Inhaltsverzeichnis:
Titelblatt
Vorwort
1. Geschichte der Erlebnispädagogik
1.1 Kurt Hahn
1.1.1 Seine Ansichten
1.1.2 Sein Erziehungskonzept
1.1.3 Outward-Bound und Atlantic College
1.1.4 Die Kritik an Kurt Hahns Erlebnistherapie
1.2 Die Erlebnispädagogik
2. The Flow
2.1 Charakteristika des Flow
3. Resümee
Literaturverzeichnis
Vorwort:
Immer wieder begegneten mir in meinem Studium die unterschiedlichsten Theorien und Ansichtsweisen über die Erlebnispädagogik, Erlebnistherapie und den Flow. Diese Studienarbeit möchte ich nutzen, um mein Wissen über dieses Gebiet zu vertiefen und zu erweitern.
Anhand dieser Studienarbeit möchte ich mich mit dem Flow als Element der Erlebnispädagogik und der Erlebnistherapie beschäftigen. Die Erlebnistherapie begründet durch Kurt Hahn, war die „geistige Mutter“ der späteren Erlebnispädagogik. Ziel dieser Arbeit ist es verschiedene Sichtweisen der Erlebnispädagogik aufzuzeigen, die Weiterentwicklung grob darzustellen und Informationen zu liefern ob und in wie weit ein Thema, wie der Flow, nur modisches Schlagwort oder aber ein wirklich relevantes Element des Erlebnisses ist.
1. Die Geschichte der Erlebnispädagogik
Als Einstieg in dieses Thema gebe ich einen knappen Überblick über die Geschichte der Erlebnispädagogik. Dabei konzentriert sich diese Arbeit auf das Leben und Wirken von Kurt Hahn als eine der Gründerpersönlichkeiten der Erlebnispädagogik.
1.1 Kurt Hahn
Kurt Hahn hatte zwei Fachgebiete, zum einen die Pädagogik und zum anderen die Politik. Sein politisches Wirken wird aber in diesem Aufsatz nur kurz beschrieben, wenn es für das Verständnis seines Werdeganges und Handelns von Nutzen ist. Er wurde am 05.06.1886 als zweiter Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. Das vermutlich einschneidenstee Erlebnis in seiner Kindheit war der Tod seines 11jährigen Bruders. Hahn selbst litt nach einem Sonnenstich, seit 1904, fast sein ganzes weiteres Leben an gesundheitlichen Problemen. Ihn quälten trotz mehrerer Operation immer wieder Kopfschmerzen.
Das Jahr 1902 war für ihn ein sehr prägendes Jahr. Von Alec Marcan und anderen wurde er für das Reforminternat Abottsholm begeistert. Ebendieser Alec Marcan schenkte Hahn auch das Buch „Emlohstobba“, von Hermann Lietzen. „Dieses Buch wirkte wie ein Ruf des Schicksals für Hahn.“ (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S.16) Erst studierte er klassische Philologie in Oxford, später Philosophie in Göttingen.
28jährig begann Hahn seine politische Kariere als Englandexperte und Presseanalysator in Paul Rohrbachs Zentralstelle für Auslandsdienst. Nach einiger Zeit erfolgte ein Wechsel zur militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes. Hahn war Vertreter der „heilenden Staatskunst“, d. h. durch öffentliche Aussprachen drängt das Volk die Politiker zur Beilegung ihrer Differenzen (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 8). 1918 wurde Prinz Max von Baden, ein enger Vertrauter Hahns, zum Reichskanzler. Kurt Hahn wurde sein Privatsekretär.
In verschiedenen Quellen wurden verschiedene Jahreszahlen, nämlich 1919 und 1920, für die Gründung des Landeserziehungsheimes Salem genannt. Max von Baden gründete dieses Landeserziehungsheim, um das Volk von „innen“ zu gesunden (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 56 und
Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 40). In den 20iger Jahren war Hahn kaum politisch tätig, er kümmerte sich um den Aufbau des Salemer Landeserziehungsheimes.
1933 nahm er öffentlich Stellung gegen Hitler, wegen dem Potempafall (kurz erläutert verherrlichte Hitler den Mord aus politischen Gründen). Hahn forderte daraufhin die Mitglieder des Salemer Bundes auf sich entweder für Salem oder für Hitler zu entscheiden. 1933 wurde er verhaftet, durch seine einflussreichen Bekannten kam er aber wieder frei und siedelte nach England um. Im gleichen Jahr gründete Hahn in England, Gordonstoun (Schottland), ein weiteres Landeserziehungsheim.
Resultierend aus seinen Erziehungsprinzipien, gründete er 1941 die Outward-Bound- Schulen und 1962 das erste United World College, all dies wird aber in späteren Kapiteln genauer beschrieben.
Am 14.12.1974 starb Kurt Hahn und wurde in Salem beigesetzt.
1.1.1 Seine Ansichten
„Kurt Hahn wollte andere dazu bewegen, die Welt heil zu erhalten oder - wo das versäumt worden war - sie heil zu machen“ (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 10). Das wollte er erreichen indem er die Jugend, seiner Meinung nach konnten Erwachsene nicht mehr geformt werden (näheres zur der Kritik in einem spätern Kapitel), durch Erlebnistherapie heilt oder vor „Erkrankung“ schützt. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass ich keine Literatur finden konnte in der Hahn selber von Erlebnispädagogik sprach. Annette Reiners erklärte die Begrifflichkeit „Erlebnistherapie“ dadurch, dass Hahn sich immer an den Defiziten orientierte und seine Angebote therapeutische Wirkung haben sollten (vgl. Annette Reiners, München 1995, S. 15). Die Krise der Demokratie war für Hahn „...der Egoismus gemeinwohlfremder Politiker, gepaart mit blindem Gehorsam und mangelnder Nächstenliebe des Volkes“ (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 11). Genau diesen „Mangelerscheinungen“ wollte er mit seinem Erziehungskonzept entgegenwirken.
1.1.2 Sein Erziehungskonzept
Hahn wollte eine ganzheitliche Erziehung, „...die das Kind auf kognitiver, emotionaler und aktionaler Ebene anspricht“ (vgl. Annette Reiners, München 1995, S. 35). Ganz im Sinne Platos, der vereinfacht gesagt den Menschen als Produkt einer Summe von vielen Ebenen gesehen hat.
Für ihn gab es zwei Arten der Erziehung, entweder durch Misstrauen fesseln oder durch Verantwortung binden. Hahn wollte seine Schüler durch Verantwortung binden und wachsen lassen.
Seiner Meinung nach hat jedes Kind ein besonderes Talent, die Entdeckung dessen ist Aufgabe der Erzieher. Findet ein Kind seine „große Leidenschaft“ nicht, so haben die Erzieher versagt. Das Erkennen und Fördern der „großen Leidenschaft“ sollte laut Hahn auf behutsamste Weise geschehen, er wollte durch Zurückhaltung den Jugendlichen die Möglichkeit zur Selbstfindung geben, indem er sie mit möglichst vielen verschiedenen Aktivitäten in Berührung bringt. (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 60 - 64) Daraus folgerte er die Notwendigkeit eines modifizierten Erziehungsansatzes. Sein Erziehungssystem der Erlebnistherapie legt viel Wert auf die Zeit außerhalb des üblichen Unterrichts, durch bewusstes Erleben sollte das Kind in seiner Persönlichkeit erweitert werden. Kinder die, die Erlebnistherapie erfahren hatten sollten Idealerweise:
- Zuversichtlich in der Anstrengung sein
- Bescheiden im Erfolg
- Anmutig in der Niederlage
- Fair im Zorn
- Klar im Urteil, ungeachtet jeglicher Verbitterung
- Bereit sich zu jeder Zeit einzusetzen
- Gefühle in Taten umsetzen
- Gewohnt sein sich Selbst zu überwinden
- Fantasiereich wie in den jüngsten Jahren sein
(vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993; Annette Reiners, München 1995; Bernd Heckmair, Werner Michl, Neuwied, Kriftel, Berlin, 1998)
Hahn sah einen allgemeinen Verfall eben dieser oben genannten Eigenschaften, genau das war für ihn „die Krankheit“ der Nation. Hast, heute vielleicht eher als Stress bezeichnet oder Schnelllebigkeit, nannte er als Hauptgrund für den Verfall. Hier erscheint es mir zweckdienlich zu sein, gerade auch im Hinblick auf den späteren Bezug zum Flow, kurz die Verfallerscheinungen näher zu beschreiben.
- Der Verfall körperlicher Tauglichkeit und Unternehmungslust
Zunehmend sei das Erleben eine passive Angelegenheit geworden, der Mensch konsumiere, aber agiere nicht mehr. Lust und Antrieb selbst etwas zu erleben und zu bewegen seien verlorengegangen. Verantwortlich dafür seien die modernen Fortbewegungsmittel, die „Heldenverehrung“ - so gut wie dieser oder jener Sportler werde ich sowieso nicht, deshalb lasse ich es lieber gleich - , sowie den Mangel an Selbstdisziplin gerade im Bezug auf Suchtmittel. Die körperliche Tauglichkeit war für ihn eine wichtige Grundlage der Selbstüberwindungskräfte. Basierend auf dieser Grundlage versuchte er für möglichst viele Jugendliche ein Förderungsmittel zu finden. Daraus resultierte 1936 die Entwicklung des Moray Badge (ähnlich der Prinzipien bei dem Bundessportabzeichen) das 1956, ungleich umfangreicher, im Duke of Edinburgh Award seinen internationalen Abschluss fand. Neben den körperlichen Fähigkeiten wurden auch Geschick bei Expeditionen, die Durchführung eines intellektuell anregenden Projektes und eine sozialen Hilfeleistung honoriert (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 72).
- Der Verfall der Sorgsamkeit Durch die Massenproduktion ging der sorgfältige Umgang mit den unterschiedlichsten Dingen verloren.
- Der Verfall der Anteilnahme
Durch ständige Reizüberflutung haben die Menschen verlernt Mitleid zu empfinden oder doch zumindest Anteil zu nehmen. Es gibt keine Zeit mehr für Selbstbesinnung und Mitgefühl, für Hahn wichtige Pfeiler der Menschenliebe. Auch in heutigen Büchern nimmt die Bedeutung des Mitgefühls immer mehr zu, so z. B. bei Daniel Goleman, ist das Mitgefühl neben der Selbstkontrolle die wichtigste Emotion (vgl. Daniel Goleman, München 1998, S. 106-127).
- Der Verfall der Demokratie
„ Die Massenproduktion gleichgerichteter Lebensanschauungen - darin sehe ich eine finstere Errungenschaft moderner Pädagogik. Kein Wunder, dass es heute an unabhängigen Stimmen fehlt.“ (vgl. Hahn, „Niedergang...“ in: Die Sammlung, S. 547). In der Entwicklung von Zivilcourage sah er die Möglichkeit blinden Gehorsam entgegenzuwirken.
(vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 50 - 51)
Seine Erlebnistherapie sollte dem Verfall kompensatorisch entgegenwirken.
Diese ganzheitliche Erziehung sollte durch folgende Methoden bestimmt sein:
- leichtathletische Pause (körperliches Training)
Das körperliche Training war für Hahn ein probates und sehr wichtiges Mittel, um die Selbstüberwindung zu schulen, Fähigkeiten zu verbessern , Erfolgserlebnisse zu haben und in Form zu kommen. „Wir fordern die mühselige Überwindung der Schwäche, genau wie wir die beglückende Entwicklung der Stärke ermutigen.“ (vgl. Hahn, Erziehung, S. 84) Die Zielsetzung dieses „Sportunterrichtes“ unterschied sich in wichtigen Punkten von den üblichen Sportunterrichtszielen. Das Ziel wurde für jeden einzelnen so gewählt, das er es mit einigem Üben und Aufwand erreichen konnte. Die individuelle Leistung war auf ein klares Ziel ausgerichtet, so wurden Fortschritte messbar und die Konzentration erleichtert (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 51). Genau hier ist für mich der erste Verknüpfungspunkt mit den Flowtheorien, Details in einem späteren Kapitel.
- Natur-, Kunst- und handwerkliche Projekte
Von vielen Autoren wurde die handwerkliche Arbeit oft noch als eigenständige Methode angesehen, vermutlich weil Hahn selbst soviel Wert auf den Anschluss seiner Schulen an ortsansässige Handwerker legte. Für diese Arbeit scheint es mir aber ausreichend diesen Punkt nicht noch weiter zu differenzieren. Die Schüler konnten meist das Projekt selber frei wählen, der übergeordnete Rahmen war nur, dass sie sich mit einer Sache möglichst ausdauernd, sorgfältig und intensiv beschäftigen. Das Projekt als solches sollte kein Meisterwerk sein, sondern als Mittel zum Zweck dienen.
- Rettungsdienste
Der Rettungsdienst, sei es Berg-, See- oder anderer Rettungsdienst war für Hahn die wichtigste Komponente der „Heilung“. In keinem anderen Bereich sah er nützliches Handeln, Dienst am Nächsten und Erfolg so optimal verbunden. Er sah im Rettungsdienst ein „moralisches Äquivalent des Krieges“ (vgl. Hahn, Erziehung..., S. 77). Eine sehr umstrittene These, genau wie die Wichtigkeit des Rettungsdienstes in der Erlebnispädagogik ein kontrovers diskutiertes Thema war (vgl. Waltraud Neubert, Lüneburg 1990; Jörg Ziegenspeck, Lüneburg 1990; Bernd Heckmair, Werner Michl, Neuwied, Kriftel, Berlin 1998).
- Expeditionen
Die ausgebildeten körperlichen Fähigkeiten konnten bei den 3-4mal im Jahr stattfindenden Expeditionen angewandt und erprobt werden. Diese Berg- und Skitouren könnten vermutlich die ersten Outward-Bound-Erfahrungen gewesen sein.
Die Jugendlichen sollten durch die ungewohnte Umgebung und die Herausforderung einprägsame Erlebnisse erhalten, an die sie sich lange Zeit erinnern können. Auch bei den Expeditionen waren die Lernziele Voraussicht in der Planung, Sorgsamkeit, Umsicht, Entschlusskraft, Zähigkeit in der Durchführung, Widerstandsfähigkeit und Nervenkraft.
1.1.3 Outward-Bound und United World College/Atlantic College
Outward-Bound heißt übersetzt: Ein Schiff zu großer Fahrt aufrüsten, auslaufsbereit. Tatsächlich entstand die Outward-Bound-Bewegung durch eine Seereise. Allerdings prägte der Reeder Lawrence Holt den Outward-Bound-Begriff, nur am Rande angemerkt sei das dieser Begriff den Begriff der Kurzschulen ablöste (nähere Informationen dazu bei Dirk Nasser, Erlebnispädagogik in Nordamerika, Kapitel 1.4 ff,S. 58 ff).
Ein Gordonstoun Schüler, Stephen Phillips, überredete Hahn die Erlaubnis einzuholen ein Schiff von Hopemann im Norden Schottlands nach Aberdovey durch Schüler segeln zu lassen. Natürlich nicht ohne die Hilfe erfahrener und fachkundiger Erwachsener, die Reederei Holt stellte Skipper, Bootsmänner und Ingenieur zur Verfügung, das Schiff war die Prinz Louis. Im Juni 1941 startete diese Expedition, nach etwa drei Wochen mit vielen Zwischenfällen kamen die Jungen wohlbehalten wieder. Lawrence Holt war vermutlich so beeindruckt von den Erlebnissen der Jungen, dass er sich an Hahn wandte und ihn anriet eine nautische Schule aufzubauen. Die Jungen besichtigten am Ende ihrer Reise das Ausbildungsschiff HMS Conway, dieses Ereignis ist deswegen so bedeutend weil der Kapitän der Conway ein bedeutender Verbündeter bei der Gründung der ersten Outward-Bound Sea School, im Oktober 1941 in Aberdovey war (vg. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 55- 57). Das Outward-Bound-Konzept findet sich heute in den unterschiedlichsten Formen und Methoden, vielleicht wurden neue Gebiete alleine schon deswegen nötig, weil es viele seeuntüchtige Menschen gibt und die Seekrankheit wahrscheinlich dem positiven Erleben nicht sonderlich zuträglich ist. Die Lernziele des Outward-Bound sind die gleichen wie in Kapitel 1.1.2 bei dem Themengebiet Expeditionen beschrieben, charakteristisch sind folgende Prinzipien:
- Outward-Bound ist für alle, ohne Unterschiede bei Rasse, Herkunft, Nationalität und Beschäftigung, in der heutigen Zeit auch ohne Unterschied bei den Geschlechtern.
- Die nicht vertraute Umgebung intensiviert und begünstigt dramatische Eindrücke.
- Die natürlichen Begebenheiten/Elemente werden als Mittel zur persönlichen
Entwicklung genutzt. Früher beschränkt auf Berge, Seen, Meere und ähnliches, gibt es heute sehr unterschiedliche Formen des Outward-Bound. Allen gemein ist of nur noch eine ungewohnte Situation oder Umgebung und dadurch eine Herausforderung zu schaffen, die die Konzentration auf das Erleben bündelt. Auch hier findet sich ein weiter Verknüpfungspunkt mit dem Flow (vgl. Mihaly Csikszentmihayi, Stuttgart 1996, S. 75).
- Es fordert Anpassungsfähigkeit, Selbstdisziplin, Findigkeit und Beharrlichkeit.
- Es ermutigt die Teilnehmer mit anderen zu kooperieren, zu helfen und Verantwortung zu übernehmen.
- Fantasie und Abenteuersinn werden angeregt.
- Erhöht die Achtung vor der Natur.
- Neuere Formen legen Wert auf Reflexion, kritische Einschätzung und Diskussion.
Hahn selbst maß der Reflexion keinen sonderlich großen Stellenwert bei (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 65 - 70). In mancher Literatur wurde die reflexive Form des Outward-Bound als Outward-Bound- Plus bezeichnet (vgl. Annette Reiners, München 1995, S. 60).
Selbst bei dieser Aufzählung der Outward-Bound-Prinzipien sind schon einige Mischformen aufgetreten. Ich habe die am häufigsten verwandten Charakteristika aufgelistet, um dem Leser einen Überblick zu verschaffen. Aber es stellt sich die Frage, wie viele dieser Charakteristika muss Outward-Bound erfüllen, um die Lernziele zu verwirklichen? Diese Frage scheint keine allgemeingültige Antwort zu haben, vermutlich ist das Erreichen der Ziele genauso subjektiv, wie das Erleben. Das wäre zumindest auch ein Erklärungsversuch für die, manchmal sogar etwas verwirrende, Methodenvielfalt und die verschiedensten Ansichten über Erlebnispädagogik.
Internationale Verständigung war für Kurt Hahn immer ein wichtiges Thema, eines seiner erklärten Ziele war die Völkerverständigung. Inspiriert durch die Erfahrungen von Sir Lawrence Devall, wollte Hahn United World Colleges oder auch Atlantic Colleges gründen. 1962 setzte er seine Pläne in die Tat um. Sir Lawrence Devall erlebte wie Offiziere verschiedenster Länder durch einen gemeinschaftlichen Dienst Vorurteile abbauten, Verständnis und Sympathie wuchsen und später sogar eine Gemeinschaft entstand. Wenn „gestandene“ Männer so ihr Weltbild verändern können, wie empfänglich müssen dann junge Menschen dafür sein. Aus dieser Überlegung heraus wollte Hahn die Atlantic Colleges gründen, die Ausbildungsdauer betrug zwei Jahre und Ausbildungsziel und -inhalte waren nicht anders als bisher. Auch und gerade hier legte er großen Wert darauf, dass durch Spenden, Zuschüsse oder Schulgeldabstufung kein Jugendlicher wegen „Geldmangels“ zurückgewiesen werden musste (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 87-88).
1.1.4 Die Kritik an Kurt Hahns Erlebnistherapie
Die Kritik an Hahns Prinzipien und Gedanken ist sehr umfangreich, ich werde im Folgenden eine Auswahl treffen, bei der ich die Punkte skizziere, die ich für die Triebkräfte der Umgestaltung der Erlebnistherapie zur Erlebnispädagogik halte. Natürlich erhebe ich dabei keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit oder Vollständigkeit. Allerdings möchte ich hier noch die Frage aufwerfen, ob bei dieser Vielzahl von Kritik der eine oder andere Autor nicht eher eine Rechtfertigung oder Begründung gefunden hat, einfach eine neue Komponente der Erlebnistherapie hinzuzufügen oder das ursprüngliche Konzept als eine Art „Schubkarre“ oder Wegbereiter zu nutzen.
Auch die Diskussion, ob Erlebnispädagogik eine Teilwissenschaft der Pädagogik und damit selbst eine Wissenschaft ist (laut Jörg Ziegenspeck) oder aber Erlebnispädagogik eine Methode ist (laut Bernd Heckmair und Werner Michl) werde ich in dieser Arbeit nicht weiter vertiefen (vgl. Annette Reiners, München 1995, S. 18).
Die Kritikpunkte:
- Mangelnde Reflexion
Hahn stilisierte die „Unbewusstheit“ des Erlebens als wichtiges Element, um die „verborgene große Leidenschaft“ zu entdecken. Viele Wissenschaftler hinterfragen gerade diese These. Zum Beispiel Karl Sauer stellte dem Adornos Ansicht gegenüber, dass es „im Erlebnis nicht nur auf das zunächst wahrnehmbare emotional bestimmte Erleben ankommt, sondern dass es vor allem gilt, sich über die Inhalte des Erlebnisses Klarheit zu verschaffen und Rechenschaft abzulegen.“ (vgl. Vorwort Karl Sauer im Buch von Waltraud Neubert, Lüneburg 1990). Weiterhin schreibt Karl Sauer: „ Erlebnisse zu suchen, um Gemeinschaftsgefühl und Lebensfreude zu stärken, ohne sich der Bedeutung des Erlebnisinhaltes zu vergewissern, ist für uns heute nicht mehr akzeptabel.“ (vgl. siehe eben). Diese Warnung war im Hinblick auf die Nationalsozialisten gemeint, aber da im gleichen Absatz Hahn Pädagogik angeführt wurde, möchte hier doch hinterfragen ob „grenzenlose Erlebnishingabe“ (vgl. siehe eben) ein Massenphänomen ist und sich bei den Nationalsozialisten die breite Masse nicht der Bedeutung des Erlebnisinhaltes gewiss war.
Vielleicht wollte Hahn aber mit dem Begriff „Unbewusstheit“ einen Zustand beschreiben den Mihaly Csikszentmihalyi wie folgt beschrieb: „Im Flow -Zustand folgt Handlung auf Handlung, und zwar nach einer inneren Logik, welches kein bewusstes Eingreifen von Seiten des Handelnden zu erfordern scheint. Er erlebt den Prozess als ein einheitliches Fließen von einem Augenblick zum nächsten, wobei er Meister seines Handelns ist und kaum eine Trennung zwischen sich und der Umwelt, zwischen Stimulus und Reaktion, oder zwischen Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart verspürt. Flow ist das, was wir autotelisches Erleben nannten.“ (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 242) Natürlich ist das nur ein Erklärungsmodell unter vielen. Aber hierbei würde die Reflexion nicht ausgeschlossen, sondern einfach die Erlebnisqualität anders beschrieben.
In fast allen Zweigen der Erlebnispädagogik ist die Reflexion ein wichtiges Mittel für den Lernprozess.
- Sexualität
Er sah im Sexualtrieb und in der Pubertät im Speziellen eine Gefährdung, „...da der Geschlechtstrieb die gesamte seelische Energie des werdenden Menschen beanspruchte galt es die giftlosen Leidenschaften wie Forschungstrieb und Bewährung im Ernstfall zu erhalten.“ ( vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 69). Diese Annahme wurde nicht von der heutigen Erlebnispädagogik übernommen.
- Idealistische Pädagogik und ethische „Überspannung“
Hahn sprach den meisten Familien die Erziehungskompetenz ab, er bezeichnete die Familie sogar einmal als „krankes Weidland“ (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 34). Die Erlebnispädagogik sieht sich aber eher als familienergänzendes System.
Jörg Ziegenspeck kritisierte den mangelnden Bezug des Individuums zur Gesamtsituation, Hahns Konstrukte veränderten sich nicht mit den sich verändernden Außeneinflüssen, sowohl Kaiserreich, als auch Nachkriegszeit haben die pädagogischen Konzepte nicht verändert. Der „heilende“ Einfluss des Einzelnen scheint für Hahn eine konstante Größe zu sein. (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 68). Etwas plump gesagt drängt sich mir hier der Vergleich mit einem Breitbandantibiotikum auf, womit ich aber keine Wertung abgeben möchte.
Auch die Ansicht, dass nur Kinder durch Erlebnistherapie „geheilt“ werden könnten ist mittlerweile überholt. (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett- Cotta-Verlag, S. 29-30). Hahn schränkte die Allgemeingültigkeit selbst ein, als er inspiriert durch die Erlebnisse von Sir Lawrence Devall die Atlantic Colleges gründen wollte (siehe Kapitel 1.1.3).
Der Rettungsdienst und seine Wichtigkeit im Hahnschen Erziehungssystem wird von einigen Autoren als „pädagogisch überdosiert“ bezeichnet. (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 71). Der Rettungsdienst als solcher soll allerdings hier nicht abgewertet werden, nur beginnt Dienst am Nächsten oder der Gemeinschaft in der Regel schon früher. Der Rettungsdienst hat, nur noch sehr geringe oder gar keine Bedeutung in der Erlebnispädagogik.
- Die fehlende Berücksichtigung von Mädchen
Die Tatsache, dass weder in Salem noch in Gordonstoun Mädchen zugelassen waren erscheint sehr verwunderlich, da Kurt Hahn „...wert auf die Feststellung legte, dass er auf Grund von Erfahrung und Theorie unbedingter Anhänger der Koedukation sei, im Interesse beider Geschlechter.“ (vgl. Michael Knoll, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt, Klett-Cotta-Verlag, S. 32). Natürlich wendet sich die Erlebnispädagogik an beide Geschlechter.
- Weitere Punkte
Hartmut von Hentig sieht noch weitere Ansätze zur Kritik, diese werden von mir aber nur kurz umrissen. Für von Hentig legte Hahn den Schwerpunkt zu sehr auf die Erziehung und vernachlässigte dabei den Unterricht. Von Hentig sah im Unterricht ohne Zwang und Druckmittel, ein weiteres Potential zur Persönlichkeitsentwicklung. Laut von Hentig hat Hahn Platos Ansichten auch gründlich missverstanden und fehlinterpretiert, auf diesen Aspekt wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, da dies jeden Rahmen sprengen würde (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 67 - 72).
Etwas verwirrend ist die Kritik von Bernd Heckmair und Werner Michl, zuerst schildern sie wie durch einen charismatischen Erzieher in Abbotsholme, die Schüler so beherrscht und geformt werden, dass sie zumindest zeitweise ihre Persönlichkeit verlieren. Dann im gleichen Absatz berichten sie über „Hahnsaura“ und Ausstrahlung, weiterhin schreiben sie das im Film „Club der toten Dichter“ - eine Zeit lang - Anschauungsunterricht für Persönlichkeitsverlust der Schüler durch einen gewissen Erziehertypus gegeben wird. (vgl. Bernd Heckmair, Werner Michl, Neuwied, Kriftel, Berlin 1998, S. 24). Mir als Leser suggerierte dies ein Bild, indem Kurt Hahn als Demagoge Kinder nach seinen Wünschen formte und ausnutzte. Leider vertieften die Autoren dieses Thema nicht und gaben mir so keine Möglichkeit einen erweiterten Überblick zu bekommen.
1.2 Erlebnispädagogik
Wie sich aus den Schlussfolgerungen im Kapitel 1.1.4 erahnen lässt ist die Erlebnispädagogik die Summe verschiedenster Lehrmeinungen und Methoden. Die Methodenvielfalt werde ich bei dieser Arbeit nicht berücksichtigen. Trotz intensiver Literaturstudien fiel es mir schwer eine allgemeingültige Definition zu finden, die Erlebnispädagogik grenzte sich eher durch das ab, was sie nicht ist. Zum Beispiel fand ich häufig folgende Formulierungen: „Erlebnispädagogik ist nicht Schulung in speziellen Sportarten, sie ist nicht Extremsport, Sportunterricht oder Fitnesstraining, sie ist nicht paramilitärische Aktivität oder Überlebenstraining.“ (vgl. Annette Reiners, München 1995, S. 17) Annette Reiners hat die für mich befriedigenste Definition für Erlebnispädagogik geliefert: „Erlebnispädagogik im engeren Sinne ist ein vorrangig außerschulischer Bildungsansatz mit handlungsorientierten Methoden, in dem durch Gemeinschaft in ungewöhnlichen Umfeldern/Umständen neue Raum- und Zeitperspektiven erschlossen werden, die einem pädagogischen Zweck dienen.“ (vgl. siehe eben) Allerdings möchte ich hier anmerken, dass fast jede von mir gefundene Prämisse in einem anderen Buch widerlegt, erweitert oder verworfen wurde, die Rahmenbedingungen scheinen ein hohes Maß an Flexibilität zu besitzen. In einer Sache scheinen aber alle Autoren einer Meinung zu sein, das Erleben ist ein höchst subjektiver Prozess.
John Dewey formulierte eine recht beständige Form der Bedingungen. „...erstens , dass der Schüler eine wirkliche für den Erwerb von Erfahrungen geeignete Sachlage vor sich hat, zweitens, dass in dieser Sachlage ein echtes Problem und damit eine Anregung zum Denken erwächst, drittens, dass er das nötige Wissen besitzt die notwendigen Beobachtungen anstellt, um das Problem zu behandeln, viertens, dass er die Möglichkeit und Gelegenheit hat, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben, ihren Sinn zu klären und ihren Wert selbstständig zu entdecken.“ (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 37) William H. Kilpatrick fasste diese Bedingungen noch einmal zusammen in: Zielsetzung, Planung, Ausführung, Beurteilung. All diese Bedingungen sind auch für das Flow-Erleben übertragbar, wenn nicht oft sogar notwendig. Der Flow bezeichnet eine besondere Qualität des Erlebten, er ist Synonym für den optimalen Zustand - das optimale Erleben.
2. The Flow
Der Flow beschreibt das Gefühl scheinbar müheloser Bewegung und Harmonie. Obwohl oft mit hoher körperlicher Belastung oder disziplinierten geistigen Aktivitäten einhergehend. Es ist ein Zustand des selbstvergessenen Aufgehens im Augenblick, weder störende Umwelteinflüsse, noch düstere Gedanken oder das eigene Ich werden wahrgenommen. Das Zeitgefühl geht verloren oder die Zeit wird sehr verzehrt wahrgenommen. Stunden vergehen wie im Flug, Sekunden erscheinen wie Minuten. Es kommt zu einer vollständigen Übereinstimmung von Wahrnehmungs-, Gefühls- und Bewegungsfunktionen. Dieser besondere Bewusstseinszustand wurde von Friedrich Copei „fruchtbarer Moment“, von Maria Montessori „Polarisation der Aufmerksamkeit“ und vom Mihaly Csikszentmihalyi als „Flow“ bezeichnet. (vgl. Rene Reichel, Eva Scala, Wien 1996, S. 52) Sicherlich ist dieser Zustand kein Produkt der Erlebnistherapie oder Erlebnispädagogik, wahrscheinlich wird er schon seitdem es Menschen gibt existieren. Die Frage ist nur wenn der Flow ein Zustand höchsten Glückes ist, warum erleben ihn die Menschen so selten? Und warum müssen sich ganze Wissenschaften und Wirtschaftszweige mit der „Erzeugung“ dieses Glücksgefühles beschäftigen? Wie kann die Qualität von Erlebnissen verbessert werden? Warum scheint die Erlebnisqualität so oft mangelhaft zu sein?
Mihaly Csikszentmihalyi verbrachte und verbringt viele Jahre mit der Erforschung der unterschiedlichen Erlebnisse und Erlebensformen. Weit entfernt von irgendwelchen Ratgebern im Kochbuchstil - so werden sie glücklich- versucht er durch empirische Untersuchungen und Forschung das Phänomen Glück zu ergründen. Für ihn ist Glück kein Zufall und selten etwas das einfach so geschieht, Glück kann auch nicht käuflich erworben werden. Glück ist meist eine „unbeabsichtigte Nebenwirkung“. Bei der Kontrolle der eigenen Handlungen, Herr des eigenen Schicksals zu sein scheint eine wichtige Bedingung für Glücksempfinden zu sein. Entgegen der häufigen Meinung das Glücksmomente etwas passives, fast schicksalhaftes sind, ereignen sich für Csikszentmihalyi die besten Momente „...wenn Körper und Seele eines Menschen bis an die Grenzen angespannt sind, in dem freiwilligen Bemühen, etwas Schwieriges und etwas Wertvolles zu erreichen. Optimale Erfahrung ist daher etwas, das wir herbeiführen.“ (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi, Stuttgart 1996, S. 16) Für mich ist einer der interessantesten Gesichtspunktein in seinem Buch (Flow- Das Geheimnis des Glücks) , dass der Ausschluss störender Einflüsse - die Zentrierung des Bewusstseins der Faktor für die Verbesserung der Erlebnisqualität ist. Optimale Erfahrung und der Begriff Flow werden im Folgenden synonym benutzt. Meiner Meinung nach versuchte Kurt Hahn in seiner Erziehung den oben beschriebenen Zustand herzustellen, ebenso auch die Erlebnispädagogik. Die Kriterien von William H. Kilpatrick (siehe vorheriges Kapitel) Zielsetzung, Planung, Durchführung und Beurteilung finden bei Cskszentmihalyi ihre Anwendung.
2.1 Charakteristika des Flow
Im Folgendem werden die Charakteristika des Flows näher beschrieben, um dem Leser einen Überblick zu geben und den Vergleich mit den vorher beschriebenen Charakteristika zu erleichtern.
- Der Zusammenfluss von Handeln und Bewusstsein
Durch wirkliche, aber auch erledigbare Herausforderungen werden alle Energien des Menschen auf eine Sache zentriert. Im Bewusstsein herrscht Ordnung, störende Einflüsse werden ausgeblendet. Die Tätigkeit automatisiert sich. Diese Zentrierung erfolgt durch den Menschen bei den verschiedensten Tätigkeiten, dieser Zustand kann von einem Sportler beim Training, ebenso wie von einem Wissenschaftler beim Problemlösen oder aber auch beim Spielen mit einem Kind erreicht werden. Die Möglichkeiten Flow zu erleben scheinen fast unbegrenzt. Der Zweck dieses Fließens ist es, im Fließen zu bleiben. Der Flow wird oft als eine Art der „Selbstkommunikation“ beschrieben. Im optimalen Zustand gibt es keine Fragen oder Zweifel. (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi, Stuttgart 1996, S. 81) Die Summe solcher qualitativ hochwertiger Erlebnisse trägt nach Hahn und Csikszentmihalyi zur Persönlichkeitsentwicklung bei.
- Klare Ziele und Rückmeldungen
Ein wichtiger Grund für die Vertiefung in das Erlebnis scheint die klare Definition eines Zieles und die (fast) jederzeit mögliche Rückmeldung zu sein. Gerade dadurch werden Gebiete wie Sport, Künste , Spiel und Hobbys zu Bereichen, die wahrscheinlich öfter Flow auslösen. Allerdings entscheidet auch hier die richtige Wahl der Herausforderung über das Flow-Erleben. Sowohl zu niedrige (es entsteht Langeweile), als auch zu hohe (es entsteht Angst oder Überforderung) Herausforderungen lassen die Qualität des Erlebnisses abklingen. Technische Errungenschaften und die Werbung verhießen dem Menschen ein leichtes und glückliches Leben. Aber auch heute scheint die Wahrscheinlichkeit glücklich zu sein nicht höher als früher. Vielleicht hat gerade die Technik dem Menschen viele Herausforderungen abgenommen und so einen Grundstein für bequemes, „reizloses“ Leben gelegt. (vgl. Heinz Körber, München 1989, S. 32-38) Fast jede Art von positiver Rückmeldung kann Freude bedeuten, solange sie im Zusammenhang mit dem Ziel steht. (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 242 -244)
- Konzentration auf die anstehende Aufgabe
Ein Physikprofessor beschrieb seine Erfahrung beim Klettern wie folgt: „...es ist als ob meine Erinnerungen abgeschnitten wären. Ich habe nur Dinge im Kopf, welche die jeweils letzten dreißig Sekunden betreffen und das Vorausdenken betrifft jeweils nur die nächsten fünf Minuten.“ (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi, Stuttgart 1996, S. 86) Die Konzentration auf die Herausforderung lässt scheinbar alle anderen Einflüsse vergessen, in der heutigen Zeit würde dafür vielleicht ein Wort wie „Abschalten“ verwendet. Die Konzentration verändert die Wichtigkeiten im Leben, zumindest für den Moment der Aktion.
- Das Paradox der Kontrolle
Die Möglichkeit in einer Situation Kontrolle auszuüben, ohne Zweifel und Sorgen zu sein und ohne empfundene Mühen diese Situation zu bewältigen versetzt Menschen in Hochstimmung. Um diese Erfahrung zu machen muss sich der Mensch Herausforderungen stellen und Sicherheitsnetze aufgeben. (vgl. Heinz Körber, München 1989, S. 51-58)
- Der Verlust des Selbstgefühles
Viele Menschen sind oft und lange mit sich selbst beschäftigt, das Ich ist (verständlicherweise) ein Hauptthema. Umso erstaunlicher ist das im Flow das Ich aus dem Bewusstsein verschwindet und die meisten Menschen diesen Zustand sehr angenehm finden. Wie bei der Meditation ist der Geist auf ein Ziel ausgerichtet, allerdings möchte ich hier nicht vermitteln das beim Flow eine Art Erleuchtung gefunden wird. Häufig werden beim Flow Grenzerfahrungen gemacht, Grenzen der Persönlichkeit werden erweitert, durch den Erflog kommt das Ich „gestärkt“ wieder in das Bewusstsein zurück. (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi, Stuttgart 1996, S. 94-95) Wenn der Verlust des Selbstgefühles gepaart mit einer Erfahrung der Notwendigkeit kooperativen Verhaltens auftritt, spricht Dirk Nasser sogar von einer möglichen unbewussten Verhaltensmodifikation (vgl. Dirk Nasser, Lüneburg 1993, S. 240 - 242)
- Die Veränderung der Zeit
Eine der wohl typischsten Erfahrungen beim Flow ist ein verändertes Zeitgefühl. Zeit ist im Flow bedeutungslos, die Aktivität bestimmt das Handeln und den Rhythmus. Der Verlust des Zeitgefühles scheint ein angenehmer Nebeneffekt der Konzentration zu sein.
- Autotelische Erfahrung
Autotelisch bedeutet, etwas geschieht um der Sache selbst Willen. Wir wachsen mit der Überzeugung, dass zukünftige Ereignisse im Leben am wichtigsten sind. Zum Beispiel bringen Eltern ihren Kindern bei, dass es ihnen als Erwachsener besser ergeht, wenn sie gute Manieren und eine ordentliche Schulbildung haben. Was wahrscheinlich auch so stimmt. Ralph Waldo Emerson sagte: „Wir stehen immer kurz davor zu leben, aber wir leben nie.“ (vgl. Mihaly Csikszentmihalyi, Stuttgart 1996, S. 33) Dieser „Belohnungsaufschub“ wird nie gänzlich vermieden werden können, ganze Systeme funktionieren nur durch dieses Prinzip. Ob nun Belohnung oder Strafe als „Druckmittel“ eingesetzt wird hat für diese Arbeit keine weitere Bedeutung. Die autotelische Erfahrung macht uns nur etwas unabhängiger von diesem System. Im optimalen Zustand wird eine Sache um ihrer Selbstwillen getan, diese Autonomie vereinfacht die Konzentration. Der Flow ist eine Möglichkeit sich selbst zu belohnen und Freude zu schenken. (vgl. Mihaly Csikszentmihlayi, Stuttgart 1996, S. 100-101)
3. Resümee
Die Grundfrage dieser Arbeit - ob der Flow ein Element der Erlebnispädagogik oder aber nur ein modisches Schlagwort ist- kann ich auch nach dieser Studienarbeit nicht absolut beantworten. Eigentlich habe ich jetzt mehr Fragen als vorher. Die Antwort liegt wahrscheinlich in der Mitte. Gern hätte ich mich noch mit dem einen oder anderen Buch auseinandergesetzt und mich noch mehr in die Thematik vertieft, aber das ließ der Umfang dieser Studienarbeit einfach nicht zu. Grundsätzlich würde ich sagen, dass der Flow eine treffende Formulierung, eines Zieles der Erlebnistherapie und - pägogik ist, die diese Gebiete bereichert. Alleine schon deswegen, weil dieses Erklärungsmodell leicht verständlich ist. Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass das Thema wahrscheinlich auch in kürzerer Form erschöpfend abgehandelt werden könnte.
Der Flow erscheint mir ein wichtiges Element meines Lebens zu sein. Vor vielen Jahren habe ich selbst einen sportlichen Wettkampf gewonnen, dass war für mich die optimalste Empfindung meines Lebens war. Nie wieder war etwas so ausschließlich richtig. Diese Erfahrung trägt sich heute noch in meinem Wesen und sicherlich wurde dadurch auch meine Persönlichkeit nachhaltig verändert. Vielleicht können Worte und Wissenschaften diesen Zustand nur beschreiben, nicht aber ihn dem Leser vermitteln. Vielleicht ist der Flow etwas, dass jeder einfach nur erleben sollte. Vielleicht bin ich aber auch nur nachhaltig von diesen Momenten so beeindruckt, dass es mir an Objektivität mangelt. Für mich hat z. B. Sport eine „heilende“ Wirkung und trägt auf jeden Fall zur Verbesserung meiner Lebensqualität bei.
In meiner jahrelangen Arbeit im Fitnessbereich, hat es immer wieder mein Herz beglückt, wenn Menschen durch neue Erlebnisse zu einer neuen Betrachtungsweise ihrer Selbst gelangten und ihre Lebensqualität, vermute ich, zumindest zeitweise verbesserten. Wahrscheinlich war dieses Gefühl meine innere Motivation für diese Studienarbeit. Noch anmerken möchte ich, dass im Laufe dieser Arbeit ich mit dem gewählten Titel nicht völlig zufrieden war. Alleine schon dadurch das Kurt Hahn von Erlebnistherapie und nicht von Erlebnispädagogik sprach, lies mir den Titel als nicht korrekt gewählt erscheinen.
Literaturverzeichnis:
Hans G. Bauer, Internationale Fachtagung zur Erlebnispädagogik auf Schloss Wartensee 1993, Lüneburg 1994
Hartmut Breß, Erlebnispädagogik und ökologische Bildung, Neuwied, Kriftel, Berlin 1994
Lilian Böschl, Grundlagen und Methoden der Verhaltenstherapie, Bern, Stuttgart, Wien 1979
Mihaly Csikszentmihalyi, Beyond Boredom and Anxiety , San Francisco 1975 Mihaly Csikszentmihalyi, Flow Das Geheimnis des Glücks, Stuttgart 1996 Daniel Goleman, Emotionale Intelligenz, München 1998
Peter Esser, Erlebnisorientierte Psychotherapie, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1983
Bernd Heckmair und Werner Michl, Erleben und Lernen, Neuwied, Kriftel, Berlin 1998 Fridolin Herzog, Erlebnispädagogik: Schlagwort oder Konzept, Luzern 1993 Hans Günther Homfeldt, Erlebnispädagogik, Baltmannsweiler 1995
Michael Knoll, Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie, Erscheinungsdatum und Ort unbekannt
Hubert Kölsch und Franz-Josef Wagner, Erlebnispädagogik in Aktion, Darmstadt 1998 Heinz Körber, Wieviel Spannung braucht der Mensch?, München 1989 Christine Lost, Erlebnispädagogik und Emigration, Lüneburg 1993 Dirk Nasser, Erlebnispädagogik in Nordamerika, Lüneburg 1993 Waltraud Neubert, Das Erlebnis in der Pädagogik, Lüneburg 1990 Rene Reichel und Eva Scala, Das ist Gestaltpädagogik, Münster 1996 Annette Reiners, Erlebnis und Pädagogik, München 1995 Jörg Ziegenspeck, Erlebnispädagogik, Lüneburg 1990
Erklärung:
Hiermit erkläre ich, Daniela Voigt, die vorliegende Arbeit habe ich selbstständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt.
Kassel, den 30.04.00
- Citation du texte
- Daniela Voigt (Auteur), 2000, Kritische Auseinandersetzung mit dem Flow als spezifisches Element der Erlebnispädaogoik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97005
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