Inhaltsverzeichnis
1. Presse und Rundfunk im Wettbewerb
1.1 Gibt es einen Mediendarwinismus?
1.2 Die Jahrhundertwende. Beginn der Massenkommunikation und des Wettbewerbs
1.3 Änderungen in der Medienlandschaft nach Einführung des Fernsehens
1.4 Was hat das Fernsehen der Zeitung voraus?
1.5 Der Vergleich von Rundfunk und Printmedien anhand eines Beispiels
1.6 Reaktionen der Printmedien bei Einführung des Fernsehens
1.7 Zusammenfassung
2 Das Problem des Marktzutritts neuer Tageszeitungen
2.1 Allgemeine wirtschaftliche Aussagen und Definitionen
2.2 Eine neue Tageszeitung? Unmöglich!
2.3 Die Schwelle von Verlust zu Gewinn
2.4 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Diese Hausarbeit wird sich mit zwei Exkursen zu dem Thema: Die wirtschaftlichen Grundlagen des Pressewesens beschäftigen. Das wird zum einen der Wettbewerb zwischen Printmedien und Rundfunk sein, zum anderen werde ich auf die Probleme des Marktzutritts neuer Tageszeitungen eingehen.
1. Presse und Rundfunk im Wettbewerb
1. 1. Gibt es einen Mediendarwinismus?
Fast die gesamte Geschichte der Medien ist geprägt von einer Furcht der etablierten Medien, von sog. „neuen Medien“ verdrängt zu werden. Schon in den 50er Jahren, als sich das Fernsehen als Massenmedium durchsetzte, wurde das Verschwinden der Zeitungen innerhalb der nächsten 10 Jahre prognostiziert. Mit dem Aufkommen des Internets behaupten vor allem Repräsentanten von Softwareunternehmen, in Talkshows und Interviews, ähnliches. Die Geschichte der Medien zeigt uns jedoch, das solche Prognosen wissenschaftlich nicht untermauert werden können. Denn nie hat beispielsweise die Zeitung die Zeitschrift verdrängt, niemals der Rundfunk die Printmedien, und auch das Internet wird wahrscheinlich weder das Fernsehen, noch die Printmedien vom Markt verdrängen. Dieser „Mediendarwinismus“ existiert also nicht.1
Schon 1913 stellte der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Riepl die viel beachtete These auf:
„ Tatsächlich kann als Konstante der Kommunikationsgeschichte gesehen werden, daßnoch niemals ein neueres, einälteres Medium verdrängt hat. Ebenfalls ist kommunikationshistorisch unbestritten, das Neue Medien jeweils bestimmte Formen und Funktionenälterer Medien verändern “2
Die Zeit nach 1913 scheint Riepls Annahme recht gegeben zu haben.
1.2 Die Jahrhundertwende: Beginn der Massenkommunikation und des Wettbewerbs.
Da es zu Wolfgang Riepls Zeiten kein Fernsehen und kein weit verbreitetes Radio gab, kann man den Sektor der Massenmedien ausschließlich auf Printprodukte eingrenzen. Sie waren der ausschließliche Träger jeder Massenkommunikation. Entsprechend groß waren ihre Auflagen, und entsprechend weit ihre Reichweiten. Schon 1914 kamen die etwa 4.200 Tages- und Wochenzeitungen auf etwa 18 Mio. Exemplare.3 Das Zeitalter der
Massenkommunikation hatte begonnen. In Berlin erschien die erste Boulevardzeitung, die BZ am Mittag, und der Schuß auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo entfesselte nicht nur den ersten Weltkrieg, sondern auch die erste umfassende Medienschlacht in der Geschichte der Massenkommunikation.4
Als in den 20er und 30er Jahren der Film auf dem Vormarsch war, entdeckte man auch dessen Bedeutung für den Journalismus. In Form von Wochenschauen flimmerten in allen modernen Staaten die Ereignisse der letzten Woche über die Leinwand. Auch für die Propaganda wurde der Film entdeckt. Alleine die Deutschen verdrehten in den Kriegsjahren 39 -45, fünf Millionen Meter Film.5 Aufnahmen von vermeintlich heldenhaften Landsern im Kampfeinsatz, sollten die Zustimmung der Bevölkerung für den Krieg sichern.
Aber auch die Wochenschauen konnten die Zeitung nicht ersetzen. Auch nicht das Radio oder das Fernsehen, das in den fünfziger Jahren innerhalb kürzester Zeit fast jeden Haushalt erfaßt hatte. Doch die Welt der Medien änderte sich. Die Auflagen der Zeitungen sanken, die Extraausgaben verschwanden völlig. Die Zeitung war nicht mehr konkurrenzlos die einzige Nachrichtenquelle. Radio und Fernsehen konnten schneller und multimedialer Berichten. Die Aktualität war jetzt Sache der Funkmedien. Auch die Gestalt der Medien änderte sich. Als Antwort auf das Fernsehen erschien am 24. Juni 1952 die BILD - Zeitung. Mit fast 4.6 Mio. Exemplaren auch heute noch auflagenstärktes Blatt in Deutschland.6
Heute arbeiten alleine in Westdeutschland etwa 300.000 Menschen im Medienbereich. Der Umsatz dieser Branche ist inzwischen bei fast 36 Milliarden Mark angelangt.7
1.3 Änderungen in der Medienlandschaft nach Einführung neuer Medien.
Während bis heute neue Medien, alte nie vollständig verdrängten, bewirkt ihr Auftauchen am Markt jedoch immer einschneidende Veränderungen und Verlagerungen. Neue Medien bedrängen die Etablierten. Die geschieht nach allgemeinen Regeln der Wirtschaft. Neue Produkte können alte dort bedrängen, wo die neuen einen Marktvorteil haben, oder wo die Hersteller der alten Produkte Adaptionsprozesse versäumt haben.
Etablierten Medien werden in Bereichen bedrängt:
- in denen die „neuen Medien“ die Bedürfnisse des Rezipienten besser befriedigen können als die bestehenden Medien
- wo die bestehenden Medien ökonomische und publizistische Anpassungen versäumt haben, bzw. sich nicht rechtzeitig auf eigene Stärken besonnen haben.8
Heute kann man die Medien in zwei große Teilbereiche trennen. Den Bereich der Printmedien, und den Bereich der elektronischen Medien. Hier sind besonders Radio und Fernsehen zu beleuchten. Kleinere Teilbereiche der elektronischen Medien, wie z. B. das Internet, spielen noch keine große Rolle bei der Nachrichtenbeschaffung des durchschnittlichen Konsumenten.
1.4 Was hat das Fernsehen der Zeitung voraus?
Die Einführung besonders des Fernsehens markiert einen tiefen Einschnitt im Kommunikationsmarkt. Ein neues Medium war aufgetaucht, das völlig anders zu konsumieren war, und Themen in neuer Art und Weise aufbereitete. Doch wie unterscheiden sich die Arbeitsweisen von Rundfunk und Printmedien?
1.5 Der Vergleich von Rundfunk und Printmedien anhand eines Beispiels.
Beispiel:
Stellen wir uns eine medientaugliches Ereignis vor: In einer Stadt X, einem Ort im Ruhrgebiet, stürzt ein alter Bergwerkstollen ein. Dadurch entsteht an der Oberfläche, mitten in einem Wohngebiet, ein sich ständig vergrößernder Krater. Häuser stürzen ein, die Feuerwehr ist im Dauereinsatz.
Print und Funkmedien haben nun völlig verschiedene Möglichkeiten, von diesem Ereignis zu berichten.
Die Funkmedien.
Zu aller erst werden Radio und Fernsehsender vor Ort einen Übertragungswagen aufstellen. So können sie live vom Ort des Geschehens berichten. D.h. sie versorgen den Zuschauer mit:
- Live - Bildern (Fernsehen)
- Live - Interviews (Betroffene, Feuerwehr, Experten usw.)
- Live - Aufsagern des Journalisten vor Ort.
Dies hat das Gefühl des scheinbaren Erlebens für den Zuschauer/ - hörer zur Folge. Er hat das Gefühl dabei zu sein. Dazu kommt nun die Aktualität des Mediums. Die Redaktionen der Fernsehsender können fast zu jeder Zeit des Journalisten beauftragen, einen Aktuellen Beitrag zum Geschehen zu produzieren. Sie können im Stundentakt live dorthin schalten und eine Einschätzung senden. Zusätzlich wird der Journalist vor Ort, Bilder und Interviews sammeln, und eine Zusammenfassung für die regulären Nachrichten bringen. Gerät die Situation außer Kontrolle, ist zu jeder Zeit eine Live - Schaltung möglich.
Allerdings ist der Fernseh- oder Radiojournalist auf umfangreiches technisches Equipment angewiesen, wodurch er etwas unbeweglicher und auffälliger wird als der Printjournalist.
Die Printmedien:
Der Reporter der Zeitung arbeitet vor Ort anders. Er und der Fotograf sind mobiler, unauffälliger. Sie sprechen mit Betroffenen ohne den Druck einer Kamera oder eines Aufnahmegerätes. Sie notieren und sammeln, recherchieren Hintergründe. Nachdem sie das den ganzen Tag gemacht haben, resümieren sie ihre Ergebnisse und fassen diese in einem Text zusammen. Dieser Text wird voller Informationen sein, die Spekulationen, die der Fernsehjournalist braucht um die Sendezeit zu füllen, werden magerer ausfallen, die Informationen, die stückweise über den Tag gesammelt wurden, werden strukturiert dargestellt. Einziges Mittel der visuellen Darstellung sind Fotos, die aber in größerem Umfang nur von Boulevard Zeitungen und Magazinen genutzt wird.
Vergleich:
Dieses Beispiel macht deutlich, dass Print- und Funkmedien sich durch verschiedene Gesetzmäßigkeiten unterscheiden. Fernsehen und Radio bestechen also durch eine hohes Maß an Aktualität und Schnelligkeit. Dazu bescheinigen die Zuschauer dem Fernsehen, durch die Präsentation von Bild und Ton, eine höhere Glaubwürdigkeit. Überdies lassen sich Hörfunk und Fernsehen sehr bequem nutzen. D.h., die Tätigkeit des Konsumenten muss sich nicht ausschließlich auf die Aufnahme der Inhalte beschränken. Nebenbei kann der Rezipient anderen Tätigkeiten nachgehen. Daher werden Fernsehen und Radio oft als Begleitmedium zur Arbeit oder anderem benutzt. Daher auch die höhere Flüchtigkeit des Mediums. Großer Marktvorteil der Funkmedien ist die Nähe am Geschehen. Der Konsument hat das Gefühl, dabei zu sein, mit zu erleben. Allerdings ist der Nutzer an bestimmte Sendezeiten gebunden und muss an dem Programm in der Orginalabfolge teilnehmen. Er kann weder vor-, noch zurück-, noch überblättern. Allerdings kann der Rundfunk kollektiv genutzt werden.9
Der große Marktvorteil der Zeitungen ist die systematische Ordnung von Informationen und der große Anteil von Hintergrundberichten. Das heißt die Zeitung kann als Informationsspeicher von hoher Disponibilität gesehen werden, der individuell, und räumlich ungebunden genutzt werden kann. Man bescheinigt den Printmedien hierdurch eine differenziertere Darstellung der Realität. Einzelgeschehnisse werden in Kontexte eingefasst, und daher verständlicher. Hintergründe werden erhellt. Die Schwerpunkte der Informationsaufnahme lassen sich individuell bestimmen - uninteressantes kann überblättert werden. Als besonders interessant empfundene Artikel können aufbewahrt und später noch einmal gelesen werden.10
1.6 Reaktionen der Printmedien bei Einführung des Fernsehens
Eine zwischen 1971 und 1974 unter Journalisten und Verlegern durchgeführte Umfrage, förderte hauptsächlich zwei verschiedenen Auffassungen ans Licht, wie auf die Präsenz des Fernsehens zu reagieren sei. Eine Theorie war, das Fernsehen müsse imitiert werden. Die Zeitungen sollten also bunter, die Berichte kürzer und prägnanter werden.11 Bestes Beispiel dafür ist sicher die BILD Zeitung. Zwar war bei ihrer Erscheinung 1952 das Format der Boulevard Zeitung längst etabliert, doch ihr Foto basiertes Layout (siehe BILD erste Ausgabe) und die Kürze der Artikel, dazu der eigene BILD - Stil (sprachlich), sollten eine Antwort, speziell auf das Fernsehen sein. Hier wurde noch mehr imitiert als komplementär gedacht. Die zweite Auffassung die damals unter Print - Journalisten und Verlegern herrschte, war die, komplementär zu arbeiten. Die Zeitung sollte nicht das Fernsehen imitieren, sondern dort aktiv werden, wo das Fernsehen seine Schwächen hat. Das ist zum Beispiel die Notwendigkeit zur Kürze. Fernsehen und Radio schneiden Themen meist, aufgrund der Beschränkten Sendezeit nur an. Weiter berichten sie aktuell, und setzen Geschehnisse selten in einen größeren zeitlichen Zusammenhang. Die Idee war nun, speziell Hintergrundberichte, stark auszubauen. Dazu kam der Ausbau des Wirtschafts- und des Lokalteils. Man begann also, sich auf seine Stärken zu besinnen.12 In den achtziger Jahren hatte sich die Zeitung bereits grundlegend gewandelt. Zum Ausbau der erwähnten Teile, kam noch die Umgestaltung hin zu mehr Ordnung und Übersichtlichkeit hinzu. Gleiche Themen erschienen von nun an immer an der gleichen Stelle, es wurde das Inhaltsverzeichnis eingeführt.13 Heute kann man bei den großen erfolgreichen Tageszeitungen ähnliche Anpassungsprozesse beobachten14:
- Größere Vielfalt in den Politischen Kommentaren
- Keinen Tendenzen, die Politik im Blatt zu erweitern.
- Oft unpolitischen Meldungen auf Seite 1
- Ausbau des Lokalteils. Besonders lokale Kultur, lokales Feuilleton und der lokale Sports.
- Auseinandersetzung mit dem Fernsehprogramm. Kommentare, Erläuterungen, Hintergründe zu Fernsehsendungen.
- Tendenz mehr eigen beschafften Stoff in die Zeitung zu bringen, Sachen exklusiv zu haben.
- Erneuerung, Modernisierung des Feuilletons.
- Beilagen (Magazine, Wochenendbeilagen usw.,)
1.7 Zusammenfassung
Inzwischen haben sich die Marktstrukturen auf dem deutschen Printmarkt weitgehend gefestigt. Es gibt etwa 380 Verlage, die zusammen 135 publizistische Einheiten herausgeben.15 Auch die Wiedervereinigung hat keine großen Veränderungen gebracht. Marktbeherrschend sind nach wie vor die Verlage Axel Springer, DuMont - Schauberg, die Gruppe Stuttgarter Zeitungsverlag, die Waz Gruppe und die Gruppe Süddeutscher Zeitungen. Größere Veränderungen sind in nächster Zeit nicht zu erwarten.. Leicht unter Druck stehen allerdings immer noch die deutschen Boulevard Zeitungen, die besonders von den Boulevardmagazinen der privaten Fernsehsender bedrängt werden. In den letzten Jahren ist zu Erkennen, dass die seit den 80ger Jahren vertretenen privaten Fernsehsender, den Zeitungen ihren lokalen Pluspunkt streitig machen. Nachmittagssendungen wie Hallo Deutschland oder 17:30 auf RTL, senden lokal und beschäftigen sich ausschließlich mit lokaler Berichterstattung.16
2. Das Problem des Marktzutritts neuer Tageszeitungen
2. 1 Allgemeine wirtschaftliche Aussagen und Definitionen
Zwar ist das Problem des Markzutritts im Bereich der Medien besonders gravierend, doch die Erklärung für diese „Markteigenheit“ läßt sich in der generellen Problematik der Markteinführung neuer Produkte finden.
Zuerst also eine Definition: Was ist ein Marktzutritt.
„ Als Marktzutritt lassen sich neue Produktionskapazitäten am Markt beschreiben, die durch bisher nicht vertretenen Anbieter geschaffen wurden. “ 17
Für den Bereich der Printmedien bedeutet dies, das Erscheinen einer neuen Zeitung, oder die Erweiterung des Angebots einer bereits erscheinenden Zeitung durch neu Lokal bzw. Regionalausgaben.18
Dem Marktzutritt neuer Produkte stehen die Marktbarrieren entgegen. Dabei handelt es sich um Vorteile, die bereits bestehende Anbieter gegenüber dem neuen Anbieter haben. Diese Vorteile wirken sich auf das Produkt aus, und beeinflussen so das Kaufverhalten des Konsumenten.
Nach Bain19 kann man drei verschiedenen Formen von Zutrittsbarrieren unterscheiden:
- economies of scale (Betriebsgrößenvorteile)
- economies of scope (Vorteile der Produktdifferenzierung)
- absolute Kostenvorteile20
Ein etablierter Anbieter genießt absolute Kostenvorteile, wenn seine Durchschnittskosten pro Produktionseinheit, unter der des neuen Konkurrenten liegen. Auch eine Zeitung befindet sich im Kostenwettbewerb, und der Leser achtet auf ein günstiges Preis - Leistungsverhältnis. Dieses kann durch lange Erfahrungen am Markt und folglich effizientere Produktion, durch bessere Konditionen bei der Kapitalbeschaffung, besseres NowHow bei Produktion und Design, durch mehr Erfahrung, zustande kommen. Zum Beispiel bringt eine langjährige Zusammenarbeit mit dem selben Druckhaus, Vorteile in der Produktion und der Verbreitung der Zeitung, weil Produktionsabläufe, auf Erfahrung basierend, immer effizienter geworden sind. Das spart Kosten. Weiter kann die Zeitung durch einen gewachsenen Stamm an Anzeigenkunden größere und kalkulierbarere Gewinne erzielen, und dadurch den Verkaufspreis niedrig halten. Bei finanziellen Engpässen finden sich bei einer etablierten Zeitung viel leichter Geldgeber, als bei einer unbekannten Neuerscheinung.21
Ein Unternehmen das durch lange Präsenz am Markt bekannt ist, hat Produktdifferenzierungsvorteile. Nicht nur das Unternehmen kennt seine Klientel genau, auch die Kunden haben eine genaue Kenntnis dessen, was sie von ihrem Produkt erwarten können. Dadurch entsteht ein hoher Grad an Identifikation mit dem Produkt. Auf dem Zeitungsmarkt ist diese Identifikation besonders ausgeprägt. Die Richtung des Blattes sagt etwas über die Einstellungen des Lesers aus. Es gibt den typischen FAZ - Leser, der sich auch dazu bekennt, genau wie den Verfechter der TAZ. Hier entstehen regelrechte Stereotypen. Das Bekenntnis zu einer bestimmten Zeitung wird zur Selbstdarstellung. Kunden dieser Verlage sind Dauerkonsumenten. Die Frankfurter Allgemeine, die, aufgrund von Zielgruppenstudien weiß, daß ihre Leserschaft größtenteils aus in der freien Wirtschaft tätigen und aus Juristen besteht, gestaltet ihre Zeitung natürlich auf diese Zielgruppe zugeschnitten.22
Auch Betriebsgrößenvorteile stellen dann eine Marktzutrittsschranke dar, wenn der Marktzutritt wegen beschränkter Nachfrage in einer Betriebsgröße erfolgt, die unter der mindestoptimalen Betriebsgröße liegt.
Der Newcomer muß dann mit höheren Kosten produzieren.23
Darüber hinaus gibt es strategische Marktzutrittsschranken, die aus Entscheidungen etablierter Unternehmen hervorgehen, die ohne den neuen Konkurrenten nicht getroffen worden währen.
- Unternehmen können durch ihre Größe, und den damit verbundenen längeren finanziellen Atem, den Preis für die Produkte zeitweise so senken, das zwar keine kostendeckende Produktion mehr möglich ist, die Unternehmen aber durch den enormen Preisvorteil, dem Konkurrenten schaden können.24 Beispiel dafür ist der Marktzutritt der kostenlosen Tageszeitung 20 Minuten Köln. Der Axel Springer Verlag antwortete darauf mit der kostenlosen Tageszeitung Köln - Extra. Diese unterschied sich von 20 Minuten Köln dadurch, das sie nicht mit Anzeigen übersät war. Während sich 20 Minuten Köln ausschließlich durch Werbung finanzieren mußte, konnte der Axel Springer Verlag seine kostenlose Tageszeitung ohne Kostendeckung auf den Markt werfen. Sinn und Zweck war lediglich, den neuen Konkurrenten, mit Hilfe des längeren finanziellen Atems, vom Markt zu verdrängen, also die Konkurrenz zur BILD Köln auszuschalten. Mit dem Verschwinden von 20 Minuten Köln, verschwand auch Köln Extra. Generell ist es Deutschland aber untersagt, Produkte zu Dumping Preisen auf den Markt zu werfen. Das Kartellamt unterbindet solche Vorstöße.
- Weiter können etablierte Unternehmen die Produktion derart erhöhen, das der Stückpreis sinkt, und der Markt sozusagen überschwemmt wird. Diese Möglichkeit spielt jedoch im Printmedienbereich kaum eine Rolle
- Eine im Medienbereich beliebte strategische Maßnahme der Verlage ist, potentielle Marktnischen durch eigene Publikationen zu schleißen, um das Vordringen neuer Verlage in diesen Bereichen zu verhindern.25
2.2 Eine neue Tageszeitung? Unmöglich!
Die aufgeführten allgemein wirtschaftlichen Kriterien gelten auch im Medienbereich. Allerdings ist es gerade im Bereich der Tageszeitungen äußerst schwer ein neues Produkt zu etablieren, da dort die Zutrittsschranken ganz besonders Wirksam sind. Dadurch erklären sich auch die äußerst spärlichen Versuche in den letzten Jahrzehnten, neuen Publikationen auf den Markt zu bringen.
Im Westen Deutschlands waren es seit 1954 nur 25 Neuerscheinungen. Heute davon noch auf dem Markt sind lediglich die Münchner TZ, der Kölner Express, und eine Lokalzeitung im Mein Kinzig Kreis. Alleine der Kölner Express, kann wohl mit seiner „Riesenauflage von rund 500.000 Exemplaren alleine in Nordrhein Westfalen, als einziger durchschlagender Erfolg gewertet werden.26
Der Marktzutitt neuer Tageszeitungen spielt sich auf zwei Feldern ab, die jedoch eng miteinander verknüpft sind. Einerseits muss der Erfolg beim Leser gewährleistet sein, das heißt, alleine durch den Verkauf der Exemplare muß Kapital erwirtschaftet werden, zweitens muß auch der Werbemarkt erobert werden.
Dabei stehen Newcomer hauptsächlich vor drei Problemen.
- Die Neugründung einer Zeitung ist mit enormen Kosten verbunden. Also müssen entsprechende Geldgeber vorhanden sein. Dazu wird die Zeitung eine ungewisse Zeit lang keinen Gewinn erwirtschaften, das Unternehmen braucht also einen langen Atem.
- Die Leser an eine neues Produkt zu binden ist schwierig, da die Publikation völlig unbekannt, und keine Identifikation mit dem Produkt vorhanden ist. ( s. Produktdifferenzierung)
- Dem Newcomer fehlen Reichweiten und Nutzungsdaten. Das macht ihn als Werbeträger unattraktiv. Jede Publikation verfügt über eine genaue Analyse welche Zielgruppen die Zeitung lesen. Firmen können also genau kalkulieren, welche Werbung, für welches Produkt sie in welcher Zeitung plazieren. In einem Neuen Blatt werben sie praktisch blind. Das kann nur durch besonders günstige Anzeigenpreise kompensiert werden.27
2.3 Die Schwelle von Verlust zu Gewinn
Neupublikationen müssen mit dem Zeitpunkt des Erscheinens genauen Analysen über die Reichweiten und die Wirtschaftlichkeit des Blattes unternehmen. Wichtig ist dabei der Punkt, an dem die Einnahmen die Ausgaben decken. Diesen Zeitpunkt nennt man Break Even Point. Ein langer finanzieller Atem ist erforderlich um diesen Punkt zu erreichen.28
2.4 Zusammenfassung
Die Erläuterungen machen die Problematik eines Marktzutritts deutlich. Neuerscheinungen im Bereich der Tageszeitungen werden wohl auch weiter eine große Ausnahme bleiben, deren Erfolg immer fraglich sein wird. Anders sieht es im Bereich der Magazine und Zeitschriften aus. Zwischen 1988 und 1993 hat es in diesem Bereich pro Jahr zwischen 150 und 210 Neuerscheinungen gegeben. Marktzutrittsschranken scheint es hier also kaum zu geben.29 Hauptsächlich beschränken sich die Neuerscheinungen auf die Bereiche Computer, Sex, Kinder, Sport, Auto, Musik und Reisen.30 Es handelt sich also um Special Interest Magazine. Einzige Ausnahme ist der Focus. Das Münchner Nachrichtenmagazin konnte sich innerhalb weniger Wochen, gegen den etablierten Spiegel durchsetzen. Es ist zu vermuten, dass auf dem Markt ein Bedarf an einem Nachrichtenmagazin bestand, das sich in seiner Linie, politisch rechts vom Spiegel bewegt.
Literaturverzeichnis:
Pürer, Heinz/Raabe, Johannes: Medien in Deutschland. Band 1. Presse. Konstanz 1996
Heinrich, Jürgen: Medienökonomie, Band 1: Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt. Westdeutscher Verlag / Opladen 1994.
Becham, Mira: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik. Deutscher Taschenbuch Verlag / München 1996.
Noelle - Neumann, Elisabeth: Die Antwort der Zeitung auf das Fernsehen. Universitätsverlag Konstanz GmbH. Konstanz 1986.
Lerche, Peter: Presse und privater Rundfunk, Duncker & Humblot, Berlin 1984 (unzitiert)
Internetseiten: www.asv.de/inhalte/unterneh/frame.htm (auch Anhang)
[...]
1 Vgl. Pürer / Raabe S.226
2 Vgl. Pürer / Raabe, S. 226
3 Vgl. Beham, Mira: Kriegstrommeln; Medien, Krieg und Politik. dtv. München 1996. S. 25f.
4 / Vgl. Beham, Mira:. S. 25f.
5 Vgl. Beham, Mira: S. 58
6 Vgl. www.asv.de/inhalte/unterneh/frame.htm
7 Vgl. Heirich, Jürgen. Medienökonomie, Band 1. Westdeutscher Verlag: Dortmund 1994 S. 55 Tab. 1
8 Vgl. Pürer / Raabe: S. 226
9 Vgl. Pürer / Raabe: S.227
10 Vgl. Pürer / Raabe: S. 227 - 228
11 Vgl. Noelle - Neumann, S. 24
12 Vgl. Noelle - Neumann, S. 24 u. Pürer / Raabe S.228
13 Vgl. Noelle - Neumann, S. 57.
14 Vgl. Noelle - Neumann S. 69 - 71
15 Vgl. Pürer / Raabe: S. 485
16 Vgl. Pürer / Raabe. S. 227f.
17 Vgl. Heinrich, Jürgen: S. 32f.
18 Vgl. Pürer / Raabe S. 229
19 Vgl. Bain, 1956
20 Vgl. Heinrich, Jürgen: S. 33
21 s. 40
22 Vgl. Heinrich, Jürgen S. 123
23 Vgl. Heinrich, Jürgne S. 117f.
24 Vgl. heinrich, Jürgen S. 33 - 34
25 Vgl. Heinrich, Jürgen S. 33
26 Vgl. Pürer / Raabe S. 229
27 Vgl. Pürer / Raabe S. 230
28 Vgl. Pürer / Raabe S. 230
29 Vgl. Heinrich, Jürgen S. 322 - 323
30 Vgl. Heinrich, Jürgen S. 324, Tab. 16
- Quote paper
- Christian Bader (Author), 2000, Wirtschaftliche Grundlagen des Pressewesens / Vergleich Presse Rundfunk-Problem, Marktzutritt neuer Tageszeitungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97187
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