Die jährliche Polizeiliche Statistik des Bundeskriminalamts umfasste zuletzt eine Anzahl von 330.580 Rauschgiftdelikten für das Jahr 2017. Mittlerweile sitzen mehr als die Hälfte der Verurteilten aufgrund von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetzt in Haft. Mehr als zwei Drittel der Verstöße belaufen sich dabei auf konsumnahe Delikte, die vor allem den Besitz, Anbau, Erwerb sowie Abgabe und Handel mit BtM umfassen. Die Statistik macht deutlich: Bei der Mehrzahl der Strafgefangenen wegen Verstößen gegen das BtMG handelt es sich regelmäßig um Drogenkonsumenten und abhängige Kleinhändler. Hinsichtlich einer effektiven Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität muss konsequenterweise also an diesen Umstand angeknüpft werden – an die BtM-Abhängigkeit. Eine wirksame Therapierung der Suchtkranken ist dafür unerlässlich. Die Erkenntnis, dass im Rahmen des Strafvollzugs selbst eine erfolgreiche Therapie aufgrund der Haftbedingungen kaum möglich ist, bewegte den Gesetzgeber 1982 letztendlich dazu, die § 35 ff. BtMG des 7. Abschnitts in das BtMG einzuführen. Durch diese Vorschriften soll straffälligen Betäubungsmittelabhängigen die Möglichkeit einer Behandlung ihrer Suchterkrankung außerhalb des Strafvollzugs gewährt werden. Dies erfolgt durch eine Zurückstellung der Strafvollstreckung, die in § 35 BtMG geregelt ist.
Handelt es sich aber tatsächlich um eine Abhängigkeit, so bleibt eine grundsätzliche Frage offen: Wieso soll ein Suchtkranker, der Straftaten begangen hat und zu angemessenen Strafen verurteilt wurde, überhaupt eine solche Privilegierung erfahren? Schließlich kann er dadurch den Vollzug seiner Freiheitsstrafe zurückstellen, um eine Therapie außerhalb der Haft zu machen, die er grundsätzlich auch nach vollendetem Strafvollzug antreten könnte. Infolge der Einführung der §§ 35 ff. BtMG hat deshalb die Devise „Therapie statt Strafe“ allgemeine Verbreitung gefunden, die die fragwürdige Prämisse zu enthalten scheint, dass Therapie die Sanktionierung eines Straftäters wortwörtlich ersetzen könne. Gegenstand dieser Seminararbeit ist es daher, die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zunächst hinsichtlich ihres Sinn und Zwecks darzustellen. Weiter sollen vor diesem Hintergrund die Voraussetzungen der Zurückstellung, insbesondere die Abhängigkeit der Verurteilten in Verbindung mit dem Kausalitätserfordernis des § 35 BtMG, in Bezug auf die damit verbundene Problematik in der Praxis erörtert werden.
Inhaltsverzeichnis
A. Themeneinführung und Problemdarstellung
B. Hauptteil
I. Sinn und Zweck des § 35 BtMG
1. Rehabilitationsziel
2. Adressatenkreis
3. Strafbedürfnis
II. Die Betäubungsmittelabhängigkeit
1. Definition
2. Psychische und Physische Abhängigkeit
3. Zwischen BtM-Konsum und BtM-Abhängigkeit
4. Abhängigkeitsarten
a. Cannabisabhängigkeit
b. Medikamentenabhängigkeit
c. Alkoholabhängigkeit
d. Polytoxikomanie
e. §35 BtMG und der Gleichbehandlungsgrundsatz
5. Zeitpunkt der Abhängigkeit
III. Kausalität zwischen BtM-Abhängigkeit und Straftat
1. Grundsätzliche Voraussetzungen
2. Kausalität bei Verstößen gegen das BtMG
3. Einzelfalle
a. Verkehrsdelikte
b. Gewalt- und Sexualdelikte
c. Kausalitätbei Gesamtfreiheitsstrafen
IV. Nachweis von der BtM-Abhängigkeit und Kausalität
1. Nachweis aus den Urteilsgründen
2. SonstigeFeststellungen
3. Abweichen von Urteilsgründen
V. Weitere Voraussetzungen des §35 BtMG
1. Einer der Rehabilitation dienenden Behandlung
2. Therapiebereitschaft
3. Gewährleistung des Therapiebeginns
VI. Weitere Vollstreckung nach Therapieabschluss, § 36 BtMG
C. Fazit
- Quote paper
- Anonymous,, 2018, Vollstreckungsrechtliche Fragestellungen bei Betäubungsmittel-Abhängigen (§ 35 BtMG), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/974095
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