Von Mittelhochdeutsch als einer Hochsprache im heutigen Sinne kann im Mittelalter keine Rede sein. Das deutsche Sprachgebiet gliederte sch in größere dialektale Gruppen, die nach den Bezeichnungen der germanischen Großstämme nach den letzten Bewegungen der Völkerwanderung benannt wurden. Die Dialekte werden im wesentlichen nach ihrem Verhältnis zur zweiten Lautverschiebung eingeteilt. Die oberdeutschen Dialekte, namentlich alemannisch und bairisch, führten die zweite Lautverschiebung am konsequentesten durch. Im mitteldeutschen Sprachraum fand die Lautverschiebung nur teilweise statt, im Niederdeutschen unterblieb sie fast vollständig. Durch die Expansion nach Osten enstanden auf altem slawischen Siedlungsgebiet die ostmitteldeutschen und ostniederdeutschen Mundarten.
Die einzelnen Dialekte waren deutlich voneinander geschieden, was auf den begrenzten Lebensraum der Menschen zurückzuführen ist. Doch durch die gesellschaftlichen Veränderungen - anstatt der ehemaligen Stammesgebiete entstanden neue politische oder kirchliche Einheiten, wie Herzogtümer, Grafschaften oder Bistümer - herrschte ein reger Verkehr größerer Bevölkerungsschichten untereinander. So kamen Angehörige verschiedener sozialer Schichten zusammen, die bislang in verschiedenen Funktionalstilen ihrer Muttersprache unter ihresgleichen kommunizierten. Das schuf natürlich Ausgleichstendenzen, die sich erheblich auf die Bildung einer normierten Literatursprache auswirkten. Obwohl die Begriffe Literatursprache und Dichtersprache nicht dasselbe bezeichnen - die Literatursprache umfaßte den Begriff der alltäglichen Literatur wie Urkunden und ähnliches, während die hoch stilisierte Dichtersprache nur im schrifstellerischen Bereich zur Anwendung kam - paßte sich die Dichtersprache im Laufe der Zeit der allgemeinen Literatursprache an. Die Folge war, besonders in der höfischen Epik, daß auf allzu Dialektales in der Schrift verzichtet wurde. Auch in der Heldenepik ist dieses Bestreben nach einer angepaßteren Sprache spürbar, so daß wir bei der sprachlichen Untersuchung des Nibelungenliedes allenfalls auf dialektale Spuren stoßen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Dialekt des Nibelungenliedes
1.1. Einleitung
1.2. Hinweise auf den Dialekt des Nibelungenliedes
2. Stil
3. Literaturverzeichnis
1. Dialekt des Nibelungenliedes
1.1. Einleitung
Von Mittelhochdeutsch als einer Hochsprache im heutigen Sinne kann im Mittelalter keine Rede sein. Das deutsche Sprachgebiet gliederte sch in größere dialektale Gruppen, die nach den Bezeichnungen der germanischen Großstämme nach den letzten Bewegungen der Völkerwanderung benannt wurden. Die Dialekte werden im wesentlichen nach ihrem Verhältnis zur zweiten Lautverschiebung eingeteilt. Die oberdeutschen Dialekte, namentlich alemannisch und bairisch, führten die zweite Lautverschiebung am konsequentesten durch. Im mitteldeutschen Sprachraum fand die Lautverschiebung nur teilweise statt, im Niederdeutschen unterblieb sie fast vollständig. Durch die Expansion nach Osten enstanden auf altem slawischen Siedlungsgebiet die ostmitteldeutschen und ostniederdeutschen Mundarten.
Die einzelnen Dialekte waren deutlich voneinander geschieden, was auf den begrenzten Lebensraum der Menschen zurückzuführen ist. Doch durch die gesellschaftlichen Veränderungen - anstatt der ehemaligen Stammesgebiete entstanden neue politische oder kirchliche Einheiten, wie Herzogtümer, Grafschaften oder Bistümer - herrschte ein reger Verkehr größerer Bevölkerungsschichten untereinander. So kamen Angehörige verschiedener sozialer Schichten zusammen, die bislang in verschiedenen Funktionalstilen ihrer Muttersprache unter ihresgleichen kommunizierten. Das schuf natürlich Ausgleichstendenzen, die sich erheblich auf die Bildung einer normierten Literatursprache auswirkten. Obwohl die Begriffe Literatursprache und Dichtersprache nicht dasselbe bezeichnen - die Literatursprache umfaßte den Begriff der alltäglichen Literatur wie Urkunden und ähnliches, während die hoch stilisierte Dichtersprache nur im schrifstellerischen Bereich zur Anwendung kam - paßte sich die Dichtersprache im Laufe der Zeit der allgemeinen Literatursprache an. Die Folge war, besonders in der höfischen Epik, daß auf allzu Dialektales in der Schrift verzichtet wurde. Auch in der Heldenepik ist dieses Bestreben nach einer angepaßteren Sprache spürbar, so daß wir bei der sprachlichen Untersuchung des Nibelungenliedes allenfalls auf dialektale Spuren stoßen werden.
1.2. Hinweise auf den Dialekt des Nibelungenliedes
Die Herkunft des Nibelungendichters gilt als gesichert. Er stammt vermutlich aus der Gegend um Passau, da er bei den Ortsangaben im ,Nibelungenlied`, die das Donauland zwischen Passau und Wien beschreiben, äußerst präzise verfährt. Auch benennt er in Passau selbst einige Örtlichkeiten, die er aus eigener Anschauung kennen mußte. Somit ist auch deutlich, daß der Dialekt des Nibelungenliedes in den Bereich der bairischen Mundarten eingeordnet werden muß. Indizien dafür zeigen sich, wenn auch sehr spärlich, in den konsonantischen Phonemen, die aus der zweiten Lautverschiebung hervorgegangen sind. Die für die südbairischen Mundarten charakteristische auslautende Affrikate [kx] ist im ,Nibelungenlied` in Strophe 2210 schön zu erkennen » durch die liehten ringe vaste unz û f das verch. si tâten in dem sturme diu vil h ê rlîchen werch «, während andere Worte wie zum Beispiel starc schon einen stimmlosen Plosiv im Anlaut aufweisen. Auch sind andere Affrikaten wie beispielsweise [pf], sowohl anlautend als auch in jeder denkbaren Position im Wort, im ,Nibelungenlied` belegt » daz was also scherpfe « (NL 955); » scarpfen strîten « (NL 8) » von swarzem pfellel « (NL 952). Interessant ist die Schreibung des Namens der Brünhilde; er liegt in der ,streng` mittelhochdeutschen Form mit anlautendem [p] vor. So ist in Strophe 917 von Prünhilt die Rede, alle anderen [b]-anlautenden Formen haben diesen Wechsel zum stimmlosen Plosiv, für das Nibelungenlied nicht nachweisbar, durchgeführt. So finden wir brôt statt ` *prôt ` und bern statt ` *pern `. Eine weitere Variante des anlautenden [p] findet sich höchstens noch im Wort pirsgewant. Für uns ist diese Schreibung völlig normal, doch ist davon auszugehen, daß ,pirschen` und auch das mittelhochdeutsche pirsen aus dem Altfranzösichen entlehnt wurden. Die oberdeutsche Schreibung und Aussprache von ,pirschen` hat sich allerdings im gesamten deutschen Sprachraum durchgesetzt.1
Von den Besonderheiten im Konsonantismus, kommen wir nun zu den Eigenarten im Vokalismus, die für eine Dialektanalyse des ,Nibelungenliedes` unumgänglich sind. Die oberdeutschen Mundarten, und hier ganz besonders das Bairische, zeichnen sich durch einige Relikterscheinungen in Diphthongierung, Hebung und Senkung von Vokalen aus. Auffallend ist die fehlende Umlautung des Vokals [u]. Wir lesen in den Strophen zehn und 959 im Zusammenhang mit der Nennung des Wortes kuche > kuchenmeister <, > kuchen < und > kuchen <, daß hier nicht das Phonem [y] auftaucht. Auch das ist ein Hinweis darauf, daß der Text im bairischen Sprachraum entstanden sein muß.
Eine große Fülle an Hinweisen auf den Dialekt, in dem der Nibelungendichter sprachlich heimisch war, kann an den Diphthongen festgemacht werden. In den deutschen Dialekten nehmen die öffnenden Diphthonge in der Sprache nach Norden hin kontinuierlich ab. Im ,Nibelungenlied` wird noch von küene, guot, muoter und liep gesprochen, und auch im heutigen bairisch finden wir ,guat` und ,liab` im Gegensatz zu ,gut` und ,lieb`. Die Hebung von Vokalen läßt sich wunderbar an einem Beispiel festmachen: Im Nibelungenlied erscheint das Wort für Feuer nicht wie in vielen anderen mittelhochdeutschen Texten als fiur, sondern als fîwer. Der Grund für diese Schreibung und Aussprache ist eine qualitative Veränderung des Vokals von [y] zu [i]. Das vokalische Phonem verliert hierbei die Labialisation und wird weiter vorne artikuliert. Auch im modernen bairisch spricht man vom König Ludwig II. noch als dem ,Kini`. Im Zusammenhang mit ,König` ist es erwähnswert, von den Beispielen für die ausgebliebene Vokalsenkung im Bairischen zu sprechen. Das ,Nibelungenlied` spricht vom künec oder künic, wenn beispielsweise von König Sigmund, dem Vater Siegfrieds die Rede ist. Die Form ,König` ist im Mitteldeutschen und Niederdeutschen durch eine Vokalsenkung enstanden, die im bairischen und alemannischen Sprachgebiet nicht durchgeführt wurde.
Nicht ganz so offensichtlich ist der Fall bei dem Wort ,Brunnen`, das seinerseits im gesamten deutschen Sprachraum Ausbreitung gefunden hat. Doch wenn man als Beispiel das niederdeutsche ,bronn(en)` oder auch ,born` (hier liegt außerdem eine r-Metath ese vor) heranzieht, kann auch hier von einer Vokalsenkung gesprochen werden. Doch wie schon oben angesprochen, ist das Nibelungenlied schon in einer sehr vereinheitlichten Sprache verfaßt und weist allenfalls Grundzüge der bairischen Mundart auf.
2. Stil des Nibelungenliedes
2.1. Einleitung
Das ,Nibelungenlied` stellt in seinem formalen und stilistischen Gefüge eine Besonderheit der Dichtung des Hochmittelalters dar. Man zählt das ,Nibelungenlied` gemeinhin zu den Werken der Heldenepik, da seine Auseinandersetzung mit den Stoffen des germanischen Sagenkreises in einem Kontrast zur Thematik des Artusepos steht. Die Artusepik greift - wie der Name schon sagt - zum großen Teil, abgesehen von einigen antiken Stoffen, auf die Legenden des großen König Artus und seine Tafelrunde zurück, die sogenannte ,matière de Bretagne`.1 Gerade die Schriften des Franzosen Chrétien de Troyes fanden in Deutschland großen Anklang. Aufgrund der Vorlagen seiner Artusromane entstanden in Deutschland zum Beispiel solch bedeutende Dichtungen wie der ,Erec` oder der ,Iwein`, die beide von Hartmann von Aue ins Deutsche übertragen wurden.
In welcher Gestalt die germanischen Sagen in der Heldenepik, insbesondere die Geschichte vom Untergang des burgundischen Reiches, welche im ,Nibelungenlied` eine zentrale Rolle spielt, überliefert wurden ist nicht sicher geklärt. Es ist aber davon auszugehen, daß dies auf mündlichem Wege stattgefunden hat, da schriftliche Zeugnisse aus dem frühen Mittelalter relativ selten sind.
Das Besondere am ,Nibelungenlied` ist sein formal-metrischer Bau. Rein äußerlich ist es in Strophen gedichtet, doch interessant ist eigentlich die Form dieser Strophen. Jede Strophe besteht aus vier Langzeilen, die in der Mitte eine Zäsur aufweisen. Dieses Versmaß ist in der gesamten höfischen Epik sehr rar vertreten und aufgrund dieser Tatsache hat es vielerlei Spekulationen über die Identität des Nibelungendichters gegeben.2 In anderen, späteren Werken der Heldenepik wird diese metrische Struktur, leicht abgewandelt, gerne weiter verwendet.
Auch lassen sich im Vergleich von Artus- und Heldenepik Unterschiede im Stil feststellen. Im Artusepos überwog ein ausgeprägter Nominalstil, der durch lateinische Einflüsse in die Dichtung gefördert wurde. Dieser Nominalstil zeichnete sich durch seinen Hang zum Abstrakten aus. Als Abstraktum bezeichnet man Begriffe, an die man keine feste Vorstellung bezüglich ihrer Form oder ihres Aussehens knüpfen kann, zum Beispiel ,Wunder` oder ,Seele`. Diese Abstrakta wurden in der Sprache der Artusepen auch gerne verdinglicht oder personifiziert gebraucht » n û schînet alrest an dir dîne triuwe « (,Armer Heinrich` V.418). Der Gebrauch des Nominalstils ging im ,Nibelungenlied` und somit natürlich auch in der gesamten Heldenepik stark zurück. Außerdem neigte das Heldenepos eher zu einer direkten, konkreten Sprache. Auch der Begriff Konkretum bedarf einer Erklärung: Konkreta sind, vereinfacht betrachtet, der Gegensatz zum Abstraktum3, also Wörter wie Katze oder Baum. Wir haben ein bestimmtes Bild vor Augen, wenn wir diese Wörter hören oder lesen. Der Vergleich der Anzahl konkreter Begriffe auf 1000 Zeilen von ,Nibelungenlied` und dem ,Armen Heinrich` ergibt ein klares Bild: Im ,Nibelungenlied` stehen 206 Abstrakta 650 Konkreta gegenüber; im ,Armen Heinrich` sind es 520 Abstrakta und 315 Konkreta. Natürlich weisen sowohl Artusepik, als auch das ,Nibelungenlied` in weiten Teilen stilistische Gemeinsamkeiten auf, da beide epischen Richtungen in einem zeitlich sehr engen Rahmen der Literaturgeschichte aufgetreten sind. So herrscht auch im ,Nibelungenlied` weiterhin ein großer Synonymreichtum; außerdem wurden gerne Vergleiche, Metaphern und sogar Hyperbeln zur Erhöhung der Bildhaftigkeit genutzt.
2.2. stilistische Merkmale im Wortgebrauch
hât « ( NL 922). Man verweist hier auf verschiedene unbekannte Personen, und das ist das wirklich treffende: Hinter diesem Wörtchen verbirgt sich eine nicht einzuschätzende Gefahr, die Siegfried droht, wenn er am Jagdausflug in den Odenwald teilnimmt. Es steht an dieser Stelle stellvertretend für eine Fülle von Bedrohungen, denen Siegfried entgegensehen muß. Im allgemeinen nimmt man jedoch häufig auf eine Gruppe von handelden Personen Bezug, wie zum Beispiel die Jagdgesellschaft » die stolzen jagetgesellen hiez man zen tischen gân « (NL 963), ohne daß es solch intensive Assoziationen hevorruft wie oben geschildert.
In der Einleitung wurde bereits erwähnt, daß sich die Sprache der Artusepik durch einen großen Synonymreichtum auszeichnet. An folgenden Substantiven erkennen wir in der Tat einige auffällige Verwendungsarten. Das Wort recke, daß wir mit ,Held` oder ,Krieger` übersetzen wollen, findet sich im ,Nibelungenlied` grundsätzlich dem Wort degen, welches die selbe Bedeutung hat, gegenübergestellt. Auf » von küener recken strîten... «(NL 1) folgt in der nächsten Strophe » dar umbe muosen degene.. «
(NL 2). Dann heißt es in Strophe drei » ir muoten küene recken «. Der Gebrauch dieser beiden Begriffe begleitet uns in, von Strophe zu Strophe, fast alternierender Folge. Seltener im ,Nibelungenlied` findet das Wort helt Anwendung » von helden lobeb æ ren « (NL 1); » wer sol uns in den walt wîsen nâch dem wilde, ir helde küene unde balt « (NL 929.) Das Wort degen hat eine interessante Besonderheit, da es nur im Nibelungenlied und in späteren Werken der Heldenepik eingesetzt wird. Auch hier mag wieder die Beeinflussung des heroischen Epos durch die germanischen Sagen ein Rolle gespielt haben.
Ein anderes Beispiel für Synonymreichtum in der Sprache ist die Ersetzung von Sîfrît durch » der Kriemhilde man « (NL 932, NL 939 usw.). Auch dieses Stilmittel wird recht konsequent eingesetzt und hat den schönen Nebeneffekt, daß dem Zuhörer oder Leser dadurch in Erinnerung gerufen wird, welche soziale Rolle Siegfried innerhalb des ,Nibelungenliedes` spielt. Er ist nicht nur der » snelle degen guot « (NL 21), sondern schlichtweg auch noch Kriemhilds Ehemann.
Von einigen Belegen über die Synonyme im ,Nibelungenlied` geht es nun über zum Gebrauch von Adjektiven. Besonders fällt ins Auge, daß im ,Nibelungenlied` eine außerordentliche Vielfalt der Ausgestaltung von Farben herrscht. Diese Erscheinung ist dadurch erklärbar, daß schon in den altgermanischen Sagen eine Vorliebe für Schilderungen in prachtvollen und schillernden Farben bestand. Im ,Nibelungenlied` finden rôt, gold und wîz sehr zahlreiche Anwendung, während andere Farben kaum benannt sind. So erscheint in Strophe 2197 dôwart genuoger ougen von heizen trÄhen rot. Hier wird das intensive Weinen dadurch unterstrichen, daß die Augen bereits ,rot von Tränen` sind. In anderen Strophen steht rôt sehr häufig in Verbindung mit gold » von vil rôtem golde fuort' der herre ein sch_ne horn « (NL 951). Die Farbe wîz als Farbe der Reinheit erscheint meistens zusammen mit der Beschreibung von Körperteilen, aber auch in Verbindung mit anderen Substantiven » wîzen hende « ( NL 1011); » wîzer danne sn ê « (NL 508). Andere Farben sind im Nibelungenlied nur sehr spärlich vertreten, allenfalls ist ,grün` erwähnenswert, wenn es im Zusammenhang mit Naturbeschreibungen auftaucht » si hiezen herbergen für den grüenen walt (NL 928), oder wenn Vergleiche gebraucht werden » grüener danne ein gras « (NL 1783).
Beispiele für den Vergleich als Stilmittel gibt es sehr häufig im Nibelungenlied, da er der konkreten Sprache des heroischen Epos entgegen kommt. Das Geschilderte wird wesentlich plastischer und vermittelt dem Zuhörer einen hohen Anschauungsgehalt. Wir können die ganze Tragweite der Ermordung Siegfrieds viel besser nachempfinden, wenn wir lesen ein tier daz » si sluogen daz weinten edliu kint (NL 1002). Siegfried wird gleich einem Jagdtier `erlegt`. Diese Tiervergleiche sind im ,Nibelungenlied` einigermaßen beliebt. Im Gegensatz zum Artusepos, wo der Löwe ein oft gebrauchtes Vergleichsobjekt darstellt, wird im
Nibelungenlied der Eber für den Vergleich herangezogen. So sagt beispielsweise in Strophe 2001 Etzel über Volker » da vihtet einer inne, der heizet Volker als ein eber wilde «. Auch hier wird wieder ein Bild aus der Natur genutzt um die Qualitäten Volkers als Krieger deutlich zu machen. Er kämpft wie ein Keiler, fast instinktiv, um sein Leben zu verteidigen. Doch der Vergleich beschränkt sich nicht nur auf die Tierwelt; es werden auch andere Erscheinungen wie das Feuer oder der Wind bemüht. Diese Veranschaulichungen kommen gelegentlich sehr hyperbolisch daher. Die Hyperbel erfreute sich in der Artusepik höfischen Epik einer großen Beliebtheit, aber sie ist im ,Nibelungenlied` nur im Zusammenhang mit der Schilderung der Figur Siegfrieds anzutreffen.
Der Wortgebrauch im ,Nibelungenlied` hat einen weiteren Aspekt, der nicht ungenannt bleiben darf: Die Prämonitio, eine Vorausdeutung auf ein unheilbringendes Geschehen in der Zukunft. In gewisser Hinsicht liegt diese stilistische Eigenart im germanischen Prädestinationsgedanken, also der Auffassung, daß das Schicksal eines jeden Menschen vorbestimmt sei, begründet. Der Autor nennt in diesen Zukunftsvisionen gerne das Wörtchen sît » si sturben sît j æ merliche von zweier frouwen nît « (NL 6). Hier wird eine Spannung erzeugt, die den Leser oder Zuhörer aus der angenehmen Atmosphäre, die am Hofe von Kriemhilds Vater herrscht, herausreißt. Kriemhild sieht einem Schicksalsschlag entgegen, nämlich dem Tode ihres Mannes. Diese Prämonitio erscheint auch an anderen Stellen des NIelungenliedes, denn auch das Ende des Burgunderreiches wird auf unheilvolle Weise vorausgedeutet » ze h û s si lân vil manige sch_ne vrouwen, di si gesâhen nimmer m ê «; » si
frumten starkiu wunder sît in Etzelen lant « (NL 5).
2.2. stilistische Merkmale im Wortgebrauch
Wie eingangs schon erwähnt, gehört der Nominalstil im Artusepos zu einem der am
intensivsten verwendeten Ausdrucksmittel. Die in zahlreichen Werken dieser epischen
Richtung aufzufindende, nominale Konstruktion da oder dôwart taucht im ,Nibelungenlied` nur noch selten auf » dôwart vil michel dringen von helden dar getan « (NL 280). Auch andere Erscheinungen nominaler Art, wie die Personifikation oder die Verdinglichung des Abstraktums ist nur an wenigen Beispielen festzumachen » vröude unde wunne, vil gr_zlîche scal, sach man aller tÄgelîch vor des Guntheres sal. « (NL 306). Diese für uns merkwürdig erscheinende Verdinglichung war für den mittelalterlichen Menschen eine sehr anschauliche Darstellung des Geschehens. In dieser Zeit ließ man dem Zuhörer somit genug Raum das Gehörte selbst erleben zu können. Hans Julius Bayer schreibt darüber: »In diesem Moment der Andeutung wird der Symbolcharakter jenes Sprachstils wirksam, zugleich aber auch seine gesellschaftliche Bedingtheit, denn die Fülle der Wirklichkeit, die sich hinter abstrakten Worten verbirgt, offenbart sich nur dem ,Eingeweihten`, der mit der gesellschaftlichen Kultur und Lebensweise vertraut ist.«1 Eine weitere nominale Bildung, die auch nur an wenigen Beispielen belegbar ist, ist die Nutzung des Zustandsverbs pflegen. In Strophe zehn steht die Konstruktion » dise herren muosen pflegen des hoves unt der ê ren «, in Strophe 2229 ist zu lesen » der wil der suone pflegen «. Bei diesen Wendungen ist davon auszugehen, daß hierbei wohl mehr eine sprachliche Formelhaftigkeit als ein echtes, gewähltes Stilmittel vorliegt.
Auffallend im ,Nibelungenlied` - und dieses Phänomen zieht sich durch alle  ventiuren und Strophen - ist der häufige Gebrauch des Wortes man. Wir verbinden heutzutage mit diesem Wort eine sehr unpersönliche Äußerung. Im ,Nibelungenlied` hat dieser Begriff allerdings eine sehr interessante Eigenschaft: Man steht oftmals als Synonym für si (3. Pers. Pl.). Das läßt sich an einem Beispiel aus Strophe 917 gut belegen » maniger hande spîse die fuorte man in mite «. An dieser Stelle könnte genauso gut si statt man eingesetzt werden. Inwieweit dieses Stilmittel auf einer idiomatischen Wendung beruht ist leider nicht genau festzustellen. Tatsache aber scheint zu sein, daß der Dichter auf diesem Wege vermieden hat, zu häufig das Wort si oder die Namen der Personen zu gebrauchen. Eine andere Aufgabe erfüllt man in der folgenden Textstelle: » Ich fürhte harte s ê re etelîchen rât, ob man der deheinen missedienet
2.3. stilistische Merkmale in der Syntax
Die Konkretheit der Sprache im Nibelungenlied wird auch in der syntaktischen Fügung des Werkes wirksam. Der Stil ist sehr anschaulich und verzichtet auf allzu viele hypotaktische Konstruktionen. In der ersten Strophe verwendet der Dichter einige Aufzählungen, die einen kurzen Abriß des Werkes liefern und es gleichsam in einen historischen Rahmen betten. Auch die Beschreibung Kriemhilds lebt von diesen Aufzählungen, die man als Nachtrag zum bereits Dargestellten verstehen kann. » Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn « schreibt der Dichter in der zweiten Strophe. Doch es scheint ihm nicht zu genügen, Kriemhild als » ein vil edel magedîn « zu beschreiben und er trägt nach » daz in allen landen niht sch_ners mohte sîn «. Abschließend wiederholt er » si wart ein sch_ne wîp «. Zwei auffallende syntaktische Stilmittel des ,Nibelungenliedes` sind Nachtrag und Wiederholung. Man findet dafür in fast jeder Strophe einen Beleg. In Strophe fünf heißt es » die herren wâren milte, von arde hôh erborn, mit kraft unmâzen küene, die recken û z erkorn « . Der Nibelungendichter gebraucht gerne diese Nachträge um seinen Ausführungen einen höheren Anschauungsgehalt zu geben: » in diente von ir landen vil stolziu ritterscaft, mit lobelîchen ê ren « (NL 6). Ähnliches, und dadurch wird deutlich, daß schon die erste  ventiure voll von diesen Wendungen ist, lesen wir in Strophe zwölf, in der das elterliche Haus Kriemhilds beschrieben wird » von des hoves krefte und von ir wîten kraft, von ir vil hôhen werdekeit und von ir ritterscaft «. Eng verbunden mit dem Nachtrag ist die Nachstellung des Attributs. Im Nibelungenlied finden wir einen überreichen Schatz an solchen Nachstellungen » viel liebiu muoter mîn « (NL 15); » der snelle degen guo t« (NL 20); » die recken vil balt « (NL 916). Das Attribut, also die nähere Bestimmung, steht in diesen Fällen immer hinter dem Substantiv. Diese syntaktische Form ist heutzutage unserer Ansicht nach sehr starr und sie widerspricht unserem Gefühl für eine fließende, erzählende Sprache. Für uns muß das regierte Element, in den obigen Beispielen das Substantiv, grundsätzlich im Nachfeld des Attributs stehen. Der Dichter des ,Nibelungenliedes` verfolgt mit seinen Nachstellungen allerdings ganz bestimmte Ziele. Er vermeidet durch diese Konstruktion allzu starke Parallelismen, denn sonst würde es schon in einer Zeile zu einer regelrechten Attributreihung kommen. Zur Erläuterung genügt eine einfach Umstellprobe am Beispiel des ersten Teilsatzes in Strophe fünf: » *die herren wâren milte, hôh erborn von arde «. Hier sehen wir, daß auf der Mitte des Verses eine große Attributlastigkeit liegt, die den Fluß der Sprache hemmt. Durch Nachstellung des Attributs erreicht der Dichter, daß jede Zeile sprachlich abgerundet und wohl geformt erscheint. Ein anderes Kriterium, und dieses gewichtet noch schwerer, ist die Abhängigkeit des Dichters von der traditionellen, metrischen Struktur. Schon in den germanischen Sagen finden sich gerade in der Dichtung viele Beispiele für nachgestellte Attribute. Genauso verhält es sich bei den etwas komplexeren Nachstellungen wie in Strophe 8: » ouch die besten recken, von den man hat gesaget, starc und vil küene, in scarpfen strîten unverzaget «. Hier bezieht sich das Attribut » starc und vil küene « auf das Objekt des Satzes » ouch di besten recken «. Auch hier würde die Umstellung wiederum eine äußerst zähe Satzstruktur ergeben. Die Aussage » *ouch di besten starc und vil küenen recken « wäre weder im Reimschema noch in der metrischen Struktur des ,Nibelungenliedes` vertretbar.
Im vorausgegangenen Abschnitt dieser Arbeit wurde schon etwas zum rhetorischen Mittel des Spannungsaufbaus gesprochen. Auch in der Syntax finden wir einige Beispiele dafür. In den Strophen 920 bis 922 versucht Kriemhild ihren Gatten daran zu hindern, mit auf die Jagd zu gehen. Sie erzählt Siegfried von ihrem Traum, in dem ihr Mann von zwei Wildschweinen gejagt wird. In Strophe 922 steht » dôbegonde klagen diu edel küneginne «. Das Wort begonde hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe die Spannung auf das kommende zu steigern. Auch in zahlreichen Werken der Artusepik findet sich diese Formulierung, zum Vergleich sei eine Texstelle aus dem ,Armen Heinrich` genannt ... und begunden si vrâgen waz ir w æ re... AH 482.
3. Literaturverzeichnis:
Bayer, Hans Julius: Untersuchungen zum Sprachstil weltlicher Epen
Bumke, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, Berlin 1990
Bräuer, Rolf: Der helden, minne triuwe und êre, Literaturgeschichte der mittelhochdeutschen Blütezeit, Berlin 1990
Das Nibelungenlied, Leipzig 1956
Hoffmann, Werner: Das Nibelungenlied, Sammlung Metzler (7), Stuttgart 1992 Maurer, Friedrich: Dichtung und Sprache des Mittelalters, Bern, München 1971
[...]
1,pirschen` selten auch ,birschen` geht auf die afrz. Form berser,mit dem Pfeil jagen` zurück. vgl. F. Kluge, 23. Aufl.
1 Der Begriff ,matière de Bretagne` geht auf die ,Geschichte von Britannien` des Geschichtsschreibers Nennius zurück, in der der Name Arthur (frz. Artus) erstmals erwähnt wird.
2 Das Versmaß, dem das Nibelungenlied zugrundeliegt taucht auch bei dem Kürnberger auf, so daß man annahm, der von Kürnberger sei der Nibelungendichter
3 Diese Darstellung ist tatsächlich sehr vereinfacht, wenn man das Wort ritterscaft betrachtet. Ritterscaft bezeichnte einmal eine Gruppe von Rittern, es bedeutet aber auch ,ritterliches Leben`
1 aus: Hans Julius Bayer, ,Untersuchungen zum Sprachstil weltlicher Epen`
- Citar trabajo
- Christof Müller (Autor), 2000, Dialekt und Stil des Nibelungenliedes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97424
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