Landesausbau in salischer Zeit
Vorbemerkung:
Dieses Skript diente der thematischen Vorbereitung auf eine vierstündige Klausur in der Magisterprüfung; es enthält daher keine Fußnoten, sondern nur pauschale Literaturhinweise am Ende des Textes (ohne Anspruch auf Vollzähligkeit).
A. Einleitung
1. Thematische und räumliche Eingrenzung.
Unter Landesausbau wird im Folgenden verstanden die quantitative wie qualitative Verbesserung der materiellen Voraussetzungen für das Leben der Bevölkerung (oder Teilen von ihr) im Reich nördlich der Alpen .
Das bereits zum Imperium gehörende nördliche Italien wie auch das in der frühen Salierzeit hinzukommende Burgund müssen hier außer Betracht bleiben, da sie eine wesentlich höhere Kontinuität zur Spätantike sowohl in der Erschließung des Landes als auch in der Tradition von Wissen hatten.
Theoretisch wären mit vergleichbarer Begründung die Gebiete nördlich der Alpen westlich und südlich des ehemaligen Limes gesondert zu behandeln, da auch in diesen gewisse Kontinuitäten aus der römischen Herrschaft vorhanden waren; insbesondere hatten sich hier Teile der alten Infrastruktur an Städten und Straßen erhalten.
Da die Thematik wie auch die Quellenlage jedoch nur eine pauschale Betrachtung erlauben, werden diese Gebiete mit einbezogen - es bleibt aber bei allen folgenden Ausführungen im Auge zu behalten, daß auch innerhalb des „regnum teutonicorum“ ein Entwicklungsgefälle von Westen nach Osten und Süden nach Norden bestand.
2. Beschränkte Quellenlage
In den schriftlichen Quellen zur Salierzeit wie auch zuvor in ottonischer Zeit werden Sachthemen in den überlieferten Darstellungen zur Ablaufgeschichte und in der Hagiographie nur en passant angesprochen.
Zwischen den detaillierten Anweisungen zur Wirtschaftsführung im „Capitulare de Villis“ sowie den enzyklopädischen Ansätzen des Hrabanus Maurus aus der Karolingerzeit und den „kameralistischen“ Ansätzen bei den Zisterziensern wie auch den wissenschaftlichen Kompilationen des Albertus Magnus in der Mitte des 13. Jh. liegen mehr als 400 Jahre, in denen es kaum Darstellungen zu diesem Themenbereich gibt.
Somit verbleiben nur beiläufige Erwähnungen, punktuelle Erkenntnisse aus Urkunden, Er- gebnisse der Archäologie und Interpolationen zwischen Erkenntnisen aus beiden oben ge- nannten Eckdaten mit einer daraus resultierenden Unsicherheit in der Aussagefähigkeit (die im Folgenden auch zu vielen Konjunktiven und ähnlichen „Weichmachern“ führen wird)
Alle Zahlenangaben zu Bevölkerungsumfängen usw. sind der Literatur entnommene Hochrechnungen und weisen nach Aussage der Autoren eine erhebliche Unschärfe auf.
3. Definitionen
Als quantitativer Landesausbau wird im Folgenden verstanden die stärkere Erschließung natürlicher Ressourcen durch deren erweiterte Nutzung, beispielsweise durch Rodung von Waldgebieten für den Ackerbau oder durch verstärkten Abbau von Erzen.
Qualitativer Landesausbau bedeutet hingegen die Anwendung völlig neuer Techniken oder breitere Anwendung vorhandener Verfahren zur Steigerung der Produktivität oder zur Erhöhung der Lebensqualität.
Als Agglomerationen werden zusammenfassend bezeichnet die alten Städte wie auch die in Anlehnung an Bischofssitze mit ihren Klöstern und Konventen, an Klöster und Burgen sich herausbildenden neuen verdichteten Siedlungsformen, die vielfach bereits jetzt oder später zu Städten heranwuchsen.
4. Ansatz
Die Darstellung des Landesausbaus beginnt mit der Landwirtschaft, da zu dieser Zeit
- mehr als 90% der Erwerbsfähigen in der Landwirtschaft tätig waren und die Lebens- basis für die übrige Bevölkerung (Adel, Ministerialen, Klerus, Handwerker sowie die nicht erwerbsfähigen Kinder und Greise) lieferten.
Anm.: Rund 45% der Gesamtbevölkerung waren in erwerbsfähigem Alter.
- Abgaben aus der landwirtschaftlichen Produktion noch die hauptsächliche Einkommensquelle für Adel und Klerus waren und somit deren Macht und Einfluß überwiegend von den in ihrem Besitz befindlichen oder von ihnen genutzten (Lehen / Vogteirechte usw.) landwirtschaftlichen Grundflächen abhing.
- Weltliche und geistliche Agglomerationen sich nur dort entwickeln konnten, wo Aus- dehnung und Fruchtbarkeit des Bodens in der näheren Umgebung deren Versorgung si- cherstellen konnten (sofern nicht in geographisch günstigen Ausnahmefällen - Städte am Rhein - Binnenschiffahrt auch den Transport von Agrarprodukten über weitere Entfer- nungen ermöglichte).
Danach wird auf die Erschließung anderer natürlicher Rohstoffe (Erze, Stein und Holz) einzugehen sein.
Folgend werden Verbesserungen der Verarbeitungsmethoden sowohl für landwirtschaftli- che Produkte innerhalb der ländlichen Gesellschaft sowie der sich entwickelnden Agglomerationen behandelt als auch solche für andere Rohstoffe.
Dies führt dann weiter zu den alten wie auch den neugegründeten oder aus Siedlungen an Machtzentren herangewachsenen Städten, die mit spezialisierter Verarbeitung und Handel dafür sorgten, daß qualitativ und quantitativ neuen Bedürfnissen Rechnung getragen werden konnte.
Ergänzend dazu ist auch eine Hebung der Lebensqualität in Stadt, Burg, Kirche und Land durch neuere Bauverfahren und bessere Transportmittel anzusprechen - es sei vorweggenommen, daß es zur Salierzeit wahrscheinlich nur punktuell Verbesserungen bei der überörtlichen Infrastruktur (Straßen und Brücken) gab.
B. Landwirtschaft
1. Rahmendaten
Das Reich hatte, bezogen auf das Gebiet westlich von Elbe und Saale, um 800 etwa 1,5 Millionen, zu Beginn der Salierzeit ca. 2, 7 Millionen Einwohner; zu ihrem Ende noch etwa 1 Million mehr - die Bevölkerungsdichte war insgesamt auf das 2, 5-fache gestiegen; während der Salierzeit allein um das 1,5-fache.
Der für das Jahr 800 in der Literatur genannte Anteil landwirtschaftlich genutzter Fläche von 5% müßte sich demnach theoretisch-rechnerisch bis zum Ende der salischen Dynastie auf rund 13 % erhöht haben, dies trifft aber so nicht zu, da andere Faktoren die Produktivität der Landwirtschaft erhöht haben (siehe weiter unten).
Eine intensivere Nutzung nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Ernährung (Wild- früchte, Waldweide, Jagd usw.) ist nicht erkennbar und auch wenig wahrscheinlich, da bei der für die Salierzeit generell zu konstatierenden Herrschaftsverdichtung sogar anzunehmen ist, daß der Adel seine Jagdprivilegien ausbaute und die Wälder damit zunehmend der allgemei- nen Nutzung entzog.
2. Quantitativer Ausbau
Ab dem 11. Jh. nimmt, erkennbar vorzugsweise an Ortsnamen-Endungen, die systematische landwirtschaftliche Erschließung auch höhergelegener Gebiete in den Mittelgebirgen durch Rodung zu.
Das salische Geschlecht selbst initiierte eine große Anzahl von Rodungen zwischen Main und Donau bis an den bayerischen Wald heran sowie, nach Norden ausgreifend, im Rein- hardswald und Kaufunger Wald, vergrößerte damit seine Einkünfte und damit auch seine Machtbasis nicht nur quantitativ, sondern auch in ihrer räumlichen Abdeckung zu einem Gür- tel an Stützpunkten quer durch das Reich.
Ebenso konsequent betrieben solche Rodungen beispielsweise die Zähringer im mittleren Schwarzwald ab 1075 durch Gründung von Klöstern als Kristallisationspunkte in den Tälern und später auch von Städten an deren Zugängen, womit auch Märkte für die Produkte der neuen Dörfer geschaffen wurden. Vergleichbare Entwicklungen lassen sich auch im nördli- chen und südlichen Schwarzwald und für den Raum des heutigen Sachsen nachweisen. Dort begann sogar die gezielte Heranholung von Siedlern aus dem dichter bevölkerten Westen als Vorläufer der Ostkolonisation, so daß anzunehmen ist, daß diese organisierte Erschließung das ganze Reich erfaßt hatte.
Daneben gab es sicherlich auch minder organisierte Ausweitungen der Anbaugebiete durch Erweiterung existenter Äcker in das bisherige Waldgebiet hinein, Trockenlegung von Sümp- fen und Mooren, oder auch durch individuelle Besiedelung unerschlossener abgelegener Ge- biete.
Häufig dürften die qualitativen Verbesserungen landwirtschaftlichen Gerätes überhaupt erst die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, vorher nicht nutzbares Land unter den Pflug zu nehmen. Auf diese qualitativen Verbesserungen wird weiter unten eingegangen.
Im Norden begann man intensiver als zuvor, die Marschgebiete durch Wurten und erste Deiche landwirtschaftlich zu erschließen. Diese Gebiete waren zwar überwiegend nur zur Viehzucht nutzbar, aber dieses Vieh wurde zu einer begehrteren Ware, da durch den steigen- den Nahrungsmittelbedarf auch bisher als Weide genutzte Gebiete im Binnenland vermehrt für den Getreideanbau verwendet wurden (s. u.: Dreifelderwirtschaft), und hatte den Vorteil, daß es sich aus aus eigener Kraft auf dem „Ochsenweg“ (Halbinsel Jütland) zu seinem Markt bewegen konnte. Diese Initiative im herrschaftsfernen Raum waren teilweise von oben her ein geleitet (1106 hat der Ebf. von Bremen Holländer dazu angeworben; d. h. dort waren Endei- chung und Trockenlegung offensichtlich bereits weiter fortgeschritten), überwiegend entstan- den sie wahrscheinlich jedoch aus den ländlichen Siedlungsgemeinschaften der Friesen.
Vermutlich begann auch zu dieser Zeit die Almwirtschaft in den Alpen - der erste urkundliche Beleg dafür findet sich jedoch erst in der späteren Stauferzeit für die heutige Schweiz (damals Burgund).
Wie aus den o. a. Zahlen der Bevölkerungsentwicklung hervorgeht, kann dieser quantitati- ve Ausbau nicht erst zur Zeit der Salier begonnen haben, sondern muß bereits in ottonischer Zeit und sogar davor erheblichen Umfang gehabt haben, nur ist dieser Prozeß nicht quellen- mäßig belegbar; neben der allgemein unbefriedigenden Quellenlage im „dunklen“ 10. Jahr- hundert möglicherweise auch deshalb, weil es sich meist um eine Vielzahl von kleinräumigen Initiativen handelte und nicht um Gesamtprogramme wie bei Saliern und Zähringern.
Unterstützt wurde die Besiedlung der Mittelgebirge und auch höhergelegener Alpentäler (mit beginnender Almwirtschaft) durch eine kontinuierliche Erwärmung, die bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts anhielt und die Anbaugrenze für Getreide in höhere Lagen erweiterte.
Diese Wärmeperiode endete etwa etwa gleichzeitig mit der großen Pestepedemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts; beide zusammen führten dann zu einer drastischen Verminderung der Bevölkerung.
2. Qualitativer Ausbau
Eine höhere Produktivität der bereits erschlossenen Anbauflächen ergab sich vor allem aus dem Übergang von der Urwechselwirtschaft zur sogenannten Dreifelderwirtschaft, bei der ein Acker (über mehrere Jahre gemittelt) einen etwa 1,5-fachen Ertrag an Feldfrucht (zu Lasten der Brache als Weidefläche) brachte; dieser Übergang scheint ab dem 10. Jahrhundert gleitend von Westen nach Osten vorgegangen zu sein.
Mit diesem Ansatz dürfte sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche nicht auf die eingangs theoretisch hochgerechneten 13% erhöht haben, sondern nur auf einen Wert um 10%. Die Erträge der landwirtschaftlich genutzten Gebiete pro Hektar stiegen nur geringfügig an (über das gesamte Mittelalter gemittelt um ca 3% je Jh.), da eine systematische Züchtung er-tragreicherer Getreidesorten - Getreide war das Hauptnahrungsmittel - noch nicht stattfand und auch noch keine systematische Düngung.
Als „landwirtschaftliche Revolution“ des 10. - 12. Jahrhunderts ist aber die breite Einfüh- rung effektiverer Bearbeitungsmethoden im Ackerbau anzusehen. Insbesondere sind hier zu nennen:
- Der schwere Räderpflug, mit dem der Boden nicht nur angeritzt wurde, sondern tief- greifend umgewendet wurde. Dies ermöglichte, auch bisher nicht für den Ackerbau ge- eignete Böden unter den Pflug zu nehmen und brachte auch eine verbesserte Gründün- gung mit sich.
- Neuartige Anspannmethoden für die Zugtiere (Joch, Kummet, Ortscheit), die es über- haupt erst erlaubten, den Räderpflug einzusetzen und die potentielle Leistung der Tiere voll auszunutzen.
- Die allmähliche Ablösung des Ochsen durch das Pferd mit seiner anderthalbfach höhe- ren Arbeitsgeschwindigkeit als Zugtier erlaubten, mit geringerem zeitlichen Aufwand die vorhandenen Ackerflächen zu bearbeiten (das setzte Arbeitskapazität für andere Aufgaben frei) oder das Areal einer Hufe zu vergrößern (das führte zu einer Über- schußproduktion). Hinzu kommt noch eine personelle Einsparung, da ein Ochse immer geführt werden muß, also zwei Personen beim Pflügen, Eggen usw. erfordert, wogegen Pferde vom Pflügenden von hinten her geleitete werden können.
Die effektiveren Bearbeitungsmethoden und die geringfügig ansteigenden Erträge müssen ausgereicht haben, die steigende Anzahl nicht in der landwirtschaftlichen Produktion einge- setzter Menschen (in den Agglomerationen mit ihren jeweils eingeschlossenen Handwerksbe- trieben, Dienstleistern wie auch dem jeweiligen bewaffneten Potential) einerseits freizusetzen und andererseits zu ernähren. Genauere Zahlenangaben zu deren anteiliger Zunahme liegen für diese Zeit nicht vor.
Der Anbau anderer Nahrungspflanzen (Gemüse / Obst / Wein) spielte trotz der im „Capitulare de Villis“ vorgegebenen Ansätze wahrscheinlich nur in kleinen Gebieten eine Rolle und wirkte sich noch nicht nennenswert auf die Gesamtversorgung aus.
Gelegentlich wurde - zu Lasten der Tierhaltung - eine noch höhere Produktivität dadurch erreicht, daß der Acker im Brachejahr nicht als Weide genutzt wurde, sondern zum Anbau von Flachs, Krapp, Waid u. ä. textilen Rohstoffen; das setzte natürlich Verarbeitung - sofern diese nicht im Nebenerwerb auf den Höfen erfolgte - und Abnehmer in der näheren Umge- bung voraus; die sich entwickelnden Agglomerationen und das Land bedingten sich also ge- genseitig.
3. Zwischenbilanz
Der landwirtschaftliche Anteil am Landesausbau zur Salierzeit läßt sich hauptsächlich auf zwei Einflußgrößen zurückführen - Erschließung neuer Anbauflächen und vermehrte Nutzung leistungsfähigerer landwirtschaftlicher Bearbeitungsverfahren.
Beide begannen jedoch bereits vor den Saliern und setzten sich auch nach ihnen fort, aber erst zu ihrer Zeit wird erkennbar, daß von führenden Adelsgeschlechtern wie auch wahr- scheinlich von kirchlichen Institutionen systematische Erschließungsmaßnahmen betrieben wurden. Ob die zunehmende Dichte an Klöstern mit ihrer Rolle als Wissensträger und - vermittler zur vermehrten Anwendung der neuen Bearbeitungsverfahren beigetragen hat, kann nur vermutet werden.
Wesentliches Ergebnis des landwirtschaftlichen Landesausbaus war, daß neben der Sicherstellung der Ernährung der ständig steigenden Bevölkerungszahl auch ein zunehmender Anteil von nicht in der Landwirtschaft tätigen Menschen von ihr unterhalten werden konnte bzw. die Bauern verstärkt für andere Aufgaben im Herrendienst herangezogen werden konnten, ohne daß dies zu Lasten der Nahrungsproduktion ging.
C. Nutzung anderer natürlicher Rohstoffe
1. Holz
Der Holzeinschlag müßte durch quantitativ wie qualitativ zunehmende Bautätigkeit (siehe weiter unten) sowie steigenden Bedarf in der Verarbeitung von Metallen (Holzkohle-Bedarf) stärker zugenommen haben als die Bevölkerung gewachsen ist; ein nicht unwesentlicher An- teil dieses zusätzlichen Bedarfes wird durch die Rodungen (s. o.) gedeckt worden sein - Quantifizierungen sind für diese Zeit nicht möglich. Ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf wird sich kaum ergeben haben, da Holzeinschlag eine typische Wintertätigkeit der Landwirte war (und ist); einzig dürfte es anteilig mehr Köhler gegeben haben, um den steigenden Bedarf an Holzkohle für Verhüttung, Schmieden und Gießen von Metallen zu decken.
2. Stein und Kalk
In der Salierzeit wurde zunehmend Stein als Baustoff verwendet.; parallel dazu wurde aufwendiger gebaut (ausführlicher siehe weiter unten).
Die Arbeit in den Steinbrüchen (und deren Zahl und Größe) muß daher überproportional zugenommen haben, ebenso das Brennen von Kalk (mit entsprechend steigendem Holzbe- darf). Beide Aufgaben bedurften eines gewissen Anteils an Fachpersonal, viele zuarbeitende Aufgaben können jedoch auch von Bauern im Rahmen des Frondienstes wahrgenommen worden sein. Dieser konnte aber quantitativ ausgeweitet werden, da - wie oben angesprochen - die neuen landwirtschaftlichen Geräte haupt- und nebenberufliche Arbeitskraft freisetzten.
3. Ton
Neben der Verwendung von Ton zur Herstellung von Töpferwaren begann in der Salierzeit auch nach einer langen Pause wieder seine Nutzung zum Brennen von Ziegeln (vorher waren Ziegel in antiker Tradition - an den Maßen erkennbar - letztmalig unter den Karolingern punktuell als Mauerwerk, Dachziegel und Fußbodenfliesen eingesetzt worden). Ziegelwände befinden sich bereits am Dom zu Speyer; Dachziegel in Hildesheim. Eine größere Verbreitung fand der Ziegelbau jedoch erst zur Stauferzeit, so daß man für die Salierzeit noch nicht mit einer überproportionalen Zunahme des Abbaus von Ton und daraus resultierendem verstärkten Holzeinschlag zum Brennen der Ziegel zu rechnen braucht.
4. Erze
Für den Bergbau finden sich nur wenige schriftliche Quellen, die sich alle nur auf Silber im Harz, den Vogesen und im Schwarzwald beziehen, zu weniger edlen Metallen gibt es kei- nerlei Aussagen. Neuere archäologische Forschungen haben ergeben, daß eine Silber- Verhüttung von Erzen des Rammelsberges bereits lange vor deren von Thietmar von Merse- burg überlieferten Entdeckung zur Mitte des 10. Jh. im Südharz existierte. Wahrscheinlich handelte es sich somit wohl nur um das Erschließen eines besonders ergiebigen Abbaues in Goslar, der die Verhüttung vor Ort lohnend machte.
Da Silber aber der Wertmaßstab schlechthin bis in das Spätmittelalter hinein war und be- reits in der späteren Ottonenzeit eine Zunahme der Münzstätten im Reich zu vermerken ist, muß man von einer Intensivierung des Bergbaus und der Verhüttung ausgehen; eine auch nur annähernde Quantifizierung ist nicht möglich. Diese Arbeiten können in der Masse nicht ne- benberuflich von Landwirten ausgeübt worden sein, da sie ein spezialisiertes Fachwissen er- fordern.
Eisenerz wurde bereits in vorgeschichtlicher Zeit an vielen Stellen im Reich gewonnen und auch dezentral weiterverarbeitet; zahlreiche ergrabene kleine Schmelzöfen in Siedlungen der vorhergehenden Epochen zeugen davon. Eisen (und seine Verarbeitung) war von wesentlicher Bedeutung für die kriegstechnischen und anderen Fortschritte bereits seit der Karolingerzeit; die weitere Verbreitung des schweren Pfluges mit eiserner Pflugschar und der zunehmende Bedarf für die Rüstungen und Waffen lassen annehmen, daß die Eisenproduktion zur Salier- zeit überproportional angestiegen ist. Genauere Angaben zum Umfang und Aufwand lassen sich nicht machen, die Dezentralisierung weist darauf hin, daß diese Tätigkeiten noch über- wiegend im Nebenerwerb innerhalb bäuerlicher Gemeinschaften wahrgenommen wurden.
4. Zwischenbilanz
Der steigende Bedarf an edlen und unedlen Metallen, Holz und Steinen führte zu einem höheren Einsatz an Arbeitskraft für deren Gewinnung; viele dieser Tätigkeiten konnte jedoch von Bauern, die von wenigen Fachleuten angeleitet wurden, im Rahmen ihres Frondienstes wahrgenommen werden.
Es kann jedoch damit gerechnet werden, daß sich innerhalb der dörflichen Gemeinschaften eine stärkere Arbeitsteilung in der Nutzung und Aufbereitung natürlicher Rohstoffe herausbildete, die sich allerdings weder urkundlich noch archäologisch nachweisen läßt.
D. Verarbeitungsverfahren
1. Landwirtschaftliche Rohprodukte
Herausragend in der Entwicklung ist die seit dem 9. Jh. von SW-Deutschland her zuneh- mende Verbreitung der (unterschlächtigen oder horizontalen) Wassermühle zum Mahlen von Getreide; mit ihrer Einführung verbanden sich gegenüber den früheren Handmühlen erhebli- che Einsparungen an Arbeitskraft, die sich wiederum in zusätzlichen Kapazitäten für andere Aufgaben umsetzen ließ.
Der Müller dürfte sich während der Salierzeit als das eine Element einer Arbeitsteilung in der ländlichen Gemeinschaft herauskristallisiert haben.
Der Schmied war allerdings wegen seiner besonderen Fertigkeiten wahrscheinlich das erste Element in der dörflichen Arbeitsteilung.
2. Textilherstellung
Der in dieser Zeit sich verbreitende horizontale Webstuhl brachte eine höhere Produktivität und auch Qualität der hergestellten Stoffe; damit wurde eine Überschußproduktion ermöglicht, die - zusammen mit der besseren Qualität - einen umfangreicheren Textilhandel möglich machte. Anzunehmen ist, daß der Schwerpunkt der Herstellung für hochwertige Textilien sich vom Dorf in die Agglomerationen verlagerte.
3. Verarbeitung anderer Rohstoffe
Jegliche Verarbeitung anderer Rohstoffe setzt das Umsetzen der Drehbewegung des Wasserrades (damals einzige Energiequelle außer menschlicher oder tierischer Muskelkraft) in eine lineare Bewegung durch Nockenwellen oder Kurbeln voraus.
Aus der Salierzeit gibt es für das Reich noch keine eindeutigen Hinweise auf Schmiedehämmer, Walk-, Stampf- oder gar Sägemühlen, so daß man davon ausgehen muß, daß die Weiterverarbeitung noch ausschließlich mit Muskelkraft erfolgte. Damit dürfte die Produktivität der Verarbeitung weitgehend konstant geblieben sein.
4. Weiterverarbeitung
In und um die sich verfestigenden Agglomerationen konzentrierten sich zunehmend neben den zum jeweiligen Herrenhofe gehörenden Handwerkern auch selbständige, die von landwirtschaftlichen Siedlungen zugezogen waren. Der dadurch verbesserte Erfahrungsaustausch wie auch wohl eine gewisse Konkurrenz untereinander wie mit anderen Agglomerationen dürften zu einer Erhöhung der Arbeitsqualität geführt haben, die auch Voraussetzung für die Akzeptanz durch den regionalen wie den Fernhandel gewesen sein müssen; andererseits dürften sich die Handwerkszweige zunehmend diversifiziert und spezialisiert haben. Ansätze für ein Zunftwesen scheint es auch bereits gegeben zu haben.
Daneben blieb aber das ländliche Handwerk, meist nebenberuflich von den Bauern betrieben, zur unmittelbaren Deckung des örtlichen Grundbedarfs weiterhin bestehen.
E. Steigerung der Lebensqualität
1. Steinbau
Neue Burgen (z. B. die Höhenburgen Heinrichs IV. im Harzvorland) wurden, sofern verar- beitbarer Stein in erreichbarer Nähe war, gemauert, alte durch Steinbauten modernisiert; die Zahl der Klöster, die bereits zuvor überwiegend in Stein errichtet worden waren, nahm lau- fend zu und sie wuchsen in ihren Ausmaßen; in den sich entwickelnden Agglomerationen baute sich die Oberschicht zunehmend steinerne Häuser und sie wurden immer öfter mit steinernen Mauern umgeben.
Parallel wuchs der Bau-Aufwand (Dom zu Speyer: Größe und Einwölbung in der zweiten Bauphase) und gleichzeitig gab es eine schon in zeitgenössischen Quellen als solche ange- sprochene „Bauwut“ (Meinwerk von Paderborn / Heribert von Eichstätt), die zum Abriß alter Kirchen, Klöster und Wohngebäude und zu deren vergrößertem und aufwendigerem Neubau in Stein führte.
Es mag bezweifelt werden, ob Steinbauten einen höheren Wohnkomfort boten als Holz- häuser (zumindest waren sie jedoch minder brandgefährdet), so daß der Übergang zur Stein- bauweise vielfach eher einem gesteigerten Bedürfnis zur Selbstdarstellung entsprungen sein dürfte.
Bei den Burgen wie auch den zunehmend entstehenden und in Stein ausgeführten Befestigungen der Agglomerationen ersparte der Steinbau den bei den früheren Holz-Erde- Konstruktionen wegen der Verrottung des Holzes alle 30 bis 50 Jahre fälligen Neubau und verminderte die Brandgefahr. Die unmittelbare Verteidigungsfähigkeit stieg durch diese Maßnahmen nicht unbedingt an, da die steinernen Mauern empfindlicher gegen Rammböcke und Unterminierung waren. Auch hier mag der Wunsch nach Selbstdarstellung beim Übergang zum Steinbau mitgespielt haben.
Diese Steinbauten erforderten zu ihrer Errichtung neben einer Vielzahl an Hilfskräften auch einen erheblichen Stamm an Fachhandwerkern, insbesondere Steinmetze und Zimmerleute, wobei deren personeller Umfang nicht nur durch die größere Zahl der Bauten, sondern auch durch deren größere Dimensionen und reichere künstlerische Ausgestaltung überproportional angestiegen sein muß.
Überraschenderweise scheint es an solchen Spezialisten nicht gefehlt zu haben, die in den Quellen punktuell angesprochenen Probleme aus dieser Bautätigkeit beziehen sich nur auf die übermäßige Belastung der Hörigen - für solche Aufgaben reichten teilweise auch die angesprochenen Rationalisierungsgewinne in der Landwirtschaft nicht aus!
Um das Bauwesen herum dürften sich auch erstmalig Gruppierungen von wandernden Fachleuten angesiedelt haben, aus denen die späteren Bauhütten erwuchsen.
2. Holzbau
Aber auch der Bau hölzerner Häuser, in denen weiterhin die weitaus überwiegende Zahl der Menschen wohnte, machte Fortschritte. Generell ging man von der Pfostenbauweise, die alle 30 - 50 Jahre einen Neubau erforderte, weil die Pfosten in der Erde verfaulten, zur dauer- hafteren Ständerbauweise über; in Norddeutschland entwickelte sich das geräumige dreischiffige Bauernhaus. Der anfängliche Mehraufwand für diese Bauweisen wird durch die längere Haltbarkeit dieser Häuser zumindest ausgeglichen worden sein.
3. Versorgung
Die bereits in Klöstern übliche Einplanung einer Versorgung mit fließendem Wasser hielt nunmehr auch in weltlichen Bauwerken Einzug. Die Harzburg Heinrichs IV. verfügte über Rohre zur Wasserversorgung aus externen Quellen; bei den Neugründungen von städtischen Agglomerationen wurde die Wasserversorgung von vornherein mit eingeplant (Beispiel: Die noch erhaltenen Stadtbäche in Freiburg / Br.), zumal das Wasser auch zum Betrieb der Müh- len benötigt wurde sowie zum Waschen und Walken von Textilprodukten und beim Gerben von Leder.
Eine weitere Verbesserung der regionalen Versorgungsmöglichkeiten müsste sich durch die oben bereits neuen Verfahren zum Anspannen und die vermehrte Nutzung des schnelle- ren, aber im Futter aufwendigeren Pferdes als Zugtier ergeben haben; schwerere Frachtwagen und größere Versorgungsradien für die wachsenden Agglomerationen dürften deren Versor- gung erleichtert haben. Quellen wie auch Archäologie geben zu dieser These allerdings keine eindeutigen Aussagen.
Der Fernhandel blieb allerdings wegen des kaum verbesserten Zustandes von Straßen und Brücken und des hohen Aufwandes für die Gespanne auf Luxusgüter beschränkt, einzig entlang größerer Flüsse hat sich auch ein Handel mit Massengütern entwickelt, wozu nicht nur Lebensmittel, sondern auch Sandstein (Weserbergland => Bremen) und rheinischer Tuffstein, zu Ende der Salierzeit sogar über See bis in den Ostseeraum (=> Ripe und Schleswig) gehörten - ein zusätzlicher Beleg dafür, daß man für die Darstellung der eigenen Bedeutung durch Großbauten keinen Aufwand scheute.
F. Gesamtbewertung
Ein Landesausbau hat vor und nach der Salierzeit über das gesamte Mittelalter stattgefunden, quantitativ kontinuierlich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, qualitativ weitergehend bis zum heutigen Tage.
Zur Salierzeit hatten jedoch verbeserte Produktionsformen und -mittel in der Landwirt- schaft eine solch weite Verbreitung gefunden, daß raumdeckend im Reich eine Überschuß- wirtschaft zu entstehen begann, die in der Lage war, einen größeren Anteil an nicht primär landwirtschaftlich Tätigen zu ernähren, und parallel dazu ein größeres Potential an Arbeits- kraft der primär in der Landwirtschaft Tätigen für nicht landwirtschaftliche Aufgaben freizu- setzen.
Dies bot die Vorausetzungen dafür, daß der - in der Kirche wahrscheinlich bereits vorher vorhandene, im Weltlichen wohl erst heranwachende - Wille zur Verdichtung von Herrschaft in großräumige geplante landwirtschaftliche Erschließungsmaßnahmen wie auch in repräsen- tative Selbstdarstellung umgesetzt werden konnte. Damit einher ging eine Verbesserung der Lebensqualität zumindest für die oberen Schichten der Gesellschaft, da der zunehmende An- teil der Agglomerationen Menge und Qualität der Produktion von Gütern des gehobenen Be- darfs förderte.
Erst in der staufischen Epoche beginnen diese vielfältigen Entwicklungen jdoch voll zu greifen (oder vielleicht auch wegen der sich verdichtenden Quellenlage nur greifbarer zu werden), unter den Saliern entstand aber die Ausgangsbasis. Erst nach ihnen breitete sich die Nutzung der Wasserkraft auch für die Produktion und Verarbeitung nicht landwirtschaftlicher Rohstoffe aus (mit beispielsweise Eisenhämmern) und es begann ein gezielterer Abbau auch unedler Metalle. Dies trieb die Verlagerung der Wertschöpfung aus der Landwirtschaft und den in der Salierzeit begonnenen Agglomerationsprozeß weiter voran.
Literaturhinweise:
Folgende Werke bieten in den einschlägigen Kapiteln einen Einstieg; ihre Literaturhinweise führen weiter:
- Hägermann / Schneider (Hg.), Propyläen Technikgeschichte, Bd. I und II. (derzeit in günstigen Sonderausgaben erhältlich!)
- Henning, Das vorindustrielle Deutschland 800 - 1800, Paderborn, vierte Auflage 1985 (UTB 398)
- Henning, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland, Bd. I - 800 - 1750, Paderborn, zweite Auflage 1985 (UTB 894).
- Prinz, Grundlagen und Anfänge - Deutschland bis 1056, München, zweite Auflage 1993.
- Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier, Sigmaringen 1992
Darüber hinaus empfiehlt sich für dieses Thema, die letzten 10 Jahre der zahlreichen regionalgeschichtlichen wie auch die sich zunehmend auch mit dem Mittelalter beschäftigenden archäologischen Fachzeitschriften zu sichten; sie enthalten viele Einzelbeiträge, deren Summe noch nicht den Weg in die „große“ Geschichtsschreibung gemacht hat.
Ein Blick in die Quellen lohnt sich immer - der in der Literatur bisher meines Wissens kaum beachtete erste Hinweis auf Deichbau an der Nordseeküste vor 1020 und andere nützli- che Details finden sich in Alpertus Mettensis‘ „De Diversitate Temporum“ (Hg. zuletzt Hans van Rij, Amsterdam 1980 mit niederländischer Übersetzung [wohl dem, der Plattdeutsch kann!] ).
Nicht zu vergessen natürlich das Internet - allerdings sind Angaben zur Sachkultur über- wiegend nur in angloamerikanischen Beiträgen, die auf französischen und englischen Quellen beruhen, zu finden, dafür um so detaillierter. Sie sind jedoch nur mit Vorbehalt auf das Reich zu übertragen, da dies gegenüber Frankreich und dem normannischen England relativ „unter- entwickelt“ war. Startseiten gebe ich vorsichtshalber nicht an; die Adressen ändern sich zu oft; ich empfehle, in eine internationale Suchmaschine das entsprechende englische Schlag- wort einzugeben. Französisches, italienisches und spanisches Internet-Aufkommen habe ich noch nicht systematisch „abgesurft“.
- Quote paper
- Ulf Koppitz (Author), 2000, Landesausbau in salischer Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97188
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.