutzen und aufrechtzuerhalten“ und auserdem miissten „ alle seine Handlungen [...] auf die Vermehrung und Erhaltung des allgemeinen Wohls abzielen. 65
Trotz dieses rechtsstaatlichen Gedankenguts fiillt das Urteil iiber die Bedeutung des ALR fiir die weitere Entwicklung des Rechtsstaats sehr zwiespiiltig aus: Hans Hattenhauer halt das ALR zwar fiir die entscheidende „ Vorstufe hin zum Rechtsstaat, ohne die nicht zu erreichen gewesen ware, was der burgerliche Rechtsstaat spater schaffte 66, gibt aber auch zu bedenken, dass die juristische und politische Praxis die neuen Postulate schlicht iibergangen, und dass auch die so gepriesene Leistung des ALR als erstes einheitliches Gesetzbuch nicht lange Bestand gehabt habe. So vollzog sich mit der Einfiihrung des Code Civil bereits 1804 die erneute Spaltung der „preuflischen Rechtslandschaft“.67
Kritisch fiillt auch das Urteil Werner Froetschers aus, der die ungeniigend verankerte Bindung der Staatsgewalt an die Gesetze als Ursache fiir die Diskrepanz zwischen
Theorie und Praxis ausmacht und darauf hinweist, dass jegliche Elemente einer Gewaltenteilung vtillig feh1ten.68 Einen tiefgreifenden Umbruch sieht dagegen Dietmar Willoweit im ALR, den er sozusagen als Initialziindung fiir die im friihen 19. Jahrhundert beginnende „Zeit der wirklich regelmafligen und luckenlosen Gesetzespublikationen“ interpretiert. In erster Linie „regierten nun Gesetze, und die Richter lernten, vor allem ihnen zu gehorchen, 69 so dass das von Montesquieu formulierte Ideal, der Richter solle „Mund dev Gesetzes“ sein, erreicht gewesen sei .70
1.3 Die Ausgestaltung des Rechtsstaats im 19. Jhd.
1.3.1 Materielles Rechtsstaatsdenken inn Deutschen Bund
1.3.1.1 Die Anfange des Konstitutionalismus
Nach dem Zusammenbruch des Heiligen Romischen Reiches und der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. verbanden sich in der ersten Hiilfte des 19. Jahrhunderts die Forderungen des Biirgertums nach einem Rechtsstaat mit der nach einem Verfassungsstaat. Man glaubte in einer politischen Ordnung, deren Einrichtungen und Eingriffsmoglichkeiten in einem Verfassungsdokument festgelegt waren, den eng begrenzten Staatszweck, nâmlich die Wahrung von Freiheit und Eigentum, am ehesten gesichert. 71 Das Verfassungsstreben implizierte aber weitere Forderungen, die iiber den Wunsch nach einer Uberschaubarkeit der Staatstatigkeit, also deren Gesetzmil8igkeit und Kontrollierbarkeit, hinausgingen. Gefordert wurde nun auch die Verteilung der staatlichen Funktionen auf verschiedene Organe, d.h. die Gewaltenteilung und die Beteiligung des Dritten Standes an der Gesetzgebung. 72 Waren also die rechtsstaatlichen Bestrebungen bisher vor allem auf die Gewiihrung von Grundrechten als wichtigste Sicherung der personlichen und wirtschaftlichen Freiheit gerichtet, so kamen nun in der Zeit des Vormtirz, mit dem Streben nach Parlamentarismus als einer gewaltenteilenden Regierungsform unter Mitwirkung des Volkes, handfeste politische und konstitutionelle Forderungen hinzu.73 In einer gewahlten Volksreprasentation, einem Parlament also, erhoffte man sich in Zukunft die Gesetze, mit denen allein Freiheit und Eigentum des Biirgers angetastet werden durften, selbst beschlie8en zu konnen.
Unter dem Druck dieser Forderungen des zur „Nation emporwachsenden Dritten Standes 74 folgten in einigen Staaten des Deutschen Bundes in der Phase des sogenannten Friihliberalismus zwischen 1814 und 1824 in kurzen Absttinden mehrere Verfassungen aufeinander, deren Besonderheiten in einer, fiir die deutsche konstitutionelle Monarchie charakteristischen, dualistischen Struktur bestand. Wahrend die ausiibende Gewalt, d.h. die Exekutive, weiter in der Hand des Monarchen lag, war der Herrscher durch die nun normierte Beteiligung der Volksvertretungen an Gesetzgebung und Haushaltsbewilligung nicht mehr in der Lage, von der Gesetzgebungsbefugnis eigenmachtig Gebrauch zu machen. Jedes Gesetz bedurfte nun in der Regel eines iibereinstimmenden Beschlusses von Monarch und Par1ament. 75 Diese durch die normierte Gewahrung von Biirgerrechten ergiinzte Errungenschaft, in welche die Exekutive nur unter besonderen Voraussetzungen eingreifen konnte, machte die Verfassungen vom Standpunkt des Biirgertums aus betrachtet za „Instrumenten der Innovation 76. Andererseits waren sie auch den Monarchien zur Selbsterhaltung und zur Verteidigung der eigenen Souverânitiit dienlich. In diesem Sinne wurde an entscheidender Stelle stets die Mitwirkung der monarchischen Gewalt vorausgesetzt. 77 Dieses sogenannte „monarchische Prinzip“ wurde in Art.57, der die Deutsche Bundesakte ergtinzenden Wiener Schlussakte vom 15.Mai 1820, formuliert und wurde daher gemeinsamer Verfassungsgrundsatz aller Staaten des Deutschen Bundes:
„Da der Deutsche Bund, mit Ausnahme der freien Stadte, aus souverânen Fiirsten besteht, so muss dem hierdurch gegebenen Grundbegriff zufolge, die gesamte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und der Souverân kann durch die landestândische Verfassung nur in Ausiibung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stânde gebunden werden. “78
Bezeichnend fair diesen Grundsatz war, dass die Verfassungen nur inn Ausnahmefall Wiimembergs Gegenstand eines echten Vertrages zwischen Monarch und
Volksvertretungen war.79 In der Regel wurden die Verfassungen, unter anderem in Bayern und Baden, vom Monarchen erlassen bzw. oktroyiert und besa8en somit nicht den Charakter von historisch notwendigen Kompromissen, sondern von
„gro0ziigigen“ Gewiihrungen, in denen sich die monarchische Gewalt freiwillig Begrenzungen aufer1egte.80 Durch die Verankerung des „ monarchischen Prinzips“, das die Souverânitiit des Herrschers gegeniiber der des Volkes absichem und die Gefahr eines parlamentarischen Regierungssystems abwehren sollte, wurde dem Monarchen, allen Mitwirkungsbefugnissen der Landsttinde zum Trotz, faktisch eine nahezu unbeschriinkte Stellung innerhalb des Verfassungsgefiiges gesichert. Da die Regierungen aber nicht bereit waren, verfassungsgemiis zu regieren und die in der Verfassung vorgesehenen Befugnisse der Landtage einzuriiumen8l, wurde die nach Selbstbestimmung strebende parlamentarische Bewegung durch „ bewusst installierte Gegengewichte (Erste Kammer, Staatsrat, Zensuswahlrecht), durch polizeiliche Unterdriickung der Opposition, Zensur und Entlassungen aus dem Staatsdienst“ behindert und blieb jahrzehntelang innerhalb der Schranken des vom Deutschen Bund errichteten Systems gefangen.82
So sehr das liberale Biirgertum auch von den Idealen Kants und Humboldts inspiriert war, zeigte sich doch bereits zu Beginn der Verfassungsbewegung in Deutschland dass sich diese Utopien nicht in die Praxis umsetzen lieEen. Wiihrend sich die beiden griiflten Staaten des Deutschen Bundes, Osterreich und Preuflen, einer Konstitution bis 1848 vollsttindig entzogen, wurde eine solche zwar in den meisten anderen verwirklicht. Von der mit ihr verkniipften Hoffnung aber, die Staatstiitigkeit auf die Wahrung der Rechtsordnung einseitig reduzieren zu kiinnen, musste man sich allerdings angesichts der real existierenden Machtverhiiltnisse schon friih verabschieden.83
1.3.1.2 Die Rechtsstaatslehre Robert von Mohls
Den Versuch, die idealistischen Rechtsstaatstheorien des Friihliberalismus mit den real existierenden Machtverhaltnissen in einen geordneten, staatsrechtlich vemiinftigen Zusammenhang zu bringen, unternahm erstmals Robert von Mohl. Seine Werke enthalten die erste Rechtsstaatslehre, die sowohl in ihren Prinzipien, als auch in ihren Einzelheiten analysiert und gegliedert sind.84 Mohls materieller Rechtsstaatsbegriff erschopft sich in der Rechtfertigung des Freiheitsprinzips.85 Oberster Grundsatz des Staates miisse die Wahrung der Freiheit und Selbsttindigkeit der in ihm lebenden Biirger sein. Der Rechtsstaat kiinne keinen anderen Zweck haben, als „das Zusammenleben des Volkes so zu ordnen, dass jedes Mitglied desselben in der moglichst freien und allseitigen hung und Benutzung seiner samtlichen Krafte unterstutzt und gefordert werde. 86
Rechtsstaatlichkeit sieht Mohl also nicht mehr in der „sachlichen Beschrankung der Staatstatigkeit“, sondern darin, dass „jede einzelne Handlung der staatlichen Organe jederzeit rechtlich fassbar“ gemacht, also „ in rechtliche Formen“ gekleidet sein miisse.87 Das wesentliche Element dieser Vorstellung von einem Rechtsstaat ist also die Gesetzmii£igkeit der Verwaltung. Welches Regierungssystem dabei gewiihlt werde, sei nicht entscheidend. Der Rechtsstaat kiinne sich „ in mancherlei Form“ entwickeln. Die Regierungsgewalt kiinne „Einem iibertragen sein, oder von Mehreren ausgeiibt werden.“ Gleichgiiltig sei auch, ob die „Regenten durch andere beschrânkt sind oder nicht.“ Wichtig sei nur, dass die „ materiellen Leistungen“ der jeweiligen Ordnung als rechtsstaatlich angesehen werden ktinnten.88 Obwohl es Mohl also vermeidet, sich auf eine bestimmte Regierungsform festzulegen, halt er die Rechtsstaatlichkeit wohl am ehesten in einem monarchischen Verfassungsstaat fiir umsetzbar. So ist er z. B. der Auffassung, dass die Verhiiltnisse in Wiirttemberg seit der Verfassung von 1819 ganz „unzweideutig“, so dass „ein Irrtum ganz undenkbar ist“, die eines Rechtsstaats seien.89
Die konstitutionelle Monarchie, die er unterstiitzt, ist unzweifelhaft eine Einzelherrschaft: Der Ktinig verhigt iiber alle Staatsgewalt, alle tiffentlichen Rechte, die sogenannten „ aktiven BediiFfnisse“, wohingegen seinen Untertanen „ nur negative zustehen“. Die Macht des Monarchen kennt nur eine einzige Beschrânkung: Vorschriften, welche die Rechte der Biirger „auf irgendeine Weise betreffen“ beniitigen die Zustimmung der Stiindevertretung.90 Die Justiz betrachtet er nicht als Gegengewicht zur Exekutive, sondern als Anstalt, durch die der Staat seine Funktion erf iil1t.91 Weder die Demokratie noch die montesquieusche Gewaltenteilung werden also mit dem Rechtsstaatsprinzip verkniipft.
Die Aufgabe des Rechtsstaats sei vor allem die „Aufrechterhaltung der Rechtsordnung. 92 Diese sei ein „Gut an sich“, legitimiere und limitiere alle staatliche Willensbildung und stehe damit iiber der Fiirstenmacht.93 Nicht vom Monarchen geht also die Staatsgewalt aus, sondern von der Verfassung. Diese erst iibertragt dem Fiirsten beschriinkte, aus dem Recht abgeleitete Macht. Dabei diente ihm offenbar die nordamerikanische Verfassungsentwicklung als Vorbild, die bereits „im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts sozusagen ein perfektes Modell einer vorrangigen und maflstablichen Verfassung“ hervorgebracht hatte.94
Anstelle des monarchischen Alleinwillens solle auf diese Weise eine „dreifache Stufenfolge von verbindlichen Vorschriften“ treten: Auf der ersten Stufe ist die Verfassung angesiedelt, auf der niichsten die Gesetze. Die Form des Gesetzes muss immer dann gewiihlt werden, wenn die Staatsmacht in die Rechte der Biirger einzugreifen gedenkt. Auf der dritten Stufe stehen die Verordnungen, die „ als blofle Ausfiihrungen von Gesetzen oder als Maflnahmen im gesetzesfreien Raum verstanden werden 95 Mit diesem Konzept der „Abstufung der Normen“ versucht Mohl die Verfassung vor Abiinderungen oder gar Aufhebung durch die gesetzgebende Gewalt zu schiitzen.96 Konsequent folgert er die Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze und die Beschriinkung des Gehorsams des Einzelnen auf den „blofl verfassungsmafligen Gehorsam .97 Fiir Mohl ist dieses Prinzip „namentlich im Rechtsstaate von der auflersten Wichtigkeit“. Der Rechtsstaat diirfe sich nicht als unfehlbar ausgeben und miisse immer auch mit seinem eigenen Unrecht rechnen. Daher sei eine institutionelle Schutzmafinahme unerliisslich:
„Der Staat hat nicht nw die Pflicht, das Eigentum und die sonstigen Rechte seiner Biirger gegen Vergewaltigungen und ungerechte Anspriiche anderer Privatpersonen zu schiitzen, sondern er muss natiirlfch auch selbst sich solchen Eingriffe enthalten. Da jedoch eine Verletzung dieser Pfiicht immerhin moglich ist, so hat eine Verfassung [...] die Aufgabe, auch hiergegen eine Schutzmaflregel aufzustellen. “98
Inn weiteren Verlauf der Darstellung der Entwicklung des Rechtsstaat wird sich noch herausstellen, dass das mohlsche Prinzip vom Vorrang der Verfassung gegeniiber dem einfachen Gesetz von entscheidender Bedeutung ist. Letzteres ist ein wesentliches Element einer materiellen Rechtsstaatstheorie, das mit dem Aufkommen des Rechtspositivismus von der spatkonstitutionellen Staatslehre des Kaiserreichs vehement abgelehnt wurde. 99 Paul Laband z. B., einer der ma8geblichen Staatsrechtslehrer des Kaiserreichs, sprach der Verfassung keine hohere Autoritiit als anderen Gesetzen zu, da es keinen hoheren Willen im Staat als den des Souveriins geben konne, in dem sowohl die Geltung der Verfassung wie die der Gesetze verwurzelt set:
„Die Verfassung ist keine mystische Gewalt, welche iiber dem Staat schwebt, sondern gleich jedem anderen Gesetz ein Willensakt des Staates und mithin nach dem Willen des Staates veranderlich. “100
Auch nach dem Ubergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie blieb dieses Verfassungsverstiindnis vorherrschend, so dass auch Gerhard Anschiitz die Vorstellung eines materiellen Vorrangs der Verfassung rigoros vemeinte:
„Die Verfassung steht nicht iiber der Legislative, sondern zur Disposition derselben. Insoweit ist die Verfassung in der Tat nur ein Gesetz wie ein anderes.“101
Wie folgenreich die im Zusammenhang mit stillschweigenden, aber anerkannten Verfassungsdurchbrechungen zum Ausdruck kommende Ablehnung eines Vorrangs der Verfassung speziell fiir die Weimarer Republik sein sollte, wird im Folgenden noch zu zeigen sein.
1.3.2 Die Formalisierung des Rechtsstaats
1.3.2.1 Die Folgen der „Deutschen Revolution“
Aufgrund der gescheiterten Revolution von 1848/49 musste das Biirgertum seine groben Ideen der Selbstverwaltung und des Parlamentarismus begraben. Auch die Hoffnung, den Traum eines freiheitlich verfassten Nationalstaats zu verwirklichen, musste aufgeschoben werden. Wofiir Viele seit Jahren gekampft und sich emotional engagiert hatten, war damit zerbrochen; ohnmachtig musste man dem Wiederaufbau des Deutschen Bundes zusehen: „Die realen Machte hatten sich gegen die Idee durchgesetzt. ”102 In dieser Enttauschung zog sich das liberale Biirgertum in die eigene Privatsphdre zuriick, womit gleichzeitig das Interesse an der Politik und deren Mitgestaltung schwand. Man begann zu akzeptieren, was die Vertreter der Gegenrevolution immer behauptet hatten, „namlich dass Idealismus ohne reale Macht auf Sand gebaut set und — eine verhangnisvolle These — dass Parlamente zu effektiver politischer Arbeit nicht fahig seien .”103
[...]
1 Der Brockhaus. Die Enzyklopadie, 18.Band., Leipzig — Mannheim 1998, 20. Aufl., S. 737.
2 von Gneist, Rudolf: Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, Berlin 1879, 2. Aufl., S. 268.
3 Preu8, Hugo: Liberale und autokratische Revolutionare, in: Staat, Recht und Freiheit. Aus 40 Jahren deutscher Politik und Geschichte, Tabingen 1926, S. 520.
4 Staatslexikon: Recht — Wirtschaft — Staat, Gorres — Gesellschaft (Hrsg.), 4.Band., Freiburg 1988, 7.Aufl., S. 723.
5 Hart, H.L.A.: Positivismus und die Trennung von Recht und Moral, in: Ders.: Moral und Recht, Gfittingen 1971, S. 53.
6 Sarcevic, Edin: Begriff und Theorie des Rechtsstaats (in der deutschen Staats- und Rechtsphilosophie) vom aufgeklarten Liberalismus bis zum Nationalsozialismus, Saarbriicken 1991, S. 4.
7 Staatslexikon, 2. Band, S. 268 ff., siehe auch Portner, Erich: Die Verfassungspolitik der Liberalen 1919, Bonn 1973, S. 163.
8 Hannover, Heinrich / Hannover-Driick, Elisabeth: Politische Justiz 1918 — 1933, Bornheim-Merten 1987, mit einer Fiille von Belegen. Siehe auch Rasehorn, Theo: Justizkritik in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 1985, der Schwerpunkt liegt hier allerdings auf der Untersuchung der Kommentare in der Zeitschrift „Die Justiz“, Organ des Republikanischen Richterbundes.
9 Vgl. Lang, Dieter: Staat, Recht und Justiz inn Kommentar der Zeitschrift Die Weltbiihne, Frankfurt a. M. 1996.
10 Kuttner, Erich: Warum versagt die Justiz, Berlin 1921.
11 Ders.: Bilanz der Rechtsprechung, Berlin 1922.
12 Acht Jahre politische Justiz, Hrsg. von der Deutschen Lfga fiir Menschenrechte, Berlin 1927.
13 Gumbel, Emil Julius: Zwei Jahre politischer Mord, Berlin 1921, S. 54,
14 Jasper, Gotthard: Justiz und Politik in der Weimarer Republik, in: Vierteljahreshefte fiir Zeitgeschichte, 30. Band (1982), Heft 2, S. 172.
15 Kuhn, Robert: Die Vertrauenskrise der Justiz, Koln 1983.
16 Tucholsky, Kurt: Deutsche Richter, in: Ders.: Gesammelte Werke, S. Band (1927), Hamburg 1975, S. 209.
17 Bockeftirde, Ernst Wolfgang: Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, in: Ehmke, Horst / Schmid, Carlo / Scharoun, Hans (Hrsg.):Festschrift fiir Adolf Arndt, Frankfurt a. M. 1969, S. 55.
18 Stammen, Theo: Der Rechtsstaat. Idee und Wirklichkeit in Deutschland, Miinchen 1977, 5.Aufl., S. 25.
19 Bockenkirde, S. 55.
20 Stolleis, Michael: Geschichte des iiffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Band, Miinchen 1992, S. 143.
21 Barrto, Alessandro: Zur Entwicklung des modernen Rechtsstaatsbegriffs, in: Liber amicorum B.C.H. Aubin, Kehl am Rhein/Stra8burg 1979, S. 1.
22 Sarcevic, S.3.
23 Brockhaus, S. 157.
24 Karpen, Ulrich: Die geschichtliche Entwicklung des liberalen Rechtsstaates. Vom Vormiirz bis zu Grundgesetz, Mainz 1985, S. 68.
25 Sarcevic, S. 3.
26 Sobota, Katharina: Das Prinzip Rechtsstaat, Tiibingen 1997, S. 308.
27 Gneist, Der Rechtsstaat, S. 331.
28 Sarcevic, S. 118.
29 Sobota, S. 268.
30 Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten, Stuttart 1990, S. 184.
31 Sobota, S. 270.
32 Ebd., S. 272.
33 Kant, Metapysik der Sitten, S. 167.
34 Ebd. S. 170.
35 Ebd.’ S. 171.
36 Ebd.’ S. 171.
37 Ebd S. 169
38 Ebd:, S. 204:
39 Ebd. S. 204.
40 Ebd., S. 204.
41 Sarcevic, S. 130.
42 Stammen, S. 122.
43 Humboldt, Wilhelm: Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, Breslau 1851.
44 Sarcevic, S. 146.
45 Sobota, S. 274.
46 Ebd.
47 Ebd.
48 Ebd., S. 273f.
49 Justi, Die Natur und das Wesen der Staaten, als die Grundwissenschaft der Staatskunst, der Policen und aller Regierungswissenschaften, desgleichen als die Quelle aller Gestze, abgehandelt, Berlin/Stettin/Leipzig, 1760, S. 220/221.
50 Humboldt, S. 39, S. 53ff.
51 Sarcevic, S. 152.
52 Vierhaus, Rudolf: „Sie und nicht wir.“ Deutsche Urteile iiber den Ausbiuch der Franzosischen Revolution, in : Ders.: Deutschland inn 18.Jahrhundert, G6ttingen 1987, S. 202f.
53 Ebd. S. 203.
54 Kant, Immanuel: Metaphysische Anfangsgriinde der Rechtslehre, Kfinigsberg 1798, 2. Aufl., S. 206.
55 Zitiert aus Hartung, Fritz: Staatsbildende Kriifte der Neuzeit, Berlin 1961, S. 158.
56 Froetscher, Werner / Pieroth, Bodo: Verfassungsgeschichte, Miinchen 1999, 2. Aufl., S. 60.
57 Brockhaus, 7.Band, S. 676.
58 Froetscher/Pieroth, S. 59.
59 Ebd., S. 70.
60 Willoweit, Dietmar: War das Kiinigreich PreilJ3en ein Rechtsstaat? In: Schwab, Dieter (Hrsg.):Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft: Festschrift zum 65.Geburtstag von Paul Mikat, Berlin 1989, S. 451.
61 Volz, G.B.(Hrsg.): Die Werke Friedrich des Grofien, 7.Band: Antimachiavell und Testament, Berlin 1912, S. 243.
62 Froetscher, S. 67.
63 Willoweit, S. 456.
64 Stammen, S. 43.
65 Hattenhauer, Hans: Preufien auf dem Weg zum Rechtsstaat, in: Wolff, Jorg (Hrsg.): Das Preufiische Allgemeine Landrecht. Politische, rechtliche und soziale Wechsel- und Folgewirkungen, Heidelberg 1995, S. 55.
66 Ebd. S. 67.
67 Ebd., S. 66.
68 Froetscher / Pieroth, S. 76.
69 Willoweit, S. 458.
70 Ebd., S. 456.
71 Stammen, S. 41.
72 Ellwein, Thomas: Das Erbe der Monarchie in der deutschen Staatskrise — Zur Geschichte des Verfassungsstaates in Deutschland, Miinchen 1954, S. 26.
73 Karpen, Ulrich: Die geschichtliche Entwicklung des liberalen Rechtsstaates. Vom Vormiirz bis zum Grundgesetz, Mainz 1985, S. 68f.
74 Stolleis, Geschichte, 2. Band, S. 102.
75 Uhlenbrock, Henning: Der Staat als juristische Person. Dogmengeschichtliche Untersuchungen zu einem Grundbegriff der deutschen Staatsrechtslehre, Berlin 2000, S. 23f.
76 Stolleis, Geschichte, 2. Band, S. 100.
77 Ebd.
78 Zitiert aus Uhlenbrock, S. 24.
79 Froetscher, S. 137.
80 Stolleis, Geschichte, 2. Band , S. 100.
81 Ellwein, S. 68.
82 Stolleis, Geschichte, 2. Band , S. 100.
83 Stammen, S. 134.
84 Sobota, S. 308.
85 Sarcevic, S. 235.
86 Ebd., S. 8.
87 Angermann, Erich: Robert von Mohl 1799-1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehtrten, Neuwied 1962, S. 113.
88 Mohl, Robert von: Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsatzen des Rechtsstaats, 1. Band, Tiibingen 1845, 2. Auf1., S. 8f.
89 Ders.: Staatsrecht des Ktinigreichs Wiirttemberg, 1. Band, Tiibingen 1840, S. 88.
90 Ebd., S. 67f.
91 Sobota, S. 312
92 Mohl, Robert von: Enzyklopiidie der Staatswissenschaften, Tiibingen 1859, S. 324.
93 Ebd.
94 Wahl, Reiner: der Vorrang der Verfassung, in: der Staat 20. Band (1981), S. 488.
95 Sobota, S. 312.
96 Wahl, S. 492.
97 Mohl, Staatsrecht, S. 323f.
98 Mohl, Enzyklopiidie, S. 392.
99 Wahl S. 492.
100 Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Band, Berlin 1911, 5. Aufl., S. 39.
101 Anschiitz, Gerhard: Die Verfassung des Deutschen Reiches, Berlin 1933, 14. Aufl., S. 371.
102 Stolleis, Geschichte, 2. Band, S. 275.
103 Ebd.
- Arbeit zitieren
- Andreas Albrecht (Autor:in), 2003, Rechtsstaatliches Denken und juristische Praxis in der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/975139
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.