Der erste Engländer der den australischen Kontinent betrat, war James Cook, der mit seinem Schiff, der Endeavour, 1770 an der Ostküste in Botany Bay gelandet war: der Bucht, die ihren Namen, dem an Bord von Cook’s Schiff befindlichen Amateurbotaniker, Joseph Banks verdankt. Cook war ursprünglich mit dem Auftrag, in Tahiti astronomische Beobachtungen vorzunehmen, die zur Berechnung des Abstandes der Erde von der Sonne beitragen sollten, betraut worden und wollte auf seinem Rückweg die Existenz, gegebenenfalls die Nichtexistenz, des legendären Südlandes nachweisen, indem er eine Route quer über den Südpazifk wählte. Cook kehrte mit dem positiven Bericht seiner Entdeckung Australiens nach England zurück, von dem man bis 1787, dem Jahr der ersten Deportation britischer Sträflinge nach New South Wales, keinerlei Gebrauch machte. Wie sich die Situation in England unter George III. bis hin zur Deportation von Strafgefangenen und darüber hinaus von der Gründung der ersten Kolonie Australiens bis zum Ende der Deportation entwickelte, soll in der folgenden Arbeit beschrieben werden.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Die Entwicklung bis zur Deportation
2.1.Die Zustände im Georgianischen England
2.2.Kriminalität und Justiz im Georgianischen England
3.Die Deportation nach Australien
3.1.Die vier Phasen der Deportation
3.2.Die Deportationsbedingungen
3.3.Das Soziale Profil der Deportierten
4.Die Anfänge der Besiedlung Australiens
4.1.Die Erste Flotte
4.2.Die Entwicklung der Erste Kolonie
4.3.Das Rumkorps
4.4.Die Regierungszeit Macquaries
5.Das Strafsystem der Kolonie
5.1.Das Zuweisungssystem
5.2.Das Freibriefsystem
6.Die Stellung der Frau in der Kolonie
7.Das Ende der Sträflingskolonie
8. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Der erste Engländer der den australischen Kontinent betrat, war James Cook, der mit seinem Schiff, der Endeavour, 1770 an der Ostküste in Botany Bay gelandet war: der Bucht, die ihren Namen, dem an Bord von Cook’s Schiff befindlichen Amateurbotaniker, Joseph Banks verdankt. Cook war ursprünglich mit dem Auftrag, in Tahiti astronomische Beobachtungen vorzunehmen, die zur Berechnung des Abstandes der Erde von der Sonne beitragen sollten, betraut worden und wollte auf seinem Rückweg die Existenz, gegebenfalls die Nichtexistenz, des legendären Südlandes nachweisen, indem er eine Route quer über den Südpazifk wählte. Cook kehrte mit dem positiven Bericht seiner Entdeckung Australiens nach England zurück, von dem man bis 1787, dem Jahr der ersten Deportation britischer Sträflinge nach New South Wales, keinerlei Gebrauch machte. Wie sich die Situation in England unter George III. bis hin zur Deportation von Strafgefangenen und darüber hinaus von der Gründung der ersten Kolonie Australiens bis zum Ende der Deportation entwickelte, soll in der folgenden Arbeit beschrieben werden.
2. Die Entwicklung bis zur Deportation
2.1. Die Gesellschaftlichen Zustände in Georgianischen England
Das verklärte Image der georgianischen Epoche von harmonischer Eleganz, gesundem Menschenverstand und Klarheit, was heute oft vermittelt wird, war für die Mehrheit der englischen Bevölkerung ganz und gar nicht zutreffend. Im Gegenteil, Armut und Analphabetismus herrschten vor. London, als exemplarisches Beispiel, war in den reichen Westen und den armen Osten eingeteilt, wo sich erschreckende Elendsquartiere befanden. In diesen Armutsvierteln lebten die Menschen dicht gedrängt auf kleinstem Raum unter unhygienischen Umständen in Abfall, Schmutz und Gestank. Unter den Armen gab es erhebliche Unterschiede, was den Verdienst und Lebensqualität anging. Zu den Ärmsten der Armen zählten die Iren, die Gelegenheitsarbeiter und Lumpensammler, welche in dunklen und ungesunden Kellern, in denen außer ihnen noch bis zu dreißig andere Menschen untergebracht waren, hausten. Die niederste und am schlechtesten bezahlte Tätigkeit, welche meist von alten Frauen ausgeübt wurde, war das Sammeln von Hundekot für Gerbereien. Zwar waren im Gegensatz dazu Handwerker, besonders solche, die Luxusgegenstände produzierten, finanziell besser gestellt, doch litten diese unter gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen. Berufsschäden wie Blindheit bei Sägern und Schneidern, Bleivergiftungen bei Gießern und Silikose bei Glasbläsern, waren stark verbreitet, führten zu Invalidität, Erwerbsunfähigkeit und senkten die Lebenserwartung. Frauen blieb oftmals keine andere Möglichkeit, als sich zu prostituieren, um zu überleben. Kinder wurden bereits im Alter von 6 Jahren zu harter Arbeit heran gezogen, und der Handel mit Weisenkindern, welche an Fabriken und Arbeitshäuser verkauft wurden, florierte. Dort mußten sie täglich bis zu 15 Stunden arbeiten, als wären sie Maschinen. Da Gewerkschaften und Vereine, wie der Mieterschutz, noch nicht existierten, mußten die Menschen sich mit diesen Lebensbedingungen so gut wie möglich abfinden. Die einzige Zuflucht, die die Menschen unter diesen barbarischen Umständen nehmen konnten, um ihr Elend zu ertragen, war der Alkohol oder genauer der Gin. Da er billig in England hergestellt, und auf ihn deshalb kein Einfuhrsteuer erhoben wurde, wie auf Weinbrand oder Portwein, war er trotz Armut problemlos erschwinglich. So konsumierten 1743 die werktätigen Armen England’s ungefähr 36 Liter Gin pro Person im Jahr. Es ist daher keine Übertreibung zu sagen, daß in dieser Zeit eine Großzahl der englischen Arbeiter Alkoholiker und auch dem entsprechend körperlich und geistig verkommen waren. Dem “Plebs”, wie die Arbeiter von den Oberen bezeichnet wurden, schlug seitens der Bessergestellten, Reichen und Mächtigen nur Verachtung und Furcht entgegen. Colquhoun hatte 1797 die Behauptung geäußert, daß 115.000 Menschen in England kriminell seien und damit den Glauben der Oberschicht an das Klischee von der Existenz einer “Kriminellen Klasse” bestärkt. Voigt schreibt dazu: “ Jeden Armen hielt man für einen potenziellen Verbrecher-so sah man unter einer Perücke damals die Welt und das sie bevölkernde Übel.” Verbrecher jeder Art, vom gemeinen Taschendieb bis zum brutalen Mörder, wurden damit in ein und die selbe Kategorie eingeordnet. Nachdem es in Frankreich 1789 zur Revolution gekommen war, befürchteten die Oberen, daß das Jokobinertum nach dem französischen Beispiel auch in England Anhänger unter den Arbeitern finden und in einem gesellschaftlichen Umsturz münden könnte.
2.2.Kriminalität und Justiz
In der Tat war die Kriminaliät stark angewachsen. Dies basierte jedoch nicht auf der Existenz einer “Verbrecherklasse”, sondern auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen, die Verbrechen geradezu provozierten. Als Folge der zunehmenden Industrialisierung kam es zu einem enormen Städtezuzug der Landbevölkerung. So verdoppelte sich von 1750 bis 1770 die Einwohnerzahl von London in nur zwanzig Jahren. Zudem wurde ein hoher Anstieg der Geburtenraten verzeichenet, was zu einer Sättigung der Arbeitsmarktes mit vorwiegend jungen Arbeitskräften führte. Massenarbeitslosigkeit und Elend herrschten vor, was in einer niedrigeren Lebenserwartung, höheren Sterblichkeit und einer hohen und ständig steigenden Verbrechensrate resultierte. Vor allem junge Leute wandten sich der Kriminalität zu, um ihr Überleben zu sichern. Im georgianischen England existierte bis 1820 keinerlei wirksame Verbrechensbekämpfung in Form einer gut organisierten, zentralisierten Polizei. Die einzelnen Gemeinden begnügten sich mit den “Charlies”, alten, bestechlichen Wachmännern, die für Kriminelle keine ernstzunehmende Bedrohung darstellten. Außerdem berief man sich auf Steckbriefe, Diebesfänger und Spitzel, welche je nach Schwere des aufgedeckten Verbrechens, eine entsprechend hohe Belohnung ausgzahlt bekamen. Zwar formierten sich dieser Zeit auch Ringe organisierten Verbrechens, doch waren Banden im Vergleich zur Flut von Gelegenheitsverbrechern eher selten. Um ein Gerichtsverfahren einzuleiten und einen Schuld- oder Freispruch zu erwirken, genügten bereits Zeugenaussagen. Dem Angeklagten wurde dabei kein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Trotzdem war die georgianische Gerichtsbarkeit, an den damaligen europäischen Maßstäben gemessen, relativ milde. Folter war nicht gestattet, und ebenso war es nicht erlaubt, ein Verdächtigen vor dem Urteilsspruch auf unbestimmte Zeit festzuhalten. Ein Schuldspruch erfolgte erst bei erwiesener Schuld. Letztendlich aber sah sich die Regierung mit einer riesigen Welle von Verbrechen konfrontiert und unternahm den Lösungsversuch, durch den Erlaß drakonischer Gesetze, die eine unglaublich große Anzahl von Delikten zu, mit der Todesstafe belegten, Kapitalverbrechen erklärten, Ordnung zu schaffen. Beispielsweise wurden alle Diebstähle, bei den Grenzwert von 40 Shilling überschritten wurde, mit der Todesstrafe geahndet. Die neuen, scharfen Gesetze dienten dabei vor allem dem Schutz von Besitz, als dem von Menschen, was eindeutig zeigt, daß in erster Linie Verbrechen gegen Eigentum, wie zum Beispiel Diebstahl und Fälschung, begangen worden, und das sich Vergehen gegen Personen, wie Vergewaltigung und Mord, im Vergleich dazu, sehr selten ereigneten. Obwohl so viele, aus heutiger Sicht geringfügige, Tatbestände mit der Todesstrafe durch den Strang belegt waren, bedeutete das keinesfalls, daß alle Verurteilten auch tatsächlich hingerichtet wurden, denn König Geoge III. hatte die Befugnis, zum Tode Verurteilte zu begnadigen oder das Urteil in Verbannung zu mildern, was er in den meisten Fällen auch tat, indem er den Bittgesuchen der Hinzurichtenden statt gab. Das Mittel der Begnadigung diente dem Herrscher zur Selbstdarstellung seiner Macht und Gnade. In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurden zwar doppelt soviele Menschen zum Tode verurteilt, wie noch in den Fünfzigern, doch wurde das Urteil bei immer weniger Menschen wirklich vollsteckt, denn die Erhängung von Straftätern in einem solchen Ausmaß hätte zu großer Unbeliebtheit des Königs und, unter Umständen, zur Auflehnung des Volkes gegen den Staat geführt. Wenn dennoch eine Hinrichtung vollzogen wurde, geschah dies öffentlich, vor einer Menge von Zuschauern, in der Absicht, ein abschrechendes Exempel zu statuieren.
Die Schauhinrichtungen avancierten in den Städten zum beliebtesten Massenspekakel, und wenn ein Prominenter in London zum “dreibeinigen Tier”, wie das Volk den Galgen nannte, geführt wurde, wohnten dem Schauspiel bis zu 25.000 Menschen bei. Aufgrund der zahlreichen Begnadigungen, bei denen die Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt worden war, wurde die englische Regierung erneut mit einem gravierenden Problem konfrontiert: die Gefängnisse waren alt, und der Platz, den sie zur Unterbringung von Sträflingen boten, genügte bei weitem nicht. Im 18. Jahrhundert erfüllten Gefängnisse den Zweck, Straftäter abzusondern und die Gesellschaft vor ihnen zu schützen, dabei wurde weder ein Gedanke an eine mögliche Besserung der Täter durch die Haftanstalten, noch an eine Reintegration in die Gemeinschaft verschwendet. Es ist keine Untertreibung zu behaupten, daß englische Gefängnisse jener Zeit sowohl eine Art von Höllen, als auch Brutstätten neuen Verbrechens waren, da sie die Gefangenen verbitterten und verhärteten, und sie, falls sie die Haft überlebten, eher verdarben, als besserten. Die hygienischen Zustände waren so schlimm, daß Epedemien wie Typhus viele Opfer forderten, zumal keine medizinische Versorung gestellt wurde. Die Wärter waren korrupt und verlangten für Essen, Platz, sogar für Atemluft Geld von den Sträflingen. Wer nicht zahlen konnte, was für die Meisten zugetroffen haben muß, war dem Verhungern nahe und erlitt ungeheuere Qualen, die durch die Wärter noch verstärkt wurden, indem diese Kettenhandel trieben, also die Gefangenen in zusätzliche Ketten legten, und sie nur dann davon befreiten, wenn sie zahlen konnten. Da man keine Absichten hegte, neue Gefängnisse für die wachsende Zahl von Häftlingen zu erbauen, kam die Idee, die Sträflinge zu deportieren, und England somit von der “Verbrecherklasse” zu befreien, äußerst gelegen und fand großen Anklang. Ein Deportationssystem war bereits seit 1597 durch den Beschluß eines Gesetzes zur Deportation eingeleitet und ab 1611 mit den Kolonien in Amerika in Anwendung gebracht worden. Die Deportation bot die Vorteile, daß sich Großbritannien einerseits der Straftäter entledigte und andererseits auch Profite abwarf, da die Sträflinge in den Kolonien Sklavenarbeit verrichten konnten, ohne, wie dies in England der Fall gewesen wäre, die dortige Bevölkerung mit ihrem herabwürdigenden Anblick in der Öffentlichkeit zu beschämen. Bis 1775, das Jahr in dem der Ausbruch des amerikanischen Unabhänigkeitskrieges der Deportation nach Amerika ein Ende bereitete, wurden etwa 40.000 straffällig gewordene Briten nach Amerika verschifft und an Siedler verkauft. Da die Situation in England 1784/85 immer dringlicher nach der Lösung der Sträflingsfrage verlangte, und die Gefangenen aus Platzmangel sogar auf Schiffswracks an der Themse und in den südenglischen Seehäfen, auf denen Seuchengefahr und Aufruhrstimmung herrschte, untergebracht werden mußten, suchte die Regierung unter William Pitt nach einem geeigeten Ort, an den sie die Sträflinge deportieren konnte. Die Wahl fiel auf Australien.
3.Die Deportation nach Australien
3.1. Die vier Phasen der Deportation
Die gesamte Deportation von Strafgefangen nach Australien läßt sich laut, Robert Hughes, in vier Phasen gliedern. In der ersten, der “primitiven” Phase, welche von 1787 bis 1810 andauerte, wurden lediglich 11.800 Gefangene nach Australien deportiert. In der zweiten Phase, von 1811 bis 1830, kam es nach 1815, nach Beendigung der Napoleonischen Kriege, zu einem steilen Anstieg der verschifften Sträflinge, der aus einer, aufgrund von innenpolitischen Schwierigkeiten, wie sinkenden Löhnen, steigenden Preisen, dem durch die Mechanisierung von Handwerksberufen verursachten Anstieg der Arbeitslosigkeit und der großen Städtezuwanderung, bedingten Verbrechenswelle herrührte. Rund 50.200 Menschen, was etwa ein Drittel der Gesamtheit der Deportierten ausmachte, wurden in diesem Zeitraum nach Australien gebracht. Durch die Gesetzesreform von 1818 wurde die Zahl der mit der Todesstrafe belegten Delikte gesenkt, dafür stieg jedoch die Anzahl der Deportierten. Die 1827 entstandene englische Polizei, deren Mitglieder nach ihrem Begründer Sir Robert Peel “Peelers” genannt wurden, führte zu einen gewaltigen Anstieg von Verhaftungen und Verurteilungen. Die vierte Phase, deren Dauer von 1831 bis 1840 währte, bildete mit 51.200 deportierten Sträflingen den Höhe-und Wendepunkt der Deportation. Zu Ende der 30iger Jahre des 19. Jahrhunderts, setzte sich eine Anti-Bucht-Bewegung in Gang. Der politische und moralische Widerstand der Sozialreformer gegen die Deportation nahm zu, und auch die Australier protestierten gegen die Zufuhr von immer neuen Sträflingen in ihr Land. Außerdem plante man in England eine Veränderung der Methoden des Strafvollzugs. Aus diesen Gründen wurde 1840 der Transport von Straftätern nach New South Wales eingestellt. Um 1847 betrug der Anteil der Verbüßenden in New South Wales gegenüber der Gesamtbevölkerung nur noch 3,2 %. Nicht so auf Vandiemensland, wo im selben Jahr der Anteil der Sträflinge in der Bevölkerung 34,4 % ausmachte. In der vierten Phase von 1841 bis 1850 deportierte man Sträflinge, im Umfang von 26.000 Menschen, nur noch nach Westaustralien und Vandiemensland. 1868 Kam die Deportation in ihrer Gesamtheit entgültig zum Ende. Über den gesamten Deprationszeitraum verbannte England insgesamt mehr als 160.000 Menschen nach Australien.
3.2. Die Deportationsbedingungen
Das Strafmaß, der aus Britannien nach Australien transportierten Sträflinge, war entweder auf 7 Jahre, 14 Jahre oder lebenslänglich festgesetzt worden. Durch die Deportation wurden zahlreiche Familien voneinander getrennt. Der Bitte vieler Ehefrauen, mit oder ohne Kindern, ihren Mann begleiten zu dürfen, wurde nur in seltenen Fällen entsprochen. Die Gefühle der Deportierten schwankten zwischen Hoffnung auf eine bessere Zukunft und der Angst, nie wieder nach Hause zurückkehren zu können. Der Umgang der Wärter mit den Häftlingen auf den Transportschiffen unterschied sich in keiner Weise von dem in den englischen Haftanstalten: Grausamkeit, Schikane, Bestechung, Korruption, Betrug um Essen, keine Hygiene und unzulängliche medizinische Versorung beherrschten das Bild. Eine Großzahl von Deportierten überlebte den Transport unter diesen Bedingungen nicht. Vor allem Iren erfuhren besonders brutale Behandlung, indem sie oft die “Neunschwänzige Katze ”, eine Peitsche mit neun Riemen, zu spüren bekamen. Zwischen 1787 und 1868 schickte England insgesamt 825 Schiffe, mit je ca. 200 irischen und englischen Gefangenen an Bord, nach Australien. Ab 1815 kam es zu einem steilen Anstieg der Transporte, die von privaten Unternehmen, denen die Regierung Auflagen zum Transport machte, durchgeführt wurden. Dabei erhielten die Transporteure für jeden Sträfling einen Pauschalsatz, egal, in welchem Zustand er in Australien angelangte. Im Jahre 1815 lag die Sterbequote pro Überfahrt bei 1:85. Deshalb ergriff die englische Regierung 1815 Gegenmaßnahmen in Form eines Aufsichtssystems, was zu einer erheblichen Verbesserung der allgemeinen Überfahrtbedingungen für die Gefangenen führte. Am Endes der Deportation 1868 starb noch etwa einer von 180 Sträflingen auf dem Weg nach Australien. Meutereiversuche auf den Gefangenenschiffen waren selten und während der gesamten Deportationszeit gab es nur eine erfolgreiche Meuterei, welche 1797 auf der Lady Shore, einem Transport weiblicher Häftlinge, unter Anführung der Bewacher, ausbrach.
3.3. Das Soziales Profil der Deportierten
Die Klasseneinteilung in Australien basierte auf einer anderen Grundlage, als in England. Aufgrund der Mehreit der Sträflinge, waren die Deportierten die “Guten” und die Aufseher die “Bösen”. Das australische Selbstbewußtsein baute sich auf das Klischee vom Häftling als unschuldigem Opfer und dem Mythos der Helden von Botany Bay auf. Tatsache ist, daß vier Fünftel der Deportierten wegen Diebstahls, meist aus Hunger und Not, Verurteilte aus dem besitzlosen Arbeiterstand der Großstädte waren. Vierzig Prozent der zur Deportation Verurteilten stammten aus Lancashire, Yorkshire, Warwickshire, Surrey, Gloucestershire und Kent, etwa 25 % aus Irland und nur wenige aus Schottland. Sechzig Prozent der männlichen Sträflinge waren bereits vorbestaft, denn wer einmal gescheitert war, hatte kaum Chancen, je wieder Arbeit zu finden und war somit in einen schrecklichen Kreislauf geraten. Ab 1815 wurden nahezu ausschließlich Wiederholungstäter nach Australien verschifft. Lediglich drei Prozent der Sträflinge wurden wegen Vergehen gegen Personen nach Australien gebracht, vier Prozent wegen Vergehen öffentlicher Art, worunter neben Fälschern, Schmugglern und Bigamisten auch Gewerkschafter und irische Rebellen zählten. Die Deportation diente der englischen Regierung daher auch als Instument, unliebsame Gegener des Systems aus dem Wege zu schaffen. Besonders nach der Vereinigung Irlands mit Großbritannien 1801, machte man Gebrauch von diesem Mittel. Das Verhältnis des Anteils von Männer gegenüber Frauen verhielt sich etwa 6:1.
4.Die Anfänge der Besiedlung Australiens
4.1.Die Erste Flotte
Zwischen der Entdeckung Cooks und der ersten Flotte lag ein Zeitraum von achtzehn Jahren. Australien war praktisch unerforscht, doch die erste Flotte, unter dem Kommando von Arthur Phillips, welcher zum Gründer und ersten Verwalter der neuen Kolonie New South Wales bestimmt worden war, setze am 13.Mai 1787, mit einer von Banks heraufbeschworenen illusorischen Vorstellung von Australien als ein grünem Land mit fruchtbarem Boden und saftigem Weideland, Segel gen Australien. Mit der erste Flotte schickte man außer dem Flaggschiff Sirius weitere zehn Schiffe, auf denen sich insgesamt 1500 Menschen, davon 736 Sträflinge, befanden. Die meisten Gefangenen wurden wegen Diebstahls deportiert und waren im Durchschnitt 27 Jahre alt, es gab nur einen verschwindend geringen Anteil an Schwerverbrechern im heutigen Sinne. Als Berufsbezeichnung gab der größte Teil einfacher Arbeiter und Landarbeiter an, gefolgt von Beschäftigungslosen und einem sehr geringen Anteil an Handwerkern und Seeleuten. Die Transportbedingungen bei der Überfahrt waren unmenschlich: keine Hygiene, zu wenig Essen, kaum Frischluft, Platzmangel, auch die Ausrüstung für den Aufbau der Kolonie war unzureichend. Die 15.000 Seemeilen von England bis nach Botany Bay, das Ziel der ersten Kolonisten Australiens, legte die erste Flotte in 8 Monaten, mit Zwischenstops in Rio de Janero und Kapstadt, um Proviant, Saatgut und Nutztiere für die Kolonie aufzunehmen, zurück. Am 19. Januar 1788 erreichte die erste Flotte Botany Bay.
4.2.Die Entwicklung der Ersten Kolonie
Botany Bay erwieß sich als herbe Entäuschung für Phillips und die erste Flotte, denn statt der erwarteten Weideflächen und des fruchtbaren Bodens fanden sie eine eintönige, dürre Heidelandschaft mit vereinzelten Gebüschen und Eukalypusbäumen vor. Aus diesem Grunde suchte man nach einer geeigneteren Stelle, um die erste Siedlung anzulegen, die man schließlich in Port Jackson, dem späteren Sydney, fand. Am 7. Februar 1788 wurde die erste australische Kolonie, New South Wales, von Phillips, im Namen George III., offiziell gegründet. Phillips, der in der Kolonie so weit von England über nahezu uneingeschränkte Macht verfügte, vertrat die Ansicht, daß nur dem Essen zustünde, der auch arbeite. Er achtete auf die strenge Gleichbehandlung von Sträflingen, Soldaten und Matrosen bei der Verteilung des Nahrungsvorrates, der für zwei Jahre ausgelegt war. Unter militärischer Ordnung begannen die Sträflinge, von Soldaten bewacht, mit dem Aufbau der ersten Kolonie. Der Sandboden von Sydney Cove war mühsam zu bearbeiten und relativ unfruchtbar, besonders, da nicht genügend Arbeitsgeräte zur Verfügung standen. Problematisch war auch der Umstand, daß nur etwa ein Drittel der Sträflinge arbeitsfähig war, jedoch alle ernährt werden mußten. Des weiteren bestand ein Mangel an qualifizierten Handwerkern und Landwirten. In den ersten Jahren kam es zu Mißernten, die die junge Kolonie an die Grenze zum Hungertod trieben. Die Situation war verherrend: die zugeteilten Rationen wurden immer knapper, Nachschübe aus England ließen auf sich warten, viele Menschen starben Hungers und unter der Last der harten Arbeit, unter den Häftlingen existierte statt Solidarität ein verzweifelter Kampf ums nackte Überleben, Diebe wurden äußerst hart bestraft, Diebesfänger hingegen hoch belohnt, Mißmut und eine apathische Atmosphäre verbreiteten sich, die Soldaten ließen ihre Frustation, in Form von schlechter Behandlung, an den Gefangenen aus und standen kurz vor der Meuterei. Nur die Konsequenz und Strenge Phillips ließ die Kolonie diese Phase überwinden. Am 3. Juni traf die Lady Juliana mit 222 neuen weiblichen Gefangenen, aber nur wenig Nahrung beladen in Sydney ein und belastete die Kolonie mit dieser Ladung zusätzlicher Esser mehr, als sie ihr half. Die zweite Flotte, die mit mehr als 1.000 Sträflingen in Sydney Habour einlief, brachte zu allem Überdruß einen großen Anteil von Invliden und Hilflosen, die zwar ernährt werden mußten, aber selbst keinen Arbeitsbeitrag leisten konnten. Ebenso sie dritte Flotte, die weitere 1864 ausgemerkelte und arbeitsunfähige Häflinge nach Australien deportierte. Da ein Mangel an freien Kolonisten herrschte, man jedoch die Besiedlung vorantreiben wollte, begann man bald, ehemaligen Häftlingen, die ihre Strafe bereits abgegolten hatten, Land, von dem zur Genüge vorhanden war, zu überschreiben. So wurde 1792 66 Menschen Land übereignet, von denen 53 ehemalige Sträflinge waren. Besonders die Gegend um Parramatta war landwirtschaftlicher Hoffnungsträger. Zudem stellte man den neuen Landbesitzern Arbeitswerkzeuge und Sträflinge als Hilfkräfte für die Bewirtschaftung des Landes, zur Verfügung, was den Beginn des Zuweisungssystems kennzeichnete. 1792, als die Kolonie den Status der Selbsterhaltung erreicht hatte, kehrte Phillips nach England zurück. Das Amt des Gouverneurs blieb daraufhin für drei Jahre unbesetzt. Stattdessen überließ man die Verwaltung der Kolonie den Militärs Grose und Paterson.
4.3.Das “Rumkorps”
Unter der Leitung der Offiziere Francis Grose und William Paterson etablierte sich eine Elite privatwirtschaftlicher Unternehmen, welche die Häftlinge, wie Sklaven, gewinnbringend für sich arbeiten ließen und ausbeutete. Die Gleichheit die Phillips durchgesetzt hatte, wich der Vormachtstellung von Offizieren und der Soldaten gegenüber den Sträflinge und Zivilisten. Da die Offiziere in den Besitz einer großen Menge Rums gelangt waren, besaßen sie das Rummonopol in New South Wales, was ihnen den Namen “Rumkorps” einbrachte. Entlassene Sträflinge und freie Siedler verfügten über gleiche Rechte auf Land. Doch sie erfuhren harte Rückschläge bei den Versuchen ihr Land zu bearbeiten und zu behalten, da sie auf der einen Seite von natürlichen Hindernissen wie zum Beispiel Dürre, Feuer und Überschwemmungen aufgehalten und zurückgeworfen wurden, als auch von ihrem alten Problem, das sie aus England mitgebracht hatten, dem Alkoholismus. Die Offiziere des Rumkorps nutzten diese Sucht aus, um ihren Rum gegen das Land der Ehemaligen und Siedler einzutauschen, was um 1800 zu einem drastischen Rückgang des Besitzes von Ex-Sträflingen führte. Unter John Hunter, welcher 1795 zum Gouverneur New South Wales eingesetzt wurde, erfuhren die Machtverhältnisse in der Kolonie keinen Wandel, und auch seinem Nachfolger ab 1800, Philip Gidley King, gelang es trotz des Verbotes, mit Alkohol Handel zu treiben, nicht, den Einfluß des New South Wales Corps zu schwächen. Der Rum wurde weiterhin über Sträflinge und die Mätressen der Offiziere vertrieben. King’s politischer Gegenspieler, der ehemalige, sich der Landwirtschaft widmende Militär John Macarthur, wurde 1802 wegen eines Konfliks gezwungen, nach England zurück zu kehren. Von dort brachte Macarthur Schafe mit nach Australien und legte damit den Grundstein eines der bedeutendsten Wirschaftsfaktoren Australien’s: der Schafzucht. Die Elite wandte sich schnell der gewinnbringenden Schafzucht zu. Im Jahre 1805 wurde Bligh zum Gouverneur ernannt. Als dieser verbot, Rum als Zahlungsmittel zu akzeptieren, und aufgrund von Mißernten anordnete, das wirtschaftliche Gewicht auf die Landwirtschaft anstatt Viehzucht zu verlagern, lehnte sich das New South Wales Corps gegen ihn auf . Nach einer erfolgreichen Rebellion gegen Bligh im Jahre 1808 übernahm das Rumkorps die Regierung von New South Wales für die nächsten beiden Jahre.
4.4.Die Regierungszeit Macquaries
In Jahre 1810 traf Lachlan Macquarie in New South Wales ein, der im Auftrage der englischen Regierung das Rumkorps entmachten und Ordnung schaffen sollte. Macquarie, der eine ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung besaß, wurde der Gouverneur von New South Wales mit der längsten Regierungsdauer. Er verbesserte die Städteplanung Sydney’s und ließ eine große Zahl öffentlicher Gebäude errichten, außerdem bemühte er sich um Bildungswesen, Verbesserung der Moral, Heiratspolitik, Landwirtschaft und Viehaltung. Macquarie wurde dem Alkoholismus der Siedler gegenüber gestellt, woraufhin er den Versuch unternahm, durch Restriktion der Öffnungszeiten von Pubs, höhere Zölle auf Spirituosen und Einschränkung der Schanklizensen, Herr des Problems zu werden, was ihm jedoch mißlang. Die Siedler verschuldeten sich lieber, als auf den Konsum von Alkohol verzichteten. Macquarie beabsichtigte, die Sträflinge wieder in die Gesellschaft zu integrieren, eine im Strafvollzug völlig neue Ansicht, und betrachtete die Aussicht auf Belohnung bei guter Führung und Freilassung als den besten Ansporn für die Straffälligen. Er trat für die “Emanzipierten”, die ehemaligen Sträflinge, ein und öffnete ihnen Türen zur wirtschaftlichen Verwaltung und Entfaltung innerhalb der Kolonie. Mit dieser Ansicht traf er bei der neureichen Elite, den “Merinos”, welche ihren Reichtum mit Hilfe der Schafzucht und Sträflingsarbeit angehäuft hatten, auf viele Feinde. Es bestand ein großer Bedarf an Arbeitskräften, besonders an kostengeringen, weil Australien bei Weitem noch nicht so mechanisiert war, wie vergleichsweise England. Unter Macquarie begann die Expansion nach Westen, da es dort genügend Weideland für Vieh gab, und den mühsamen Straßenbau in Kettenkolonnen, der sich nach Westen, durch die “Blauen Berge”, kämpfen mußte. Das einzig positive Aussicht für die Strafarbeiter im Straßenbau war, das sie eventuell aufgund der übermenschlichen Arbeitsleistung (200km in sechs Monaten) vorzeitig aus ihrer Haft entlassen wurden. Die Häflinge, die im Straßenbau tätig waren, wurden mit Ketten aneinander gefesselt, damit sie nicht in die Wildnis entfliehen konnten. Die Flucht war zwar in Australien immer relativ einfach, doch das Überleben im Busch ein harter Kampf, dem die Meisten nicht gewachsen waren. Flüchtige, denen es dennoch gelang, auf Dauer in der Wildnis zu überleben, wurden “Buschklepper” genannt. Sie ernährten sich durch die Jagd von Kängaruhs, aber auch durch den Diebstahl des Viehs und Besitzes der Siedler. Ihnen gedeihte, aus der glorifizierenden Sicht der Sträflinge, das Image Robin Hood artiger Helden an, obwohl es ihnen tatsächlich relativ egal war, wen sie beraubten, solange es ihr Überleben sicherte. Das Problem der Buschklepperei dauerte noch lange nach Macquaries Regierungszeit, die 1821 endete, an. Zweifellos war Macquarie einer der wichtigsten Gouverneure des frühen Australiens. Voigt meint abschließend zu dieser Periode: “Die von Macquarie noch in patriarchalischer Manier mit autokratischer Macht geschaffenen Einrichtungen und das von ihm geförderte soziale Selbstbewußtsein der Emanzipierten kamen erst nach seiner Zeit zur vollen Entfaltung.”
5.Das Strafsystem der Kolonie
5.1.Strafarbeit und Zuweisungssystem
Die Sträflinge mußten entweder für die Krone arbeiten oder wurden durch das Abtretungssystem privaten Arbeitgebern auf befristete Zeit zugewiesen, bis sie eine Begnadigung oder einen Freibrief erhielten. Dann konnten sie ihre Arbeitskraft frei verkaufen und erhielten zudem oft Land von der Regierung. Mit dem Zuweisungssystem wollte man einerseits freie Siedler anlocken, indem man ihnen kostenlose beziehungsweise billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellte, andereseits konnte man auf diese Weise die Sträflinge sinnvoll beschäftigen und so verteilen, daß nie hohe Konzentration an Straftätern zusammenkam, wie in Gefängnissen, und damit die Aufstandsgefahr relativ gering gehalten wurde. Ein weiterer Vorzug des Systems für die Regierung war die Macht über die Siedler, die sie als Verteiler, der so dringlich benötigten Arbeitskräfte, auszuüben vermochte. Die Zuweisung erfolgte je nach Größe des zu bearbeitenden Landes. Da es bei der Verteilung der Arbeitskräfte anfänglich zu Bestechung und Günstlingswirtschaft gekommen war, wurde unter Gouvaneur Darling ein Ausschuß zur Prüfung der Siedler einberufen, bevor sie Sträflingsarbeiter zugewiesen bekamen. Stellten sich die Dienstherren als zu streng oder zu milde heraus, wurden ihnen die Arbeiter wieder entzogen. Bis 1800 bezahlte die Regierung sogar die Unterhaltungskosten der bei den Siedlern beschäftigten Sträflinge. Etwa jeder zehnte Staftäter jedoch, mußte für die Krone öffentliche Arbeiten, wie Bauarbeiten oder Straßenbau, verrichten. Diese Arbeit für die Regierung galt unter den Sträflingen als die schlimmste Bestrafung in New South Wales, da die Aufseher brutal mit den Häflingen umgingen und sie meist in Kettenkolonnen (“chaingangs”), in denen je 20 bis 30 Menschen aneinandergekettet wurden, arbeiten ließen. Zu öffentlichen Arbeiten in den sogenannten “gangs” wurden vor allem Häflinge, die von den Siedlern aus Disziplinsgründen zurückgewiesen worden waren, herangezogen. Die Sträflinge in New South Wales waren trotz allem keine Sklaven, da sie keinen Besitz der Dienstherren darstellten. Des weiteren hatten die Häftlinge gewisse Rechte, die es ihnen ermöglichten, vor Gericht gegen ihren Dienstherren Klage zu erheben oder Bittschriften einzureichen. Es war den Siedlern, denen die Sträflinge von der Regierung zur Bewirtschaftung ihres Landes zur Verfügung gestellt wurden, nicht gestattet, die ihnen Anvertrauten auszupeitschen, ohne das zuvor ein solches Urteil durch einen Friedensrichter ergangen wäre. Die Arbeitszeit der Sträflinge wurde auf 56 Stunden pro Woche festgesetzt, später mußten bestimmte Akkordsätze erfüllt werden, um zu gewährleisten, daß die Sträflinge nicht untätig waren, obwohl nicht genug Wachen zur Aufsicht zur Verfügung standen. Die Flucht ohne Bewachung war zwar problemlos möglich, doch durch die Einführung eines Paßsystem kamen die Meisten nicht weit. Außerdem genossen die Sträflinge, die bei Dienstherren beschäftigt waren eine große Bewegungsfreiheit, solange sie die ihnen vorgeschriebene Arbeit ordnungsgemäß verrichteten. In ihrer Freizeit war es den Sträflingen gestattet, zusätzliche bezahlte Arbeit zu leisten. Auf diese Art versuchte man, die Arbeiter anzuspornen und zu motivieren. Die Auszahlung der Sträflinge von jährlich 10 bis 15 Pfund Sterling, erfolgte meist in Naturalien, Alkohol und Luxuswaren wie Tee, Tabak oder Zucker. Dabei war Alkohol das begehrteste Zahlungsmittel von allen, da jener Zeit die Mehrheit der Menschen dem Alkoholismus erlegen waren.
5.2.Das Freibriefsystem
Bei guter Führung hatten die Sträflinge in New South Wales gute Aussichten auf Begnadigungen, die entweder bedingt oder unbedingt ausgesprochen wurden. Bedingt Begnadigte erhielten volle Bürgerrechte innerhalb der Kolonie, durften diese aber nicht verlassen. Die unbedingte Begnadigung, der Freibrief, galt jeweils für ein Jahr und mußte nach Ablauf dieser Frist erneuert werden. Der Inhaber eines solchen Freibriefes durfte seinen Wohnsitz und seine Arbeitsstelle frei wählen. Die Begnadigungen konnten bei schlechter Führung, zum Beispiel Untätigkeit, Verlangen zu hoher Löhne, Aufsässigkeit gegenüber Autoritäten, jederzeit widerrufen werden. Damit förderte das Freibriefsystem die kontrollierte Wiedereingliederung der Sträflinge in die Gemeinschaft. In der Regel bekamen die Sträflinge bald nach ihrer Ankunft oder nach einem Drittel ihrer Haftzeit ein “ticket of leave”, die bedingte Begnadigung, ausgestellt. Ausgebildete, wie Ärzte oder Juristen, und Handwerker erhielten ihr “ticket of leave” meistens sofort und wurden von der Regierung zu vollem Gehalt eingestellt. Den Freibrief, das “conditional pardon”, erhielt die Mehrheit der Sträflinge nachdem sie zwei Drittel ihrer Strafe verbüßt hatte. Profitgierige, ausbeuterische Dienstherren hatten kein Interesse daran, daß die ihnen zugeteilten Sträflinge Freibriefe erhielten, weil sich diese damit einen anderen Arbeitgeber suchen durften und Dienstherren, die ihre Arbeiter schlecht behandelten, folglich verließen. Auf dem Arbeitsmarkt herrschte eine große Nachfrage nach Arbeitskräften, besonders nach freien, weil sie motivierter arbeiteten als gefangene, was sich zum Nachteil mancher Dienstherren auswirkte. Einige versuchten das Erlangen von Freibriefen zu verhindern, indem sie die Sträflinge, die bei ihnen arbeiteten, zum Aufruhr provozierten. Der größere Teil sah aber ein, daß ein gut behandelter Arbeiter auch ein effektiverer Arbeiter war und verhielten sich entsprechend. Nachdem die Sträflinge ihre Strafe in Australien verbüßt hatten, waren sie frei, nach England zurückzukehren, was jedoch nur eine Minderheit tat. Im Normalfall blieben die sogenannten Emanzipierten, also die entlassenen Häftlinge, in Australien und versuchten, sich eine neue Existenz aufzubauen. Viele wurden zu wohlhabenden Geschäftsleuten, Farmern oder Viehzüchtern. “Einem Sträflingsschicksal in Australien waren zum Guten wie zum Bösen sozusagen keine Grenzen gesetzt.”, wie Voigt treffend bemerkt. Denen, die in der Kolonie erneut straffällig wurden, drohte die Hölle in Form der Verbannungsorte Port Macquarie, Moreton Bay, Newcastle, Port Arthur und Norfolk, wo mit harten Strafen von Auspeitschen über Arbeit in Ketten, Folter und Schikane bis hin zum Tod durch den Strang nicht gespart wurde. Zu diesen verschärften Maßnahmen sah man sich gezwungen, um die Ordnung in der Kolonie mit Hilfe von Abschreckung aufrecht zu erhalten. Doch für den, der sich gesetzestreu verhielt und bereit war, zu arbeiten, bot Australien einen Weg zurück in die Gesellschaft und Freiheit.
6.Die Stellung der Frau in der Kolonie
Zwischen 1788 und 1852 bestand etwa ein Siebtel der nach Australien Deportierten aus Frauen. Der überwiegende Teil von ihnen hatte eine Strafe von sieben Jahren, meist wegen Diebstahls, zu verbüßen. In den Strafkolonien waren Frauen äußerst erwünscht und heiß begehrt, weil man durch sie, Homosexualität, welche damals zu den Kapitalverbrechen zählte, Sodomie, Unzufriedenheit und Spannungen zu unterbinden hoffte. Außerdem brauchten die Kolonisten Nachwuchs, wenn sie sich auf Dauer in Australien ansiedeln und heimisch werden sollten, was sich ohne Frauen natürlich nicht arrangieren ließ. Aus diesen Gründen begann man bald mit der gezielten Deportation von Frauen im heirats- und gebärfähigen Alter von 24 bis 45 Jahren. Außerdem versuchte man, durch Begünstigung von Verheirateten, beispielsweise durch mehr Freizeit für verheiratete Sträflinge, die Familienbildung zu fördern. Oft noch bevor die Frauen einen Fuß auf australischen Boden gesetzt hatten, wurden sie wie ein Stück Vieh oder ein Sklave an Interessenten verkauft. Offiziere und Wachmannschaften erhielten die “erste Wahl”, sich unter den weiblichen Deportierten Partnerinnen und Dienerinnen auszusuchen, danach die einfachen Soldaten, die Siedler und schließlich die Sträflinge. Eine solch entwürdigende Behandlung läßt schnell auf die untergeordnete Rolle der Frau in dieser neu entstehenden Gesellschaft schließen. Besonders von Seiten der oberen Klasse herrschte Frauen gegenüber das Vorurteil, daß die Mehrheit von ihnen der Prostitution nachging, was sicherlich eine stark übertriebene Darstellung ist. Andereseits hatten viele Frauen tatsächlich keine andere Wahl, als sich auf diese Weise mit ihrer einzigen Habe, ihrem Körper, Geld und Schutz zu erkaufen, da sie dem Mann praktisch ohnmächtig und rechtelos gegeüber standen. Den wenigen Frauen, die über Besitz verfügten wurde bei ihrer Ankunft ein Freibrief ausgestellt, die restlichen mußten in Spinnereien und Wollfabriken oder, in schweren Fällen, in Tretmühlen arbeiten, die einem hygienischen Disaster gleichkamen. Doch nur ein Drittel der Frauen fand in diesen Fabriken Platz. Die restlichen mußten sich prostituieren, um ihre Unterkunft bezahlen zu können. Die einzige Möglichkeit der Frauen sich aus dieser elenden Situation zu “befreien”, bestand darin, zu heiraten, da jeder weibliche Häftling mit der Heirat einen Freibrief ausgestellt bekam. Frauen konnten sich auf keinerlei Rechte berufen, so daß auch Verbrechen gegen Frauen nicht bestraft wurden. Wie auch immer, hatten Frauen eine dem Mann gesellschaftlich untergeordnete Position inne.
7.Das Ende Australiens Sträflingskolonie
Der Nachfolger von Macquarie, Sir Thomas Brisbane, trat 1821 ins Amt des Gouverneurs von New South Wales. Er selbst besaß nur geringen politischen Ehrgeiz und setzte keine nennenswerten Veränderungen durch, doch wurde in seiner Regierungszeit ein erster Schritt zur Einschränkung der Macht des Gouverneurs vollzogen, indem man ihm einen Kolonialsekretär und einen Kolonialschatzmeister zur Seite stellte. Im Dezember 1825 übernahm Ralph Darling das Amt des Gouverneurs. Unter seiner Regierung wurde die Gesetzgebung in die Hände einer Legislative, aus Vertretern der Kolonie gebildet, übergeben, was eine weitere Begrenzung der Vollmachten des Gouverneurs bedeutete. Doch eine repräsentive Verfassung mußte der Kolonie, wegen ihres Status als Verbannungsort von Sträflingen, weiterhin vorenthalten werden. Der wichtigste Verdienst Darlings bestand in der Moderisierung der Verwaltung der Kolonie, vor allem des Polizieapparates, des Postwesens und der Zollverwaltung. In der folgenden Zeit wurden auch in anderen Teilen des australischen Kontinents Kolonien gegründet: 1826 die Sträflingskolonie Albany an der Westküste, 1829 eine Siedlung am Swan River (dem heutigen Perth) sowie die beiden Kolonien Victoria und South Australia. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts begann New South Wales seinen Charakter als Sträflingskolonie zu verlieren, da aufgrund von Werbung und Propaganda in England mehr freie Siedler einwanderten, als Sträfling deportiert worden. Von 1831 bis 1840 kamen etwa 65.000 freie Siedler und ca. 50.000 Sträflinge nach Australien. Die Zahl der Emanzipierten wuchs beständig, und außerdem muß bedacht werden, das die erste Generation von frei in Australien Geborenen und Aufgewachsenen, der sogenannten “currency”, zunehmend eine Rolle spielte. Mit zunehmender freier Einwanderung verlor Australien seine abschreckende Wirkung als Kontinent der Bestrafung. Die Kriminalität in England war ohnehin nicht nachweisbar von den Deportationsmaßnahmen beeinflußt worden. 1837 trat der Molesworth Ausschuß in England zusammen, um der Deportation ein baldiges Ende zu bereiten, was für New South Wales 1840 erreicht wurde. Auch in Australien wurden zunehmend Stimmen laut, die sich gegen die Abschiebung von Häftlingen aussprachen. In England wurden stattdessen der moderne Strafvollzug eingeleitet, indem man neue Gefängnisse errichten ließ und Abstand von der Deportation nahm. Schwerstverbrecher wurden weiterhin nach Vandiemensland und Norfolk transportiert. Lediglich an der als letztes besiedelten Westküste ermangelte es an Arbeitskräften, was einem schnellen Fortschritt entgegenstand. Dieser Umstand erklärt, warum auch nach Ende der Deportation von Strafgefangenen nach New South Wales, immer noch Sträflingstransporte nach Australien gefragt waren und statt fanden. In der Regierungszeit von Gouverneur Gipps, von 1838 bis 1846, befand sich die australische Wirtschaft in einer Depression, weshalb die Kolonie durch den großen Zustrom von freien Einwanderern auf eine harte Belastungsprobe gestellt wurde. Ein bedeutender Schritt in der australischen Geschichte stellte das Verfassungsgesetz von 1842 dar, welches den Bürgern von New South Wales mit einem Besitz von mindestens 1.000 Pfund ein aktives und solchen mit einem Besitz im Mindestwert von 200 Pfund ein passives Wahlrecht einräumte. Spätestens mit dem ersten Wahlkampf von 1842 bis 1843 war der Status Australiens als Sträflingskolonie hinfällig. Im August 1850 eröffnete “The Australian Colonies Government Act” den Weg zu einer eigenen Verfassung Australiens und damit zu seiner zukünftigen Selbstbestimmung.
8.Literaturverzeichnis
Bader, Rudolf (Hrsg.): Australien: Eine Interdisziplinäre Einführung. wtv. Trier:1996.
Hughes, Robert: Australien: die Gründerzeit des fünften Kontinents. Econ-Verlag. Düsseldorf:1987.
Voigt, Johannes:Geschichte Australiens. Kroener. Stuttgart: 1988.
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- Liana Richter (Author), 2000, Die Anfänge Australien`s als Sträflingskolonie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97294
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