Einleitung; Bedeutung der Sinfonie und ihr Platz in der Musikgeschichte
Liebe Mitstudentinnen und Mitstudenten, lieber Toni Haefeli Ich freue mich sehr, euch während den nächsten knapp zwei Stunden die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven vorzustellen. Von vielen Leuten wird dieses Werk als die Sinfonie aller Sinfonien dargestellt und daher ist es in Musikerkreisen bereits klar, dass wenn von der neunten Sinfonie gesprochen wird, die neunte Beethovens gemeint ist. In einem Buch , geschrieben von Oscar von Pander steht: „ Auf dem Gebiet der Kunst gibt es nichts, was an Kraft der Gestaltung und an Lebendigkeit der Auswirkung stärker wäre als die Beethovenschen Sinfonien, und insbesondere deren abschliessende Krönung, die Neunte in d-Moll op. 125. [] Man mag sich noch soweit darüber hinaus wähnen, die Beethovensche Tondichtung ist auch heute immer noch der eigentliche Ausgangspunkt unseres gesamten musikalischen Denkens und Empfindens.“
Obwohl dieses Zitat bestimmt von vielen Liebhabern von Komponisten wie Bach oder Haydn bestimmt hinterfragt werden kann oder auch werden soll, möchte ich es an den Anfang meinen Ausführungen stellen.
Das einzigartige und wirklich revolutionäre an der 9. Sinfonie ist, dass Beethoven als erster die grosse Form der Sinfonie (deren Aufbau ursprünglich die Satzfolge der italienischen Opernouverture schnell- langsam- schnell zu Grunde liegt und dann später voneinander getrennt und durch einen vierten Satz, einem Menuett vervollständigt wurde) noch einmal ausweitete, indem er zu der musikalischen Sprache auch die menschliche dazunahm und so ein neues Ausdrucksmittel in die Welt der Sinfonie aufnahm.
Beethoven war, als er seine erste Sinfonie schrieb, dreissig Jahre alt. Zuvor hatte er zwar intensiv mit dieser „grossen Form“ beschäftigt und mit Kammermusik und Klaviersonaten Erfahrung gesammelt, bevor er sich an das Schaffen von Sinfonien wagte. Allerdings war dann der Bann gebrochen und zwischen 1800 und 1912 entstanden 8 Sinfonien. Nach der achten gab es aber eine lange Zeit des Atemholens über zwölf Jahre und über 32 Opuszahlen, denn die Neunte erschien erst 1824. Schon wegen dieser Tatsache erhält die Neunte Sinfonie also eine Sonderstellung im Gesamtschaffen Beethovens.
Entstehung, Entwicklung, Vollendung
Als Beethoven im Jahre 1824 seine neunte Sinfonie schrieb, war er durch seine Taubheit bereits zu einem grossen Teil von unserer Welt abgeschieden.
Übersicht und Gliederung
- Einleitung- Bedeutung der Sinfonie Ihr Platz in der gesamten Musikgeschichte
- Entstehung/ Entwicklung/ Vollendung
- Gestalt/ Besetzung/ Aufbau/ Gliederung/ punktuelle Analyse
1. Satz; Allegro ma non troppo, un poco maestoso
2. Satz; Molto vivace- Presto
3. Satz; Adagio molto e cantabile
4. Satz; Finale- Presto- Allegro assai vivace- alla Marcia
- Schillers Ode „An die Freude”
- Eigene und fremde Deutungen des Werks- politische Bedeutung der 9. Sinfonie
- Das Fragment der 10. Sinfonie Dokumente, Briefe, Skizzen
Einleitung; Bedeutung der Sinfonie und ihr Platz in der Musikgeschichte
Liebe Mitstudentinnen und Mitstudenten, lieber Toni Haefeli Ich freue mich sehr, euch während den nächsten knapp zwei Stunden die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven vorzustellen. Von vielen Leuten wird dieses Werk als die Sinfonie aller Sinfonien dargestellt und daher ist es in Musikerkreisen bereits klar, dass wenn von der neunten Sinfonie gesprochen wird, die neunte Beethovens gemeint ist. In einem Buch , geschrieben von Oscar von Pander steht: „ Auf dem Gebiet der Kunst gibt es nichts, was an Kraft der Gestaltung und an Lebendigkeit der Auswirkung stärker wäre als die Beethovenschen Sinfonien, und insbesondere deren abschliessende Krönung, die Neunte in d-Moll op. 125. [] Man mag sich noch soweit darüber hinaus wähnen, die Beethovensche Tondichtung ist auch heute immer noch der eigentliche Ausgangspunkt unseres gesamten musikalischen Denkens und Empfindens.“
Obwohl dieses Zitat bestimmt von vielen Liebhabern von Komponisten wie Bach oder Haydn bestimmt hinterfragt werden kann oder auch werden soll, möchte ich es an den Anfang meinen Ausführungen stellen.
Das einzigartige und wirklich revolutionäre an der 9. Sinfonie ist, dass Beethoven als erster die grosse Form der Sinfonie (deren Aufbau ursprünglich die Satzfolge der italienischen Opernouverture schnell- langsam- schnell zu Grunde liegt und dann später voneinander getrennt und durch einen vierten Satz, einem Menuett vervollständigt wurde) noch einmal ausweitete, indem er zu der musikalischen Sprache auch die menschliche dazunahm und so ein neues Ausdrucksmittel in die Welt der Sinfonie aufnahm.
Beethoven war, als er seine erste Sinfonie schrieb, dreissig Jahre alt. Zuvor hatte er zwar intensiv mit dieser „grossen Form“ beschäftigt und mit Kammermusik und Klaviersonaten Erfahrung gesammelt, bevor er sich an das Schaffen von Sinfonien wagte. Allerdings war dann der Bann gebrochen und zwischen 1800 und 1912 entstanden 8 Sinfonien. Nach der achten gab es aber eine lange Zeit des Atemholens über zwölf Jahre und über 32 Opuszahlen, denn die Neunte erschien erst 1824. Schon wegen dieser Tatsache erhält die Neunte Sinfonie also eine Sonderstellung im Gesamtschaffen Beethovens.
Entstehung, Entwicklung, Vollendung
Als Beethoven im Jahre 1824 seine neunte Sinfonie schrieb, war er durch seine Taubheit bereits zu einem grossen Teil von unserer Welt abgeschieden.
Die eigentliche Arbeit an den Skizzen zur 9. Sinfonie begann 1817,wenn Beethoven auch mehrere thematische Gedanken bereits früher notiert wurden. Um diese Zeit plante Beethoven gleich die Ausführung zweier sinfonischen Werke, die dann in London uraufgeführt werden sollten. Die Reise nach England fiel aber dann ins Wasser und die zweite der geplanten Sinfonien, also die 10. wurde aufgegeben, doch dazu später mehr. Anstatt dessen nahm er die Arbeit an der Missa Solemnis auf, die zusammen mit dem Chorfinale der 9. Sinfonie die beiden grössten Vokalkompositionen Beethovens darstellen sollten. Zu diesen Werken noch ein kurzes Zitat aus einem seiner Konversationshefte (In Folge seiner Ertaubung führte Beethoven ab Februar 1818 bis zu seinem Tode sogenannte Konversationshefte. Freunde und Besucher trugen in diese Hefte ihren Gesprächsteil ein. Beethovens Aussagen enthalten diese Hefte in der Regel nicht, da er ja sprechen konnte. Häufig hat er diese Hefte auch zur Niederschrift von Gedanken und Notizen benutzt. So sind sie teilweise auch Tagebücher. Nach seinem Tod fand man ungefähr 400 Hefte): [...] ich trage mich schon eine Zeit her mit drei anderen grossen Werken. Viel dazu ist schon ausgeheckt; im Kopfe nämlich. Diese muss ich erst vom Halse haben; ZWEI GROSSE Symphonien, und jede anders; und ein Oratorium. Und damit wird’s lange dauern, denn sehen Sie, seit einiger Zeit bring’ ich mich nicht mehr leicht zum Schreiben. Ich sitze und sinne und sinne; ich habs lange: aber es will nicht aufs Papier. Es graut mir vor’m Anfange so grosser Werke. Bin ich drin: Da geht’s wohl...[...]
Doch die Sinfonie, wie auch die Messe bereiteten ihm grosse Arbeit, so dass er keines der beiden Werke zum angekündigten Termin beenden konnte. Zudem hatte er in dieser Zeit noch seine letzten Klaviersonaten und die Diabelli- Variationen für Klavier vollendet. Daneben gab es aber noch andere Gründe für die Verzögerung seiner Arbeit, auf die ich jetzt in einem kurzen biographischen Exkurs eingehen möchte:
Die äusseren Lebensumstände Beethovens waren in dieser Zeit besonders verworren und beklagenswert. Das bedeutet also, dass seine wirklich grossen Werke unter kläglichsten Bedingungen entstanden sind. Seine stets zunehmende Taubheit hatte ihn seit Jahren von der übrigen Welt mehr und mehr abgeschnitten, eine Tatsache, unter der er bis an sein Lebensende litt. Immer wieder versuchte er durch ärztliche Behandlungen den Weg zurück zum normalen Leben zu finden.
Folie Hörrohre
Dazu kam noch die allmähliche Zunahme seines Leberleidens, das sich schliesslich zu seiner Todeskrankheit- einer Leberzirrhose (?) ausdehnte. Zu seinem gesundheitlichen Zustand schrieb er im Jahre 1815 in einem Brief an einen Freund in Prag: (Schott Partitur, S. 314:) „ Dergleichen (also die Krankheiten) strengen mich mehr an als die grösste Composition. Es ist ein fremdes Feld, wo ich gar nicht ackern sollte. - Viel Thränen, ja Wehmut kosten mich diese Geschichten“.
Zu der eigentliche Entstehung der 9. Sinfonie wissen wir aus verschiedenen Beschreibung von Zeitgenossen ziemlich genau Bescheid. Dazu möchte ich euch die Ausführungen eines gewissen Herrn Nottebohms vorlesen. Er schreibt(Pander S. 14): „Das Jahr 1823 ist vorzugsweise der 9. Sinfonie gewidmet. Wie die Vollendung des ersten Satzes, so gehört, den instrumentalen Eingang zum letzten Satz und vielleicht andere bedeutende Stellen ausgenommen auch die Entstehung der Kompositionen der letzten drei Sätze dem Jahre 1823 an. Man kann dieses Jahr, wenn auch nicht als das der Empfängnis, so doch als das der Geburt der 9. Sinfonie in ihrer Ganzheit bezeichnen.“ Anfangs 1824 war die Sinfonie dann mit der Partitur fertig. Am Werdegang dieser Sinfonie kann man viele wichtige Informationen über die allgemeine Arbeitsweise Beethovens lernen: Vor allem, diese Sinfonie ist nicht nach einem vorgefassten Plan entstanden. Das Chorfinale war zuerst gar nicht vorgesehen. Als Beethoven die Skizzen der ersten drei Sätze bereits fertig hatte, war er sich noch nicht im Klaren, ob er dem Werk ein vokales oder instrumentales Finale geben sollte. Sogar noch im Sommer 1823 als die Arbeit also schon sehr weit fortgeschritten war, machte er noch Notierungen zu einem instrumentalen Finale, das Thema wurde später im letzten Satz des a- Moll Quartetts verwendet.
Einspielung a- Moll Quartett, Tonband Seite A “La Salle Quartett”Erst nach langem hin und her, beschloss er, wie es seiner Art entsprach, die kühnere der beiden Varianten zu wählen und das Finale auf dem Freuden- Hymnus Schillers aufzubauen.
Dieser Entschluss, die ersten drei Sätze durch die Kombination mit dem Freudenhymnus zu krönen, wird auch zu einem Teil dadurch gekommen sein, dass es ihm mit Hilfe neu hinzukommender Klangmassen, also in unserem Fall der menschlichen Stimme, möglich schien, die Gipfelung des Finales zu erreichen. Zudem hat er gerade bei der Komposition der „Missa solemnis“ die Wirkung der Singstimme schätzen gelernt.
Nun hat aber Beethoven den Chor nicht unmittelbar am Anfang des vierten Satzes verwendet, sondern während der Arbeit mit Teilen des Finales kam ihm der Gedanke, den Eintritt des Chors durch ein vorausgehendes Rezitativ zu anzukündigen. Das Besondere an diesem Rezitativ ist, dass es rein instrumental komponiert ist, doch dazu später mehr. Am Ende dieses Rezitatives singt der Bariton die Worte: „O Freude, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudevollere!“. Und erst dann kommt der Chor langsam hinein. Diesen Anfang hören wir jetzt einmal, damit auch alle wissen, von was ich spreche. Jetzt also der Anfang des letzten Satzes, dort wo die menschliche Stimme eintritt:
Einspielung Anfang 4. Satz (Harnoncourt, Nr. 4, ab 6.00’ bis ca. 7.40)
Die Sinfonie ist dem preussischen König Friedrich Willhelm gewidmet. Zu dieser Zeit war es Brauch, dass Komponisten ihre Werke ihren Mäzenen widmeten und so auf weitere Unterstützung hoffen konnten. Das Titelblatt der Erstausgabe habt ihr auf der ersten Seite des Handouts.
Die Uraufführung fand in Wien statt. Beethoven beschreibt die Verhandlungen mit Theatern wegen des Aufführungsraumes, mit Chören, Solisten als äusserst anstrengend, dass er in seinen Worten gesagt „gekocht, gesotten und gebraten“ wurde. Doch schlussendlich gelang es doch: Das Kärntnertortheater in Wien stellte den Saal, das Orchester und den Chor gegen eine Zahlung von 1000 Gulden zur Verfügung. Die Aufführung fand am 7. Mai 1824 statt. Angekündigt war, dass „der Componist and der Leitung des Ganzen teilnehmen wird“- tatsächlich sass er aber, laut Oscar von Panders Buch über die 9. Sinfonie, ich zitiere: „während der Aufführung, in der Partitur sich nur mühsam zurechtfindend und lauschend, im Orchester und musste wegen seinem Gehör erst darauf aufmerksam gemacht werden, wenn ein Stück zu Ende war und der Beifall einsetzte.“ Zitat Ende. Die Kritik in der Zeitung schrieb dann noch: „ Man hat den tragischen Eindruck empfangen, dass er nicht imstande war, der Musik zu folgen. Trotzdem es den Anschein hatte, als lese er mit, blätterte er weiter, wenn die einzelnen Sätze schon zu ende gespielt waren. Bei der Aufführung trat nach Beendigung jeden Satzes ein Herr zu ihm, klopfte ihm auf die Schulter und wies ihn auf das Publikum. Die Bewegung der applaudierenden Hände, das Winken der Tücher veranlasste ihn zu einer Verneigung, was stets grossartigen Jubel entfesselte.Überhaupt sei der Eindruck, den das Werk bei seiner ersten Aufführung hervorgebracht habe, ein ganz gewaltiger, gewesen. Mitunter sei der Beifall während des Spieles losgebrochen. Als eines solchen Momentes erinnerte sich Frau Grebner des unvermuteten Eintritts der Pauke im Scherzo. Das hätte wie ein Blitz gewirkt und eine spontaneÄusserung des Enthusiasmus erzeugt. Zitat Ende. Die genannte Stelle werden wir später hören. Die Leitung hatte in Wirklichkeit Michael Umlauf, ein in Wien bekannter Komponist und Kappellmeister. Nach Berichten klappte alles befriedigend, dennoch wird die Aufführung technisch sehr mässig gewesen sein, denn es hatte nur zwei Gesamtproben gegeben und wie wir wissen, waren damals eingehende Probezeiten noch nicht üblich (heute probt man ja manchmal auch nicht mehr, aber immerhin kennen die Orchestermusiker die meisten Werke bereits recht gut). Aber trotz allem muss der Eindruck der ersten Wiedergabe ungeheuer gewesen sein. Das Haus war ausverkauft. Offenbar erschien Beethoven im grünen Rock, weil er keinen schwarzen Frack hatte. Am Schluss, nachdem Beethoven vom Dirigenten auf die Begeisterung des Publikums hingewiesen wurde, stand er, so steht es geschrieben, auf und verneigte sich ganz ruhig. Auch die Kritik rühmte sein Werk. Dennoch gab es für Beethoven an diesem Abend eine grosse Enttäuschung: Die Einnahmen betrugen nur 420 Gulden, viel zu wenig, um alle Ausgaben zu decken. Ich zitiere noch einmal von Pander: „ Als man dem Meister das mitteilte, fiel er in eine tiefe Ohnmacht, verbrachte eine schreckliche Nacht auf einem Sofa im Theater, schlafend, mit seinem alten grünen Rock bedeckt; entmutigt und fröstelnd brachten ihn am nächsten Morgen Hüttenbrenner und Schindler (offenbar zwei Freunde) nach Hause. Zitat Ende. Das Konzert wurde am Sonntag, dem 23. Mai als Matinee wiederholt, jedoch mit noch schlechterem finanziellem Erfolg. Zu sagen ist noch, dass in diesem Konzert nicht nur die 9. Sinfonie, son dern auch Teile der Missa Solemnis uraufgeführt wurden. Wir sehen also, offenbar überstieg die riesige Gestalt des Werkes damals, obwohl es vom Publikum gut aufgenommen wurde, die Möglichkeiten der Zeit.
Heute jedoch ist die 9. Sinfonie ein fester Bestandteil im Repertoire jedes Sinfonieorchesters und wenn man spätere „Monsterwerke“, wie zum Beispiel Mahlers 8. Sinfonie, die ja auch „Sinfonie der Tausend“ genannt wird, bedenkt, ist es, rein von der Dimension aus gesehen, bei Weitem nicht das Mächtigste, was heute gespielt wird.
Gestalt/ Besetzung/ Aufbau/ Gliederung/ punktuelle Analyse
Die 9. Sinfonie ist, wie ich bereits mehrere Male erwähnt habe, durch ihre Gestalt als ein Werk von exklusiver Besonderheit abgehoben worden. Was sie, jetzt rein äusserlich gesehen, von den anderen Sinfonien unterscheidet, ist die Einbeziehung von Vokalsolisten und Chor in das Finale in Verbindung mit der Vertonung von Teilen aus Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“. Weiter ist eine Steigerung in den Dimensionen des Ensembles, unterstrichen durch die Erweiterung des Orchesters gegenüber der damals üblichen Besetzung um Posaunen, Piccoloflöte, Kontrafagott und diverse Schlaginstrumente.
(Folie Besetzung- Unterscheiden Fett- normal- Ausgedehnte Besetzung)
Zudem wird das ganze durch eine erhebliche Ausdehnung der Satzumfänge erweitert.
Weiterhin auffällig ist die in den Sinfonien erstmalige Abänderung der Satzfolge. Der langsame Satz tauscht mit dem Scherzo die Position, er rückt also vor das Finale. Daher wird das Scherzo aus seinem engen Bezug zum Finale herausgelöst und dem 1. Satz zugeordnet.
Hinweis auf Handout- Satzfolge Dazu gibt es zu sagen, dass man diesen Positionswechsel von langsamem Satz und schnellem 3. Satz schon früher bei Kammermusikwerken und Klaviersonaten finden. Als Beispiel verweise ich auf Beethovens „Hammerklaviersonate“ B- Dur, op. 106. Jedoch im Sinfonieschaffen Beethovens ist diese Anordnung der Sätze eine Neuerung.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Wichtigkeit und Bedeutung des Chorfinales und auch seiner Einleitung ins Bewusstsein rufen. Wie ich schon erwähnt habe, hatte Beethoven nach der Entscheidung, den Finalsatz als Chorfinale zu gestalten, besondere Schwierigkeiten mit der Einleitung zur Ode an die Freude. Er wollte den Freudengesang quasi stufenlos in das vorangehende Adagio einfliessen lassen und den „Trumpf“ der menschlichen Stimme gezielt ausspielen. Dadurch liegt ganz klar der Schwerpunkt der Sinfonie auf dem Finale, und das ist sicher auch ein Grund, warum Beethoven davor den langsamen Satz genommen hat, um die Wirkung der Steigerung noch zu verstärken.
Im Folgenden möchte ich jeden der vier Sätze entsprechend seiner Wichtigkeit vorstellen und einige besonders interessanten Stellen punktuell analysieren.
1. Satz: Allegro ma non troppo, un poco maestoso, 2/4 Takt, d- Moll
Wie auch in allen vorangegangenen Sinfonien Beethovens ist der erste Satz in einer Sonatenhauptsatzform komponiert. Er verbindet diese Form zwar mit einer Einleitung.
Aufruf zum Partiturstudium des Anfangs (bis ca. Takt 25)
Die Sinfonie beginnt sehr einfach und unscheinbar, mit einem leeren Quintklang, der fast schwebt, unbestimmt und formlos. So verlaufen die ersten 16 Takte, also keine Introduktion im traditionellen Sinn. Aus dieser Leere baut sich dann nach und nach unter dem Crescendo von Pianissimo zum Fortissimo, das gesamte Orchester auf: Und dann in Takt 17 kommt das ganze Orchester unisono mit dem Thema. Zu beachten sind die doppelten Punktierungen am Anfang, die der Musik eine besondere Schwere und Nachdruck verleihen.
Handout: Notenbeispiel 1 (Ulm S. 250)
Einspielung, Anfang 1. Satz, Toscanini Nr 1, bis 1.00’
Am Schluss fällt dass Thema in sich zusammen, baut sich aber sofort wieder auf und kommt noch einmal, aber diesmal in B- Dur. In Takt 74 beginnt dann der Seitensatz, mit Flöten, Klarinetten und Fagotten. Dieses Thema erinnert bereits entfernt an das Thema des Schlusschores.
In Takt 164 beginnt dann die Durchführung.
Im Unterschied zu den vorangehenden Sinfonien verzichtet Beethoven in der 9. Sinfonie erstmals auf die Wiederholung der Exposition. Der Grund dafür ist, dass bereits am Anfang sehr stark thematisches Material verarbeitet wurde, und daher die Exposition ihren ursprünglichen Sinn von Vorstellung des Themas, welches in der Durchführung verarbeitet wird, verloren hat. Dadurch wäre eine Wiederholung sinnlos.
Einspielung, Anfang 1. Satz, Toscanini, Nr 1 bis 4.10 (Beginn Durchführung)
2. Satz; Molto vivace ¾ Takt - Presto 2/2 Takt, d- Moll
Wie ich bereits gesagtz habe, hat Beethoven den zweiten und dritten Satz vertauscht. Anstelle des langsamen Satzes kommt jetzt ein Satz im Scherzo- Modell mit einer Sonatenhauptsatzform, das dann direkt in ein Trio überleitet. Mit einem Knalleffekt wird der zweite Satz eröffnet, das „Molto vivace“.
Einspielung Anfang 2. Satz, Norrington Nr 2 bis 0.06
Nach dem zweimaligen Oktavenmotiv durch die Streicher, setzt dann abrupt die Pauke ein. Und genau an dieser Stelle war es, wo in der Uraufführung der spontane Applaus ausbrach. Diese Stelle erinnert vielleicht auch ein wenig an Haydns Paukenschlagsinfonie, wo ja die Pauke auch ganz unerwartet im leisen Pianissimo einsetzt. Dann setzt das Thema in den Geigen ein. Dieses Thema dient als Grundlage für den ganzen Satz, also für das Scherzo, das Beethoven aber bewusst nicht mit diesem Titel, sondern mit Molto vivace überschreibt, da ja in diesem Scherzo noch eine Sonatenhauptsatzform verpackt ist. In der Durchführung kommt dann eine Fugato Stelle, in der sogar die Pauke eine Stimme übernimmt.
In der Durchführung (ab Takt 177) verändert Beethoven das Grundmetrum. In der Partitur schreibt er „Ritmo di tre battute“. Die Viertaktigkeit wird zur Dreitaktigkeit
Notenbeispiel (Partitur S. 433)
Kurze Zeit später (T.235) wechselt er jedoch wieder in die Viertaktigkeit.
Hörbeispiel, Norrington, Nr. 2; Anfang bis 3.35 (Rückkehr in Viertaktigkeit)
Dann geht das so weiter, und wir springen jetzt zum Übergang ins Trio. Dieser Übergang wird durch den Fortissimo- Einsatz der Posaune markiert (T. 414). An dieser Stelle verwendet Beethoven erstmals in der 9. Sinfonie die Posaune und schafft so eine Klangfarbe, die den Wechsel zwischen den beiden charakteristisch sehr verschiedenen Themen unterstützt.
Wir hören jetzt ab dem Trio ab dem Trio bis zum Ende des zweiten Satzes.
Hörbeispiel, Norrington, Nr. 3 und 4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Satz; Adagio molto e cantabile 4/4 Takt, B- Dur
Erstmals seit der 4. Sinfonie fügt Beethoven wieder einen ausgesprochen langsamen Satz in seine Sinfonie ein. Der Plan dieses Satzes ist einfach und übersichtlich: Ein Thema und zwei Variationen. Als Abschluss steht wieder eine breit ausgeführte Coda. Und da mir persönlich dieser Satz ausserordentlich gut gefällt, möchte ich weder auseinandernehmen noch Analyse treiben, wie ich es in den beiden ersten Sätzen gemacht habe, sondern ich habe vor, die Musik sprechen zu lassen und den Satz als einzigen der Sinfonie ganz abzuspielen. In diesem Satz haben die Holzbläser das Sagen, viel Vergnügen!
Hörbeispiel, 3. Satz, Zinman Nr. 3
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Satz; Finale- Presto- Allegro assai vivace- alla Marcia
Dem Finale liegt, wie ich anfangs bereits erwähnt hatte, Schillers Ode “An die Freude“ zugrunde, auf die ich später noch kurz eingehen möchte. Beethoven hat die von der ursprünglichen, 1786 erschienenen Fassung etwas abweichende zweite Textfassung Schillers benutzt und die Ode nur auszugsweise vertont. Welche Teile er gebraucht hat, seht ihr im Handout. Dort habe ich euch die ganze Ode aufgeschrieben und die Teile, die vertont worden sind, habe ich fett gedruckt. Bei dieser Vertonung hat er in Einzelheiten verändernd in den Text eingegriffen. Vor allem hat er aber die Strophenfolge geändert.
Beethovens Strophenwahl scheint inhaltlich bestimmt durch den Aspekt der Freude und des menschlichen Zusammenlebens, sowie der Vision einer allumfassenden Brüderlichkeit unter den Menschen („seid umschlungen, Millionen“).
Der Anfang dieses Satzes ist für mich wirklich etwas vom genialsten, was je geschrieben wurde, ein Instrumental Rezitativ. Celli und Kontrabässe übernehmen die Rolle des „Evangelisten“ und werden vom Orchester begleitet.
Nacheinander werden noch einmal die drei Sätze kurz „überdenkt“, eine Reminiszenz, und endlich am Schluss bringen die Bläser endlich die Freudenmelodie, die wir alle kennen, und die Bässe stimmen ihr sofort zu und schliessen so dieses Rezitativ ab. Die letzte Phrase der Bässe, mit der das Rezitativ abschliesst, ist identisch mit dem Schluss des Solos des Bassisten, der das Ganze einleitet, wie ich schon am Anfang meines Referates im Bezug auf die Einführung der menschlichen Stimme erwähnt hatte.
Hörbeispiel, Anfang 4. Satz , Szell, Nr. 4 bis ca. 5.10 (ausblenden) Hinweis auf Fagottumspielung des Freudenthemas Wir springen jetzt kurz und kommen zum Moment, wo die menschliche Stimme einsetzt. Dies ist die Stelle, die wir bereits am Anfang gehört haben. Zuerst also der Bariton-Solist und dann der Chor und die anderen Solisten nach und nach.
Einspielung Harnoncourt, Nr. 4 ab 6.10 bis ca. 8.35 (ausblenden)
Der zweite Teil des letzten Satzes ist überschrieben mit dem Titel „Allegro assai vivace- Alla Marcia“. Grosse Trommel, Becken, Triangel und Pauken verleihen diesem Satz fast schon etwas, wie wir heute „swing“ nennen.
Hörbeispiel Toscanini, Nr. 4, ab 9.10 bis ca. 10.05 (ausblenden)
Dann mit der Zeit setzt der volle Chor mit dem Freudenthema ein.
Doch plötzlich kommt etwas ganz neues: Ein Andante Maestoso mit dem Text: „Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt.usw“ Da erhält die Musik einen ganz neuen, majestätisch erhabenen Charakter.
Doch bevor wir die Stelle hören möchte ich mit euch noch ein wenig singen. Ich habe euch im Handout drei Seiten aus dem Klavierauszug kopiert.
Singen des Freudenthemas
Wir springen jetzt ein wenig zum Übergang ins Andante maestoso: Hörbeispiel Toscanini Nr. 4, ab 12.00 bis ca. 15.05 (ausblenden)
Und so geht es dann in den Schluss der Sinfonie Einspielung Toscanini Nr. 4 ab 21.40’ bis Schluss
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Elysium: Aus dem griechischen Mythos; ein glückseliges Gefilde am Westrand der Erde, wohin auserwählte Helden, ohne den Tod zu erleiden versetzt werden. In voller Körperlichkeit leben sie dort ein sorgen- und mühefreies Leben. Nach Hesiod (griechischer Dichter, lebte um 700 v.u.Z)- Insel der Seligen.
Schon die Wahl des Textes zeigt, dass Beethoven nicht an ein ganz durchzukomponierendes, sondern an ein Strophenlied gedacht hat. Durch die Länge des Gedichtes war aber Beethoven gezwungen, sich auf einige Strophen zu beschränken, denn es wäre sinnlos gewesen, im Chorfinale das Gedicht in seiner vollen Länge zu vertonen. Darum komponierte Beethoven bloss neun Strophen.
Noch etwas zum Inhalt von Schillers Gedicht:
Die Ode „An die Freude“ beschreibt die Auflösung der Dissonanzen dieser Welt, die Vervollkommnung des Menschen auf Gottesebene. Die beschriebene Freude wird dabei zu etwas, das errungen werden muss, um das Elysium schon auf Erden zu verwirklichen. Der Aufforderungscharakter vor allem in den vom Chor übernommenen Strophen, die die ganze Menschheit einbeziehen, ist durchgängig im Imperativ, also in der Befehlsform, ausgedrückt.
Eine merkwürdige Angestrengtheit geht von dem Gedicht aus, die in einem grossen Kontrast zum Zustand steht, in den es sich am Schluss hineinsteigert: In diesem Fall ist Freude nicht ein überströmendes Glücksgefühl, sondern ein Verlangen, Gott möge die Harmonie in der Welt stiften und den Menschen in ein ideales Wesen verwandeln. Schiller gestaltet so einen Rauschzustand, der sich von aller menschlichen Begrenztheit löst. Aus der sich steigernden Stimmung gleichgesinnter Freunde, angefeuert durch den Wein (es heisst ja: Freude sprudelt in Pokalen- In der Traube goldnem Blut, usw.), löst sich der einzelne Mensch in einer Gemeinschaft verbrüderter Millionen auf. Das ganze ist gleichzeitig auch eine stete Gratwanderung zwischen Wunsch und Illusion, die bis zum Schluss erhalten bleibt. Interessant ist noch, das Schiller das Gedicht, das übrigens 1785 entstanden ist, nach dem Studium Kants, ablehnte und es nicht in seine, im Jahr 1800 erschienene, erste Gedichtsammlung aufnehmen wollte. Im Jahre 1803 wurde es um die letzte Strophe gekürzt und leicht überarbeitet zum ersten Mal gedruckt. In dieser Fassung entdeckte auch Beethoven das Lied. Man sieht also, dass er die Ode „An die Freude“ schon lange zuvor gekannt hatte, und aber dann erst im Jahre 1824 in seine Vertonungen aufnahm.
Eigene und fremde Deutungen des Werks- politische Bedeutung der 9. Sinfonie
Um das Werk in einer ihm ebenbürtigen Art zu deuten, möchte ich zuerst die Deutungen einer grosser Musikerpersönlichkeit, nämlich die Richard Wagners voranstellen.
In Richard Wagners Leben spielte die 9. Sinfonie eine grosse Rolle.
Schon in jungen Jahren beschäftigte er sich intensiv damit und konnte dann zur Krönung als 33 jähriger Kappellmeister in Dresden das Werk selber zur Aufführung bringen. Über diese Aufführung hat er einen offenbar sehr lesenswerten Bericht verfasst. Ich selber habe den Bericht nie selbst gelesen, sondern ihn nur durch Sekundärliteratur kennen gelernt. Da das Werk zum Zeitpunkt seiner Aufführung in Dresden so gut wie unbekannt war, entwarf Wagner eine sogenannte „Anleitung zum gemüthlichen Verständnis“, indem er durch „Faust“- Zitate eine Hindeutung auf den Inhalt der einzelnen Sätze gab. Dazu schrieb er dass, ich zitiere „das Wesen der höheren Instrumentalmusik namentlich darin besteht, in Tönen das auszusprechen, was in Worten unaussprechbar ist“ Zitat Ende. Wagners Willen, das Verständnis des völlig ahnungslosen Publikums anzuregen, war für diese Zeit wirklich bewundernswert. Unendliche Widerstände waren zu bewältigen. Da das Comité der Konzertleitung die Anschaffung des Orchestermaterials verweigerte, lieh er sich alle Noten aus Leipzig und zeichnete selbst in die Stimmen alle Vortragsnuancen ein, die ihm, wie er sagt, zur „drastischen Deutlichkeit“ Beethovenscher Absichten notwendig erschienen. Auch die Probearbeit musste immens gewesen sein. In Oscar von Panders Buch über die 9. Sinfonie habe ich gelesen, dass Wagner für das Rezitativ, welches wir gehört hatten, 12 Spezialproben nur mit den Violoncelli und Kontrabässen abhielt um den „ganz wie frei sich ausnehmenden Vortrag im Sinne der sprechenden Instrumente“ zu erreichen. Man sieht also, dass für Wagner, den Vollender des deutschen Musikdramas, die 9. Sinfonie eine ganz besondere Bedeutung hatte und er sie für sich und seine Anhänger als das grösste Werk der klassischen Instrumentalmusik bezeichnete.
Für mich selber ist die 9. Sinfonie in der Zeit, in der ich mich mit ihr befasst habe, auch zu einem ganz speziellen Werk geworden. Die Tatsache, dass Beethoven am Schluss seines Lebens, wo es ihm alles andere als gut ging, ein derartiges Werk der Freude zuschrieb, verschafft dem Werk eine ganz besondere Kraft.
Um über die politische Bedeutung Auskunft geben zu können, beziehe ich mich auf einen Artikel über ein Buch vom französischen Musikologen Esteban Buch, mit dem Titel „La Neuvième Beethoven- Une histoire politique“.
Buch sagt, seit ihrer Uraufführung 1824 sei die 9. zum politischen Hoffnungsträger schlechthin geworden. Als 1927 Beethovens hundertstem Todesjahr gedacht wurde, feierten die Amerikaner den Komponisten als grossen Demokraten. In Deutschland-Österreich sah man in ihm den deutschen Nationalhelden. Die junge Sowjetunion bezeichnete ihn als Revolutionär. Und dies stets unter dem Gesichtspunkt der 9. Sinfonie. Besonders der vertonte Satz „alle Menschen werden Brüder“ entfachte eine humanistische Begeisteung und eine Aufbruchsstimmung, die in den Jahren nach dem Weltkrieg die Aussicht auf eine bessere Welt verhiess, es heisst ja dann auch „Seid umschlungen, Millionen!“.
Und wenn Hoffnung auf Friede und Verständigung musikalisch ausgedrückt werden soll, dann ist es immer die 9., die gespielt wird: 1989, als der Fall der Berliner Mauer gefeiert wurde, mit Leonard Bernstein (der „Freiheit“ statt „Freude“ singen liess), 1996 mit Menuhin in Sarajevo und dieses Jahr wird sie in Mauthausen in Deutschland zum Gedenken an die Opfer des Holocaust mit den Wiener Philharmonikern und Simon Rattle gespielt.
Diese Ereignisse spielten sich alle in letzter Zeit ab, doch politisch war die 9. schon von Anfang an. Bereits bei der Uraufführung schritt die Polizei erstmals ein, als die Ovationen des Premierenpublikums das erlaubte Mass- die Stärke der Ovation für den Kaiser- überstiegen. Im 19. Jahrhundert wurde dann Beethoven zum Idol der nationalen deutschen Jugend. Doch auch Frankreichs Dritte Repuplik begeisterte sich nicht minder. Dadurch wurde die neunte sozusagen zu einer Art Parallel- Nationalhymne, zur Marseillaise der Menschheit. So kam es dann, dass bei Kriegsbeginn 1914 der französische Nationalist Camille Mauclair den Deutschen die Neunte streitig machen wollte. Er sagte: „Die Ode an die Freude ist einzig und allein die Hymne für alle unsere Hoffnungen, und man müsste dem verbrecherischen Deutschland verbieten, auch nur noch eine einzige Note daraus zu spielen.
Auch im zweiten Weltkrieg kam die 9. Sinfonie zum Zug. Zwar war das Verhältnis der Nazis zu Beethoven anders als im Falle Wagners, ambivalent. Hotler lebte Beethoven nicht besonders, doch zu seinem Geburtstag liess Goebbels dennoch die Neunte spielen, dirigiert von Willhelm Furtwängler.
Nach dem 2. Weltkrieg bemächtigte sich die Demokratie der Neunten. Schon 1951 empfahl der Europarat, die „Ode an die Freude“ bei allen europäischen Anlässen zu spielen.
Der Filmemacher Stanley Cubrick stellte die Neunte in seinem Film „A Clockwork Orange“ in einen makabren Kontext: Der Verbrecher Alex muss in einer Zwangstherapie, untermalt von der Neunten, Bilder aus den Nazi- Vernichtungslagern ansehen. Dazu schreit er „Das ist eine Sünde“ und meint die Schändung seiner Lieblingsmusik. Und hier möchte ich auch meine kurze, eigene Deutung ansetzen. Bis heute wird die neunte Sinfonie an allen möglichen Orten immer wieder gebraucht und auch missbraucht, ich sehe das für ein Merkmal für die Besonderheit und die Einzigartigkeit dieser Sinfonie. Offenbar hat Beethoven ein Werk geschaffen, das wirklich universale Gültigkeit hat, und wirklich alle Menschen der verschiedensten Nationalitäten und Gesinnungen durch ihre Liebe zu dieser Musik vereinigt. Ich selber bin während der Arbeit an diesem Referat durch unzähliges Hören der verschiedenen Einspielungen und Lesen der Literatur auch sehr verwachsen mit dem Werk. Ich verstehe alle, die diese eigentümliche Kraft spüren und auch spürten und sie dann, wie auch immer brauchten, um andere Menschen daran teilhaben zu lassen. Und dass Beethoven kurz vor seinem Lebensende, wo ihm wirklich nicht mehr gut ging, ein solches Werk mit einem derartigen Inhalt verfasst, zeigt uns vielleicht auch ein Aufbäumen gegen seinen inneren Schmerz und die Verzweiflung, und womit verdrängte er all dies? Mit der Freude.
Das Fragment der 10. Sinfonie; Dokumente, Briefe, Skizzen
Bei der Suche nach Materialien zum Fragment der 10. Sinfonie, zeigte sich mir, wie wenig man eigentlich darüber wusste. Kein Buch über die 9 Sinfonien erwähnte, dass auch noch ein Fragment zu einer 10.gefunden wurde. Doch da stiess ich in der Musikbibliothek meines Vaters auf das achtbändige Werk von Alexander Thayer. Im fünften Band, der das Ende Beethovens Leben darstellte, wird dieses Fragment beschrieben. Dies war der einzige Ort, an dem ich etwas dazu fand, und dieses Resultat meiner anstrengenden Suche möchte ich euch jetzt zum Schluss meines Referates noch präsentieren:
In seinen Konversationsheften steht irgendwo eine kleine Notiz, in der Beethoven im letzten Lebensjahr seine Pläne beschreibt: „Ich werde künftig nach der Art meines Grossmeisters Händel jährlich nur ein Oratorium und ein Concert für irgend ein Streich- oder Blasinstrument schreiben, vorausgesetzt, dass ich meine zehnte Sinfonie und mein Requiem beendet habe.“ An dieser kurzen Notiz erkennt man neben den Vorhaben Beethovens auch wieder seinen unbändigen Willen. Obwohl er gesundheitlich geschädigt war, verschwendete er keinen Gedanken an das Sterben und machte vielmehr Pläne für weitere Kompositionen, unter denen unter anderem auch noch ein Requiem zu finden wäre.
Doch zu dieser 10. Sinfonie existieren bloss wenige Fragmente, die nur sehr wenig Aufschluss über die eigentliche Gestalt des Werkes liefern. Offenbar hat Beethoven viele Skizzen gemacht und darum sagte ein Zeitgenosse einmal über ihn: Hätte Beethoven so viel Sinfonien geschrieben, wie er angefangen hätte, so besässen wir ihrer wenigstens fünfzig.“ Weitere Freunde Beethovens schrieben sagten: „Zur 10. Sinfonie war die Einleitung in Es- Dur, ein sanfter Satz, und ein gewaltiges Allegro in c-Moll, im Kopfe fertig und auf dem Klavier schon vorgespielt.“
Die erhaltenen Skizzen habe ich euch im Handout abgedruckt und werde sie kurz auf dem Klavier vorspielen, damit ihr hören könnt, wie das tönt.
Vorspielen der Skizzen nach Thayer, Bd 5, S 335 Kommentar zu Literaturliste und verschiedenen Aufnahmen. Hinweis auf www.hausarbeiten.de
So wäre ich am Schluss meines Referates. Ich danke euch für die Aufmerksamkeit und wäre jetzt noch bereit auf allfällige Fragen oder Kritik einzugehen.
Empfehlenswerte Aufnahmen der 9. Sinfonie, welche ich in meinem Referat verwendet habe:
- David Zinman, Tonhalle Orchester Zürich, Arte Nova 1998
- Arturo Toscanini, NBC Symphony Orchestra, BMG 1952/1990
- Nikolaus Harnoncourt, Chamber Orchestra of Europe, Teldec 1991
- George Szell, Cleveland Orchestra, SonyClassical 1963/1991
- Roger Norrington, London Classical Players, EMI 1987
- John Eliot Gardiner, Orchestre Révolutionaire et Romantique, Archiv 199?
Mein Referat auf Internet:
http://www.hausarbeiten.de
Eine Adresse, wo deutschsprachige Studenten aus aller Welt ihre
Arbeiten veröffentlichen und so der Allgemeinheit zugänglich machen.
Literaturangaben:
- Taschenpartitur Goldmann Schott:
Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr 9 d-Moll op.125 Einführung und Analyse von Dieter Rexroth ISBN: 3-442-33010-6, Mainz, 1979 Standort Unibibliothek Basel: kk XVIII 1480
- Oscar von Pander:
Beethovens Neunte Sinfonie in d-Moll op. 125 Reclam Nr. 7755, Stuttgart 1953
Standort Bibliothek der Musikakademie Basel: G 1449
- Renate Ulm (Herausgeber):
Die 9 Symphonien Beethovens
ISBN: 3-7618-1241-8, Bärenreiter, Kassel 1994, 3. Auflage 1999
- Robert Oboussier:
Die Sinfonien von Beethoven, Einführungen Bote/Bock, Berlin 1937
- Alexander Thayer:
Ludwig van Beethovens Leben Breitkopf/Härtel, Leipzig 1908
- Heinrich Schenker:
Beethovens neunte Sinfonie
Eine Darstellung des musikalischen Inhaltes unter fortlaufender Berücksichtigung auch des Vortrages und der Literatur Universal Edition, Wien/Leipzig 1912
Standort Bibliothek der Musikakademie Basel: G 4083
- Th. Von Frimmel:
Beethoven Studien- Bausteine zu einer Lebensgeschichte des Meisters
Georg Müller, München /Leipzig 1906
- Joseph Schmidt-Görg/ Hans Schmidt (Herausgeber): Ludwig van Beethoven
Deutsche Grammophon Gesellschaft, Hamburg1969, zweite Auflage 1974
- Esteban Buch:
La Neuvième de Beethoven- une histoire politique Editions Gallimard, Paris 1999
- Ernst und Erika von Borries:
Deutsche Literaturgeschichte, Weimarer Klassik und Goethes Spätwerk
ISBN: 3-423-03343-4, dtv, München 1991, zweite Auflage 1992
- Arbeit zitieren
- Gabriel Wernly (Autor:in), 2000, Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie d-Moll op.125 und das Fragment der 10. Sinfonie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96715
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