Aktionismus
Der Ausdruck „Der Wiener Aktionismus“ wurde 1969 von Peter Weibel, ein enger Freund der Aktionisten, geprägt. Er bezeichnet damit eine Sonderform der Aktionskunst in der Art eines Happenings, das in den Sechziger Jahren in Wien stattfand.
Über drastische Ausdrucksweisen sollen einerseits Mechanismen offener und vor allem versteckter (unterdrückter) Grausamkeit und Perversion in unserer allzu bürgerlichen Gesellschaft dargestellt werden, andererseits soll eben diese Gesellschaft damit schockiert werden - was auch gelang. Der Aktionismus beruft sich zum Teil auf sogenannte primitive, vor- und frühchristliche Mythen und Riten. Er will auf synästhetische Weise alle Sinne möglichst intensiv beanspruchen; so werden auch Menschen, tierisches und pflanzliches Leben, Gerüche, Geräusche, Geschmackserlebnisse und der Bezug auf Leben und Tod eingesetzt. Nitschs orgien - mysterien - Theater soll den Zuschauern durch die Harmonie und die Destruktivität das Erlebnis der Abreaktion und somit die psychische Befreiung ermöglichen.
Der Wiener Aktionismus entstand aus den expressiven Formen der Aktionsmalerei (Jackson Pollocks „action painting“), der Art Informel und dem Tachismus, bei denen die Malerei zum anschaubaren Prozeß gemacht wurde und den materiellen Ergebnissen, also den Bildern, nur eine Folgebedeutung zugemessen wird; eigentlich verlieren die Relikte (im aktionistischen Jargon „Überbleibsel“ genannt) außerhalb der stattgefundenen Aktionen ihre inhaltliche Funktion. Darüber hinaus büßen sie an ihrer systemüberwindender Radikalität ein, indem sie über Foto- und/oder Videodokumentation oder Objektkunst in den Verwertungsprozeß des Kunstmarktes eingebracht werden und ihren Platz in Galerien und Sammlungen finden.
Dort, wo das Happening zum Ritual wird, will die Kunstaktion das anarchische des Lebens entlarven und gleichzeitig von verdrängten Aggressivitätsimpulsen durch das orgiastische Aktionsspiel befreien. Dies kommt hauptsächlich in Nitschs om - Theater und in den erotisch - animalischen Ritualen von Mühl vor. Beide wollen Einblick geben in die menschliche Psyche in Richtung auf das kollektive Unterbewußtsein von C. G. Jung. Sie wollen aber auch durch künstlerischen Kampf die totale Freiheit, die „Realität in ihrer vollen Umfänglichkeit und Geschlechtlichkeit darstellen“ (Nitsch), da der Mensch nur im erlebenden Durchmessen dionysischer Triebdurchbrüche volle Bewußtwerdung vom Menschsein erlangen kann. Die Aktionisten wollten die Kunst in Lebenspraxis überführen, vor allem in ein Gesamtkunstwerk - vor dem Hintergrund von Tiefenpsychologie und aktuellen künstlerischen Strömungen (Fluxus, Happening ...).
Die Hauptvertreter des Wiener Aktionismus im Vergleich:
Religiöser Teil der Gruppe:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weltlicher Pol der Gruppe:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Günter Brus
Günter Brus wird am 27. September 1938 in Ardning in der Steiermark geboren. Bis 1956 besucht er die Kunstgewerbeschule in Graz, geht dann nach Wien an eine Schule für Gebrauchsgraphik, doch nach kurzer Zeit wechselt er in eine Meisterklasse für Malerei - dort lernt er Alfons Schilling kennen, mit dem ihm eine enge Freundschaft verbindet.
Nach dem Besuch der 30. Biennale, wo er sehr von den Arbeiten Klimts beeindruckt war, entstehen eine größere Anzahl von Arbeiten auf ungrundiertem Packpapier; so entstand der Entwurf einer ausschließlich gestischen Malerei, in der das kompositionelle Element zugunsten eines freien körperlichen Ausagierens nicht mehr existent ist. Die Arbeiten sind in schwarz - weiß gehalten und von äußerst großen Format.
Im Herbst 1960 wird ein ganzer Raum Brus‘ Zimmerateliers mit Packpapier bespannt, und er bemalt den ganzen Raum. Somit umgeht er die Konzentration auf ein bestimmtes isoliertes Bildformat.
Anfang Dezember lernt Brus Otto Mühl kennen, durch den er im Mai 1961 das Angebot einer Ausstellung in der Galerie Junge Generation. Die Kritik auf seine ausgestellten Werke ist skeptisch bis ablehnend, er hört den Vorwurf einer zu großen Orientierung an dem Informellen Pollock. Ende desselben Jahres lernt er seine zukünftige Frau Anna kennen, die ihm auch nicht aus seiner Depression helfen kann. Brus befindet sich in dieser Zeit in einer großen Schaffenskrise, da er kurz zuvor den Wehrdienst beendet hat.
1962 will Brus den informellen Ansatz ausweiten: er bindet sich seine Hände und Beine zusammen, um die Malgestik und die Tendenz zur Komposition zu irritieren und konzentriert sich immer mehr auf den eigenen Körper als direkter Ausgangspunkt des Bildes. Doch schlußendlich bewegt er sich vom Informel weg, nicht zuletzt durch seine Bekanntschaft mit Hermann Nitsch.
1963 führt Brus die „Malerei in einem labyrinthischen Raum“ durch: mit quer durch den Raum auf Schnüren aufgespanntes Packpapier will er den Blick auf das Gesamte irritieren. In einem ekstatischen Prozeß bemalt er die gesamte Wandfläche und erreicht somit ein dekompositionelles Ergebnis. Leider wurden alle bis auf zwei Leinwände der „Malerei in einem labyrinthischen Raum“ durch die feuchten Mauern im Lagerkeller zerstört.
Da seine engen Freunde Nitsch und Mühl schon längst eigene Aktionen durchführen hat er Angst, den Anschluß zu verlieren. So führt er seine erste Aktion „Ana“ durch: von Anfang an war für Brus wesentlich, den eigenen Körper ins Zentrum der Aktionen zu setzen, um die Funktion der Körpermotorik im Malprozeß nachzuvollziehen. Diese Aktion hat die Absicht, den Körper direkt in ein räumliches Bild einzubringen.
Ein profan eingerichteter Raum wird auf eine angedeutete Zweidimensionalität reduziert, indem der gesamte Raum und auch die Möbel mit weißer Farbe überzogen werden. In weiße Tücher gehüllt rollt Brus sich nun quer durch das Bild, worauf eine Körperbemalung seiner Frau folgen sollte, doch noch während der Durchführung des ersten Teiles der Aktion empfand er keine Befriedigung und Unsicherheit überkam ihn. So verwarf er das Vorgehabte und beendet die Aktion mit einem wütenden Malprozeß.
Die zweite Aktion „Selbstbemalung I“ ist in drei thematische Komplexe gegliedert:
1. Handbemalung
2. Kopfbemalung
3. Kopfzumalung
Hier entstehen zwei formale Elemente, die wesentlich sind für die weiteren Aktionen: die schwarz - weiße Körperbemalung und die entwickelte Materialästhetik, d.h. das Verwenden von Rasierklingen, Sägen, Nägel, Scheren usw.
Ein weiteres Eindringen in die Malfläche wird sadomasochistisch symbolisiert, auch die Symbolik des schwarzen Striches, der, genau durch die Mitte des Körpers führend, die Verletzung des Körpers aufzeigt.
Im Frühjahr 1965 führt Brus seine fünfte Aktion „Selbstverstümmelung“ durch, in der der Körper noch radikaler als zuvor degradiert wird.
Die sechste Aktion „Wiener Spaziergang“, wohl die bekannteste Aktion von Brus, formuliert die Symbolik des trennenden und sogleich verletzenden Striches am deutlichsten. Von Kopf bis Fuß völlig weiß bemalt, doch mit einem schwarzen Strich über das Gesicht und den Körper, spaziert Brus als lebendes Bild durch die Wiener Innenstadt.
Die siebente Aktion „Malerei. Selbstbemalung. Selbstverstümmelung“ ist eigentlich die erste Aktion vor geladenem Publikum, da fast alle seine vorhergehenden Aktionen für die Kamera entworfen wurden.
1966 hat Brus mit Mühl die Idee einer Totalaktion ,bei der sie die Materialaktionen Mühls mit der Selbstverstümmelungsthematik Brus‘ verbinden wollen, wobei der prozessuale Charakter als wesentlich hervorgehoben werden soll. In diesem Entwurf einer Totalaktion geht es ausschließlich um eine dramatische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit im aktionistischen Prozeß.
Im selben Jahr lernt er Rudolf Schwarzkogler kennen und arbeitet auch mit ihm zusammen.
1967 führt er seine 23. Aktion „Aktion mit Diana“ durch. Mitwirkende ist seine Tochter Diana. Danach konzentriert sich Brus ausschließlich auf eine analytische Körpersprache und ein radikales Durchbrechen körperlicher und sexueller Tabus. Um die totale Befreiung zu erlangen, werden der Körper und seine Funktionen zum künstlerischen Medium.
1968 findet mit der 30. Aktion „Der helle Wahnsinn - die Architektur des hellen Wahnsinns“ die erste Fäkalaktion statt, bei der er sowohl seine Blase als auch seinen Darm öffentlich entleert und sich mit einer Rasierklinge die Haut aufritzt. Am 7. Juni 1968 nimmt er am von den Sozialistischen österreichischen Studenten veranstalteten „Kunst und Revolution“ mit Mühl, Wiener und Weibel (beide von der in den Fünfziger Jahren literarische Gruppe die Wiener Gruppe) teil. Hier veranstaltet Brus seine 33. Aktion: nackt fügt er sich Schnitte in Brust und Oberschenkel zu, uriniert in ein Glas, trinkt aus diesem, beschmiert seinen Körper mit Kot und beginnt, die österreichische Bundeshymne singend, zu onanieren.
Wegen „Herabwürdigung der Staatssymbole“ werden er, Mühl und Wiener zu einem halben Jahr verschärftem Arrest verurteilt. Die Familie Brus versucht, gegen dieses Urteil zu berufen.
1969 muß Brus mit seiner Frau und der Tochter nach Berlin flüchten, weil die Berufung abgelehnt wurde. Aufgrund eines Besuches bei der Kommune I und der problematischen Ereignisse seine Kunst betreffend möchte er nicht mehr weiterarbeiten und gründet mit den ebenfalls emigrierten Rühm und Wiener die Wiener Exilregierung mit der Zeitung „Die Schastrommel“.
Im Sommer 1970 führt Brus seine letzte, die 43. Aktion „Zerreißprobe“ durch. Seine extremste Aktion machte eine Weiterführung der Selbstverstümmelungsthematik nicht möglich, da sie in einem Selbstmord hätte enden müssen und dadurch auch nicht mehr notwendig.
Heute konzentriert sich Günter Brus hauptsächlich auf zeichnerische und literarische Werke, er veröffentlichte 1971 den Roman „Irrwisch“ und nahm 1980 an der Biennale in Venedig teil.
Otto Mühl
Geboren am 16. Juni 1925 in Grodnau. Nach der Pflichtschule wird er als 18jähriger im Sommer 1944 zur deutschen Wehrmacht eingezogen und an die deutsche Front geschickt.
Nach dem Krieg studiert er Deutsch und Geschichte für das Lehramt, nachher verschlägt es ihn zur Kunstpädagogik. Schon während des Studiums arbeitet er als Zeichentherapeut, dies ab 1958 in einem Heim für entwicklungsgeschädigte Kinder. 1960 unternimmt er Reisen nach Paris, London und Ägypten und hat seine erste Einzelausstellung in der Galerie Junge Generation. Durch seine Freundschaft mit Günter Brus beginnt sich auch seine Malerei zu verändern.
Ab 1961 bewegt er sich vom dargestellten Gegenstand völlig weg und entwickelt eine Abstraktion, die von der Auseinandersetzung mit dem Material dominiert wird. Mühl arbeitet schon längst nicht mehr an der Staffelei; er breitet große Papierbahnen auf dem Boden aus, auf die er Farbmaterial, u.a. auch Zement, schüttet; darauf wälzt er sich dann und arbeitet mit Händen und Füßen. Er zerstört jeglichen kompositionellen Ansatz durch destruktive Attacken, die ihm völlig neue Regeln erfinden lassen.
Ab Mai desselben Jahres zerstört er auch schon die Bildfläche durch Zertrümmern, Zerschlitzen oder Verschnüren: aus dem Bild wird ein Materialobjekt. Bei den plastischen Experimenten war eine völlig freie Behandlung des Materials im Raum wichtig, er stellt Skulpturen aus Gerümpel und Alteisen her, die manchmal mit Farbe überschüttet werden, manchmal mit Holz und ähnlichem vermengt. Anfang 1962 lernt Mühl Hermann Nitsch kennen und beginnt sich für Nitschs orgien - mysterien - Theater zu interessieren. Die beiden haben gemeinsame Ausstellungspläne und führen zusammen die Aktion „Die Blutorgel“ durch: die Veranstaltung zieht sich über drei Tage hin; sie beginnt mit der „Einmauerung“ im Perinetkeller, in dem im Laufe des zweiten Tages Gerümpelskulpturen von Mühl und ein großes Rinnbild von Nitsch entstehen. Der dritte Tag wird von der „Ausmauerung“ aus dem Perinetkeller bestimmt.
1963 findet die erste öffentliche Aktion des Wiener Aktionismus statt. Es ist dies das von Mühl und Nitsch geplante und durchgeführte „Fest des psychophysischen Naturalismus“: Mühl will nach Nitsch eine dreiteilige Aktion durchführen (1. Versumpfung einer Fläche, 2. Fenstersturz einer Küchenkredenz aus dem 4. Stock und 3. Versumpfung einer Venus), doch sie wird durch einen Polizeieinsatz bei Nitschs Aktion verhindert.
Dennoch führt er einige Wochen später seine erste eigentliche Aktion „Versumpfung einer Venus“ durch.
1964 fließen nun in Mühls Aktionen theatralische Momente ein - trotz der Entfremdung zwischen ihm und Nitsch - und die Materialsprache wird präzisiert, z.B. benutzt er nun Lebensmittel, die durch ihre zweckentfremdete Benützung in der Aktion die erzeugten destruktiven Kontraste intensivieren.
Ab 1965 beginnt Mühl seine Arbeiten zunehmend für Film und Photo zu konzipieren. 1966 werden die letzten Materialaktionen durchgeführt - die letzte, die 33., hieß „Funebre“, ab jetzt will er eine Interaktion mit dem Publikum erreichen. Darüber hinaus führt er mit Brus insgesamt drei Totalaktionen durch (erste Totalaktion, zweite Totalaktion, Vietnamparty). Hier werden der Körper und seine Funktionen als Material begriffen.
Anfang 1967 hat er mit Wiener (von der Wiener Gruppe) die Idee eines „aktionspolitischen“ Programmes mit dem Namen ZOCK. ZOCK ist die Form einer stärksten Ideologisierung der Aktionen mit der Absicht, deren durchführende Möglichkeiten gesellschaftsverändernd einzusetzen. Im Rahmen dieser Idee finden die „ZOCK - Exercises“, sozusagen ein Probelauf zum geplanten ZOCK - Fest, statt, wo Mühl mehrere Aktionen durch.
Am 21. April 1967 findet das ZOCK - Fest vor großem Publikum statt. Mitwirkende sind unter anderem Hermann Nitsch, Peter Weibel, Oswald Wiener und Gerhard Rühm (die letzteren von der ehemaligen Wiener Gruppe). Die Veranstaltung endet im totalen Chaos mit einem großen Polizeieinsatz, da Meinungsverschiedenheiten, die schon in der Vorbereitungszeit entstanden waren, offen auf der Bühne ausgetragen wurden.
Schon beim ZOCK - Fest war die Direct Art Group dabei, mit der Mühl weiter zusammenarbeitet (das Direct Art Festival als Wiederholung des ZOCK - Festes), was schließlich zur Gründung der aktionsanalytischen Kommune (AA/Kommune) führt.
In denen im Frühjahr 1968 stattfindenden Aktionen radikalisiert Mühl die Inhalte und die Formen der Körperaktionen indem er die Inhalte auf Sexualität, Perversion und Geisteskrankheit ausweitet. Bei dieser Tabubrechung geht es ihm um einen kollektiven analytischen Prozeß. Im Juni desselben Jahres findet das von der SÖS veranstaltete „Kunst und Revolution“ im Hörsaal I statt: hier liest Mühl einen Text über Robert Kennedy, führt mit der Direct Art Group eine psychomotorische Aktion durch und peitscht letztendlich einen mit Zeitungsblättern bandagierten Masochisten aus. Im September führt Mühl in München die „Pissaktion“ durch, wegen der er polizeilich gesucht wird.
Da Mühl in Wien isoliert bleibt, nimmt er ab 1969 seine Aktionen auf Film auf und zeigt diese öffentlich; so hat er in Deutschland immer mehr Erfolg im Underground. Ende 1969 führt er seine erste Fäkalaktion „Scheißkerl“ durch und auch die Aktion „Oh Tannenbaum“, die - in Braunschweig durchgeführt - ein großer Skandal ist: ein Schwein wird geschlachtet, Blut, Kot, Urin und andere Materialien werden über eine nackte Frau geschüttet, während aus einem Lautsprecher Weihnachtslieder dröhnen. Mühl entwirft ab 1970 eine Kommune als Gegengesellschaft; so gesehen sind seine Aktionen eine anarchistische Attacke gegen das System und gegen die allzu bürgerliche Gesellschaft.
1971 führt er seine letzte Aktion bei „Happening und Fluxus“ in Köln durch. Im Sommer 1972 gründet er aufgrund seiner entworfenen Aktionsanalyse, auf die sich alle Seine Aktionen stützten, die aktionsanalytische Kommune (AA/Kommune). Diese Kommune wird als eine „therapeutische Gruppe, die die durch Kleinfamilienerziehung geschädigten Gruppenmitglieder wieder gesund machen will und ihnen die soziale Kommunikation wieder ermöglichen will.“ Freie Sexualität, kollektives Eigentum, gemeinsames Kinderaufziehen und eine Weiterentwicklung der Aktionsanalyse zur analytischen Selbstdarstellung sind die Grundstrukturen der Kommune, die Mühl eine Verurteilung wegen angeblicher Verführung Minderjähriger einbrachte.
Hermann Nitsch
Geboren am 29. August 1938 in Wien, besucht er die graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien von 1953 - 1958; in dieser Zeit entstehen viele Arbeiten mit religiösen Themen.
Schon 1957 hat Nitsch die Idee zum orgien - mysterien - Theater. Die erste Konzeption verspricht ein Gesamtkunstwerk, in dem alle Künste vorhanden sein sollen.
In den Jahren 1958 und 1959 entstehen experimentelle Lyrik aber auch Dramatik; so entsteht ein Urdrama, eine Collage und eine Neubearbeitung der großen tragischen Mythen der Literatur und der Weltreligionen. Außerdem entwirft er „Ordensregeln“ nach dem Konzept des om - Theaters, in denen eine ästhetische Lebensweise festgelegt ist. Schloß Prinzendorf a. d. Zaya wird gedachtes Zentrum des om - Theaters.
Durch den Tachismus findet Nitsch 1960 wieder zur Malerei, die neben der Lyrik in das Gesamtkonzept eingebaut wird. Die ersten Rinn- und Wachsbilder entstehen. Nitsch führt drei „Abreaktionsspiele“ durch, die als Lehrstücke den Hintergrundgedanken des om - Theaters verdeutlichen sollen. Im Herbst des Jahres entsteht der „Kleine Existenzaltar“, der, bestehend aus sieben verschiedenartigen Rinnbildern, in Kreuzform gehängt ist. Am 18. November findet die erste von insgesamt acht Malaktionen statt, in denen der Malprozeß wichtiger als das Endergebnis (das Bild) ist. Der Malprozeß ist das expressiv - sinnliche Verschütten von roter Farbe. Bei der vierten Malaktion kommt erstmals die beim om - Theater so wichtige weiße Kutte zum Einsatz. Im selben Jahr lernt er Rudolf Schwarzkogler und Otto Mühl kennen.
1961 startet Nitsch das literarische Projekt „König Ödipus“, in dem zukünftige Elemente des om - Theaters erarbeitet und präzisiert werden.
Die siebente Malaktion wird 1962 im Rahmen der „Blutorgel“ mit Mühl durchgeführt - hier wird erstmals ein gekreuzigter Lammkadaver verwendet.
Am 19. Dezember 1962 findet der Vollzug von der Malaktion zur Aktion statt: mit einer weißer Kutte bekleidet läßt sich Nitsch wie gekreuzigt ein weißes Tuch fesseln und mit Blut beschütten; die Synthese von Aktionsmalerei und einem der Grundmotive des om - Theaters, nämlich das Kreuzigungsopfer, ist vollzogen. 1963 findet die letzte Malaktion statt, bei der 2 x 3 m große Arbeiten auf Sackjute, die auf Keilriemen aufgespannt ist, entstehen. Am 28. Juni findet das „Fest des psychophysischen Naturalismus“ statt, bei dem er mit Mühl teilnimmt. Das Fest wird nach Nitschs Aktion abgebrochen und Mühl kommt nicht mehr dazu, seine Aktion durchzuführen. Nach dieser Aktion werden beide für 14 Tage unter Arrest gestellt. In diese Phase entstehen auch die ersten Blutbilder und Collagen als bildnerischer Entwurf der Objekt- und Symbolsprache des om - Theaters; das Leitthema ist der Fetisch der blutigen Menstruationsbinde.
1964 findet die fünfte Aktion unter der Mithilfe von Eva Nitsch, Mühl und dem Psychologen Tunner statt: eine Lammausweidung, eine Kreuzigungsszene und das Zelebrieren von Symbolismen lassen Nitsch eine Objektsprache verwenden, die er noch perfektionieren wird. Auf das Schneiden einer Seitenwunde in ein Lamm folgt eine Bespülung derselben Wunde, Nitsch verwendet Mädchenhaare, die mit Vanillezucker bestäubt sind, Puder und Menstruationsbinden. Der fetischistisch - objektsprachliche Beginn - die Lammzerreißung, eine Penisaktion am eigenen Körper - endet mit der Kreuzigungsszene, in der sich Nitsch mit Blut überschütten läßt. Durch diese Aktion verschärft sich die inhaltliche Distanzierung zwischen Mühl und Nitsch.
1965 findet die siebente Aktion, bis zu diesem Zeitpunkt die komplexeste Arbeit, statt: die Grundelemente des auf sechs Tage angelegten om - Theaters werden in genauer Abfolge präzisiert: exzessive Lammzerreißungen werden von ruhigen, auf dem Tisch stattfindenden Handlungscollagen abgelöst, die Zuschauer werden beteiligt. Die Aktion geht nachher in ein Fest über, was auch ein Teil des Gesamtkonzeptes für das om - Theaters ist.
Bei der achten Aktion setzt Nitsch erstmals auch seinen eigenen Körper ein - er hatte vorher immer Modelle verwendet.
Die neunte Aktion dauert 10 Stunden und anschließend in ein Fest über .Hier bezieht er erstmals auch die nähere Umgebung Wiens mit ein. Nitsch beschäftigt sich auch nun mit einer Architektur für das om - Theater - spezifisch zeichnerische Ikonographien entstehen. Da Nitsch keinen Zugang zur filmischen Dokumentation seiner Aktionen findet, gibt er diese Idee auf.
1966 wird er wegen seiner blasphemisch - religiösen Montage „Erste Heilige Kommunion“ auf Bewährung verurteilt. In dieser Zeit gründet er mit Mühl und Brus das Institut für Direkte Kunst, worauf eine Einladung nach London folgt. Durch diese Einladung erfahren die Künstler erstmals Akzeptanz und Kontakte im Ausland. Bei seiner 21. Aktion in London verwendet Nitsch erstmals Musik, die eigentlich nicht mehr als die lautestmögliche Geräuschkulisse war, die das Orchester erreichen konnte. Die Aktion wird von der Polizei abgebrochen; so erlangte Nitsch zwar Aufsehen im Ausland, blieb in Wien aber wie die anderen Aktionisten weiterhin isoliert.
Bei einem Besuch in der Großmarkthalle für Fleischverkauf in Wien entstehen 1967 zahlreiche Aufnahmen von Tierkadavern, die in künftigen Ausstellungen immer wieder gezeigt werden.
Auch Nitsch nimmt beim ZOCK - Fest teil, doch seine Aktion wird von circa 200 Polizisten abgebrochen. Wegen privater Probleme und einer nicht durchgeführten Aktion für der ORF zieht Nitsch nach München zu seiner zukünftigen Frau Beate. 1968 führt Nitsch mehrere Aktionen in den USA durch; es entsteht jener Aktionstyp, der für das om - Theater, das auf sechs Tage konzipiert ist, so wichtig ist. Die Musik wird nun strukturiert und passive Akteure werden verwendet. Dramaturgie entsteht durch die ruhigen und objektsprachlichen Aktionen, die sich bis zum Höhepunkt der Lammzerreissung steigern.
1969 steigt die letzte Aktion mit Rudolf Schwarzkogler als Modell. Die 31. Aktion „Maria Empfängnis“, die wiederum zehn Stunden dauert, ist verstärkt durch ihre pornographische, religiös - blasphemische Komponente.
Die 1970 stattfindende 32. Aktion verwendet einen Dirigenten, der die vom Lärmorchester und einer Rockgruppe erzeugten Toncollage nach der Partitur zur Aktion strukturiert. Auch diese Aktion ist gekennzeichnet durch ihre blasphemische Formensprache. 1971 plant der WDR ein „Akustisches Abreaktionsspiel“, doch der Erzbischof von Köln schreitet ein. Der WDR solidarisiert sich mit Nitsch und zu dem Zeitpunkt, an dem die Ausstrahlung angesetzt ist, herrscht zwei Stunden lang demonstrative Funkstille.
1972 finden fast nur reine Photoaktionen statt; Nitsch photographiert in Schlachthäusern und verwendet diese Bilder auch in Collagen.
1973 findet die 41. Aktion „Pfingstfest“ auf dem nun endlich erworbenen Schloß Prinzendorf statt. Der „Verein zur Förderung der om - Theaters“ auf Schloß Prinzendorf wird gegründet, der sich fortan um die Finanzierung des auf sechs Tage anberaumten Gesamtkonzepts kümmern soll; so war der Grundstein zur Verwirklichung des om - Theaters gelegt.
1975 konnte Nitsch mit seiner 50. Aktion erstmals 24 Stunden seines auf sechs Tage konzipierten Gesamtkonzepts verwirklichen.
Wie Nietzsche hat Nitsch in Christus den gekreuzigten Dionysos erkannt. Nitsch ist hier gleichwohl mit der Tatsache konfrontiert, daß er wie Nietzsche die zerstörende Kraft und Grausamkeit der dionysischen Sinnlichkeit zulassen muß und auch will, was ihm den Vorwurf einer antihumanistischen, dezidiert antichristlichen und neomythologischen Haltung eingebracht hat. Er muß wie Nietzsche die destruktiven Aspekte des bejahten Lebens, also den Gesamtcharakter des Lebens anerkennen, um sein Abreaktionskonzept restlos erfüllen zu können.
1988 führt Nitsch die Aktion „Brudermord in Graz“ durch.
1996 führt Nitsch die 96. Aktion auf dem Klosterberg San Martino im Zentrum von Neapel durch. Ein Zug aus zahlreichen Tragekonstruktionen (Sitzbahnen, Stehkreuzbahnen und Streckbahnen) mit passiven Akteuren und Tiermodellen bewegt sich entlang eines schmalen Weges, der sich den Berg hinaufwindet. An mehreren dafür ausgewählten Stellen wird die Prozession angehalten, die Tragegeräte in Stellung gebracht und die für Nitschs Aktionstheater so symptomatischen Aktionen mit Blut und Eingeweiden werden durchgeführt. Bei der sechsten Station, die sich auf der höchsten und dem Sonnenuntergang zugewandten Seite des zur Verfügung gestellten Areals befindet, endet die Prozession in einem aufwendigen Gelage mit Volksfestcharakter.
Vom 3. August 1998 bis zum 8. August 1998 finden endlich alle sechs Tage des auf sechs Tage konzipierten „Sechs Tage Spiels“ auf Schloß Prinzendorf statt: das Fest findet bei jedem Wind und Wetter statt und das gesamte Areal des Schloß Prinzendorf ist zugänglich. Mehrere Orchester und Musikgruppen liefern den musikalischen Hintergrund. Die Aktionen aller sechs Tage sind mit motivisch geordneten Geschmacks- und Geruchsempfindungen verbunden, die an die Zuschauer übermittelt werden. In der alten Kapelle des Schlosses werden diese Empfindungen als Proben ausgegeben; immer nur eine bestimmte Menge an Zuschauern werden hier eingelassen, es soll an die Ausgabe der heiligen Kommunion erinnern.
Der Held des Spieles ist der Spielteilnehmer, der dramatische Prozeß entspricht dem Individuationsprozeß, der Selbstwerdung des Zuschauers. Seinsmystik und tiefste Bejahung des Seins, hellstes Erwachen im Dasein werden erreicht. Das Leben wird als Fest anerkannt.
1. Tag: Schlachtung und Ausweidung eines Stieres und eines Schweines
Teilweiser Aufbau des mythischen Leitmotivs
Exposition vieler Aktionsmotive
Ausweidungs- und Kreuzigungsaktionen
Das Abendessen ist ein Fest
2. Tag: Malaktionen
Schlachtung und Ausweidung eines Stieres und drei Schweinen
Aktionsfolge nach dem mythischen Leitmotivs
3. Tag: Tag des Dionysos
es wird der Mythos des Gottes Dionysos dargestellt
alle Spielteilnehmer trinken maßlos
Aktionsfolge des mythischen Leitmotivs (Schlachtung und Ausweidung eines Stieres und einem oder mehreren Schweinen)
4. Tag: Installationen mit Fleisch, Blut, Tierorganen, Gedärmen, geschlachteten Tierkörpern, nackten menschlichen Körpern, Sakralen und medizinischen Geräten
Aktionsfolge des mythischen Leitmotivs
5. Tag: Höhepunkt des Dramas, Katastrophe des Dramas
Erreichung des Grundexzesserlebnisses
Am Nachmittag wird eine Messe abgehalten, die sich während der Eucharistie in ein orgiastisches Abreaktionsfest verwandelt.
Aktionsfolge des mythischen Leitmotivs
der Lärm der Orchester wird zu einem einzigen gigantischen anhaltenden schon der Schmerzgrenzen nahem Überlaut (Lärmekstase)
Nach der Katastrophe des Dramas wird das Spiel ausschließlich zum Fest. Jubel und Ausgelassenheit sind überall.
6. Tag: Tag der Auferstehung - Volksfest
Mythisches Leitmotiv des orgien - mysterien Theaters:
Die wandlung, kommunion
Die kreuzigung von jesus christus
Die zereissung des dionysos
Die blendung des ödipus
Die rituelle kastration
Die tötung des orpheus
Die tötung des adonis
Isis und osiris
Die entmannung des attis
Der rituelle königsmord
Totemtiertötung und totemtiermahlzeit
Der sadomasochistische urexzess, grundexzess
Rudolf Schwarzkogler
Geboren am 13. November 1940 in Wien, besucht von 1957 - 1961 die graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien.
1960 lernt Schwarzkogler Nitsch kennen - eine enge Freundschaft wird die beiden verbinden und einige Monate später lernt er durch ihn Mühl und Brus kennen. Schwarzkogler ist ein Verehrer des frühen österreichischen Expressionismus (Schiele und Kokoschka). Er verbringt viel Zeit mit seinem psychisch labilen Freund Schlögelhofer.
In den Jahren 1962 und 1963 plant Schwarzkogler seine ersten Aktionen, wohl angeregt durch seine Freunde Nitsch und Brus; er konzipiert diese in Gesprächen mit den anderen Aktionisten und plant unter anderem auch Filme, doch deren praktische Realisation wird durch die Einberufung in das Bundesheer unterbrochen. Schwarzkogler sucht einen Platz zur Durchführung seiner Aktionen, und Mühl bietet ihm den Perinetkeller an; er lehnt jedoch ab, weil alle seine Aktionen im perfekten Raum geplant sind und dort auch durchgeführt werden sollen. Vielleicht war die Suche nach dem perfekten Raum einer der Gründe, warum Schwarzkogler seine Aktionen abbrach?
1963 lernt er Edith Adam kennen, die seine Geliebte bis zum Tode wird.
1964 führt er mit Otto Mühl seine erste aktionistische Arbeit, „Luftballonkonzert“ durch.
Bei Nitschs siebenter Aktion 1965 führt er eine eigene - integrierte - Aktion durch und wenige Tage später steht er Modell für Nitschs achte Aktion „Penisbespülung“. Diese Aktion Nitschs wurde genau für die Photographie konzipiert; diese „inszenierte Photographie“ wird für Schwarzkoglers bildnerische Vermittlung wichtig. Auch sein übersteigertes Formgefühl beginnt sich auszubilden.
Am 6. Februar 1965 führt Schwarzkogler seine erste eigene Aktion „Hochzeit“ durch. Diese Aktion ist noch teilweise von Nitsch und Mühl beeinflußt. Vor geladenem Publikum führt er diese von ihm sogenannte „Malaktion“ mit dramatisch - theatralischen Charakter durch. Für Schwarzkogler wesentlich war bei dieser Aktion die Entwicklung im Raum.
Bereits die zweite Aktion ist in dem für Schwarzkogler so typischen Stil gehalten:
Materialarrangements werden tableauartig hergestellt und schwarz - weiß photographiert. Ein extremer Verknappungsprozeß der Formensprache, ein ästhetischer Verdichtungsprozeß, entsteht; die im klinisch weißen Raum ausgebreitete Formensprache vermittelt Kastrations- und Verletzungsthematiken. Die präzis ablaufende Handlung wird im geeigneten Moment durch Photographien unterbrochen und bewegt sich so nur ruckhaft vorwärts. Bei diesen Aktionen ist auch kein Publikum mehr geladen! Das Ziel dieser Aktionen ist ein intensiveres eigenes Erleben und der Entwurf einer perfekten, photographisch umgesetzten Bildsprache. Schon 1966 führt Schwarzkogler seine letzte Aktion durch, die sechste, die in einem Environment stattfindet, das Schwarzkogler anspricht: er arbeitet ohne Modell; völlig weiß bandagiert liegt er in einem klinisch weißen Raum mit einem kleinen schwarzen Spiegel, einem toten weißen Huhn, einem Elektrokabel und einer Glühbirne. In dieser über vier Stunden dauernden Aktion wird die Objektsymbolik in den Raum übertragen; wiederum wird mit schwarz - weißer Photographie dokumentiert. In diese Zeit fällt auch ein Bild, das Schwarzkogler mit der typischen Materialästhetik des Wiener Aktionismus gestaltet: in einem Holzrahmen sind zwei weiß bemalte ungleich große Holzplatten mit Zwischenräumen montiert, im unteren Bereich der Mitte befindet sich eine Rasierklinge, die in einem Korken steckt. Man sieht hier ideal die Verknappung aktionistischen Zeichenvokabulars und die intensive Aura, die für den ästhetischen Ansatz Schwarzkoglers auch in Hinblick auf seine Aktionen typisch ist.
Nach dieser Aktion entstehen nur mehr Aktionskonzepte, ihre praktische Umsetzung scheitert am Perfektionsanspruch. Auch Schwarzkogler hat eine Gesamtkunstwerksidee, in der das gesamte Leben ritualisiert und ästhetisch organisiert werden soll; auch der Entwurf einer idealen Raumsituation fällt in dieses Gesamtkunstwerks.
1967 wechseln sich die depressiven Phasen mit schöpferischen Phasen ab, in denen er an verschiedenen Entwürfen arbeitet, die jedoch meist in Wutanfällen zerstört werden. Schwarzkogler radikalisiert den Begriff Kunst und bezeichnet „Malkunst als Heilkunst“, nicht zuletzt durch die Beschäftigung mit europäischer und fernöstlicher Mystik und Philosophie.
1968 nimmt er an zwei Filmprojekten von Mühl und Brus teil. Weiters entwirft er ritualisierte Lebensregeln durch Fasten und bestimmte Speisen, wodurch er immer mehr an Gewicht verliert. Texte und extrem konzentrierte Skizzen von großen Sensibilität entstehen.
Nitsch besucht Schwarzkogler und seine damalige Frau, eine Psychologin, will ihm helfen, wozu es jedoch nicht mehr kommt.
Ab 1969 isoliert sich Schwarzkogler und immer mehr und kommuniziert kaum mehr, er lebt extrem zurückgezogen und läßt nur mehr seine Lebensgefährtin an sich heran. Durch seinen extrem verinnerlichten Zustand entstehen Skizzen von großer ästhetischer Sensibilität.
Am 19. Juni besucht er seinen psychisch labilen Freund Schlögelhofer, mit dem er noch ein letztes Mal über seine Probleme spricht.
Am Morgen des 20. Juni 1960 stirbt Rudolf Schwarzkogler durch einen gewollten oder ungewollten Fenstersturz.
Die Totenmesse wird von dem Gründer der Galerie Nächst St. Stephan, Monsignore Otto Mauer gelesen.
Valie Export
Waltraud Höllinger wurde am 17. Mai 1940 in Linz geboren.
In den Jahren von 1955 bis 1958 entstehen die ersten Selbstportraits „Metamorphosen der Identität“.
Einige Aktionen:
„Genitalpanik“ 1969
„Tapp und Tastkino“ 1968 Filme:
„Remote Remote“ 1972: Hier versucht Export, den weiblichen Schmerz zu entmysifizieren (Frau schneidet sich mit einem Messer in die Hände und hält die blutverschmierten Hände in eine Schüssel mit Milch).
„Erosion“: Hier entmystifiziert Export die weibliche Erotik, indem sie sich nackt über Glassplitter rollt.
1980 ist Export die offizielle Vertreterin Österreichs an der Biennale in Venedig.
In den Expanded Cinema Aktionen geht es um eine sinnliche Erweiterung der psychophysischen Erlebnisfähigkeit.
Für Peter Turrini war der Aktionismus eine Attacke gegen die Lüge, gegen das Verstecken. Da heute nichts mehr versteckt wird, wird man heute mit allem konfrontiert und man muß über einen Anti - Aktionismus nachdenken. So hat der Aktionismus alle und alles beeinflußt. Der entscheidende Punkt des Aktionismus war, daß man nicht wußte, wo die Grenze ist - es hätte auch alles im Selbstmord enden können.
Günter Brus: „Der Aktionismus ist eine Form der Selbsttherapie, da jede Überwindung von anerzogenen Hemmungen Selbsttherapie ist.“
Für Otto Mühl war Duchamp der Künstler des Jahrhunderts, aber kein Aktionist. Duchamp hat „nur“ eine Toilette ins Museum gehängt, der Aktionist hätte ein Ei genommen und es darauf zerschlagen - er hätte also eine diskrepante Handlung gesetzt. Im Aktionismus werden die Gegenstände zu einem symbolischen Alphabet.
Für Hermann Nitsch gab es nie eine Gruppe der Wiener Aktionisten - sie alle waren nur Maler, die eine ähnliche Situation vorfanden, doch verschiedene Begabungen hatten.
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- Susanna Fuhs (Author), 2000, Der Wiener Aktionismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97182
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