Landwirtschaft und Umweltschutz in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg ist das ideale Gebiet, um fast alle in Deutschland vorkommenden Probleme zwischen Landwirtschaft und Natur-/ Umweltschutz zu erläutern, da Baden-Württemberg eine sehr vielfältige Naturund Agrarlandschaft besitzt.
1. Allgemeines
Klima: Die Vegetationszeit reicht von 120 bis 170 Tage, Niederschläge von 700mm bis 1.500mm.
Entwicklung der Landwirtschaft:
Durch die zunehmende Verkehrserschließung haben sich im Bereich des Schwarzwalds und des Allgäu Grünlandgebiete, im Oberrheinischen Tiefland Ackerbaugebiete und Sonderkulturen (auch am Bodensee) gebildet.
Im Allgäu und Oberschwaben hat die Milchviehhaltung besonders hohen Stellenwert.
Im Süden sind die Betriebe auf Grund des dort herrschenden Anerbenrechts größer als im Norden, wo die Realteilung üblich ist. Hierdurch begingt, liegen die meisten Vollerwerbsbetriebe im Süden; dennoch wurden 1987 nur 34% der 120.000 landwirt- schaftlichen Betriebe als Vollerwerbsbetriebe geführt. Ein Grund hierfür könnte die gerin- ge Durchschnittsfläche von 13ha / Betrieb sein (der Wert für NW -Deutschland liegt deut- lich höher).
1950 begann mit der Industrialisierung der Landwirtschaft ein Rückgang der Betriebe:
Von 1960 bis Anfang der 90er hat sich deren Anzahl halbiert und geht seit dem jährlich um ca. 3% zurück.
Zurück ging auch die landwirtschaftliche Nutzfläche (von 1,93 Mio. 1960 auf 1,67 Mio. 1989) in Folge des Bevölkerungszuwachses von 7,6 Mio. (’60) auf 9,5 Mio. (’90), da nun gute Böden für Siedlungen und Verkehrswege gebraucht wurden und somit verloren gin- gen.
2. Flurschädigung
Wasserhaushalt:
Bis 1976 (Gesetz zum Schutz von Feuchtgebieten) bzw. 1980 (Trendwende im Wasserbau) waren Entwässerung von Mooren und Begradigung von Flüssen und Bächen zur Gewinnung und Verbesserung von landwirtschaftlicher Fläche an der Tagesordnung. Heute sind solche Eingriffe sehr selten; vermehrt wird heute versucht, alte Begradigungen rückgängig zu machen und Flüsse, Bäche und Moore zu renaturieren. Durch die Entwässerung von Mooren und Anbau von auf Moor wachsendem Mais gingen viele Lebensräume verloren, bzw. wurden Dünger und Insektizide ausgeschwemmt und dem Wasserkreislauf unvermindert zugeführt.
Veränderung des Landschaftsbildes:
Beim Vergleich von alten und neuen Karten stellt man eine negative Veränderung der Siedlungsränder in Bezug auf natürliche Vegetation und Struktur. Schuld daran ist einer- seits die Flurbereinigung und andererseits Landwirte, die rationeller arbeiten wollten: Sie trugen Böschungen ab, rissen Hecken aus, faßten Bäche, füllten fast jedes stehende Gewässer auf und rodeten sogar alte Obstbäume, um ihre Äcker besser bewirtschaften zu können.
Durch diese Maßnahmen hat sich vielerorts das Landschaftsbild total verändert, z.B. wurden in Karst-Gebieten Dolinen zugeschüttet.
Aufforstung:
Durch Aufforstung zwischen 1955 und 1965 und seit Mitte der 80er Jahre wurde der Waldbestand in Baden-Württemberg wieder vergrößert ( von 34,8% 1950 auf 37% 1989). Meist wurden bei der Aufforstung landwirtschaftlich unrentable Flächen, wie z.B. Hänge und Feuchtwiesen bewaldet, jedoch waren auch dies artenreiche Gebiete, da sie vor der Aufforstung nur extensiv bewirtschaftet wurden. Die meisten Arten konnten in den neu entstandenen Wäldern, die Fichten-Monokulturen waren, nicht mehr überleben. Ein positiver Aspekt ist jedoch, dass die bisher nötigen Dünger nicht mehr verwendet werden mussten.
Die Aufforstungsschwerpunkte lagen jedoch nicht in der Nähe der waldarmen Ballungsgebiete, sondern im Schwarzwald und der Schwäbischen Alb.
Bei den Frühjahrsstürmen 1990 gewann man die Erkenntnis, dass artenreiche Waldtrau- fen durchaus nützlich sind, da sie als Windschutz fungieren und so vor Sturmschäden schützen. Seitdem wird Baum- und Strauchanflug geduldet und vermehrt auch Laubbäume gepflanzt.
3. Intensivierung der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg wurde vor allem in den Bereichen Ackerbau, Grünlandwirtschaft, Viehhaltung und Sonderkulturen intensiviert. Dies wurde hauptsächlich durch leistungsfähigere Züchtungen, vermehrten Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln, verbesserten Anbautechniken und zugekauftem Futter ermöglicht.
So wurden enorme Produktionssteigerungen möglich ( z.B. Getreide: 1950/52: 22,9 dz/ha 1987/89: 52,9 dz/ha).
Die Auswirkungen des vermehrten Düngereinsatzes auf das Grundwasser, die Böden und Pflanzen- / Tierwelt wurden lange übersehen.
Ackerbauliche Intensivierung:
Die Verschiebung der Kulturen hin zu intensiveren Arten (Abb. 1), hatte einen Erhöhten Einsatz von Düngern und Bioziden zur Folge. Futterpflanzen wie Klee und Luzerne wurden durch Mais, der viel erosionsanfälliger und düngungsintensiv ist, verdrängt. So ist eine Zunahme der Bodenerosion ( Abtragung durch Wind, u.ä.) und Übersättigung mit Nährstoffen verständlich. Die besten Böden in Baden-Württemberg werden in Bodenschutzprogramm von 1986 als stark erosionsgefährdet eingestuft.
Grünlandintensivierung:
Die meisten Grünlandbetriebe konnten nur durch eine Umstellung in ihrer Wiesenwirtschaft überleben: es wurde stärker gedüngt und kurz hintereinander gemäht oder geweidet. Dies führte zu einer Verdoppelung der Rinder, reduzierte aber die Artenzahl der höher gelegenen Wiesen (590-735m) stark.
1987 kam Hampicke zu dem Schluss, dass Erhaltung und Erneuerung des extensiv genutzten Grünlandes Priorität habe.
Tierhaltung:
Statistisch gesehen, schneidet Baden-Württemberg - vom Standpunkt des Umweltschutzes aus - in der Viehhaltung im Vergleich zum übrigen Deutschland gut ab. Auf einen Hektar landwirtschaftliche Fläche kommen nur 0,95 GVE, im Bundesdurchschnitt lag der Wert bei 1,67 GVE/ha, in den Niederlanden sogar bei 2,84 GVE/ha.
Dieser relativ geringe Wert täuscht jedoch, denn dieser Wert ist nur ein Durchschnitts- wert für ganz Baden-Württemberg. Es geht aus ihm nicht hervor, dass es regional gese- hen sehr große Unterschiede zwischen West- und Ost-Baden-Württemberg gibt. Im All- gäu z.B. liegt der Wert mancher Orts bei 1,67 GVE/ha. In Regionen mit solch hohen Werten, ist die Belastung der Umwelt während der Wachstumszeit durch ausgebrachte Gülle extrem hoch. Diese Belastungen werden jedoch dadurch gemildert, dass die Grasnarbe nur wenig Stickstoff in den Boden läßt. Die Belastung des (Grund-) Wassers, nimmt jedoch ab März, wenn alle Bauern ihre Güllebehälter leeren, dramatisch zu. Noch schwieriger ist jedoch die Veredelung, insbesondere durch Schweine, da der Schweinedung zu erheblichen Geruchsbelästigungen führt und nicht genügend Fläche zur Aufbringung zur Verfügung stehen (mancherorts 2 - 3,5 GVE/ha).
4. Aufgabe extensiver Nutzung
Den traditionell bewirtschafteten Agrarflächen drohen zwei große Gefahren: zum ersten die Intensivierung des Anbaus, verbunden mit erhöhtem Dünger- und Biozideinsatz, und die Nutzungsaufgabe mit Verbuschung und Bewaldung.
Hier gehe ich nun auf Streuobstbau und Wachholderheiden ein, deren Produkte einst begehrt waren, jedoch zunehmend an Bedeutung verlieren bzw. durch nur geringen Ertrag und niedrige Preise wirtschaftlich nicht mehr rentabel sind.
Streuobstbau:
Unter Streuobstbau versteht man einzeln oder in kleinen Gruppen in der Flur stehende
Obstbäume, oft verschiedene Arten, Sorten und Generationen an einem Fleck. Er ist das Gegenteil zum Intensiv-Obstbau.
Seit dem 18. / 19. Jh. hat der Obstbau in Baden-Württemberg eine Bedeutung erlangt, wie in keinem anderen Gebiet Deutschlands. Streuobsbau prägt in vielen Teilen Baden- Württembergs das Landschaftsbild, z.B. am Bodensee oder am Westrand des Schwarz- und Odenwaldes.
Er deckt hauptsächlich den Eigenbedarf an Obst, Most und Schnaps, liefert aber auch Überschüsse für den Markt, sowie Nutz- und Brennholz.
Durch stärkere Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbaugebieten und Rationalisierung der Arbeit, ging der Streuobstanbau um ein Drittel zurück; auch die Umstellung der Eßge- wohnheiten der Verbraucher - sie bevorzugten nun andere Früchte, neue Apfelsorten und Getränke - trug zum Rückgang bei. Der Erschließung neuer Gebiete zur Siedlungsaus- breitung und dem Ausbau der Verkehrswege fielen viele Streuobst-Wiesen zum Opfer. Auch in der Flurbereinigung wurden die als störend empfundenen Bäume gerodet. Hierbei wurden zwischen 1957 und 1974 14.382 ha Streuobst-Wiesen „vernichtet“. Um das Landschaftsbild zu wahren und die positiven Wirkungen solcher Streuobst- Wiesen auf die Umwelt nicht zu verlieren, werden seit 1985 die Pflege und Vermarktung der Streuobst-Wiesen von Gemeinden gefördert. Hierdurch sollen auch Anreize entste- hen, neue Bäume zu pflanzen, die über den Eigenbedarf hinaus Erträge einbringen, was vorher nicht wirtschaftlich war. Der BUND will den Besitzern sogar feste Preise für ihre Waren garantieren, damit im Falle einer überdurchschnittlichen Ernte die Preise nicht in den Keller fallen.
Streuwiesen:
Durch den Übergang zur Grünlandwirtschaft im Allgäu wurden Gräser u.ä. als Stalleinstreu verwendet; doch als man zur Schwemm-Entmistung überging, wurden die Streuwiesen intensiv als Weideflächen genutzt oder aufgeforstet. Diese Maßnahmen hatten jedoch einen Rückgang des Artenreichtums der Streuwiesen zur Folge, vor allem Orchideen und Enziane verschwanden zunehmend.
Hauptsächlich aus diesem Grund werden die letzten Reste (20%) der früheren Streuwiesen von Landwirten gegen finanzielle Entschädigung erhalten.
Wacholderheiden:
Die Wacholderheiden liegen am nordöstlichen Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. Sie sind durch traditionelle Schafbeweidung gut an Verbiß und Tritt der Tiere ange- paßt und beherbergen seltene Pflanzen und Tiere. Von 1850 bis 1950 nahm die Bedeu- tung der Schafhaltung allmählich , ab 1950 dann rapide ab (Tab. 1). Die Heiden wurden in Äcker und Intensivwiesen umgewandelt oder aufgeforstet. Von 1900 bis 1980 gingen rund 3.600 ha Wacholderheiden verloren. Die heute noch vorhandenen Heiden, können aber nur durch fortgeführte Beweidung oder Schutz vor Bewaldung erhalten werden. Eine wirtschaftlich rentable Beweidung ist aber wegen der schlechten Woll- und Fleischpreise nicht möglich, wird aber auch kulturhistorischen Gründen aufrecht erhalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1
5. Naturverträglichere Nutzung
Der Artenrückgang kann nicht allein durch Naturschutzgebiete aufgehalten werden, vielmehr sind auch Veränderungen in deren Gestaltung - z.B. durch Pufferzonen - und naturverträglichere Bearbeitung der Böden durch Landwirte gefragt. Durch eine verträglichere Bewirtschaftung der Felder kann die (Grund-) Wasser- und Bodenbelastung verringert werden, was sich positiv auf Flora, Fauna und auch die Gesundheit der Menschen auswirkt. Es dürfen also nicht nur landwirtschaftlich unrentable Flächen in Naturschutzgebiete umgewandelt werden.
Ansätze beim Ackerbau und die Grenzen:
Seit Mitte der 80er werden immer weniger Mineraldünger und Biozide gebraucht. Die verwendeten sind in der Regel wenig Umweltschädlich und bauen sich schnell ab. Durch bessere Maschinen und deren Wartung könnte der Biozidbedarf reduziert werden. Der Einsatz von solchen Mitteln ist aber für die Landwirte die einzige Möglichkeit, nach dem Getreidepreisverfall um ein Viertel in 20 Jahren, noch wirtschaftlich zu arbeiten. Neue Möglichkeiten der Produktionssteigerung kann hier vielleicht die Gentechnik bringen, mit Pflanzen, die z.B. nicht mehr so hoch werden.
Rückgang der Dungmenge und Tierzahlen:
Die meisten Bauern sind heute über die Folgen des Überdüngens aufgeklärt und bringen ihren organischen Dünger überlegter aus als vor einigen Jahren.
Die Menge an ausgebrachter Gülle sank vor allem in den Gebieten der Milchwirtschaft etwas mehr, da hier seit 1984 durch die Milchkontigentierung die Zahl der Betriebe um ca. 15% fiel.
In machen Gegenden sind somit die Voraussetzungen für Biotopverbindung und Extensivierung geschaffen, z.B. bei Karsee-Seebach im Westallgäu.
Biozid- und Düngerreduzierung bei Sonderkulturen:
Durch hohe Nitratwerte im Grundwasser und Vogelsterben am Bodensee durch Pflanzen- schutzmittel, hat sich die Einstellung der Endkunden gegenüber der Verwendung von chemischen Mitteln geändert. Somit wurden auch viele Betriebe mit Sonderkulturen ge- zwungen, sich dem Markt anzupassen und mehr auf Chemie zu verzichten. Am Bodensee wird in der „integrierten Apfelproduktion“ versucht, durch Standort- und Sortenauswahl, Beobachtung der Schädlinge und Einsatz von biologischen Pflanzen- schutzmitteln und Nützlingen die Verwendung von chemischen Mitteln auf ein Minimum zu beschränken. Die noch wenigen nötigen chemischen Mittel sind alle Umweltverträglich. Die Erosionsgefahr im Weinbau wird durch Abdeckung des Bodens durch Kompost und Begrünung gemindert. Die Winzer werden in Kursen über umweltschonenderen Weinan- bau informiert.
Unterstützung durch die Agrar- und Umweltpolitik des Landes:
In der „Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung“ vom 01.01.1988 wird die Stickstoff- düngung und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln beschränkt. Die erwarteten Ertragsminderungen und der Mehraufwand der Landwirte wird über einen „Wasserpfennig“, einen Zuschlag von 10 Pf. / m³ Trinkwasser, subventioniert. Jedoch nur, wenn nach drei Jahren der Nitratwert im Boden nicht über 45 kg / ha liegt.
Gewässer werden seit 1992 durch die „Gewässerrandstreifen-Regelung“ geschützt. Sie sieht eine Schutzzone von zehn Metern Breite um Gewässer vor, in denen nicht Gedüngt und nicht Bestellt werden darf ( bei entsprechender Entschädigung). Das Oktober 1991 gestoppte Programm zur „Marktentlastung und zum Kulturlandschafts- ausgleich“ geht weiter: Hier sollten Landwirte für landschaftspflegende Maßnahmen finan- ziell entlohnt werden.
6. Fazit
Der Durchbruch zu einer umweltverträglichen Bewirtschaftung der Nutzflächen ist noch nicht gelungen: Es wird zwar immer weniger gedüngt und gespritzt, Gewässer werden mehr geschützt und die Landschaft wieder gepflegt, doch ohne ein Umdenken bei Landwirten und Verbrauchern, kann dieses Ziel nicht er- reicht werden.
- Citar trabajo
- Christian Lischer (Autor), 1999, Landwirtschaft und Umweltschutz in Baden-Württemberg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96873
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