Wer kann es besser – der Staat oder die private Wirtschaft? Die grundlegende Frage, ob relevante Infrastruktur wie die Eisenbahn in staatliche oder private Hände gehört, ist kontrovers. Je nach dem gerade vorrangigen volkswirtschaftlichen und politischen Verständnis eines Landes und der Zufriedenheit mit dem Eisenbahnsystem, kann ein Ruf nach Privatisierung – oder auch nach einer Rückverstaatlichung – schnell auf die politische Agenda geraten. Ein genauer Blick in das privatisierte britische und das staatliche österreichische Eisenbahnsystem soll Aufschluss geben.
Mehr als zehn Jahre sind bereits vergangen, seit die Deutsche Bahn unter ihrem damaligen Chef Hartmut Mehdorn privatisiert werden sollte. In letzter Minute wurden die Pläne vom damaligen Finanzminister Peer Steinbrück gestoppt. Aufgrund der 2008 kursierenden Finanzkrise hätte der Börsengang der DB nur etwa die Hälfte der ursprünglich geplanten Erlöse eingebracht. Seither ist die bereits in der Bahnreform von 1994 geplante Privatisierung in Deutschland nicht weiterverfolgt worden.
Dennoch ist die grundlegende Frage, ob solch relevante Infrastruktur in staatliche oder private Hände gehört, latent vorhanden. Je nach dem gerade vorrangigen volkswirtschaftlichen und politischen Verständnis eines Landes und der Zufriedenheit mit dem Eisenbahnsystem, kann ein Ruf nach Privatisierung – oder auch nach einer Rückverstaatlichung – schnell auf die politische Agenda geraten. Ein Beispiel für Letzteres gab es jüngst in Großbritannien. Dort fährt die bis dato private Northern Rail als Teil des liberalisierten Eisenbahngeflechts seit März dieses Jahres wieder unter staatlicher Kontrolle.
Inhaltsverzeichnis
Gender-Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Wer kann es besser - der Staat oder die private Wirtschaft?
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Ursachen von Marktmacht
2.1.1 Unteilbarkeiten
2.1.2 Weitere mögliche Ursachen von Marktmacht
2.2 Natürliche Monopole
2.2.1 Subadditivität
2.2.2 Irreversibilität
2.2.3 Regulierungsbedarf
2.2.4 Contestability
2.3 Daseinsvorsorge und Äquivalente
2.3.1 Großbritannien
2.3.2 Österreich
2.4 Netzsektoren, Netzdienstleistungen und Netzinfrastrukturen
2.4.1 Ökonomische Charakteristika von Netzinfrastrukturen
2.4.2 Netzexternalitäten
2.4.3 Größenvorteile in Netzen
2.4.4 Besonderheiten des Eisenbahnsektors
2.4.5 Aufbau von Eisenbahnsystemen (Drei-Ebenen-Schema)
3 Privatisierung von Staatsunternehmen am Beispiel der British Rail
3.1 Eisenbahn in Großbritannien
3.1.1 Geschichte
3.1.2 Heutige Struktur
3.2 Motive und Ziele der Privatisierung
3.2.1 New Opportunities for the Railways
3.2.2 Ziele
3.3 Umsetzung der Privatisierung
3.4 Erfolge und Probleme
3.4.1 Erfolge
3.4.2 Probleme
3.5 Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
4 Österreichische Bundesbahnen - vom Kombinat zum Staatsunternehmen
4.1 Eisenbahn in Österreich
4.1.1 Geschichte
4.1.2 Heutige Struktur
4.2 Motive für die Fortführung als Staatsunternehmen
4.3 Reformen und Modernisierung
4.4 Erfolge und Probleme
4.4.1 Erfolge
4.4.2 Probleme
4.5 Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
5 Eisenbahn in Deutschland
5.1 Geschichte
5.2 Heutige Struktur
5.3 Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
6 Privatisierung der Deutschen Bahn - eine gute Idee?
6.1 Effizienz und Kundenorientierung
6.2 Daseinsvorsorge versus unternehmerisches Handeln
6.3 Staat in der Verantwortung
6.4 Intransparente Tarifstrukturen und fehlende Koordination
7 Fazit und abschließende Bewertung
8 Literaturverzeichnis
9 Onlinequellenverzeichnis
Gender-Erklärung
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung Konstituierende Merkmale natürlicher Monopole
Abbildung Markteinteilung anhand der Ausprägung von Irreversibilität und Subadditivität
Abbildung Grenzen des natürlichen Monopols
Abbildung Anteile der Verkehrsträger am Personenverkehr in Deutschland (2018)
Abbildung Das Drei-Ebenen-Schema von Eisenbahnsystemen
Abbildung Ticketpreise im europäischen Vergleich (Cent/km; 2019)
Abbildung Organigramm des DB-Konzerns
Abbildung Anteil pünktlicher Züge im SPNV und SPFV auf den Strecken der DB Netz AG (2014-2018)
Tabellenverzeichnis
Tabelle Netzinfrastrukturen und Netzdienstleistungen
Tabelle Kennzahlen im Überblick - Österreich, Großbritannien und Deutschland
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Wer kann es besser - der Staat oder die private Wirtschaft?
Mehr als zehn Jahre sind bereits vergangen, seit die Deutsche Bahn unter ihrem damaligen Chef Hartmut Mehdorn privatisiert werden sollte. In letzter Minute wurden die Pläne vom damaligen Finanzminister Peer Steinbrück gestoppt. Aufgrund der 2008 kursierenden Finanzkrise hätte der Börsengang der DB nur etwa die Hälfte der ursprünglich geplanten Erlöse eingebracht. Seither ist die bereits in der Bahnreform von 1994 geplante Privatisierung in Deutschland nicht weiter verfolgt worden.1
Dennoch ist die grundlegende Frage, ob solch relevante Infrastruktur in staatliche oder private Hände gehört, latent vorhanden. Je nach dem gerade vorrangigen volkswirtschaftlichen und politischen Verständnis eines Landes und der Zufriedenheit mit dem Eisenbahnsystem, kann ein Ruf nach Privatisierung - oder auch nach einer Rückverstaatlichung - schnell auf die politische Agenda geraten. Ein Beispiel für letzteres gab es jüngst in Großbritannien. Dort fährt die bis dato private Northern Rail als Teil des liberalisierten Eisenbahngeflechts seit März dieses Jahres wieder unter staatlicher Kontrolle.2
Dieses aktuelle Beispiel zeigt die permanente Aktualität des Themas. Darüber hinaus ist das Kreuzungsprodukt der Themengebiete Eisenbahn und Privatisierung ein Arbeitsfeld, das ein hohes Maß an gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Tragweite, Kontroversität und Politisierung aufweist.
Einerseits umfasst es das Thema Eisenbahn, zu dem jeder Mensch einen unmittelbaren Bezug herstellen kann. Es war eine disruptive Technologie, die durch enorme Effizienzsteigerungen im 19. Jahrhundert landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaften den Weg zu Industrienationen ebnete.3 Angesichts von ambitionierten Klimazielen und überlasteten Straßen, steht die Bahn als umweltfreundliches Fortbewegungsmittel aktuell wieder verstärkt im Fokus von Gesellschaft und Politik.
Neben fiskalpolitischen Überlegungen und dem Ziel von Effizienzsteigerungen, erstreck sich das Themengebiet Privatisierung auch meist auf eine politische und ideologische Ebene.4 Dies trifft umso mehr zu, wenn Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge der Gegenstand solcher Überlegungen sind. Die Neoliberalen sehen im staatlichen Handeln vorrangig Wohlfahrtsverluste, und wollen dem Markt wie Adam Smith der „unsichtbaren Hand“ überlassen.5 Dagegen sehen die Kritiker in der Privatisierung den Ausverkauf des Staates, die privaten Akteuren die Fähigkeit zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben absprechen.6
Im Wesentlichen lautet die Streitfrage: Wer kann es besser - der Staat oder die private Wirtschaft? Ziel dieser Masterarbeit ist es, sich der Antwort auf diese Frage soweit wie möglich anzunähern.
Die Komplexität des Themas wird bereits bei der Erörterung der theoretischen Grundlagen im zweiten Teil dieser Arbeit deutlich, die sich von Marktstrukturen und natürlichen Monopolen über die staatliche Daseinsvorsorge bis hin zu den zahlreichen Spezifika von Netzen erstrecken.
Das dritte und vierte Kapitel dieser Arbeit umfasst die positive Analyse. Dabei werden mit dem britischen und dem österreichischen Eisenbahnsystem zwei grundlegend unterschiedliche Ansätze gegenübergestellt. Während die Eisenbahnen in Österreich weitgehend in staatlicher Hand sind, verfügt Großbritannien über ein System, das in den 90er-Jahren radikal privatisiert wurde. Nachdem in beiden Fällen die Geschichte und der heutige Aufbau des Eisenbahnwesens erläutert wurde, steht insbesondere folgende Frage im Fokus: Was waren die Motive für - beziehungsweise gegen - die Privatisierung der Eisenbahn in beiden Staaten und welche Folgen sind damit verbunden?
Im fünften und sechsten Teil weiten wir den Blick auf Deutschland, wo eine Privatisierung der Eisenbahn unmittelbar bevorstand. Es werden Rückschlüsse aus den Entwicklungen in beiden Ländern auf das deutsche Eisenbahnsystem gezogen, um am Ende der Arbeit mit einem Fazit zu schließen.
2 Theoretische Grundlagen
Lange Zeit galt der Schienenverkehr als altmodisch und im Vergleich zu Pkw und Flugzeug als wenig wettbewerbsfähig. Doch dank der anhaltenden Klimadebatte und der Notwendigkeit neuer Mobilitätskonzepte erfährt die Eisenbahn seit einigen Jahren eine Renaissance.7 Ob Auslaufmodell oder Zukunftstechnologie - der Eisenbahnsektor weißt zahlreiche Besonderheiten auf, die eine spezifische Betrachtung dieses komplexen Systems erfordern. Daher werden im Folgenden zunächst die zugrundeliegenden theoretischen Aspekte der Thematik erörtert.
2.1 Ursachen von Marktmacht
In vielen Bereichen gilt die atomistische Struktur des Polypols, bei der am Markt viele Anbieter auf viele Nachfrager treffen, aus volkswirtschaftlicher Sicht als wünschenswert. Reger Wettbewerb zwischen den Akteuren sowie die geringe Marktmacht des Einzelnen führen zu vollständiger Konkurrenz. Auf beiden Seiten des Marktes kann der Teilnehmer den Preis nicht direkt beeinflussen. Sowohl Anbieter als auch Nachfrager agieren als Preisnehmer und können lediglich die Menge an Gütern anpassen, die sie nachfragen beziehungsweise anbieten.8
Dieses Modell der vollständigen Konkurrenz trifft in der Realität auf zahlreichen Märkten jedoch nicht - beziehungsweise nur in Teilen - zu. Aus verschiedenen Gründen kann es auf beiden Seiten des Marktes zu einer Konzentration der Marktmacht kommen. Überhöhte Preise, zu geringe Mengen oder eine relativ schlechte Qualität sind mögliche nachteilige Folgen für die Marktgegenseite. Eine extreme Ausprägung der Machtkonzentration ist das natürliche Monopol (siehe 2.2), das aber nicht die Regel darstellt.9
Marktmacht kann vielfältige Gründe haben. Im Folgenden werden Ursachen erläutert, die insbesondere netzgebundenen Organisationen wie Eisenbahnen zu einer starken Marktstellung verhelfen.
2.1.1 Unteilbarkeiten
Gewöhnlich resultieren Unteilbarkeiten daraus, dass die Kapazität gewisser Ressourcen nur in großen Sprüngen variiert werden kann, was meist auf technische Gründe zurückzuführen ist. Beispielhaft können hier Infrastrukturen wie Stromtrassen, Straßen und Schienenwege genannt werden.
Liegen Unteilbarkeiten vor, sind abnehmende Durchschnittskosten bei der Erstellung eines Gutes die Regel. Diese Größenvorteile werden als grundlegende Ursache für Marktmacht betrachtet, und haben verschiedene Ursachen:
2.1.1.1 Economies of Scale (steigende Skalenerträge)
Steigende Skalenerträge bezeichnen Fälle von Unteilbarkeiten, in denen eine proportionale Erhöhung des Inputs an Produktionsfaktoren eine überproportionale Steigerung des Outputs zur Folge hat.10 Economies of Scale beruhen häufig auf einem oder mehreren der folgenden Effekte:
- Mindesteinsatzmengen bei den Produktionsfaktoren
Mindesteinsatzmengen bei den Produktionsfaktoren sind in der Realität die wohl häufigste Ursache. Wird die Auslastung gesteigert, können die fixen Kosten auf eine größere Ausbringungsmenge umgelegt werden (Fixkosten-Degression).
- Zwei-Drittel-Regel
Gemäß der Zwei-Drittel-Regel bringt eine Verdoppelung der Kapazität bestimmter Kapitalgüter einen Anstieg der Materialkosten von nur etwa zwei Dritteln mit sich.
- Stochastische Größenersparnisse
Mit steigender Betriebsgröße gehen stochastische Größenersparnisse einher. Nach dem Gesetz der großen Zahlen werden Abweichungen vom Durchschnitt unwahrscheinlicher. Zufallsbedingte Ereignisse lassen sich so leichter kalkulieren.
- Lernkurveneffekte
Lernkurveneffekte resultieren aus den Erfahrungen der bereits hergestellten Güter. Je größer die bereits produzierte Menge eines Gutes ist, desto geringer sind seine Stückkosten. Hier handelt es sich im Gegensatz zu den vorherigen Größenvorteilen um einen dynamischen Effekt, der im Zeitverlauf variiert.11
2.1.1.2 Economies of Density (Dichteeffekte, Bündelungsvorteile)
Dichteeffekte beschreiben sinkende Kosten bei der Versorgung eines zusätzlichen Nachfragers mit einem bestimmten Gut. So ist in einer Stadt mit einem vorhandenen Stromnetz der Anschluss eines zusätzlichen Haushalts günstiger zu realisieren als bei einem Bauernhof, der mehrere Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt liegt (Agglomerationsvorteile).12 Dieser Effekt tritt ausschließlich in Netzstrukturen auf, und ist als ein Spezialfall der Economies of Scale anzusehen.13
2.1.1.3 Economies of Scope (Verbundvorteile)
Unter Economies of Scope versteht man Kostenvorteile, die sich aus Komplementaritäten bei der Parallelproduktion von mindestens zwei unterschiedlichen Gütern ergeben. Diese Verbundvorteile kommen insbesondere durch folgende Effekte zu Stande:
- Kuppelproduktion
Aus technischen Gründen entstehen bei bestimmten Produktionsprozessen, abgesehen vom eigentlichen Gut, zwangsläufig weitere Güter. Ein Beispiel für eine Kuppelproduktion ist das Raffinieren von Erdöl. Neben Benzin entsteht auch Heizöl, Schweröl und Bitumen.
- Kapazitätsauslastung
Anlagen und Kapazitäten mit einer geringen Auslastung können bei gegebener Kompatibilität für die Produktion anderer Güter eingesetzt werden. Beispielsweise können EDV-Anlagen sowie Transport- und Kommunikationsnetze grundsätzlich flexibel eingesetzt werden.
- Portfolioeffekte
Die Etablierung eines neuen Produkts ist von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Markteinführung mit erheblichen Kosten und somit Risiken verbunden. In einem Mehrproduktunternehmen kann dieses Risiko besser diversifiziert werden, als wenn der Unternehmenserfolg von einem einzigen Produkt abhängt.14
2.1.1.4 Essential Facilities
Subadditivität und Irreversibilität (siehe 2.2.1 und 2.2.2) sind grundlegende Merkmale eines natürlichen Monopols. Sie beschränken sich dabei häufig auf einzelne Wertschöpfungsstufen und betreffen nicht die gesamte Wertschöpfungskette bei der Erstellung einer Leistung. Im Fall der Eisenbahnen stellt beispielsweise das Schienennetz den monopolistischen Engpass dar. Wettbewerb auf vorgelagerten (z. B. Herstellung von Zügen) oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (z. B. Angebot von schienengebundenen Dienstleistungen) ist grundsätzlich möglich. Kann der monopolistische Engpass von Anbietern auf den vor- und nachgelagerten Märkten nicht umgangen werden, stellt dieser Engpass eine Essential Facility (notwendige Voraussetzung) für ein mögliches Angebot dar.
In diesem Fall besteht die Gefahr, dass ein Monopolist seine Macht auf vor- und nachgelagerte Märkte ausweitet. Hier ist es Aufgabe des Staates, die Aktivitäten des Monopolisten durch geeignete Maßnahmen auf den subadditiven und irreversiblen Bereich zu begrenzen. Gerade bei Netzinfrastrukturen wie Telekommunikation, Transport und Energieversorgung handelt es sich in einer Vielzahl der Fälle um Essential Facilities.15
2.1.2 Weitere mögliche Ursachen von Marktmacht
Im vorherigen Kapitel wurde dargelegt, wie sich Unteilbarkeiten auf das Machtgefüge in einem Markt auswirken können. Neben Unteilbarkeiten gibt es jedoch noch weitere Ursachen, die eine Konzentration von Marktmacht zur Folge haben.
2.1.2.1 Staatliche Marktzugangsbeschränkungen
Auf bestimmten Märkten wurde - beziehungsweise wird - die atomistische Struktur des Polypols aus volkswirtschaftlichen Gründen als nicht wünschenswert betrachtet. In diesen Fällen wird die Anzahl an Konkurrenten durch staatliches Lenken minimiert. Mithilfe objektiver Marktzugangsbeschränkungen kann der Markteintritt von Wettbewerbern generell unterbunden werden.16
Lange Zeit galt die Daseinsvorsorge als klassisches Feld solcher Marktzugangsbeschränkungen. Mit dem Ausschluss privater Wettbewerber wollte man eine einheitliche Gestaltung dieser Bereiche im Interesse des Gemeinwohls errei- chen.17 Das staatliche Lenken über einen langen Zeitraum brachte insbesondere für die netzgebundenen Dienstleistungen ein hohes Maß an Stabilität und Statik mit sich. Ziel der öffentlichen Monopole war die Bereitstellung eines universellen und kontinuierlichen Leistungsangebotes.
Seit den 1980er-Jahren entfernte man sich jedoch zunehmend vom Denken in Monopolstrukturen. Die Sicherung der Gemeinwohlinteressen soll primär durch neue Formen staatlicher Regulierung gewährleistet werden.18 Der Staat beschränkt sich zunehmend auf das Setzen der Spielregeln und gewährt privaten Initiativen den Vorrang. Nur in begründeten Ausnahmen soll auf staatliches Handeln zurückgegriffen werden.19
Im Falle solcher subjektiven Marktzugangsbeschränkungen ist ein Markteintritt grundsätzlich möglich, aber es müssen definierte Voraussetzungen erfüllt werden. Auch in diesem Fall ist die Bestreitbarkeit des Marktes erheblich eingeschränkt. Sofern Unternehmen die Auflagen für den Marktzutritt erfüllen, ist Wettbewerb jedoch möglich.20 Den ehemals staatlichen Monopolen wie Post, Bahn und Telekommunikation wird nicht länger uneingeschränkter Vorrang gegenüber privaten Lösungen gewährt.21
2.1.2.2 Innovationsvorsprünge
Innovationsvorsprünge können in erheblicher Weise zur Marktmacht von Unternehmen beitragen. Dieser Wettbewerbsvorteil ermöglicht innovativen Unternehmen das Erzielen von Pioniergewinnen durch Setzung relativ hoher Preise. Die Aussicht auf diese Pioniergewinne relativiert die großen Aufwendungen für Forschung, Entwicklung und das Risiko der Innovationsaktivitäten. Die potenziellen Gewinne durch Wettbewerbsvorteile sind eine wesentliche Triebfeder für In- novationsanstrengungen.22
Der Innovationsdruck kann von Markt zu Markt stark variieren und wird insbesondere durch die Wettbewerbssituation auf dem jeweiligen Markt bestimmt. Da ist es wenig überraschend, dass die öffentlichen Unternehmen in den Netzsektoren unter Monopolbedingungen als nicht besonders innovativ galten. Durch die sukzessive Liberalisierung und Privatisierung der Märkte ist der Innovationsdruck jedoch stark gestiegen.23
2.1.2.3 Unzulässige Wettbewerbspraktiken
Innovationsvorsprünge und staatliche Marktzugangsbeschränkungen sind zulässige - und aus staatlicher beziehungsweise unternehmerischer Sicht sogar wünschenswerte - Ursachen von Marktmacht. Um die Vorteile einer starken Stellung am Markt ausnutzen zu können, greifen Unternehmen aber auch immer wieder auf unzulässige Wettbewerbspraktiken zurück. Das Unterbinden solcher wettbewerbsgefährdenden Verhaltensweisen ist Aufgabe der staatlichen Wettbewerbspolitik. Sie umfasst Maßnahmen wie:
- das Verhindern wettbewerbsbeschränkender Absprachen (Kartelle),
- das Verhindern unfairer Geschäftspraktiken,
- das Unterbinden der Ausnutzung von Marktmacht gegenüber der Marktgegenseite, und
- die Fusionskontrolle von Unternehmen mit erheblicher Marktmacht.
Die Wettbewerbspolitik fand maßgeblich auf nationaler Ebene statt. Die wichtigste rechtliche Grundlage in Deutschland ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957, das zuletzt 2017 angepasst wurde. Die nationalen Gesetze wurden aber zunehmend auf EU-Ebene harmonisiert, um das Ziel der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes zu unterstützen.24
2.2 Natürliche Monopole
Eingangs wurde das natürliche Monopol als eine extreme Form der Machtkonzentration bereits genannt. Es beschreibt eine Marktsituation, in der die Skaleneffekte innerhalb eines einzelnen Unternehmens im Verhältnis zur Größe eines bestimmten Marktes so erheblich sind, dass langfristig nur ein Unternehmen im Wettbewerb bestehen kann.25
Ein natürliches Monopol entsteht, wenn Subadditivität im relevanten Bereich der Kostenfunktion gegeben ist und Irreversibilität vorliegt. Subadditivität muss somit nicht über den gesamten Kostenverlauf hinweg vorliegen, sondern lediglich im relevanten Bereich, in dem eine Nachfrage besteht.26
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Klaus, S. (2009). Deregulierung der netzbasierten Infrastruktur. Norderstedt: Books on Demand. (S. 171).
2.2.1 Subadditivität
Subadditivität liegt vor, wenn die Produktion von Teilmengen durch unterschiedliche Hersteller höhere Gesamtkosten verursacht, als die Produktion der Gesamtmenge in der Hand eines einzelnen Herstellers. Subadditivität bezeichnet also eine Situation, in der ein Anbieter eine bestimmte Nachfrage kostengünstiger und somit effizienter befriedigen kann als mehrere Anbieter gemeinsam. Eine Kostenfunktion ist subadditiv, wenn die folgende Ungleichung erfüllt ist und mindestens zwei Xm größer Null sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Subadditivität ist als ein Überbegriff zu verstehen, der alle in der Realität vorhandenen Fälle von Unteilbarkeiten umfasst. Es handelt sich daher um einen allgemeinen Ansatz, der spezifischere Fälle wie Größenvorteile und natürliche Monopole miteinschließt.27
Subadditivität und natürliche Monopole wurden lange Zeit synonym verwendet. Mit dem Konzept der Irreversibilität (und der darauf basierenden Contestability) erfolgte jedoch eine Präzisierung und eine bessere Abgrenzbarkeit der beiden Begriffe.28
2.2.2 Irreversibilität
Neben der Subadditivität ist Irreversibilität das zweite konstituierende Kriterium eines natürlichen Monopols, und beschreibt die Unumkehrbarkeit gewisser Ent- scheidungen.29 Im vorliegenden Zusammenhang bezieht sich diese Eigenschaft insbesondere auf Aufwendungen für Investitionen, die - sobald sie einmal getätigt wurden - nicht ohne erhebliche Einbußen rückgängig gemacht werden können (Sunk Costs). Diese Problematik resultiert daraus, dass bestimmte Investitionen auf eine konkrete Verwendung beschränkt sind. Eine spätere Überführung dieser Ressourcen für eine andere Nutzung oder ein Verkauf würde mit erheblichen Produktivitäts- bzw. Wertverlusten einhergehen. Die Höhe zu erwartender Sunk Costs steigt mit dem Spezialisierungsgrad der betreffenden Ressourcen beziehungsweise dem nötigen Aufwand, um sie anderen Verwendungen zuführen zu können.30
Beispielhaft kann hier die Infrastruktur eines Bahnunternehmens betrachtet werden. Verlegte Gleise können ausschließlich für den Verkehr von Zügen verwendet werden. Ein Nutzungstransfer ist kaum möglich. Wird die Trasse stillgelegt, entstehen erhebliche Sunk Costs, da die ursprünglich entstandenen Aufwendungen allenfalls durch Liquidationserlöse (Materialwert der Gleise) gemindert werden. Anders sieht es bei Immobilien wie Bahnhofsgebäuden aus. Bei Stilllegung einer Bahnstrecke könnten sie mit geringem Aufwand einer alternativen Nutzung zugeführt werden. Dementsprechend sind bei den Bahnhofsgebäuden geringe Sunk Costs zu erwarten.
2.2.3 Regulierungsbedarf
Subadditivität und Irreversibilität können auf verschiedenen Märkten in unterschiedlicher Intensität und unabhängig voneinander auftreten. Anhand der Ausprägung der beiden Merkmale können vier grundsätzliche Kombinationen unterschieden werden:
Abbildung 2: Markteinteilung anhand der Ausprägung von Irreversibilität und Subadditivität.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fritsch, M. (2018). Marktversagen und Wirtschaftspolitik: Mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns. München: Vahlen. (S. 188).
Gemäß der Matrix besteht in Feld I und II kein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf. Selbst bei ausgeprägter Subadditivität (Feld II) besteht noch keine Notwendigkeit zu handeln, da Anbieter durch eine geringe Irreversibilität (und deshalb durch potenzielle Wettbewerber) diszipliniert werden.
Kernbereiche des Marktversagens zeichnen sich sowohl durch erhebliche Subadditivität als auch durch stark ausgeprägte Irreversibilität aus (Feld IV). Diese Bereiche werden auch als monopolistische Engpässe („bottlenecks“) bezeichnet. In solchen Märkten ist i. d. R. eine wirtschaftspolitische Regulierung wünschenswert.31
2.2.4 Contestability
Machtkonzentration kann die Funktionsfähigkeit von Märkten in erheblicher Weise negativ beeinflussen, was in vielen Fällen mit Wohlfahrtsverlusten einhergeht. Liegen in einem Markt Unteilbarkeiten vor, hängt das Risiko eines Marktversagens wesentlich von der „Contestability“ des jeweiligen Marktes ab.32
Das Konzept der Contestability (auch Contestable Markets, Konzept bestreitbarer Märkte) geht im Wesentlichen auf die Ökonomen William J. Baumol, John C. Panzar und Robert D. Willig zurück. Es beschreibt die Auswirkungen vorliegender bzw. fehlender Irreversibilität auf das Verhalten von Marktteilnehmern in einem Markt, der die Merkmale der Subadditivität aufweist.33
In einem bestreitbaren Markt (entspricht in Abbildung 2 den Feldern I und II) wird die Handlungsfreiheit des Angebotsmonopolisten durch potenziellen Wettbewerb weitgehend beschränkt. Ohne möglichen Wettbewerb würde keine Disziplinierung des Monopolisten stattfinden. Er würde die Möglichkeiten des monopolspezifischen Anbieterverhaltens voll ausschöpfen.34
Die Contestability eines Marktes hängt wesentlich von der Höhe der irreversiblen Aufwendungen bei Markteintritt (barriers to entry) bzw. den bei Marktaustritt entstehenden Sunk Costs (barriers to exit) ab. Die Höhe beider Barrieren hat einen erheblichen Einfluss auf das Ausmaß potenzieller Wettbewerber, da sie eine wirksame Marktzugangsbeschränkung darstellen können. Funktionsprobleme des Marktes und die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens sind häufig die Folge.35
Bei den Contestable Markets handelt es sich lediglich um ein Modell. Es legt zahlreiche Prämissen zugrunde, die in der Realität nicht vollumfänglich zutreffen können. Zu diesen Annahmen gehören beispielsweise die, eines freien und kostenlosen Marktein- und austritts oder Marktverhältnisse entsprechend des Modells vollkommener Konkurrenz. Trotz dieser Abstraktion bietet das Konzept der Contestability wichtige Anhaltspunkte für weiterführende analytische Be- trachtungen.36
2.3 Daseinsvorsorge und Äquivalente
Der Beginn der Industriellen Revolution, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, führte zu massiven Verwerfungen in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Menschen.37 Ein zunehmendes Maß an Spezialisierung und Arbeitsteilung wurde erforderlich, was bis heute unverändert ist. Durch die entstehenden Abhängigkeiten hat der einzelne Mensch die Möglichkeit, seine Lebensgrundlagen alleine auf sich gestellt zu erhalten, verloren. Daher fällt die Sicherstellung entsprechender Rahmenbedingungen in unserer arbeitsteiligen Welt dem Gemeinwesen zu. Bund, Länder und Kommunen stellen die Versorgung der Bürger mit den notwendigen Leistungen sicher.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Versorgung mit den grundlegenden Gütern und Dienstleistungen unmittelbare Aufgabe des Staates ist. Vielmehr erfüllt der Staat seine Pflicht durch das Schaffen von Rahmenbedingungen, die privaten Organisationen die Befriedigung entsprechender Bedürfnisse ermöglichen.38
Aus verwaltungsrechtlicher Sicht lassen sich keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus dem Begriff der Daseinsvorsorge ableiten. Eher handelt es sich um eine Umschreibung für bestimmte Staatsaufgaben.39 Die Verantwortung für die jeweiligen Aufgaben der Daseinsvorsorge ist jedoch eindeutig dem Staat zugeschrieben. Für den Bereich der Eisenbahnen steht in Artikel 87e (4) des Grundgesetztes geschrieben, dass:
»dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere bei den Verkehrsbedürfnissen, dem Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangebot auf diesem Schienennetz ... Rechnung getragen wird..«40
Ein Großteil der Daseinsvorsorge wird in Deutschland auf der Ebene der örtlichen und überörtlichen Gemeinschaften erbracht. Beispielhaft kann die Grundversorgung mit Wasser und Energie sowie das Entsorgungswesen, aber auch das Vorhalten von Sparkassen, Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen genannt werden. Auf staatlicher Ebene sind neben den Eisenbahnen die Bereiche Post, Telekommunikation und Rundfunk von Bedeutung.41
Öffentliche Dienstleistungssektoren unterliegen einem stetigen Wandel. Internationalisierung, ökonomische Krisen und die europaweite Forcierung des Leitmodells eines „offenen und freien Marktes“ verändern ehemals geschützte Monopolmärkte fundamental. Tiefgreifende Änderungen der Daseinsvorsorge sind die Folge.42 Insbesondere in den Privatisierungs- und Liberalisierungstendenzen sehen Kritiker einen Konflikt zwischen Daseinsvorsorge und unternehmerischen Gewinnstreben.43
Die Daseinsvorsorge ist eine deutsche Besonderheit, die maßgeblich durch den Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff im Zeitraum zwischen 1930 und 1970 geprägt wurde. Jedoch verfügen fast alle Industrienationen über äquivalente Konzepte. Während in den USA von „universal service obligations“, in Großbritannien von „public service“ und in Frankreich von „service public“ die Rede ist, spricht man auf Ebene der Europäischen Union von „Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“.44
Trotz grundlegender Gemeinsamkeiten der Konzepte, kann die Ausgestaltung zwischen den einzelnen Ländern mitunter stark variieren. Unterschiedliche Situationen hinsichtlich Infrastruktur, Demografie, Bevölkerungsdichte und Wohlstand sind nur einige der Gründe. Aber auch die grundsätzliche Vorstellung von staatlichem Handeln und gesellschaftlicher Ordnung prägen das jeweilige Konzept der Daseinsvorsorge nachhaltig.45
So verfügen auch Großbritannien und Österreich - die beiden Länder, die Gegenstand dieser Arbeit sind - über Eigenheiten bei ihrem jeweiligen Pendant zur Daseinsvorsorge.
2.3.1 Großbritannien
In Großbritannien wird mit dem Konzept des „public service“ ein liberaler Ansatz verfolgt. Er gründet auf der Überzeugung, dass die Gewährleistung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse am besten von privaten Anbietern sichergestellt werden kann.46
Dabei sind drei Prinzipien beim britischen „public service“ von elementarer Bedeutung:
- Der Staat beschränkt sich auf die Regulierung und die Aufsicht des Marktes, mit dem Ziel, den Wettbewerb zu fördern.
- Die Marktregulierung soll möglichst marktnah und dezentral erfolgen.
- Die Marktregulierung soll flexibel gestaltet sein, um auf verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können.
In Großbritannien fand in den 1980er-Jahren eine große Liberalisierungswelle statt. Zur Realisierung dieser Prinzipien wurden im Zuge der Liberalisierung zahlreiche Regulierungsbehörden geschaffen. Sie sollen die jeweiligen Marktsektoren politisch unabhängig und selbstständig beaufsichtigen.47
Somit unterscheidet sich der britische „public service“ stark von den Modellen in Kontinentaleuropa. Der Daseinsvorsorge in Deutschland und Österreich oder auch dem „service public“ in Frankreich liegen umfassendere Konzepte zugrunde. Ausmaß und Stellenwert von öffentlichen Dienstleistungen werden dort höher gewichtet als im Vereinigten Königreich.48
2.3.2 Österreich
Die Auffassung von Daseinsvorsorge in Österreich ist mit der in Deutschland eng verwandt. Auch in Österreich wurde der Begriff entscheidend von Forsthoff geprägt. Er umfasst Dienstleistungen, die „im öffentlichen Interesse erbracht werden, mit Gemeinwohlverantwortung verbunden sind und als wesentlich für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft angesehen werden.“49
Wie auch in Deutschland gibt es keine positivrechtliche Definition der Daseinsvorsorge. Somit lassen sich auch in Österreich keine unmittelbaren Rechtsfolgen ableiten. Welche Sachgebiete letztlich in den Bereich der Daseinsvorsorge fallen, hängt von der politischen Entscheidung ab, staatliche Verantwortung für das jeweilige Sachgebiet zu übernehmen.50 Maßgeblich handelt es sich dabei um wirtschaftliche, kulturelle und soziale Infrastrukturleistungen.51
Die Leistungen der Daseinsvorsorge werden durch Bund, Länder und Gemeinden erbracht. Dabei kommt den Gemeinden in Österreich eine herausragende Rolle zu. Von netzgebundenen Infrastrukturen abgesehen, erbringt die kommunale Infrastruktur den Großteil der Grundversorgung. Die starke Rolle der Gemeinden basiert auf einer juristischen Besonderheit in Österreich. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Versorgungsrolle der Kommunen nicht nur verfassungsrechtlich abgesichert, sondern in erheblichem Umfang von Eingriffen der Bundes- und Landesverwaltung geschützt.52
2.4 Netzsektoren, Netzdienstleistungen und Netzinfrastrukturen
Netzgebundene Infrastrukturen wie Wasser- und Abwasserversorgung, Elektrizitätsversorgung, Telekommunikation, Eisenbahnen und der ÖPNV werden als Netzsektoren bezeichnet.53 Sie können zunächst in Netzinfrastrukturen und Netzdienstleistungen unterteilt werden. Schienenwege, Flughäfen und Telefonnetze sind Beispiele für Netzinfrastrukturen. Sie sind für die entsprechenden Dienstleistungen wie Eisenbahnverkehr, Luftverkehr und Telekommunikation ein komplementärer Inputfaktor.54
Tabelle 1: Netzinfrastrukturen und Netzdienstleistungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Knieps, G. (2007). Netzökonomie. Wiesbaden: Gabler. (S. 2).
Der Begriff der Infrastruktur ist nicht allgemeingültig und operationalisierbar definiert - nicht zuletzt aufgrund der dualen Betrachtung als privates oder öffentliches Gut und der damit einhergehenden Spannung zwischen marktlicher und staatlicher Sphäre.55
Jochimsen betrachtete Infrastruktur bereits 1966 als „die Gesamtheit der materiellen, institutionellen und personellen Anlagen, Einrichtungen und Gegebenheiten, die den Wirtschaftseinheiten im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft zur Verfügung stehen“.56
Fokussiert man sich lediglich auf die materielle Infrastruktur, so kann diese wie folgt definiert werden: „Infrastruktur bezeichnet großräumige technische Systeme, die sich aus immobilen physischen Komponenten zusammensetzen und zentrale [... ] Dienstleistungen bereitstellen, indem sie bestimmte Produkte/Infor- mationen speichern, umwandeln und transportieren.“ 57
2.4.1 Ökonomische Charakteristika von Netzinfrastrukturen
Die verschiedenen Netzsektoren mit ihrer zugehörigen Infrastruktur unterscheiden sich aus technischer und institutioneller Sicht teils erheblich. Auch hinsichtlich der unmittelbaren wirtschaftlichen Bedeutung eines Sektors, seiner Kapitalintensität oder dem Stand der Marktversorgung ergibt sich ein stark heterogenes Bild.58
Dennoch weisen die Infrastruktursektoren gemeinsame ökonomische Merkmale auf, wie z. B.:
- die Verknüpfung mit spezifischen öffentlichen Interessen. Es geht vorrangig um die Befriedigung von Basisbedürfnissen, zu denen die gesamte Gesellschaft Zugang haben soll.
- das Aufweisen der Charakteristika von natürlichen Monopolen in einzelnen Bereichen der Tätigkeiten.
- das Unterliegen staatlicher Regulierung, um den spezifischen Gemeinwohlauflagen gerecht zu werden.
- eine starke Asymmetrie zwischen den Bereitstellungskosten und dem generierten gesellschaftlichen Nutzen.59
2.4.2 Netzexternalitäten
Netzexternalitäten (auch Netzeffekte) sind eine weitere kennzeichnende Eigenschaft von Netzen und treten insbesondere im Bereich der Netzinfrastruktur auf. Dabei können sowohl negative als auch positive externe Effekte auftreten. Positive Netzexternalitäten liegen vor, wenn der Nutzen eines Gutes mit der Anzahl der Konsumenten des Gutes steigt.60 Dieser Zusammenhang kann gut am Beispiel eines Telekommunikationsnetzes veranschaulicht werden:
Ist man der einzige Nutzer eines Telekommunikationsnetzes, so ist der Nutzen gleich Null. Doch je mehr Personen auf das gleiche Netz zurückgreifen, desto größer ist die Möglichkeit, andere Personen zu erreichen bzw. von ihnen erreicht zu werden. Für die Betreiber ist in diesem Zusammenhang die kritische Masse von Netzteilnehmern ausschlaggebend, um das Netz kostendeckend betreiben zu können.61
[...]
1 Vgl. Deutschlandfunk (2019).
2 Vgl. Industriemagazin (2020).
3 Vgl. Yale School of Management (2012).
4 Vgl. Universität Osnabrück (o.J.).
5 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2017 a).
6 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2017 b).
7 Vgl. Süddeutsche Zeitung (2010).
8 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.).
9 Vgl. Fritsch (2018, S. 163).
10 Vgl. Fritsch (2018, S. 169).
11 Vgl. Fritsch (2018, S. 165).
12 Vgl. Fritsch (2018, S. 166).
13 Vgl. Knieps (2008, S. 22).
14 Vgl. Fritsch (2018, S. 171).
15 Vgl. Fritsch (2018, S. 211-212).
16 Vgl. Fritsch (2018, S. 173).
17 Vgl. Badura (1963, S. 180-184).
18 Vgl. Scheele (2007, S. 35-36).
19 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2017 a).
20 Vgl. Fritsch (2018, S. 173).
21 Vgl. Scheele (2007, S. 36).
22 Vgl. Fritsch (2018, S. 173).
23 Vgl. Scheele (2007, S. 54).
24 Vgl. Fritsch (2018, S. 232-235).
25 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (o.J. c).
26 Vgl. Knieps (2001, S. 3), Vgl. Fritsch (2018, S. 211).
27 Vgl. Fritsch (2018, S. 168-169).
28 Vgl. Horn et al (1988, S. 39-47).
29 Vgl. Fritsch (2018, S. 211).
30 Vgl. Fritsch (2018, S. 184-185).
31 Vgl. Fritsch (2018, S. 188-189).
32 Vgl. Fritsch (2018, S. 194).
33 Vgl. Baumol, Panzar & Willig (1983, S. 491-496).
34 Vgl. Baumöl (1982, S. 2-5); Vgl. Fritsch (2018, S. 184-186).
35 Vgl. Baumöl (1982, S. 1-4); Vgl. Fritsch (2018, S. 194).
36 Vgl. Baumol (1982, S. 2-3); Knieps (2008, S. 32-34).
37 Vgl. Schmid (2010, S 129).
38 Vgl. Forsthoff(1948, S. 4-6).
39 Vgl. Henneke (2009, S. 18-19).
40 Art. 87e (4)GG.
41 Vgl. Henneke (2009, S. 17-18).
42 Vgl. Schneider & Lippert (2005, S. 4).
43 Vgl. Lutz etal (2019, S. 13).
44 Vgl. Neu (2009, S. 9-10).
45 Vgl. Neu (2009, S. 11).
46 Vgl. Becker (2005, S. 20).
47 Vgl. Becker (2005, S. 20).
48 Vgl. Walz (2009, S. 41-42).
49 Pürgy (2009, S. 398-399).
50 Vgl. Pürgy (2009, S. 399-400).
51 Vgl. Holoubek & Segalla (2002, S. 64).
52 Vgl. Pürgy (2009, S. 400-401).
53 Vgl. Scheele (2007, S. 38).
54 Vgl. Brunekreeft & Knieps (2003, S. 10).
55 Vgl. Scheele (2007, S. 36).
56 Jochimsen (1966, S. 145).
57 Scheele (2007, S. 38).
58 Vgl. Scheele (2007, S. 38-39).
59 Vgl. Scheele (2007, S. 38-39).
60 Vgl. Katz & Shapiro (1985, S. 424-440).
61 Vgl. Knieps (2007, S. 4).
- Citar trabajo
- Sebastian Rudolph (Autor), 2020, Infrastruktur in privater oder staatlicher Hand?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/975050
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.