Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, der von 1419-1467 das Herzogtum Burgund regierte, sind die bisher frühesten Dokumente ihrer Art, die für den burgundischen Hof überliefert sind. Zwar hat es bereits vorher am burgundischen Hofe Hofordnungen gegeben, doch lassen sich darüber bis jetzt keine näheren Angaben machen, da für seine Vorfahren Philipp den Kühnen, burgundischer Herzog von 1364-1404, und Johann ohne Furcht, Vater Philipps des Guten und burgundischer Herzog von 1404-1419, keine Hofordnungen aus ihrer Regierungszeit überliefert sind. Selbst die erste von Philipp dem Guten, dem dritten burgundischen Herzog aus dem Hause Valois, erlassene Hofordnung ist verloren. Somit sind die für den herzoglichen Hofstaat überlieferten burgundischen Hofordnungen also erst von einer Zeit an fassbar, "in der diese ihre Entwicklung bereits abgeschlossen hatten."
Die erste überlieferte burgundische und somit von Philipp dem Guten erlassene Hofordnung stammt aus dem Jahre 1407. Im Vergleich zur Entstehung von Hofordnungen in den Territorien des Deutschen Reiches, in denen mit Ausnahme von Brabant erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts Hofordnungen überliefert sind, lässt sich eine geringe "Phasenverschiebung" im Entwicklungsstand der verschiedenen Höfe feststellen. Der burgundische Hof war so gesehen also schon "moderner" als die Höfe im Deutschen Reich. Die Gründe für die allgemein unterschiedlichen Entstehungszeiten von Hofordnungen an den verschiedenen Höfen sind bislang nicht hinreichend geklärt. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie in engem Zusammenhang mit dem "jeweiligen Grad der Fortentwicklung des Hofes zu einem relativ geschlossenen, komplexen sozialen System, mit der Herausbildung von Residenzen, mit dem Vordringen der Geldwirtschaft und mit der zunehmenden Verschriftlichung von Hofwirtschaft, Hof- und Landesverwaltung" stehen. Die folgende Arbeit wird sich demzufolge mit einer spätmittelalterlichen Hofordnung beschäftigen.
INHALTSVERZEICHNIS
Zur Beschäftigung mit den Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund
Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund - Die Hofordnung für Herzogin Isabella von Portugal von 1430
Die Hofordnung für Herzogin Isabella von Portugal von 1430 - Der Hofstaat der Herzogin
Die Hofordnung für Herzogin Isabella von Portugal von 1430 - Regelungen und Bestimmungen der Hofordnung über den Umgang mit den Hofbediensteten
Schlussbetrachtung
Anmerkungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
ZUR BESCHÄFTIGUNG MIT DEN HOFORDNUNGEN HERZOG PHILIPPS DES GUTEN VON BURGUND
Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, der von 1419-1467 das Herzogtum Burgund regierte, sind die bisher frühesten Dokumente ihrer Art, die für den burgundischen Hof überliefert sind. Zwar hat es bereits vorher am burgundischen Hofe Hofordnungen gegeben, doch lassen sich darüber bis jetzt keine näheren Angaben machen, da für seine Vorfahren Philipp den Kühnen, burgundischer Herzog von 1364-1404, und Johann ohne Furcht, Vater Philipps des Guten und burgundischer Herzog von 1404-1419, keine Hofordnungen aus ihrer Regierungszeit überliefert sind. Selbst die erste von Philipp dem Guten, dem dritten burgundischen Herzog aus dem Hause Valois1, erlassene Hofordnung ist verloren.2 Somit sind die für den herzoglichen Hofstaat überlieferten burgundischen Hofordnungen also erst von einer Zeit an fassbar, „in der diese ihre Entwicklung bereits abgeschlossen hatten.“3
Die erste überlieferte burgundische und somit von Philipp dem Guten erlassene Hofordnung stammt aus dem Jahre 1407. Im Vergleich zur Entstehung von Hofordnungen in den Territorien des Deutschen Reiches, in denen mit Ausnahme von Brabant erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts Hofordnungen überliefert sind, lässt sich eine geringe „Phasenver-schiebung“ im Entwicklungsstand der verschiedenen Höfe feststellen. Der burgundische Hof war so gesehen also schon „moderner“ als die Höfe im Deutschen Reich. Die Gründe für die allgemein unterschiedlichen Entstehungszeiten von Hofordnungen an den verschiedenen Höfen sind bislang nicht hinreichend geklärt. Es ist jedoch anzunehmen, dass sie in engem Zusammenhang mit dem „jeweiligen Grad der Fortentwicklung des Hofes zu einem relativ geschlossenen, komplexen sozialen System, mit der Herausbildung von Residenzen, mit dem Vordringen der Geldwirtschaft und mit der zunehmenden Verschriftlichung von Hofwirtschaft, Hof- und Landesverwaltung“4 stehen.5 Die folgende Arbeit wird sich demzufolge mit einer spätmittelalterlichen Hofordnung beschäftigen.
Die burgundischen Hofordnungen und hier speziell die Hofordnungen Philipps des Guten haben im Gegensatz zu anderen Dokumenten dieses Genres eine Besonderheit. Wie es für Hofordnungen gewöhnlich ist, beziehen sie sich prinzipiell auf alle Kardinalfunktionen eines Hofes (Organisation des täglichen Lebens, Aufrechterhaltung der Sicherheit, Regierung und Verwaltung, personelle Integration und Repräsentation am Hofe)6, doch der Schwerpunkt der burgundischen Hofordnungen liegt eindeutig auf der Verwaltung der höfischen Finanzen. „Burgundische Hofordnungen sind vor allem Finanzdokumente, die der Reduzierung der Kosten der Hofhaltung dienen sollten.“7
Nun soll es im Folgenden um die von Herzog Philipp dem Guten 1430 erlassene Hof-ordnung für seine dritte Frau, Isabella von Portugal, gehen. Durch diese Hofordnung wird dem Hofstaat Isabellas von Portugal ein normativer Rahmen gegeben. Unter der Fragestellung, wie der Hofstaat der Herzogin aufgebaut ist, d. h. welche Bediensteten sie hatte, und wie die Bestimmungen für diese sind, soll sich mit den in der Hofordnung darüber getroffenen Regelungen auseinandergesetzt werden. Würde man diese Bestimmungen aus heutiger Sicht eher als sozial oder unsozial bewerten, aus welchen Gründen und inwieweit? Welche Schlüsse lassen sich sowohl aus dem Aufbau des Hofstaates der Herzogin als auch aus den Bestimmungen für den Umgang mit ihren Bediensteten ziehen? Über all diese Fragen soll auf der Grundlage der von Werner Paravicini in Francia 13 (1985) (vollständige Quellenangabe siehe Quellen- und Literaturverzeichnis) edierten Hofordnung für Isabella von Portugal von 1430 reflektiert werden.
In einem ersten Kapitel wird zunächst Grundlegendes über die Hofordnung der Herzogin dargelegt werden, beispielsweise wann sie genau erlassen wurde und wie sie formal und inhaltlich gegliedert ist. Daran anschließend wird das nächste Kapitel dem ersten Teil der Fragestellung, wie sich der Hofstaat der Herzogin zusammensetzt und welche ersten Schlüsse sich eventuell schon daraus ziehen lassen, gewidmet sein. Das dritte und letzte Kapitel des Hauptteils soll sich mit dem zweiten Teil der Fragestellung beschäftigen, d. h. welche Regelungen in der Hofordnung über die Behandlung des Hofstaates der Herzogin getroffen wurden und was sich daraus ableiten lässt. Schließlich sollen in der Schluss-betrachtung zu Beginn noch einmal die Fragestellung der Arbeit hergeleitet und anschließend in Kurzform die Ergebnisse der gesamten Reflexion wiedergegeben werden. Soweit zur formalen und inhaltlichen Gliederung der Arbeit.
In der Forschung gibt es darüber, was der Begriff „Hofordnung“ meint, wie Hofordnungen aufgebaut sind und was sie beinhalten - kurz gesagt: darüber, was Hofordnungen sind - verschiedene Ansichten. Holger Kruse schreibt in einem Aufsatz von 1999 über die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund: „Wir verwenden in diesem Beitrag den Begriff ’Hofordnung‘, nicht weil er der exakteste wäre, sondern weil er der heute gebräuchliche ist.“8 Für ihn wären die Begriffe „Haushaltsordnungen“ oder „Hofstaatsordonnanzen“ als Bezeichnungen für burgundische Hofordnungen treffender, da in diesen, wie bereits kurz erwähnt, nicht der Hof an sich Gegenstand der Hofordnung war, sondern nur der viel enger gefasste fürstliche Haushalt oder Hofstaat.9 Peter Johanek lässt als Geltungsbereich von Hofordnungen den Hof als Ganzes stehen. Zu deren Inhalt schreibt er, dass sie zwar Einblicke in die gesamte Organisation des Hofes bieten, die Blickrichtung jedoch stets auf die Versorgung des Hofes fixiert ist.10 Dies entspricht auch der bereits zitierten Ansicht von Karl-Heinz Ahrens, die lautete, dass sich Hofordnungen prinzipiell auf alle Kardinalfunktionen des Hofes beziehen, die einzelnen Bestimmungen für diese jedoch nur selten als „vollständig“ zu betrachten sind.11 Werner Paravicini vertritt wie wohl die Mehrzahl der Historiker die Auffassung, dass sich der Hof im Laufe der Geschichte vergrößert hat, das Ausweiten des Haushaltes jedoch stärker ist und dieser die Tendenz hat, den Hof in sich aufzunehmen.12 Somit scheinen auch für ihn Hofordnungen mehr auf den Haushalt als auf den gesamten Hof bezogen zu sein. Hofordnungen also als herrscherliche Regulativa für den engeren Kreis um den Fürsten, den Haushalt, und speziell in Burgund unter der Prämisse eines auf die Finanzen ausgerichteten Dokuments mit dem Zweck die Ausgaben bei Hofe besser kontrollieren und begrenzen zu können.
Abschließend für die Einleitung und als Überleitung in den Hauptteil sei noch folgendes Zitat Werner Paravicinis mitgegeben: „Hofordnungen sind ebenso wenig wie detaillierte Polizeiordnungen immer das Anzeichen guter Verwaltung.“13
DIE HOFORDNUNGEN HERZOG PHILIPPS DES GUTEN VON BURGUND - DIE HOFORDNUNG FÜR HERZOGIN ISABELLA VON PORTUGAL VON 1430
Am 5. Februar 1430, knapp einen Monat nach der Hochzeit Philipps des Guten mit seiner dritten Frau, Isabella von Portugal, am 7. Januar 1430, erließ der Herzog für sie diese Hofordnung in Gent, einer Stadt in Flandern im heutigen Belgien. Sie galt jedoch schon rückwirkend zum 8. Januar 1430, dem Folgetag ihrer Hochzeit. Bereits vor dem Erlass der Hofordnung waren der Herzogin schon einzelne Personen zugeordnet worden. Mit Inkrafttreten der Hofordnung war ihr Hofstaat dann komplett, durch die Hofordnung schriftlich dokumentiert und somit öffentlich gültig. Von dieser Hofordnung sind zwei Ausfertigungen erhalten, das Original, welches hier auch zur Vorlage genommen wurde, sowie eine unbeglaubigte Kopie. Die Hofordnung blieb nicht lange in Kraft und wurde wahrscheinlich schon im April 1431 durch eine neue ersetzt. Sie ist die einzig erhalten gebliebene der Herzogin.14 Wenn man davon ausgeht, dass die burgundischen Hofordnungen vor allem Finanzdokumente sind15, ist die Hofordnung Philipps des Guten für Isabella von Portugal ein typischer burgundischer Vertreter. In ihr ist genau festgelegt, wer zum Hofstaat der Herzogin gehörte (namentliche Nennung), wann jeder einzelne Bedienstete zu dienen hatte oder dienen durfte, wie die Versorgung der Angestellten geregelt war, und gegebenenfalls, wie viele Diener und Pferde ihnen unterstanden, mit den Regeln für deren Versorgung. Diese Bestimmungen finden sich in dem ersten großen Teil der Hofordnung, dem sogenannten Stellenplan16, der quantitativ gesehen den überwiegenden Teil der Hofordnung ausmacht. Eine sehr ausführliche Auflistung also. Daran schließen sich die sogenannten Ausführungsbestimmungen an17, in denen sich allgemeine Bestimmungen über Dienstzeit, Dienstpflicht, den Empfang von Gagen, Pensionen und Geschenken, die Finanzierung des Hofes, die Rechnungslegung etc. finden. Diese sind wesentlich kürzer als die ausführlichen Regelungen Im Stellenplan (Verhältnis: 10:3 Seiten) und sie sind vor allem dazu da, die Kosten, die der Hofstaat Isabellas von Portugal verursachte, aufzuschlüsseln und somit besser kontrollieren und begrenzen zu können.18
Man muss wissen, dass sowohl der Herzog als auch die Herzogin, der Erbprinz, gegebenenfalls dessen Ehefrau und weitere Verwandte des Herrscherhauses jeder für sich einen eigenen Hofstaat hatten. Für jeden Hofstaat wurden vom Herzog Hofordnungen erlassen. Die verschiedenen Hofstaaten machten eine Regelung auch notwendig. Sie gehörten allerdings auch eng zusammen. Beispielsweise wurden mit der Hofordnung für Isabella von Portugal mindestens 16 Stelleninhaber vom herzoglichen Hof in den Hofstaat der Herzogin übernommen.19
Zur formalen Analyse der Hofordnung für Isabella von Portugal: Das im Archiv in Brüssel aufbewahrte Original der Hofordnung von 1430 für die Herzogin ist eine Rotulusausgabe20 und die hier zur Grundlage genommene gedruckte Edition von Werner Paravicini umfasst einschließlich des Personenregisters am Ende der Hofordnung 19 Seiten in altfranzösischer Sprache. Die richtige Bezeichnung der Hofordnung, die auf der Außenseite des Originals geschrieben steht, lautet: „Ordonnance de l`ostel de madame la duchesse de Bourgoingne faicte le Ve jour de fevrier M cccc xxix.“21 Interessant ist dabei der Vergleich der französischen Bezeichnung „ordonnance de l`ostel“ bzw. im heutigen Französisch „ordonnance de l`hôtel“, wobei „ostel“ bzw. „hôtel“ schon den engeren Hof, den Haushalt des Fürsten bezeichnen22, mit der deutschen Übersetzung „Hofordnung“, die durch die vielfältigen Möglichkeiten „Hof“ zu definieren in alle Richtungen auslegbar und immer wieder Gegenstand für neue Diskussionen in der Forschung ist. Angekündigt wird die Hofordnung mit einer für Philipp den Guten typischen und in seinen Hofordnungen immer gleichen Formulierung zu Beginn des Dokumentes für die Herzogin mit folgenden Worten: „C`est l`ordonnance faicte par monseigneur le duc de Bourgoingne, conte de Flandres, d`Artois, de Bourgoingne palatin et de Namur par l`advis d[e] son conseil sur le gouvernement de l`ostel de madame la duchesse sa compaigne.“23
Obgleich die Hofordnung von Philipp dem Guten erlassen wurde, wurde sie vom damaligen herzoglichen Sekretär und Audiencier Thomas Bouesseau ausgestellt und unterschrieben. Ob sie auf herzogliche Anordnung aus eigenem Antrieb oder auf Zuraten seiner Vertrauten angefertigt worden ist, ist nicht bekannt. Im Allgemeinen herrscht jedoch über Philipp den Guten die Meinung, dass er viel Verantwortung und Entscheidungsgewalt in die Hände seiner engsten Vertrauten und Berater, wie z. B. dem seit 1422 bereits mehr als 20 Jahre im Dienst des Herzogs arbeitenden Kanzler Nicolas Rolin, legte, so dass man schon sagen kann, dass der Großteil der Regierungsgeschäfte von den herzoglichen Betrauten geführt wurde, die großen Entscheidungen jedoch immer noch vom Herzog selbst gefällt wurden.24 Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Isabella von Portugal einer mit England verbundenen Familie entstammt, den aus Lusitanien kommenden Aviz, und dass sie eine Nachfahrin Johanns von Gent, des ersten Lancasters, ist.25 Die Tatsache, dass die besagte Hofordnung für Isabella von Portugal von 1430 von ihrem Ehemann erlassen wurde und auch von jemand anderem ausgearbeitet wurde, zeigt, dass selbst sie als Frau des Herzogs nicht das Recht hatte, ihren Hofstaat selbst zu verwalten. Hier spielt das Bild der Frauen im Mittelalter eine Rolle, die den Männern damals untergeordnet bzw. von deren Entscheidungen und Wohlwollen abhängig waren.
In diesem Kapitel wurde versucht, die Hofordnung für die Herzogin mit ihren Besonderheiten in groben Zügen zu beschreiben. Nun kann es in den folgenden Kapiteln unter den gegebenen Fragestellungen an eine genauere Beschäftigung mit der Hofordnung gehen.
DIE HOFORDNUNG FÜR HERZOGIN ISABELLA VON PORTUGAL VON 1430 - DER HOFSTAAT DER HERZOGIN
Wie war der Hofstaat der Herzogin aufgebaut? Welche Bediensteten hatte sie? Wie groß war die Anzahl der ihr zugeordneten Angestellten? Auf diese Fragen kann die Hofordnung für die Zeit ihrer Gültigkeit Antwort geben. Änderungen im Personal- und Dienstverhältnis wurden in der Hofordnung vermerkt, vorausgesetzt, dass die Hofordnung das im Hofmeisterbüro aufbewahrte Hofordnungsexemplar war, denn von jeder Hofordnung gab es mehrere Ausfertigungen, die z. B. für die verschiedenen Rechnungskammern (Burgund zur Regierungszeit Herzog Philipps des Guten von 1419-1467 = Rechnungskammern in Dijon und Lille) bestimmt waren.26
Zum Aufbau des Hofstaates lässt sich sagen, dass er in der vorliegenden Hofordnung in 17 verschiedene Ämterbereiche innerhalb von 163 Paragraphen gegliedert ist. Insgesamt umfasst die Hofordnung 183 Paragraphen. Diese 17 Ämterbereiche unterteilen sich ihrerseits wieder in Hofämter und übrige Ämter. Zu den in der Hofordnung erwähnten Hofämtern zählen die „Panneterie“ (das Brotamt), die „Eschançonnerie“ (das Mundschenkenamt), die „Escuiers trenchans“ (die Vorschneider), die „Varlez servans“ (die Edelknechte im Amt der Vorschneider), die „Cuisine“ (das Küchenamt), die „Fruiterie“ (zuständig für Obst und Beleuchtung), die „Escuierie“ (das Marstallamt) und schließlich die „Fourriere“ (zuständig für Heizung, Bett, Tisch, Bänke und für das Wasser). Der übrige Hofstaat unterteilt sich in die Ämter „Dames et damoiselles“ (Hofdamen und Jungfrauen), die aus unbekannten Gründen in der Hofordnung fehlen27, die „Chevalier d`onneur“ (die Ehrenritter), die „Maistres d`ostel“ (die Hofmeister), die „Varlez de chambre“ (die Kammerdiener), den „Maistre de la chambre aux deniers“ (den Hofzahlmeister und Vorsteher der Hofrechnungskammer), den „Clerc d`office“ (den Schreiber im Büro der Hofmeister, der die täglichen Ausgaben notierte), den „Phisicien“ (den Arzt), den „Confesseur“ (den Beichtvater), den „Aumosnier“ (den Almosenier) und den „Secretaire“ (den Sekretär). Die hier aufgezählten Ämter stehen in der Gliederung zu Beginn der Hofordnung.28 Die Übersetzung der altfranzösischen Originalbegriffe ist zum Großteil mit einem Glossar gemacht worden, das der ersten Edition der Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund durch Werner Paravicini in der Zeitschrift „Francia“ 10 (1982) beigefügt war.29 Die übrigen Begriffe sind nach Sprachverständnis und gelegentlich mit dem Wörterbuch übersetzt worden.
Vergleicht man die Anzahl der Ämter und Amtsinhaber des Hofstaates Isabellas von Portugal mit denen des Hofstaates ihres Mannes, fällt auf, dass der Ihrige kleiner ist als der des Herzogs. Die Hofordnung von 1430 weist der burgundischen Herzogin, die fehlende Angabe für die Hofdamen ausgenommen, einen Ehrenritter mit vorgegebener Gage und Ausstattung zu ihrer ständigen Begleitung zu: „Item aura madicte dame la duchesse ung chevalier d`onneur, assavoir est messire Lourdin seigneur de Saligny, lequel sera continuellement entour icelle dame et sera compté par les escroes de la despense de l`ostel de madicte dame a six personnes et six chevaulx.“30 Alle Amtsträger werden namentlich genannt, ihre Anzahl, ihre Gage und weitere Ausstattungen (z. B. Anzahl an Dienern und Pferden) festgelegt. Beim folgenden Vergleich soll nicht der gesamte Stellenplan der Hofordnung wiedergegeben werden, sondern nur die Ämter und die jeweiligen Personalstärken mit denen des herzoglichen Hofstaates verglichen werden. Einen Ehrenritter scheint es am Hofe Herzog Philipps des Guten im Gegensatz zum Hof der Herzogin nicht gegeben zu haben. Zumindest ist er in den tabellarischen Angaben zur Personalstärke der Ämter des Hofes Philipps des Guten 1426/27-1458/59 nicht erwähnt.31
Desweiteren wurden der Herzogin durch die Hofordnung von 1430 zwei Hofmeister zugeordnet, die abwechselnd dienen sollten, d. h. jeder ein halbes Jahr.32 Zum Vergleich umfasste der herzogliche Hofstaat von 1426/27-1449 fünf Hofmeister, ab 1458/59 dann sechs. Im Brotamt dienten der Herzogin vier Brotmeister, von denen immer zwei die Ausgaben und Einkäufe anordneten und notierten, und die anderen zwei wie die Hofmeister abwechselnd dienten.33 Wohingegen der Herzog im Jahre 1426/27 dreiundzwanzig Brotmeister hatte, deren Zahl bis 1458/59 mit einigen Schwankungen bis auf ca. sechsunddreißig anwuchs.34 Mit den übrigen Ämtern war es ähnlich. Die Hofordnung Isabellas von Portugal wies ihr vier Mundschenken zu35 ; im herzoglichen Hofstaat gab es bereits 1426/27 schon ca. sechsundzwanzig Mundschenken, 1458/59 gar ca. einundfünfzig.36 Die Zahlen der „Escuiers trenchans“, der „Varlez servans“ und der „Escuiers de cuisine“ (Küchenjunker) am Hofe der Herzogin von Burgund betrugen jeweils zwei37 - bei Philipp dem Guten dienten 1426/27 neunzehn „Écuyers tranchants“ und „Valets servants“ und ca. vierunddreißig „Écuyers de cuisine“ (neufranzösische Bezeichnungen). 1458/59 waren es dann fünfundzwanzig bzw. dreiunddreißig.38 Weiterhin waren bei der Herzogin jeweils zwei „Fruitiers“, „Escuiers d`escuierie“ und „Forriers“ angestellt.39 Im Hofstaat Philipps des Guten belief sich die Zahl der dafür Angestellten1426/27 auf fünf bis sieben, über sechzig und sechs bzw. 1458/59 auf sieben, einhundertneun und acht.40
Dies soll an Beispielen für die Größe der beiden Hofstaaten genügen. Man erkennt also deutlich, dass der Hofstaat Philipps des Guten weitaus größer war als der seiner dritten Frau. Schließlich war er auch der Hof des Herrschers, der eine größere Repräsentations-funktion als der Hof der Herzogin erfüllen musste. In den Zahlenangaben wurde die Anzahl der Diener der ganzen genannten Amtsträger noch nicht berücksichtigt. Die Höfe sind also noch um ein Vielfaches größer gewesen als man aus diesen Angaben schließen könnte. Es sei auch noch einmal erwähnt, dass sich die Hofordnungen lediglich auf den „engeren Kreis“ des Hofes, den Haushalt, bezogen.41 In Wirklichkeit umfasste ein Hof also noch viel mehr Personen als die, die in der Hofordnung aufgenommen wurden. Eine Hofordnung für den gesamten Hof zu erlassen oder auch nur auszuarbeiten, wäre ein riesiges und letztlich auch nicht sinnvolles Unterfangen gewesen, da die höfische Besetzung auch ständig wechseln konnte und längst nicht alle Personen, die zum Hof gehörten, auch einen Dienst innehatten. Zumal es in der Forschung noch heute viele verschiedene Ansichten darüber gibt, wo die Grenzen dessen, was zum Hof gehört, liegen.
DIE HOFORDNUNG FÜR HERZOGIN ISABELLA VON PORTUGAL VON 1430 - REGELUNGEN UND BESTIMMUNGEN DER HOFORDNUNG ÜBER DEN UMGANG MIT DEN HOFBEDIENSTETEN
Die allgemeinen Dienstvorschriften, die alle Hofangestellten betrafen, befinden sich in den Ausführungsbestimmungen am Ende der Hofordnung. Sie regeln unter anderem die Dienstpflicht, die Dienstzeit, den Erhalt von Gagen, Pensionen und Geschenken, die Finanzierung des Hofes und die Rechnungslegung.42 Die Ausführungsbestimmungen bzw.auch allgemeinen Bestimmungen der burgundischen Hofordnung für die Herzogin Isabella von Portugal umfassen in der Edition Werner Paravicinis vier Seiten bzw. die Paragraphen 164-183. Es wurde beispielsweise bestimmt, dass die zuvor in den Stellenplänen genannten Dienstinhaber, „se ilz ne viennent servir a leur tour, mondit seigneur pourra, s`il lui plaist, et en son absence madicte dame, commettre durant l`absence desdiz officiers ung autre tel qu`il lui plaira pour servir en lieu dudit absent, et de ce sera faicte mencion es escroes de ladicte despense.“43 Alle Amtsinhaber wurden also dazu angehalten, ihrem Dienste nachzukommen, da es sich der Herzog vorbehielt, bei Nichtbeachtung der Ordnung die jeweilige Person durch jemand anderen zu ersetzen und alle Vorfälle, Änderungen und Ausgaben im Hofmeisterbüro notiert werden sollten. Weiterhin wurden in den Ausführungsbestimmungen für einzelne Ämter, zu denen das Hofmeisteramt, das Mundschenkenamt, das Brotamt, das Marstallamt, der Dienst des Beichtvaters, des Arztes, des Hofzahlmeisters und Vorstehers der Hofrechnungskammer gehörten, Pensionen und Gagen festgelegt. „Item et au regart des pensions que lesdiz officiers ont accoustumé de prendre a cause de leursdiz offices ou autrement, mondit seigneur veult et ordonne que iceulx officiers aient et prennent les pensions qui s`ensuivent en oultre et pardessus leursdiz gaiges ou livrees [...]“44 Daran schließen sich die Angaben über die Höhe der Gagen an. Pensionen und Gagen wurden demzufolge nur einigen Amtsträgern gewährt, und wenn man noch einmal alle in der Gliederung der Hofordnung aufgeführten Ämter betrachtet, ist man geneigt zu sagen, dass sie nur an höher einzustufende Dienstinhaber gezahlt wurden und je nach deren Rang untereinander variierten. So bekamen beispielsweise die zwei Hofmeister am Hofe Isabellas von Portugal „quant ilz auront servy leur tour de six mois en six mois“ je 100 Francs und einer der vier Mundschenken, dem es oblag, die Ausgaben und Einkäufe in seinem Amt anzuordnen und zu notieren, bekam am Ende seiner Dienstzeit „nur“ 1 Franc. Die anderen drei Mundschenken und natürlich deren untergeordnete Diener erhielten keine zusätzlichen Zahlungen. Bei den anderen Gagenzahlungen sind die Verhältnisse analog.45
Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die Bediensteten des Hofstaates nicht nach ihrer Arbeitsleistung, sondern nach ihrer gesellschaftlichen Stellung am Hofe entlohnt wurden. Wie in Holger Kruses Aufsatz über die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten zu lesen ist, gab es in dem Punkt der fürstlichen Freigiebigkeit immer wieder Schwierigkeiten mit den in der Hofordnung bereits festgeschriebenen Ausgaben. Wenn der Herzog nun aber der Meinung war, dass einer seiner Hofbediensteten oder eine andere in seiner Gunst stehende Person eine „fürstlichere“ oder überhaupt eine Belohnung verdient hätte, die nicht Bestandteil der Hofordnung war, so hielt er sich auch nicht an die Festlegungen der Ordnung. Der Wille des Herzogs hatte immer noch mehr Gewicht als die Bestimmungen der Hofordnung. Neben der Willkür des Herrschers lag die Ursache seiner abweichenden Handlungsweise im Hinblick auf die Regelungen seiner eigenen Hofordnung auch darin, dass mit dem Erlass von Hofordnungen die fürstliche Freigiebigkeit, die einen mittelalterlichen Herrscher auszeichnete, durch diese beschränkt wurde.46 Natürlich sind die Hofordnungen im Einverständnis mit dem Fürsten ausgearbeitet und erlassen worden. Das Ziel war, die Ausgaben des Hofes zu beschränken und kontrollierbar zu machen.47 Das war auch ganz im Sinne des Herzogs, denn die Ausgaben des Hofes waren nicht gering und man wollte eine Kontrolle darüber haben, damit sie nicht ins Unermeßliche steigen. Schließlich waren im 15. Jahrhundert in den burgundischen Ländern schon einige Städte in besonderem Maße daran interessiert, dass der burgundische Herzog mit seinem umfangreichen Hofstaat und dessen Bedürfnissen bei seinen dortigen Aufenthalten die städtische Wirtschaft ankurbelte, indem er sein Geld dortließ.48 An dieser Stelle soll die angerissene Diskrepanz zwischen der notwendig gewordenen Verwaltung der herrscherlichen Haushalte durch Hofordnungen und dem „mittelalterliche[n] Leitbild der fürstlichen ’Largitas‘“49 nicht weiter ausdiskutiert werden.
Wenden wir uns wieder der Hofordnung Isabellas von Portugal zu. Wie waren die weiteren Regelungen zum Umgang mit den Hofangestellten der Herzogin? In den Ausführungs- bestimmungen der 1430 erlassenen burgundischen Hofordnung lautet es weiter: „Item que nulz des officiers dessusdiz ne soient si hardiz de tenir cheval ne varlet en l`escuierie de madicte dame fors ce qu`ilz en devront avoir par ceste ordonnance sur peine de perdre le cheval, et le varlet d`estre banni pour la premiere foiz et pour la seconde d`estre a tousiours privé et debouté de son office.“50 Dass die Amtsinhaber am Hofe der Herzogin nicht mehr Pferde und Diener, als ihnen in der Hofordnung zugeschrieben worden waren, haben sollten, versteht sich, da diese ja nur unnötige Kosten verursachten. Warum sollten sie aber auch nicht weniger Pferde und Diener als angeordnet haben, wie es in der folgenden Bestimmung steht: „Item et aussi veult et ordonne mondit seigneur que ceulx qui ne tenront autant de chevaulx comme ilz doivent avoir par ladicte ordonnance ne soient comptez fors pour autant qu`ilz en tendront.“51 Erklären lässt sich diese Anordnung wohl nur mit der Begründung, dass verhindert werden sollte, dass die Amtsträger Gagen oder Verpflegung für fehlende Diener oder Pferde erhielten, eventuelle repräsentative Gründe ausgenommen. Interessant ist, dass sich diese letzte Bestimmung im Gegensatz zur Erstgenannten in allen seit 1426 von Herzog Philipp dem Guten erlassenen Hofordnungen wiederfindet.52
Außerdem wurde unter Androhung hoher Strafen verboten, dass sich Personen am Hof aufhielten, die in keinem rechtmässigen Dienstverhältnis standen, d. h. deren Arbeitgeber nicht in der Hofordnung aufgeführt waren: „Item que nulz varlez quelxconques ne suivent la court s`ilz n`ont maistre servant en ordonnance sur peine d`estre grandement pugniz.“53 Die Amtsinhaber der Herzogin mussten schwören, dass sie Bettlern keine Almosen geben; nur an Freunde und Kranke durfte etwas vergeben werden. Darüber mussten dann aber auch die Hofmeister, ihre Dienstherren und alle anderen informiert werden.54
Diese Regelungen sind aus heutiger Sicht sehr streng. Alle Diensthabenden mussten ihren Vorgesetzten und in ganz besonderer Weise dem Herzog bzw. der Herzogin absoluten Gehorsam leisten. Sie waren alle dadurch von der Gnade des Fürsten bzw. der Fürstin abhängig, dass sie in seinem bzw. ihrem Dienst standen. Im Gegenzug musste der Herrscher dafür Sorge tragen, dass sie versorgt wurden. Zwischen dem Herrscher und seinem Hofstaat, ja sogar zwischen ihm und seinem Volk, bestand eine gegenseitige Beziehung des Gebens und Nehmens. Das Volk und insbesondere der Hofstaat sollten dem Herrscher zu seinem Besten dienen, sein Ansehen stärken und erhöhen. Dafür war der Herrscher für aller Wohlergehen verantwortlich. Ganz salopp formuliert könnte man dieses Verhältnis zwischen dem Volk und seinem Herrscher als Vorform der modernen Sozialversicherung sehen. Der mittelalterliche Herrscher als Garant für die soziale Absicherung seiner Untertanen. Die Hofordnungen wiesen also durchaus eine starke soziale Komponente auf, denn sie regelten nicht nur die Pflichten der einzelnen Diensthabenden, sondern garantierten ihnen auch schriftlich ihre Rechte und (Gehalts-/Gagen-/Pensions-)Forderungen. Für den Fall von Unstimmigkeiten gab es nun mit den Hofordnungen ein Dokument, auf das sich der Herrscher und seine Bediensteten berufen konnten. So haben die Hofordnungen neben ihrer Verwaltungs- und Kontrollfunktion zum Zweck der Eindämmung der Hofausgaben also auch eine wichtige soziale Funktion inne.
Die restlichen, bisher nicht genannten Ausführungsbestimmungen der Hofordnung von 1430 für die Herzogin Isabella von Portugal beziehen sich auf die Finanzierung der Hofhaltung und auf die Rechnungsprüfung, auf die allgemein in den Hofordnungen Philipps des Guten großer Wert gelegt wurde.55 Im Ausführungsmandat der Hofordnung schließlich wird noch einmal eindringlich ermahnt, die Bestimmungen der Hofordnung zu beachten und ihnen Folge zu leisten.56
Um noch einmal ganz kurz auf die Fragestellung zurückzukommen, kann man die Regelungen der Hofordnung zur Behandlung der Hofbediensteten also durchaus als „sozial“ bezeichnen, auch wenn sie weit von dem entfernt sind, was man heute als „sozial“ bezeichnen würde. Sie gehören jedoch in eine ganz andere Zeit und geben sowohl inhaltlich als auch formal mit der Hofordnung einen Einblick in die Sozialstruktur der damaligen Zeit.
SCHLUSSBETRACHTUNG
Ausgehend von dem gedruckten Original der burgundischen Hofordnung für die Herzogin Isabella von Portugal von 1430 in der Edition „Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund“ von Werner Paravicini sollte diese unter zwei bestimmten Schwerpunkten näher betrachtet werden. Nach einer knappen formalen und inhaltlichen Analyse sollte zunächst der Aufbau ihres Hofstaates analysiert werden, d. h. wie groß der Hofstaat der Herzogin war und aus welchen Ämtern er sich zusammensetzte. Dazu konnte mit Hilfe des Aufsatzes „Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund“ von Holger Kruse ein Vergleich der Größe und Zusammensetzung des herzoglichen Hofstaates Philipps des Guten mit dem seiner dritten Ehefrau, Isabella von Portugal, gemacht werden. Es ergab sich, dass der Hofstaat der Herzogin wesentlich kleiner war als der ihres Gatten. Sowohl vor 1430, dem Jahr, in dem die Hofordnung für Isabella von Portugal in Kraft trat, als auch danach, war der Hofstaat Philipps des Guten immer größer als der der Herzogin im Jahre 1430. Wie zu vermuten, war damit auch die Anzahl der am Herrscherhof vertretenen verschiedenen Amtsbereiche größer als bei der Herzogin. Leider gibt es keine weiteren Vergleichszahlen für den Hofstaat Isabellas von Portugal, da für sie bisher nur diese eine Hofordnung überliefert ist; es ist jedoch anzunehmen, dass ihr Hofstaat immer kleiner war als der Philipps des Guten, schon allein aus repräsentativen Gründen, d. h., weil er der Herrscher war. Eine weitere Feststellung war, dass angesichts der zu beobachtenden Zunahme der Hofbediensteten am Hofe Philipps des Guten in der Zeit von 1426/27-1458/59 die Tendenz der Ausweitung des Hofes, genauer gesagt, des Haushaltes, der den Hof immer mehr in sich aufzunehmen schien, besteht.
Neben diesen kurz zusammengefassten Ergebnissen des zweiten Kapitels des Hauptteils ging es im dritten und letzten Kapitel um die in der Hofordnung getroffenen Regelungen für den zuvor nach Qualität und Quantität untersuchten Hofstaat. Es stellte sich heraus, dass die in den Ausführungsbestimmungen der Hofordnung getroffenen Regelungen über Dienstzeit, Dienstpflicht und die angedrohten Strafen für die Nichtbeachtung der Bestimmungen für heutige Verhältnisse unvorstellbar hart waren. Doch zu der Zeit, zu der sie galten, müssen sie durchaus „modern“ oder „fortschrittlich“ gewesen sein, da der burgundische Hof als Vorzeigehof der damaligen Zeit galt.57 Zumal, wie schon einmal kurz erwähnt, im Herzogtum Burgund Hofordnungen schon um einiges eher als beispielsweise in den Territorien des Deutschen Reiches entstanden, die dortige Entwicklung der Organisation und Verwaltung des höfischen Lebens also schon weiterentwickelt war. In diesem Zusammenhang muss auch die damalige Sozialstruktur anders betrachtet werden. Es war ein bedeutender Fortschritt, dass mit den Hofordnungen Rechte und Pflichten beider Seiten, das bedeutet, des Herrschers gegenüber seinen Untertanen wie auch umgekehrt schwarz auf weiß dokumentiert wurden. Es gab nun ein Dokument, auf welches man sich im Zweifelsfalle berufen konnte. Somit waren die Untertanen nicht nur auf das Wohlwollen ihres Herrschers angewiesen, der ja ihre soziale Absicherung darstellte. Hofordnungen waren, sozialpolitisch betrachtet, demnach eine wichtige Errungenschaft für Herrscher und Untertanen gleichermaßen. Trotzdem behielt es sich der Herrscher bei allen Regelungen, mit denen er auch einverstanden war, immer vor, doch anders zu handeln als vorgeschrieben. Hielt er etwas für notwendig, wurde dies auch so gehandhabt, wie er wollte, egal, was in der Hofordnung stand. Er wollte seine Macht nicht freiwillig durch irgendetwas einschränken lassen. Dieser Zwiespalt zwischen den festgelegten Bestimmungen und der Eigenmächtigkeit des Herrschers blieb letztlich immer bestehen, solange es Hofordnungen gab.
ANMERKUNGSVERZEICHNIS
Zur Beschäftigung mit den Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund:
[...]
1 Vgl. Calmette, Joseph, Die grossen Herzöge von Burgund, München 1963, S.188.
2 Vgl. Kruse, Holger, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, in: Kruse, Holger (Hg.), Höfe und Hofordnungen 1200-1600, Sigmaringen 1999, S.160.
3 Ebd.
4 Ahrens, Karl-Heinz, Hofordnung, in: Angermann, Norbert/ Auty, Robert/ Bautier, Robert-Henri (Hg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, S.75.
5 Vgl. ebd.
6 Vgl. ebd.
7 Kruse, Holger, a. a. O.
8 Ebd., S.143.
9 Vgl. ebd., S.143f. Vgl. auch: Paravic ini, Werner, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, München 1994, S.67.
10 Vgl. Johanek, Peter, Schlußbetrachtungen: Auf der Suche nach dem Alltag bei Hofe, in: Paravicini, Werner (Hg.), Alltag bei Hofe, Sigmaringen 1995, S. 268.
11 Vgl. Ahrens, Karl-Heinz, a. a. O.
12 Vgl. Paravicini, Werner, Alltag bei Hofe, in: Paravicini, Werner (Hg.), Alltag bei Hofe, Sigmaringen 1995, S. 21f. Vgl. auch: Paravicini, Werner, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, München 1994, S. 67f.
13 Vgl. ebd., S. 26.
Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund - Die Hofordnung für Herzogin
Isabella von Portugal von 1430:
14 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 191f.
15 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 142.
16 Vgl. ebd., S. 147.
17 Vgl. ebd., S. 142.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 192.
20 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S 162.
21 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 194.
22 Vgl. Kruse, Holger, a. a.O., S. 144.
23 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 194.
24 Vgl. Calmette, Joseph, Die grossen Herzöge von Burgund, München 1963, S. 203f.
25 Vgl. ebd., S. 177. Die Hofordnung für Herzogin Isabella von Portugal von 1430 - Der Hofstaat der Herzogin:
26 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 145f.
27 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 192.
28 Vgl. ebd., S. 193.
29 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition I, in: Francia 10 (1982), S. 159ff.
30 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 195.
31 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 149ff.
32 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 195.
33 Vgl. ebd.
34 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 149.
35 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 197.
36 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O.
37 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 198.
38 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 149f.
39 Vgl. Paravic ini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 200ff.
40 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 150.
41 Vgl. hierzu Anmerkung 9.
Die Hofordnung für Herzogin Isabella von Portugal von 1430 - Regelungen und Bestimmungen
der Hofordnung über den Umgang mit den Hofbediensteten:
42 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 142.
43 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 204.
44 Ebd., S. 205.
45 Ebd.
46 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 155.
47 Vgl. ebd., S. 142.
48 Vgl. Neitmann, Klaus, Was ist eine Residenz? Methodische Überlegungen zur Erforschung der spätmittelalterlichen Residenzbildung, in: Johanek, Peter (Hg.), Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, Sigmaringen 1990, S. 26.
49 Kruse, Holger, a. a. O., S. 155.
50 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 205.
51 Ebd., S. 206.
52 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 154f.
53 Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 206.
54 Vgl. ebd.
55 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 153.
56 Vgl. Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 207.
Schlussbetrachtung:
57 Vgl. Kruse, Holger, a. a. O., S. 146.
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS
Quellen:
Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition I, in: Francia 10 (1982), S. 159-161.
Paravicini, Werner, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund, Edition III, in: Francia 13 (1985), S. 191-211.
Literatur:
Ahrens, Karl-Heinz, Hofordnung, in: Angermann, Norbert/ Auty, Robert/ Bautier, Robert-Henri (Hg.), Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München 1991, S. 74ff.
Calmette, Joseph, Die grossen Herzöge von Burgund, München 1963.
Johanek, Peter (Hg.), Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, Sigmaringen 1990.
Kruse, Holger (Hg.), Höfe und Hofordnungen 1200-1600, Sigmaringen 1999.
Paravicini, Werner (Hg.), Alltag bei Hofe, Sigmaringen 1995.
Paravicini, Werner, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, München 1994.
- Citation du texte
- Juliane Camin (Auteur), 2000, Die Hofordnung Herzog Philipps des Guten von Burgund für seine Frau Isabella von Portugal von 1430, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97307
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