Obwohl das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) inzwischen auf eine fast zwanzigjährige Entwicklung zurückblicken kann, so gilt es in der fachöffentlichen Diskussion doch noch immer als relativ neuer Ansatz. Dass neue Ansätze und Methoden schnell polarisieren, sie also sowohl Prediger, Befürworter und unkritische Anhänger als auch Skeptiker, Kritiker und Ablehner hervorbringen, ist nichts Neues und trifft für das AAT mindestens in dem Maße zu, wie es auch bei vielen anderen Bindestrich-Methoden zu beobachten war und ist.
Auch sorgen neue (und wie beim AAT) manchmal spektakulär daherkommende und (zum Teil leider auch popularistisch) in Szene gesetzte Methoden, Hintergründe und Inhalte ebenso schnell für Irritationen und Unverständnis oder gar Unmut unter den sozial- und erziehungswissenschaftlichen Fachtraditionalisten wie sie andererseits, von vielen Theoretikern wie Praktikern mit Erwartungen und Königswegphantasien überhäuft, überhöht und überfordert werden.
Doch sind es nicht genau diese Ansätze und Methoden, die heute in einer krisen-, gewalt- und mangel-"gebeutelten" Schule von Nöten sind, in einer Zeit, in der Lehrer nicht selten mit dem Rücken an der Wand stehen und Schüler (vornehmlich männliche) bereit sind, in Streetgang-Manier, mit dem Kopf durch selbige zu marschieren?
Dieses Buch geht der Frage nach, ob die fachtheoretischen Hintergründe, die methodischen Elemente und praktischen Erfahrungen dieser, ursprünglich für den Jugendstrafvollzug entwickelten Präventionsmethode, für eine gewaltpräventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen genutzt und auf die Bedingungen und Probleme von Schule heruntergebrochen werden können. Kann das "Hamelner AAT-Modell" für eine gewaltpräventive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen genutzt und auf die aktuellen Bedingungen und Probleme von Schulen herunter gebrochen werden? Kann dieser Präventionsansatz Impulse für ein neues Lernen, für eine sichere und attraktivere Schule geben und kann er zur Förderung von solidarischem Verhalten, von Fürsorge und Empathie und zur Reduzierung von Gewalt beitragen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aggression, Aggressivität, Gewalt
- Gewaltdiskurse in der Öffentlichkeit
- Begriffserklärungen und Definitionen
- Theorien und Erklärungsansätze aggressiven Verhaltens
- Psychologische Ansätze
- Operantes Konditionieren
- Imitationslernen - Lernen am Modell
- Frustrations-Aggressions-Theorie
- Gesellschaftliche Bedingungen und soziologische Erklärungsansätze
- "Risikogesellschaft" und "Soziale Desintegration"
- Anomie - Theorie
- Etikettierung (Labeling Approach)
- Zusammenfassung genannter Aggressionstheorien und Schlußfolgerungen aus der Sicht des Anti-Aggressivitäts-Trainings
- Psychologische Ansätze
- Was Hänschen (nicht) lerntm - Über den Erwerb der Geschlechterrolle
- Psychologische Erklärungsansätze
- Lern - und kognitionspsychologische Erklärungsansätze
- Das psychoanalytische Modell
- Männliche Sozialisation
- Die Mutter-Sohn-Dyade
- Ihs Fehlen des Vaters, die Suche nach Männlichkeit, der "neue Mann" am Horizont
- Jungenarbeit
- Psychologische Erklärungsansätze
- Zum Begriff Prävention
- Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)
- Entstehungsgeschichte und Zielgruppe des "klassischen AAT" nach Weidner / Heilemann
- Verschiedene Modelle
- Theoretische Bezugspunkte des klassischen AAT
- Die vier Phasen des "klassischen AAT"
- Integrations- und Deskriptionsphase
- Konfrontationsphase
- Gewaltverringerungsphase
- Nachbetreuungsphase
- Notwendigkeit der Provokation und Konfrontation aus Sicht des Weidner'schen AAT- Modells
- Kritische Betrachtung des klassischen Weidner'schen Ansatzes
- Das AAT (Hamelner Modell) als wachstumsförderndes und emanzipatorisches
Pädagogik- und Lernmodell
- Die Grundform: Das Hamelner Modell "2000"
- Leitbild: Von der Kritikkultur zur Lobkultur
- Das Attraktivitätstraining als zentrale Phase
- Rhetoriktraining
- Deeskalationstraining
- Schauspieltraining
- Logiktraining - Gehirnjogging
- Genihlsjogging
- Weiche Körper (Massage, Tüchertanz)
- Flirttraining
- Provokationstest mit "Coolness-Training"
- Die zusätzlichen Handlungsmodule
- Vom Hamelner Modell 2000 zum "Jungencoaching" — "neues Lernen" Ilir "neue Männlichkeit"
- Die Grundform: Das Hamelner Modell "2000"
- Braucht Schule "neues Lernen"?
- Schule in der Krise — Krise in der Schule? Zur Situation der Schule in der Gegenwart.
- "Selbstachtung und Kömerorientierung"- "neues Lernen" für IÆhrer und Schuler?
(Vorstellungen zur Entwicklung eines neuen Schulfaches nach Heilemann)
- Schutzauftrag geht vor pädagogische Arbeit - Thesen for Schulleiter und Lehrer
- Curriculare Eckpfeiler für "Selbstachtung und Kömerorientierung" an Grundschulen
- Empfehlung an die SchulpolitikXV
- Zusammenfassende Schlußbetrachtung
- Anmerkungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit von Raik Lößnitz untersucht das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) als ein pädagogisches Konzept, das auf die Reduzierung von Gewalt bei Kindern und Jugendlichen abzielt. Die Arbeit analysiert die fachtheoretischen Hintergründe des AAT, insbesondere die Theorien des operanten Konditionierens, des Imitationslernens und der Frustrations-Aggressions-Theorie. Sie beleuchtet die Entstehung des klassischen AAT-Modells und dessen Phasen, sowie dessen Weiterentwicklung zum "Hamelner Modell 2000" und zum "Jungencoaching". Die Arbeit geht der Frage nach, ob das AAT Impulse für ein "neues Lernen" geben kann und somit zur Förderung von solidarischem Verhalten, Fürsorge und Empathie sowie zur Reduzierung von Gewalt beitragen kann.
- Gewaltprävention und Anti-Gewalt-Arbeit
- Theorien des aggressiven Verhaltens
- Erwerb der Geschlechterrolle und Männliche Sozialisation
- Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)
- Das "Hamelner Modell 2000" und das "Jungencoaching"
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas Gewaltprävention im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen und die Herausforderung für Jugendhilfe und Schule dar. Sie skizziert die Fragestellung der Arbeit und die methodische Vorgehensweise.
Kapitel 2 beleuchtet den öffentlichen Gewaltdiskurs und die Rolle der Medien in der Debatte über Jugendgewalt. Es werden verschiedene Definitionsansätze und Erklärungsmodelle für Aggression und Gewalt betrachtet.
Kapitel 3 analysiert verschiedene Theorien und Erklärungsansätze aggressiven Verhaltens, unterteilt in psychologische und soziologische Ansätze. Es werden Lerntheorien, die Frustrations-Aggressions-Theorie, die "Risikogesellschaft" und die "Soziale Desintegration" sowie die Anomie-Theorie und die Etikettierungstheorie betrachtet.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Erwerb der Geschlechterrolle und den geschlechtsspezifischen Sozialisationsprozessen, die zu unterschiedlichen Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen führen. Es werden psychologische Erklärungsansätze, die Mutter-Sohn-Dyade und das Fehlen des Vaters in der Sozialisation von Jungen sowie die Jungenarbeit als pädagogisches Konzept betrachtet.
Kapitel 5 erläutert den Begriff Prävention und unterscheidet zwischen Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Es wird der Einsatz des AAT im Bereich der Jugendgerichts- und Bewährungshilfe und des Coolness-Trainings im Bereich der Schule, Jugendhilfe und Streetwork beschrieben.
Kapitel 6 beschreibt das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) als ein deliktspezifisches Behandlungsmodell für gewaltbereite Wiederholungstäter. Es werden die Entstehungsgeschichte, die Zielgruppe, verschiedene Modelle und die theoretischen Bezugspunkte des klassischen AAT-Modells sowie dessen vier Phasen (Integrations- und Deskriptionsphase, Konfrontationsphase, Gewaltverringerungsphase und Nachbetreuungsphase) betrachtet. Es wird die Notwendigkeit der Provokation und Konfrontation aus Sicht des Weidner'schen AAT-Modells diskutiert und kritisch betrachtet.
Kapitel 7 stellt das Hamelner Modell "2000" als eine Weiterentwicklung des klassischen AAT-Modells vor. Es wird die Abkehr von der Kritikkultur hin zur Lobkultur als Leitbild des Modells beschrieben. Das Attraktivitätstraining als zentrale Phase des Modells wird mit seinen acht Kernmodulen (Rhetoriktraining, Deeskalationstraining, Schauspieltraining, Logiktraining, Gefühlsjogging, Weiche Körper, Flirttraining und Provokationstest) und den zusätzlichen Handlungsmodulen (Entspannungsübungen, Anti-Blamier-Training, Synchronisationsübungen und Nähetraining) vorgestellt. Es wird der Übergang vom Hamelner Modell 2000 zum "Jungencoaching" als ein Konzept für eine neue, gewaltfreie Männlichkeit beschrieben.
Kapitel 8 thematisiert die Frage, ob die Schule "neues Lernen" benötigt. Es wird die Situation der Schule in der Gegenwart mit ihren Herausforderungen und Problemen analysiert. Heilemanns Vorschlag für ein neues Schulfach "Selbstachtung und Körperorientierung" wird vorgestellt, das auf den Leitideen des AAT-Modells basiert. Es werden die Schutzfunktion der Schule, die curricularen Eckpfeiler des Schulfaches und Empfehlungen an die Schulpolitik diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Förderschwerpunkt Lernen, den inklusiven und exklusiven Unterricht sowie die schulische Inklusion, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Empirische Forschungsergebnisse werden präsentiert, um die Rahmenbedingungen und Herausforderungen der inklusiven Beschulung von Kindern mit dem Förderschwerpunkt Lernen zu beleuchten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Bielefelder Längsschnittstudie (BiLieF-Projekt), die die Leistungsentwicklung und das Wohlbefinden von Schülern in inklusiven und exklusiven Förderarrangements vergleicht. Weitere Themen sind Förderempfehlungen, die Herausforderungen der Inklusion sowie Implikationen für die Schulentwicklung und Inklusionspraxis.
- Citar trabajo
- Raik Lößnitz (Autor), 2001, Das Anti-Aggressivitäts-Training als Impulsgeber für neue Lernformen an Schulen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9728
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