Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
RECHTLICHE STELLUNG
GOTT IM GRUNDGESETZ
GEBOT ZUR EUROPÄISCHEN EINIGUNG UND ZUM WELTFRIEDEN
LEGITIMATION DES GRUNDGESETZES
GEOGRAPHIE DER PRÄAMBEL
GEBOT ZUR WIEDERVEREINIGUNG
NATION
SCHLUß
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Einleitung
Der Begriff Präambel ist lateinischen Ursprungs und bedeutet frei übersetzt: "das vorangehende." In unserem Sprachgebrauch bezeichnet er einen "Vorspruch vor Gesetzes- und Vertragstexten, besonders Verfassungsurkunden", der "Beweggründe und Zielsetzungen" nennt, "die bei der Auslegung des Textes zu berücksichtigen sind."1 Die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) wurde in ihrer ursprünglichen Fassung vom Parlamentarischen Rat (PR) am 8.5.1949 beschlossen und am 23.5.1949 in Bonn verkündet. Danach wurde sie, im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung, am 23.9.1990 durch den Wiedervereinigungsvertrag vom 31.8.1990 einmal geändert.
Die im folgenden kursiv markierten Textstellen sind Auszüge aus den beiden Fassungen, die in der Anlage noch einmal vollständig nachgelesen werden können.
Rechtliche Stellung
Über die Frage, ob die Präambel nun ein fester Bestandteil des GG sei, oder nur ein unverbindlicher Einleitungssatz, sowie über ihre rechtliche Qualität, gab und gibt es unterschiedliche Auffassungen. Nach verbreiteter Ansicht ist sie ein selbständiger Teil des GG, wodurch sie auch den gleichen rechtlichen Schutz, z.B. vor Änderungen, genießt.2 Was die Verbindlichkeit der Präambel angeht, stellte das Bundesverfassungsgericht (BVG) fest, daß ihr vor allem politische aber auch rechtliche Bedeutung zukomme.3 "In politischer Hinsicht enthält sie ein Bekenntnis zu den Vorstellungen und Vorsätzen des Verfassungsgebers, die für die Auslegung von Bedeutung sein können. In rechtlicher Hinsicht stellt sie Bindungen auf, nach denen sich die Anwendung ihres Inhalts richten muß."4 Am konkreten Beispiel der Deutschen Einheit führte das BVG aus, daß alle politischen Staatsorgane die Rechtspflicht hätten, die Einheit anzustreben und alles unterlassen müßten, was diese behindere oder unmöglich mache. Andererseits lasse sich aus diesem Gebot keine Verpflichtung der Staatsorgane ableiten bestimmte Handlungen zu diesem Zweck vorzunehmen.5 Die Präambel setzt also Maßstäbe für die Auslegung des GG. Subjektive Rechte von einzelnen Personen könnten daraus aber nicht abgeleitet werden.6
Gott im Grundgesetz
Die Formulierung "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen..." sorgt in der Verfassung eines modernen Staates, der die Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht bereits vollzogen haben soll, für Irritation. Ist die Verantwortung gegenüber den Menschen etwa nicht Anspruch genug? Dürfen sich gar Menschen mit anders gearteten Weltanschauungen vom scheinbar christlichen GG ausgeschlossen fühlen?
Nein. Damit wäre die Formulierung, die im Kontext ihrer Entstehung gesehen werden muß sicher überinterpretiert. Mit den noch frischen Erfahrungen des Nationalsozialismus im Hinterkopf wollte der Abgeordnete der Freien Demokratischen Partei im PR und spätere Bundespräsident Theodor Heuß, auf den dessen Vorschlag die Wendung zurückgeht, den Hinweis auf ein ethisches Fundament7 menschlichen Handelns geben, das meiner Ansicht nach direkt im rechtlich verbindlichen Teil des GG nur schwer unterzubringen gewesen wäre.
Zudem sollte dadurch betont werden, daß der PR sich nicht als Träger einer absoluten Volkssouveränität betrachtete. Ohne die verfassungsgebende Gewalt des Volkes leugnen zu wollen, ging der PR jedoch davon aus, daß es überstaatliche Normen gebe, über die man nicht einfach hinweggehen könne.8
Da die Bundesrepublik sich als Heimat aller Deutschen ohne Rücksicht auf deren Weltanschauung versteht, und der liberale Heuß vermutlich nicht im Sinn hatte jemanden zu diskriminieren, muß die Interpretation dieser Wendung allen Auffassungen, die Deutsche von Gott haben, gerecht werden können.9 Man beachte dabei auch, daß nicht ausdrücklich vom Gott der christlichen Vorstellung gesprochen wird.
Ob man sich an dieser Gottesanrufung nun stört oder nicht, Einigkeit besteht sicher darin, daß deren Streichung im Jahr 1990 großen Widerstand hervorgerufen hätte, zumalähnliche Bekenntnisse auch in den Landesverfassungen von Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu finden sind. Was hätten wohl diejenigen, die um den Verbleib des Kruzifix in deutschen Klassenzimmern fürchten, getan, wenn Gott selbst aus dem GG verbannt worden wäre?
Gebot zur Europäischen Einigung und zum Weltfrieden
Der Passus "...von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen..." stellt klar, daß die Bundesrepublik Deutschland in einem vereinten Europa aufgehen könne.10 Mit den allgemeinen Begriffen Europa (nicht Westeuropa) und Glied (nicht Mitglied) wurden und werden sowohl die Grenzen des Kontinents, wie auch die Form der Einbindung offen gelassen.
Legitimation des Grundgesetzes
Als Legitimationsquelle hat der Parlamentarische Rat in der Zeile "..hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.", ausdrücklich das Deutsche Volk in Anspruch genommen. Doch dies "...ist mehr Fiktion als Wirklichkeit."11, behauptet ein Kommentator, während ein anderer detailliert begründet, daß das GG bisher weder in der alten noch in der neuen Version durch eine Volksentscheidung gegangen ist, sondern von parlamentsähnlichen Gremien beschlossen wurde, denen vom Volke keine verfassungsgebende Gewalt übertragen war.12
Geographie der Präambel
Die Passage "Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig- Holstein und Thüringen..." ist erweitert, um die Namen der am 3.10.1989 hinzugekommenen Länder der ehemaligen DDR. Bei dieser Gelegenheit strich man die in der Erstfassung der Präambel noch aufgeführten Länder "...Baden, ..., Württemberg- Baden und Württemberg-Hohenzollern...", die bereits 1952 zum Land Baden- Württemberg vereinigt wurden, und berücksichtigte auch die Aufnahme des Saarlandes in die Bundesrepublik im Jahr 1957.13
Gebot zur Wiedervereinigung
Diese Gebot, ausgedrückt in den Worten "Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.", konnte nach dem Beitritt der ehemaligen DDR durch die Feststellung "...haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet." ersetzt werden. Damit wurde auch die Provisoriumsmentalität des GG ("...um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben...") aufgegeben. Ebenso entfiel der Absatz "Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.", um nicht zu dem Irrtum Anlaß zu geben, daß Deutschland noch immer Gebietsansprüche an dritte Staaten stelle.14
Nation
Im Zusammenhang mit der angestrebten Wiedervereinigung kam in der früheren Version der Präambel auch das nationalstaatliche Element in der Form "...seine nationale und staatliche Einheit zu wahren..." zur Sprache. Da dieses Ziel mittlerweile verwirklicht ist, wurde der zitierte Nebensatz gestrichen.
Betrachtet man die Verwendung der Wörter aus dem Wortstamm -deutsch-, so zählt man deren vier (dreimal "Deutsches Volk", einmal "Deutschen").in der neueren, und fünf (zweimal "deutsches Volk", einmal "Deutschen", einmal "Deutschland", einmal "Bundesrepublik Deutschland") in derälteren Version, was sich, die Anzahl betreffend, m.E. jedoch daraus ergibt, daß dieältere Version einfach länger ist.
Wollte man in die Wortwahl trotzdem etwas hineininterpretieren, fällt auf, daß die Begriffe "Bundesrepublik Deutschland" und "Deutschland" in der neuen Fassung nicht mehr auftauchen, wodurch früher vielleicht die Hoffnung auf einen gemeinsamen Staat zum Ausdruck gebracht werden sollte. Statt dessen wird der Ausdruck "Volk" gleich dreimal verwendet. Vor dem Hintergrund, daß man das Deutsche Volk zudem heute nicht mehr klein schreibt, möge dies nun aber jeder selbst interpretieren.
Schluß
Betrachtet man die Präambel oberflächlich, so ist eigentlich nur das Wiedervereinigungsgebot gestrichen, und die beigetretenen Länder sind aufgenommen worden. Die Gebote zur Europäischen Einigung und zum Weltfrieden sind erhalten geblieben. Doch was wird im Falle einer geglückten Europäischen Einigung geschehen? Wird die Präambel in diesem Falle wieder nur beschnitten und der erreichte Zustand schlicht festgestellt? Damit würde sie tatsächlich zu einem historischen Relikt der Erinnerung an die Arbeit des Parlamentarischen Rates und die Umstände der Verfassungsgebung. Praktische Bedeutung käme ihr dann kaum noch zu, da schon heute Staatsziele, wie etwa der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen direkt in den rechtlich unumstritten verbindlichen Teil des GG finden, wodurch sie natürlich an Verbindlichkeit gewinnen.
Trotzdem bleiben wir alle aufgefordert zumindest nachzudenken, welche Ziele einen Platz an dieser exponierten Stelle, die die Präambel besetzt, verdient hätten.
Literaturverzeichnis
- Bundesverfassungsgericht (Hg.): Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, Heidelberg im März 1995
- Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1993
- Herder Lexikon Politik, Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Freiburg i.Br. 1994
- Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung, 10. überarb. Aufl., Lizensausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1996
- Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: Grundgesetz und Landesverfassung sowie Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 25. Aufl., Mainz 1982
- Maunz-Dürig: Kommentar zum Grundgesetz, 32. Ergänzungslieferung (zugleich 3. Erg.lieferung zur 7. Auflage), München im Oktober 1996
- Seifert, Karl-Heinz/Hömig, Dieter (Hg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Taschenkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 1991
Anhang
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Präambel
Neue Fassung vom 31.8.1990 (23.9.1990)
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
Präambel
Alte Fassung vom 8.5.1949 (23.5.1949)
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig- Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.
Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
[...]
1 Herder Lexikon Politik, Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Freiburg i.Br. 1994, S. 171.
2 Maunz-Dürig: Kommentar zum Grundgesetz, 32. Ergänzungslieferung (zugleich 3. Erg.lieferung zur 7. Auflage), München im Oktober 1996, B 1 4.
3 BVerfG E5, 127.
4 Maunz-Dürig, a.a.O., B 1 6.
5 BVerfg E5, 127.
6 Maunz-Dürig, a.a.O., B 1 4.
7 Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung, 10. überarb. Aufl., Lizensausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1996, S. 55.
8 Maunz-Dürig, a.a.O., B 1 8.
9 ebd.
10 Hesselberger, a.a.O.:, S. 55.
11 ebd., S. 55.
12 Seifert, Karl-Heinz/Hömig, Dieter (Hg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Taschenkommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 1991, S. 24.
13 Maunz-Dürig, a.a.O., B 1 5.
14 Maunz-Dürig, a.a.O., B 1 11.
- Citar trabajo
- Michael Rindchen (Autor), 1997, Die Präambel des Grundgesetzes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97012
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