Diese Arbeit will zunächst das Verhältnis Benns vor allem zu naturwissenschaftlichen Theorien seiner Zeit herausstellen und klären, was Grund seiner lebenslangen Bestrebung ist, neue wissenschaftliche Forschungsrichtungen zu verfolgen und zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsergebnissen Stellung zu beziehen. Sie wird dabei darzulegen versuchen, daß das Motiv Benns, wissenschaftstheoretische Ansätze und Inhalte kritisch zu reflektieren, in dem Bemühen wurzelt, einer, dem Menschen in seiner ganzen Lebenswirklichkeit gerecht werdenden Anthropologie (zumindest in den wesentlichen Grundzügen) auf den Weg zu verhelfen. Daß diese Anthropologie für seine Kunsttheorie, insbesondere für seine Dichtungstheorie von immanenter Bedeutung ist, oder, um es deutlicher zu sagen, eine notwendige Voraussetzung für diese darstellt, wird ebenso aufzuzeigen sein. Diese enge Verbindung der Dichtung mit den Naturwissenschaften, oder genauer ausgedrückt, die Vorstellung einer Anforderung, welche die Naturwissenschaften an eine theoretische Begründung der Dichtung, als ein mit der menschlichen Kultur einhergehendes Phänomen, stellt, war schon früh im Bewußtsein Benns lebendig. Dieser Zusammenhang ist Thema in dem bereits 1910 entstandenen Dialog „Gespräch“7. Wie kann ein Dichter ein grundlegendes Verständnis seines Tuns gewinnen, wie sein Schaffen rechtfertigen, fragt der Vierundzwanzigjährige, ohne „die Dinge und Geschehnisse ... auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen“8 ? Äußerungen oben zitierter Art werden verständlicher, wenn man sieht, worauf diese Gedanken Benns, die zu dieser Zeit wie gesagt noch im Bannkreis eines positivistischen Wissenschaftsglaubens stehen, hinauslaufen: Benn schwebt eine naturwissenschaftlich (anthropologisch) fundierte Dichtungstheorie vor. Die Grundrichtung für das Dichtungsverständnis Benns kündigt sich tendenziell bereits im „Gespräch“ (1910) an. Deshalb sind insbesondere die Essays, die Vorträge und Reden keine im Nachhinein ersonnene Rechtfertigungsschriften seiner Existenz, sondern ein entschiedener Versuch, die Legitimation und den Sinn von Dichtung auf eine neue geistige Grundlage zu stellen - einer Grundlage, die den eklatanten geistigen Veränderungen des 19. Jahrhunderts Rechnung trägt: Die Anthropologie hat dem Phänomen der Dichtung Rechnung zu tragen. Was dies im Einzelnen heißt, wird im Lauf der Arbeit hoffentlich deutlicher werden.
7 Siehe Band 4 ; S. 179 - 187.
8 Siehe „Gespräch“ ; Band 4, S. 180.
Gliederung
1 Vorwort und Aufgabenstellung
2 Das Menschenbild Gottfried Benns und entscheidende Natur- und Geisteswissenschaftliche Einflüsse
- Nietzsche
- Darwinismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen
- Die neu aufkommende Wissenschaft der Paläontologie
- Die menschliche Persönlichkeit
- Das kollektiv Unbewußte
- Das Denken der Naturvölker
- die ambivalente Einstellung Benns zur Wissenschaft
3 Das Verhältnis von Anthropologie und Dichtungstheorie bei Benn
4 Schlußbemerkung
1 Vorwort und Aufgabenstellung
Gottfried Benns Denken ist vor allem zu verstehen unter dem Gesichtspunkt seines Bemühens um eine wissenschaftlich begründete Neudeutung des menschlichen Wesens, die ihm als Grundlage für seine kunsttheoretischen Reflexionen dient. Benn, dessen Ruhm und eigentliche Bedeutung für die deutsche Literatur vornehmlich in seinem lyrischen Werk begründet liegt, hat neben diesem jedoch auch einen beträchtlichen Umfang an sprachlich exzellenter, scharfsinniger, aufgrund ihrer formalen Geschliffenheit faszinierender Prosa (neben dichterischer Prosa vor allem Essays und Aufsätze, Reden und Vorträge, Szenen und Dialoge, autobiographische Schriften) hinterlassen. Besonders die Essays -„Cocktails aus Lyrik und Wissenschaft“1 - können vordergründig als Beitrag zu verschiedenen Themen der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen seiner Zeit angesehen werden. Doch sind diese Beiträge keine Bereicherung im Sinne von eigenständigen fachwissenschaftlichen Forschungen. Vielmehr reflektiert Benn kritisch Voraussetzungen und Konsequenzen diverser wissenschaftlicher Theorien unter dem Gesichtspunkt, welche Bedeutung diese für das Wesensverständnis des Menschen haben und ist somit, neben einer anthropologischen Grundlage seiner Dichtungstheorie, um ein Verständnis der damaligen geisteswissenschaftlichen Situation bemüht.
Benns Verhältnis zur Wissenschaft und ihrer impliziten materialistisch-progressiven Anschauung, zu der er sich in den Jahren seines Medizinstudiums bekennt2, fängt spätestens seit 1912 an sich zu verändern - dem Jahr des grauenhaften Todes seiner Mutter und des Ausbruchs einer psychischen Krankheit, die er „als Depersonalisation oder als Entfremdung der Wahrnehmungswelt“ beschrieben findet3, und die ihn zwingt, seine eingeschlagene berufliche Laufbahn als Pathologe abzubrechen. In dieser psychisch instabilen Phase kündigt sich ein Wandel seiner weltanschaulichen Position an. Mit der Szene „Ithaka“4 ist der Bruch mit dem ausschließlich induktiven Verfahren der Naturwissenschaften, mit dem Vertrauen auf einen den Menschen in Wahrheit reduzierenden Rationalismus öffentlich vollzogen. Ebenso wird die opportune Pseudo-Sinnstiftung einer technischen Ausschlachtbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnis, die mit dem Projekt der Wissenschaft (seit Bacon) einherzugehen pflegt, entschieden in Frage gestellt. Der Mord am Professor ist in metaphorischer Deutung Protest gegen das selbst auferlegte Ignorabimus5 der Naturwissenschaften, Auflehnung gegen ein unzureichendes und unbefriedigt lassendes Selbstverständnis des Wissenschaftlers, Entledigung einer servilen, das Ganze des menschlichen Lebens verfehlenden Geisteshaltung. Der Einfluss Nietzsches tritt hier bereits offenkundig zu Tage,6 und zwar in einer gedanklich gegen populäre wissenschaftliche Strömungen sich auflehnenden, emotionsschwangeren Weise.
Diese Arbeit will zunächst das Verhältnis Benns vor allem zu naturwissenschaftlichen Theorien seiner Zeit herausstellen und klären, was Grund seiner lebenslangen Bestrebung ist, neue wissenschaftliche Forschungsrichtungen zu verfolgen und zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsergebnissen Stellung zu beziehen. Sie wird dabei darzulegen versuchen, daß das Motiv Benns, wissenschaftstheoretische Ansätze und Inhalte kritisch zu reflektieren, in dem Bemühen wurzelt, einer, dem Menschen in seiner ganzen Lebenswirklichkeit gerecht werdenden Anthropologie (zumindest in den wesentlichen Grundzügen) auf den Weg zu verhelfen. Daß diese Anthropologie für seine Kunsttheorie, insbesondere für seine Dichtungstheorie von immanenter Bedeutung ist, oder, um es deutlicher zu sagen, eine notwendige Voraussetzung für diese darstellt, wird ebenso aufzuzeigen sein. Diese enge Verbindung der Dichtung mit den Naturwissenschaften, oder genauer ausgedrückt, die Vorstellung einer Anforderung, welche die Naturwissenschaften an eine theoretische Begründung der Dichtung, als ein mit der menschlichen Kultur einhergehendes Phänomen, stellt, war schon früh im Bewußtsein Benns lebendig. Dieser Zusammenhang ist Thema in dem bereits 1910 entstandenen Dialog „Gespräch“7. Wie kann ein Dichter ein grundlegendes Verständnis seines Tuns gewinnen, wie sein Schaffen rechtfertigen, fragt der Vierundzwanzigjährige, ohne „die Dinge und Geschehnisse ... auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen“8 ? Dies mag zunächst einmal unverständlich klingen und den Einwand provozieren, daß doch gerade die Dichtung etwas sei, was mit Naturwissenschaften in den meisten Fällen erheblich wenig zu tun hat. Benn vertritt im „Gespräch“ zwar andeutungsweise die Forderung, daß auch inhaltlich die Dichtung ihre Motive an naturwissenschaftlichen Maßstäben zu messen habe, sie wissenschaftliche Tatbestände auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten berücksichtigen müsse. Doch hierbei ist die damalige Geisteshaltung Benns zu berücksichtigen, die noch an den populären methodischen und erkenntnistheoretischen Grundsätzen, an den wissenschaftstheoretischen Überzeugungen des zeitgenössischen Wissenschaftsbetriebs haftet. Benn trennt hier theoretische Erwägungen über das Phänomen der Dichtung nicht scharf von einer inhaltlichen Bestimmungen derselben. Allerdings kann hierin eine vorgefaßte, noch unklar und unscharf bleibende Programmatik für Benns späteres dichterisches, vor allem essayistisches Schaffen gesehen werden. Äußerungen oben zitierter Art werden verständlicher, wenn man sieht, worauf diese Gedanken Benns, die zu dieser Zeit wie gesagt noch im Bannkreis eines positivistischen Wissenschaftsglaubens stehen, hinauslaufen: Benn schwebt eine naturwissenschaftlich (anthropologisch) fundierte Dichtungstheorie vor. Wenn in Meyers Taschenlexikon von Gottfried Benn gesagt wird, seine „Essays sind Rechtfertigungsversuche seiner Existenz“9, werden hier Ursache und Wirkung verkehrt, auch wenn z.B. dem Essay „Expressionismus“ aufgrund seiner (geschichtlich bedingten) formalen Anlage ein solcher Charakter unterstellt werden kann. Die Grundrichtung für das Dichtungsverständnis Benns kündigt sich tendenziell bereits im „Gespräch“ (1910) an. Deshalb sind insbesondere die Essays, die Vorträge und Reden keine im Nachhinein ersonnene Rechtfertigungsschriften seiner Existenz, sondern ein entschiedener Versuch, die Legitimation und den Sinn von Dichtung auf eine neue geistige Grundlage zu stellen - einer Grundlage, die den eklatanten geistigen Veränderungen des 19. Jahrhunderts Rechnung trägt: Die Anthropologie hat dem Phänomen der Dichtung Rechnung zu tragen. Was dies im Einzelnen heißt, wird im Lauf der Arbeit hoffentlich deutlicher werden.
Da die Prosaarbeiten Benns seine Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Forschungen widerspiegeln, finden sich hier seine Begründungen für die von ihm vertretene Position hinsichtlich des Verständnisses vom Wesen des Menschen. Mit dem Ziel, mögliche Zusammenhänge dieses Menschenverständnisses Benns mit seinem Selbstverständnis als Künstler und seiner Theorie der Dichtung aufzuzeigen, werden vor allem diese Prosawerke Benns herangezogen.
2 Das Menschenbild Gottfried Benns und entscheidende Natur- und Geisteswissenschaftliche Einflüsse
Bevor ich anfange die Kritik Benns am Darwinismus näher zu erleutern, sei kurz auf die Beziehung Benns zu Nietzsche eingegangen, die in Benns Wahrnehmung Nietzsches als eine Art geistige Wesensverwandtschaft empfunden wird.
Nietzsche, in seiner geistigen Beanspruchung die wohl diversest umworbene Gestalt des 19. Jahrhunderts, hat durch Leben und Werk einen außerordentlichen Einfluß auf die gedankliche Entwicklung Benns gehabt. Walter Lennig schreibt, daß, wie Benn selber berichtet, er schon als Zwanzigjähriger an Nietzsche geriet - „zuerst an den „Zarathustra“.10 Während Nietzsches Einfluß sich in „Ithaka“ eher emotional geltend macht, erweist sich für Benn in den darauffolgenden Jahren und intensiverer Auseinandersetzung mit dessen Schriften seine anfänglich begeisterte Rezeption Nietzsches als für seine Zukunft und werdendes Selbstverständnis prägend. Im Zusammenhang mit kunsttheoretischen Äußerungen, die vor allem in seinen Prosaschriften Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre und in Vorträgen und Reden der Nachkriegszeit zu finden sind, hat Benn keinen Namen so oft genannt wie den Nietzsches. Benn nähert sich Nietzsche mit den Augen des Künstlers, nimmt ihn wahr als Urheber und unerreichten Meister eines neuen Kunststils, als einen Stilisten, der sich mystisch versenkt in die Sprache, einen Lyriker, dem Sprache Existenzentäußerung ist, sieht in ihm den vollendeten Artisten der deutschen Sprache, der sagt, „daß nur als ästhetisches Phänomen das Dasein der Welt gerechtfertigt ist“11. Bruno Hillebrand12 geht dem geistigen Verhältnis Benns zu Nietzsche nach, analysiert und rekonstruiert im Einzelnen sehr ausführlich die Nietzsche-Rezeption Benns und kommt mit Zuhilfenahme der Heidegger’schen Nietzsche-Interpretation zu dem Ergebnis, daß Benn gerade deswegen so zentral die geistige Mitte von Nietzsches Wesen traf, weil er als Philosoph für Benn gar nicht existent gewesen ist.13 Benn nähert sich Nietzsche von Anfang an auf eine intuitive Weise, empfindet die sprachliche Virtuosität und Geschliffenheit seiner Diktion als überwältigend, ebenso deren gedankliche Tragfähigkeit, die unmittelbare Treffsicherheit des Sprachrhythmus, das Explosive und Expressive, das all seine Schriften durchgehend charakterisiert. Nicht aufgrund einer systematischen Ausarbeitung einer Kunsttheorie, sondern weil dahinter der sprachschaffende Künstler steht, gewinnt diese Kunsttheorie Nietzsches für Benn an Profil, kommt ihr Legitimation zu. „Benn als Dichter interesierte sich fast ausschließlich für diese zwei Erscheinungsformen Nietzsches (die als Künstler und Kunsttheoretiker), zu beiden stand ihm, infolge seiner monomanisch sprachverhafteten Anlage und der mit ihr verbundenen, nie ruhenden Reflexion, ein primärer Zugang offen. Benn war somit in der Lage, sein Nietzsche-Bild von der einen wie von der anderen Seite her zu ergänzen und zu einer stimmigen Einheit zu verschmelzen. Das gelingt ihm aber nur hinsichtlich der Kunstsicht, nicht im Hinblick auf Nietzsches umgreifende Philosophie.“14
Da die kunst- oder dichtungstheoretischen Standpunkte Benns im Wesentlichen auf Nietzsche zurückgehen, sollen diese in ihren grundsätzlichen Zügen dargestellt und ihre konstitutiven Gedanken nachgezeichnet werden. Auf eine Problematisierung dieser für Benn so folgenreichen Gedanken mit scheinbar widersprüchlichen Aussagen innerhalb des Gesamtwerks Nietzsches wird in Ansehung des Rahmens der Arbeit nicht eingegangen. Die Frage, auf die in unzulässiger Kürze eingegangen werden soll, heißt: Was - nach Nietzsche - ist Kunst und welche Bedeutung hat sie für das Leben als solches?
Bei einer Beantwortung kann von dem Grundgedanken Nietzsches ausgegangen werden, daß das Leben für ihn die letzte erfahrbare metaphysische Instanz darstellt. Hier spiegelt sich die Abkehr von der christlich-platonischen Wertesphäre wider, die zu konservieren, sie maskierend in neue Zeiten mit hinüber zu retten die Geister im Verlauf der europäischen Kulturgeschichte der Neuzeit nie müde wurden, und welche Nietzsche abschaffen will, um an ihre Stelle neue, natürliche, lebensbezogene Werte zu setzen. Die alten Werte sind aufgrund ihrer idealistischen Verankerung mit einer „Abwertung des hier und jetzt vorhandenen Seienden ... als dasjenigen, was eigentlich nicht sein sollte, weil es ein Abfall vom eigentlich Seienden, von den ‘Ideen’ und der göttlichen Ordnung darstellt...“15 verbunden. Der Maßstab des Wertens muß dem Leben selbst innewohnen. Wertvoll ist, was zur Erhaltung und Steigerung des Lebens beiträgt. Wertlos oder als Unwert gekennzeichnet dagegen ist alles, was sich gegen die Interessen des Lebens richtet. In diesem Kontext seiner Metaphysik, wird Kunst nicht mehr als auf eine übergeordnete Wahrheit gerichtet verstanden, sondern als eine Tätigkeit, welche die innersten Möglichkeiten des Lebens zu befreien sucht. Im Sinne Nietzsches dient die Kunst dem Dasein, indem sie es vollendet, indem sie Welt formt. Was meint Nietzsche, wenn er in seinem „Glaubensbekenntnis“, seinem „Artisten-Evangelium“ die „Kunst als eigentliche Aufgabe des Lebens, die Kunst als dessen metaphysische Tätigkeit...“16 bezeichnet? Heidegger versucht diesen Gedanken Nietzsches zu umschreiben: Die Kunst ist die „ ... Entwicklung des Seienden als Seiendes.“17 Der Künstler legt durch sein metaphysisches Schaffen das Sein der Dinge frei. „Die Kunst wird hier (bei Nietzsche) begriffen als eine Bedingung des Seienden ...“18, die der Künstler im Akt eines metaphysischen Schaffens freisetzt. Die Kunst als Bedingung des Seienden ist zu verstehen nur in Anbetracht des Verfalls metaphysischer Systeme und des damit verbundenen Werteverfalls. Wenn die Glaubwürdigkeit metaphysischer Ordnungen zerbröckelt, wenn die aus diesem Verständnis sich ableitenden und sinnstiftenden Vorstellungen eines unendlich wertvollen Ganzen zu schwanken beginnen, der Gesamtcharakter des Daseins sich nicht mehr in die Formel eines „Zwecks“, einer „Wahrheit“ oder „Einheit“ einfügen lassen will, wenn man verlernt hat an eine übermenschliche Autorität, an die Autorität des Gewissens, der Vernunft usw. zu glauben - dann dämmert das Zeitalter des Nihilismus. In dem geplanten, jedoch unvollendet gebliebenen Hauptwerk seiner letzten Schaffensperiode, das postum unter dem Titel „Der Wille zur Macht“ veröffentlicht wurde, schreibt Nietzsche im Ersten Buch „Der Europäische Nihilismus“: „Die extremste Form des Nihilismus wäre: daß jeder Glaube, jedes Für-wahr-halten notwendig falsch ist: weil es eine wahre Welt gar nicht gibt. Also: ein perspektivischer Schein, dessen Herkunft in uns liegt (insofern wir eine engere, verkürzte, vereinfachte Welt fortwährend nötig haben).“19 Das war, wie Nietzsche sich - auf sein Leben zurückblickend - eingesteht20, seine Grundhaltung zum Leben. Jedoch ist er zugleich ein Überwinder des Nihilismus: Als schöpferischer Mensch, als Form- schaffender Künstler, als Artist. Der Nihilismus stellt in Nietzsches Augen einen „pathologischen Zwischenzustand dar (pathologisch ist die ungeheure Verallgemeinerung, der Schluß auf gar keinen Sinn)“21, ist aber Grundlage für sein Selbstverständnis als Künstler-Philosoph22 und für das Verständnis eines Artistentums. Die Kunst löst, Nietzsche zufolge, Religion, Moral und Philosophie hinsichtlich ihrer Aufgaben, dem Leben Wert zu verleihen, ab, indem sie Antwort auf den, sich hinter deren Untergang auftuenden Nihilismus ist. Hiermit ist die Kunst aus dem Ästhetischen ins Metaphysische transferiert: „Die Welt als ein sich selbst gebärendes Kunstwerk - - “23 Eine andere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt und nicht ohne weiteres zu beantworten ist, ist, wie weit Nietzsches Kunstbegriff reicht, was als Kunst gilt, was nicht mehr, und welche Kriterien für eine Bestimmung angesetzt werden. In jedem Fall versteht Nietzsche Kunst als einen aus körperlichen Lebenskräften, Instinkten und einen Willen zur vollendeten Form entstehenden Schaffensprozeß, der metaphysischen (sein-gebärenden) Status hat. Er begreift Kunst, im Gegensatz zu traditionellen Philosophen24, vom Künstler aus, nicht vom Rezipienten, dem künstlerisch Empfänglichen aus. Mit diesem Selbstverständnis Nietzsches ist ein Perspektivwechsel verbunden, der auf ästhetische Phänomene - oder besser: Ereignisse - ein neues Licht wirft und unerhörte kunsttheoretische Folgen nach sich zieht: Kunst ist als Prozeß schöpferischer Tätigkeit ein zutiefst an die Leiblichkeit gebundenes Geschehen, dem ein Höchstmaß an Interesse, im Sinne individueller Lebensbewältigung, zukommt (gegen Kant); „wir finden sie (Kunst) als größtes Stimulans des Lebens“25, als Willensbejahung, als Rausch am Leben, als Steigerung des Lebens (gegen Schopenhauer, der Kunst als Brücke zur Verneinung des Lebens nimmt); „Das Schöne existiert so wenig als das Gute, das Wahre“26, begreift man diese begrifflichen Konstrukte (des Guten, Schönen, Wahren) nicht als instinktive Urteile, deren Ursprung in frühen Zeiten der Menschheitsentwicklung zu suchen sind, sondern als ideale Seinsformen, denen außerhalb menschlicher Wertkategorien Realität zukommt (gegen den deutschen Idealismus).
Obwohl im Einzelnen nicht genauer auf die hier kurz angerissenen kunsttheoretischen Standpunkte Nietzsches eingegangen werden kann, sind diese doch für das Verständnis grundlegender Motive der Benn’schen Anthropologie nicht wegzudenken und unerläßlich - und zwar aus folgenden, für mich ersichtlichen Gründen:
- Benns gewinnt Interesse an anthropologischen Fragestellungen eigentlich über die Beschäftigung mit kunsttheoretischen Problemen einerseits und eine, als existenziellen Widerstreit erfahrene Unvereinbarkeit seiner Künstlernatur mit dem Wissenschaftsverständnis andererseits.
- Nur Schopenhauer war vor Nietzsche ein europäischer Verkünder des Nihilismus (russische Autoren Mitte des 19. Jahrhunderts hier weggelassen). Bei ihm sollte er jedoch eine entgegengesetzte Richtung ins Lebensverneinende, in einen alles Dasein einbegreifenden Pessimismus nehmen. Nietzsche denkt den Nihilismus vor allem auch als historisches Phänomen, als einen geistigen Brennpunkt, auf den die europäische Geschichte der Neuzeit mehr oder weniger konsequent hinauslaufen mußte. Er interpretiert den Nihilismus, in Anbetracht des Wegfalls der ihn zuvor überlagernden Ideologien und deren falsch angelegten Wertmaßstäbe zur Beurteilung des Lebens, als Chance, als Möglichkeit für eine Wertneuordnung und ein neues Verständnis der Wahrheit: „wahr, das heißt hier den Typus Mensch emporhebend ...“27. Für Benn ist die Frage des Nihilismus nicht wie für Nietzsche Auslöser für primär moralische Erwägungen, sondern reduziert sich auf eine Auseinandersetzung, die von metaphysischen und erkenntnistheoretischen Fragen ausgehend zuletzt auf die Durchdringung ästhetischer Konsequenzen abzielt. Für seine kunsttheoretischen und anthropologischen Ansatz ist diese Freiheit von einer idealistischen Verhaftung, ein metaphysischer Antiidealismus notwendige Grundbedingung. „Der europäische Nihilismus: der animalische Entwicklungsgedanke ohne die Ergänzung durch eine anthropologische Herrschaftsidee“28. Dies stellt den Ausgangsgedanken dar, der beschreibt, wie Benn sich dem Begriff des Lebens nähert.
Wie Benn seine Vorstellung vom Menschen entwickelt, will ich nun in der Rekapitulation seiner Auseinandersetzungen mit verschiedenen Naturwissenschaftlichen Theorien aufzeigen.
Die Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie Darwins und den verschiedenen Ausprägungen des Darwinismus’, nimmt eine nicht zu übersehende Stellung im Prosawerk Benns ein. Seine Kritik ist keine pauschale, sondern differenziert sich in den einzelnen Schaffensperioden zunehmend aus. Die erste Kritik ist bereits in der im Vorwort erwähnten Szene „Ithaka“ enthalten. Die in der Zeit der Aufklärung zum Höhepunkt gelangte Annahme einer progressiven Entwicklung des Menschengeschlechts, dem, vermittels des richtigen Gebrauchs der Vernunft, eine Entwicklung zum noch höheren und wertvolleren Geschöpf selbst anheimgestellt ist, wird von Benn ebenso verworfen wie eine noch ältere Entwicklungstheorie, dieser „innermenschlichen“ vorausgehenden, die den Menschen als Krone der Schöpfung ansieht. In „Ithaka“ sagt Rönne: „Aber wegen meiner hätten wir Quallen bleiben können. Ich lege auf die ganze Entwicklungsgeschichte keinen Wert. Das Gehirn ist ein Irrweg.“29 Jeder Versuch die Geschichte teleologische zu denken, unterliegt in Benns Augen einer anthropomorphistischen Sichtweise. „Entwicklung ist immer fertig und doch nie zu Ende“.30 Seine weiterführende Kritik am wissenschaftlichen Darwinismus richtet sich jedoch vor allem gegen dessen impliziten Materialismus und Determinismus. Im Essay „Das moderne Ich“ (1920) schreibt Benn über das Buch „Probleme der Entwicklung des Geistes“31 von Semi Meyer: „Dieses Buch legt die eigentliche Bresche in das naturwissenschaftliche Prinzip und setzt ein bei der Frage nach dem Entwicklungsbegriff.“32 Nachdem Benn den Entwicklungsbegriff Bergsons verwirft, schreibt er weiter: „Meyer aber stellt die Entwicklung dar als das Prinzip, das nicht abläuft oder entfaltet, sondern auf den vorhandenen Grundlagen schöpferisch das Unberechenbare baut.“ Für Meyer ist Entwicklung zum einen keine bloße „Auswicklung von Vorhandenen Keimen“, zum andern ist die organische Entwicklung so kompliziert, daß ein über das mechanisch-mathematische Verständnis hinausgehendes Prinzip gefunden werden müsse, da A+A=2A für eine Erklärung biologischer Verhältnisse nicht ausreiche. Das Erklärungsprinzip der Evolution findet Meyer im Befruchtungsprozeß, welcher die nicht berechenbare Möglichkeit einer Neubildung enthalte. Dies bedeutet für Benn die Überwindung des Determinismus auf naturwissenschaftlicher Basis. An der gesetzmäßigen Evolution der Organismen und insbesondere an der Menschwerdung - so die Überzeugung, die Benn unter dem Einfluß von Meyer gewinnt - ist ein unberechenbares, schöpferisches Element beteiligt. Den Materialismus betrachtet Benn als Folge des „mechanischen Weltbildes“, das von Seiten der Naturwissenschaften, wie Benn unter anderem im Essay „Nach dem Nihilismus“33 ausführt, im Laufe des 19. Jahrhunderts bestärkt wurde und im Verbund mit der Evolutionslehre Darwins einen neuen menschlichen Typ entstehen ließ: „der materialistisch organisierte Gebrauchstyp, der Montagetyp, optimistisch und flachschichtig, jeder Vorstellung einer menschlichen Schicksalhaftigkeit zynisch entwachsen, möglichst wenig Leid für den einzelnen und möglichst viel Behaglichkeit für alle“.34 Hier ist auf reifere, ironischere aber nicht weniger spöttische Weise als in den „Morgue-Gedichten“ und in „Ithaka“ der Gedanke einer zum Besseren und Edleren sich entwickelnden Menschheit verhöhnt. Entwicklung ist für Benn keine „sich auf die ‘Allgemeingültigkeit’ des Kausalgesetzes gründende, streng determinierte, mechanisch ablaufende Höherentwicklung von der Urzelle bis zum Menschen“35, sondern ein „schöpferisches System“, „eine aus unberechenbaren Gründen sich vollziehende Verwandlung.“36
In gleicher Weise wendet sich Meyer gegen mechanististisch-deterministische Definitionen hinsichtlich der Entstehung des menschlichen Geistes. Meyer: „In jeder lebenden Form ist der Geist eine Wirkung derselben schaffenden Mächte, denen das Leben überhaupt entstammt. Daß der Geist aber einmal die Fesseln seiner Entstehung zu durchbrechen vermag, daß er sich in der Form des menschlichen Geistes über seinen Ursprung erhebt, daß eine Selbstbewegung des Geistes sichtbar wird, dafür müssen andere Kräfte herangezogen werden als Auswahl im Daseinskampf, Erblichkeit von Variationen und geschlechtliche Auslese, und auch Onthogenese, Fortentwicklung auf einmal eingeschlagenen Bahnen, man mag sie noch so weit fassen, führt uns nicht zum Verständnis der Entstehung des menschlichen Geistes, dessen Kräfte über alles hinauswachsen, was wir die organische Entwicklung leisten sehen.“37 Durch die Möglichkeit der „Selbstbewegung“ stellt Meyer eine qualitative Differenz des menschlichen gegenüber des tierischen Geistes heraus und behauptet eine Sonderstellung des menschlichen Geistes in der Natur. Mit dieser Behauptung steht er gegen die Mehrzahl der Biologen seiner Zeit. Sie ist jedoch nicht religiös, philosophisch oder ideologisch motiviert, sondern geht auf wissenschaftlich nachweisbare, funktionale Besonderheiten des menschlichen Geistes zurück. So versteht Meyer das Verhältnis von Reiz und Empfindung auch nicht als ein nach einer mechanischen Gesetzmäßigkeit sich bedingendes Geschehen, wie das von Ursache und Wirkung. Für ihn ist Empfindung bereits eine geistige Stellungnahme zu dem sie auslösenden Akt. „Alle Empfindungen sind selbständige Schöpfungen, nicht ein Nebenerfolg eines mechanischen oder organischen Geschehens. Nur werden sie von Reizen ausgelöst, die mechanische Ereignisse sind.“38 Großen Eindruck auf Benn macht auch die von Meyer vorgenommene Umdeutung der Funktion der Gefühle im geistigen Aufbau. Das Gefühl löse den Instinkt funktional ab, dort wo das Instinktleben sich umbilde in ein Zielleben. Demnach sind Gefühle tiefer im körperlichen Leben verwurzelt, keine Begleiterscheinungen von Empindungen, sondern unser Erbteil, unsere Charakterlage, die unsere Einstellung zur Welt bedeuten. Der Einfluß dieser Gedanken auf Benn spiegeln sich in der Novelle „Die Insel“39 von 1916 wider. Die Konfrontation mit Meyers Entwicklungsgedanken bewirkt bei Benn eine, auch durch Forschungsergebnisse auf anderen wissenschaftlichen Gebieten wachgerufene Skepsis an seiner einstmals vorbehaltlos positiven Einstellung zur Naturwissenschaft. Neben der Ablehnung des Wissenschaftlichen Darwinismus kristallisiert sich auch die Ablehnung des politischen, sozialen und ethischen Darwinismus im Vollzug seiner geistigen Neuorientierung (ab 1912) immer klarer heraus. Die für seine Vorstellung der menschlichen Entwicklung konstruktiven Einflüsse führen immer mehr zur Verwerfung und Kritik aller Spielarten des Darwinismus’. Diese Ablehnung wird u.a. Anfang der 20-iger Jahre im Essay „Das moderne Ich“40 und im Essay „Zum Thema Geschichte“41, daß während der inneren Immigration in den 40-iger Jahren entstandenen ist, nachhaltig formuliert. Gerlinde F. Miller schreibt über den Einfluß Meyers auf Benn: „Meyers Entwicklungstheorie, sowohl sein Einbezug des Schöpferischen wie auch der Gedanke der unaufhörlichen Verwandlung, bildet die Grundlage für Benns nicht-mechanistischen, und indeterministischen Evolutionsbegriff.“42 Benn selbst nennt im „Doppelleben“43 (1950) drei Bücher lebender jüdischer Autoren, die ihn aufs stärkste beeindruckt und seinen inneren Weg bestimmt haben. Die Autoren: Semi Meyer, Erich Unger und Levi-Bruhl. Von Letzterem wird noch die Rede sein.
Neben der Entwicklungstheorie Semi Meyers ist eine andere wissenschaftliche Theorie für Benns Verständnis des Menschen von Bedeutung: die vom dänischen Erbforscher Johannsen vorgenommene terminologische Unterscheidung zwischen Genotyp und Phänotyp. Der Genotyp bezeichnet den genetischen Aufbau und die zu Grunde liegende organische Konstitution des Phänotyps, welcher die persönlich realisierten Eigenschaften eines Organismus repräsentiert. „Phänotyp als die Summe aller in einem einzelnen Individuum tatsächlich erscheinenden Wesenszüge, gegenüber dem dahinterstehenden, sehr viel weiteren Genotyp als der Summe aller aus diesem Stamm möglichen, latenten, auslösbaren Phänotypen. Also, wenn man diese Gegenüberstellung einmal genau durchdacht hat, kann man sie ungefähr als das Gegenüber von Individuum und Art gebrauchen, mit der Vorstellung von Präpotenz und Dauer auf Art, und der Labilität und Variabilität auf Individuum.“44 Der Zufallsfaktor der individuellen Existenz betrifft nicht nur den Phänotyp, welcher sich durch die einmalige Kombination von Genotyp und Lebenslage definiert, sondern spielt auch bei der Entstehung der Genkombination, wie bei Meyer, eine wichtige Rolle. Der Begriff Phänotyp gewinnt im Denken Benns eine einzigartige Bedeutung. Einerseits hat er eine wissenschaftliches Grundlage und drückt Benns Verbundenheit mit der exakten Naturwissenschaft, dem Tatsächlichen und nachweisbar Phänomenalen aus, zum anderen ist in ihm das schöpferische Element in der stammesgeschichtlichen und individuellen Entwicklung aufgehoben und gesichert.
Die neu aufkommende Wissenschaft der Paläontologie zieht das Interesse Benns vor allem in den 20-iger Jahren auf sich. Im Prosastück Urgesicht (1929) schreibt Benn: „Uralte Dränge altersloser Masse im Klang der Meere und im Sturz des Lichts. Das Leben will sich erhalten, aber das Leben will auch untergehn, Trieb und Versagen - Spiele der Nacht.“45 Benn ersetzt den Gedanken der Evolution als unaufhaltsamen Aufstieg durch den zyklischen Gedanken eines in langen Rhthmen sich vollziehenden Werdens und Vergehens der Arten. In Anlehnung an paläontologische Publikationen, in analytischer und kritischer Auseinandersetzung mit verschiedenen Autoren, entwickelt Benn seine eigene Theorie der Entwicklung des Menschen: der Mensch als ein wandlungsfähiges Wesen, daß sich in verschiedenen Gestalten oder Ausformungen seit kaum absehbaren Zeiten durch die Jahrhunderttausende fortpflanzt, in beständiger Wandlung begriffen, sein Wesen aber bewahrend und sich gleich bleibend. Die menschliche Persönlichkeit war „doch jedenfalls oft und immer wieder eine andere innerhalb der jeweiligen geologischen und atmosphärischen Bedingungen, ...“46 „In gar keiner Weise (aber) übersehen wir das Prinzip, das diese Entwicklung leitet und treibt.“47 „Der uralte, der ewige Mensch! Das Menschengeschlecht! Unsterblichkeit innerhalb eines schöpferischen Systems, das selber wieder Erweiterungen und Verwandlungen unausdenkbar unterworfen ist.“48 Auch in diesem erweiterten Blickwinkel erweist sich für Benn die „Darwinsche Theorie vom Kanpf ums Dasein und vom Überleben des Stärkeren und biologisch Tüchtigeren“ als Anthropomorphismus „und genügt in gar keiner Weise zur Erklärung des psychologischen, paläontologischen und fossilen Materials.“49 Vielmehr „halb Kausalität und halb Schöpfung, halb geologische Notwendigkeit und halber Akt der Transzendenz -: so vollzog sich die epileptoide Mischung unserer Persönlichkeitsentstehung.“50 Kein mechanistischer oder determinierter Ablauf, der das Werden und die Evolution bestimmt, sondern unaufhörlich sich wiederholende Schöpfungsimpulse, jeder Impuls - zum Teil von Naturkatastrophen und umwälzenden Umweltveränderungen bedingt - ein neues Erdzeitalter einläutend, von dem alle „eine bestimmte biologische Besonderheit mit sich brachten, den zoologischen Wesen einprägten, und deren Motive wir in den körperlichen Rudimenten finden“51.
An dieser Stelle ist es nun an der Zeit darauf einzugehen, wie Benn sich die menschliche Persönlichkeit zu erklären versucht und welche Einflüsse sich hierbei geltend machen. Zunächst ist für Benn die biologische Grundlage der Persönlichkeit nicht das Großhirn, wie er es noch von seinen Lehrern gelernt hat, sondern der gesamte Organismus. In der veralteten wissenschaftlichen Theorie galt die Großhirnrinde (Cortex) als alleiniger Träger alles psychischen Geschehens „und aller jener Funktionen, die die Persönlichkeit bilden.“52 Das heißt, alle charakterologische Dispositionen legte man auf die Großhirnrinde fest. Jedoch um die Jahrhundertwende setzte eine geistig „totalistische Strömung“ ein, von der nachhaltig auch alle naturwissenschaftlichen Disziplinen erfaßt werden. So stellt sich bald auch die zerebrale Fixierung hinsichtlich der Persönlichkeitserfassung als unzureichend heraus. Man entdeckte, daß der Gesamtorganismus am Aufbau der Persönlichkeit beteiligt ist, und daß es vom Großhirn unabhängige Systeme gibt, insbesondere das Hormon- und Drüsensystem und das vegetative Nervensystem, welchen ein immanent wichtiger Stellenwert hinsichtlich der Organisation des Organismus eingeräumt und somit bei einem Versuch, die menschliche Persönlichkeit zu umreißen, berücksichtigt werden muß. Parallel hierzu erkannte man in der Hirnforschung, daß gewisse Hirngebiete, hinsichtlich der Bestimmung ihrer Funktion für den Aufbau der Persönlichkeit, eine geringere Bedeutung haben, als man zuvor angenommen hatte. Die Großhirnrinde galt seit dem nur noch als „Funkzentrale für die Sinnes-, Gedächtnis- und Assoziationsleistungen“, die also vorwiegend intellektuelle Geistestätigkeit umfaßt und „für die psychische Persönlichkeit im engeren Sinne mehr sekundäre Bedeutung hat.“53 Der entwicklungsgeschichtlich ältere, stammesgeschichtlich frühere Teil des Gehirns, das Stammhirn, das die Affektivität im allgemeinen, das Trieb- und Instinktleben, auch die Motorik steuert, bildet die Grundlage für die psychische Persönlichkeit. Der primäre Teil der Persönlichkeit ist - unter erbbiologischen Gesichtspunkt - auf biologischer Grundlage erbmäßig festgelegt. Natürlich haben Außenreize einen unleugbaren Einfluß auf die Persönlichkeit und können diese unter Umständen nachdrücklich und grundsätzlich ändern, erweisen sich aber gegenüber den „in der (erbmäßigen) Anlage verwurzelten, spontan hervortretenden Elementen ... als reaktiv entstanden, zufällig und variabel“54 uns somit als weniger konstant und relativ instabil.
Es ist eine der tiefsten Überzeugungen Benns, daß er das Psychische als untrennbar verbunden mit dem Körper begreift. Der menschliche Geist - man mag von ihm sagen was man will - ist in der Persönlichkeit „für immer mit dem Körper verbunden, in ihrer Geschichte (die der Persönlichkeit) für immmer mit dem Körper zur Gestaltung des Seins vereint, - immer stoßen wir auf diesen Körper, seine unheimliche Rolle, das Soma, das die Geheimnisse trägt, uralt, fremd, undurchsichtig gänzlich rückgewendet auf die Ursprünge, beladen mit Erbgut rätselhafter und unerklärlicher Zeiten und Vorgänge“55. Der menschliche Körper, nach Benns paläontologischer Theorie bisher unzähligen Wandlungen unterworfen, trägt die jeweiligen Reste und Spuren der einzelnen urzeitlichen Verwandlungsstadien in sich. Die menschliche Persönlichkeit wurde im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte von unterschiedlichen biologischen Grundlagen getragen. Wie sich - entwicklungsanatomisch - das Großhirn in mehreren Schichten über das Urhirn oder Stammhirn legt, so ist das Psychische auch als in Schichten entstanden und gebaut zu verstehen. Dieser Gedanke, daß wir die Rudimente früherer Entwicklungsstufen in unserem Organismus tragen, auf deren Bestand sich neue organische Ausbildungen, anatomische und physiologische Veränderungen sich vollziehen, wird von Benn als geologisches Prinzip gefaßt, dem wir sowohl den Aufbau unseres Körpers als auch des untrennbar mit diesem verbundenen Psychischen verdanken. „Der Körper ist offenbar etwas Flüchtiges, ... er ist nichts als ein inneres Prinzip“.56 Dieser Schichtungscharakter des Psychischen und Organischen, zu deren Entstehung Benn das geologische Prinzip beansprucht, stellt sich ihm als eine wissenschaftlich verbreitete und gesicherte Idee dar. Wie Levi-Bruhl, C. G. Jung und Nietzsche war Benn der Meinung, frühere, archaische Schichten der Psyche können emporsteigen und als prälogische Geistesart, als mystische Partizipation erlebt werden - im Traum, im Rausch oder in der Ekstase, als archaisch-magisches Erleben in der Depersonalisation, als Wahnvorstellungen in Fällen von Schizophrenie. Diese Zustände sind nach Benn - hirnanatomisch gedeutet - die Folge eines zeitlich begrenzten Wegfalls oder Ausblendens der bewußtseinstragenden Oberschicht. Bei der Schizophrenie, so Benn, ist dieser zerebrale Oberbau, der Mantel, teilweise bis völlig destruiert. Im „psychischen Zerfall, stößt aus dem primitiv-schizoiden Unterbau emporgejagt von den Urtrieben, das ungeheure, das schrankenlos sich entfaltende, archaische Trieb-Ich durch das zerfetzte psychologische Subjekt empor (Kronfeld).“57 Der an Depersonalisation Leidende kann die Andersartigkeit solcher Erlebnisse von seinem „normalen“ Zustand, der sich durch intentionale Kontrolle und das Selbstverständnisses einer Ich-Bildung und damit Abgrenzungen gegenüber seiner Umwelt auszeichnet, im Gegensatz zum Schizophrenen unterscheiden. Benn sieht demnach eine Parallele des schizophrenen und primitiven Erlebens - beides Zustände in denen das Ichbewußtsein, „diese späte Stimmung der Natur“58 noch nicht gebildet oder destruiert ist, wo Kräfte einer anderen biologischen Welt herrschen, Innen und Außen zerfließen, ein mythisches Weltgefühl, eine All-Partizipation, ein magisches Kräftespiel an die Stelle des Absichten verfolgenden, der Welt als geschlossenes Prinzip gegenübertretenden Subjekts tritt.
Aus dem bisher Gesagten ist leicht zu ersehen, daß Benn sich zeitlebens mehr für das kollektiv Unbewußte als für das persönliche Unbewußte interessierte. Der Gedanke, daß das Ich dem kleinen, sichtbaren Gipfel eines riesigen im Wasser schwimmenden Eisberges gleicht, dessen monströse Größe, da unsichtbar unter der Wasseroberfläche verborgen, kaum zu erahnen ist, lernt Benn zwar sowohl bei Jung als auch bei Freud kennen und hinterläßt einen enormen Eindruck: - Für Jung ist das Ich ein Teilkomplex und nicht ausschließlicher Vertreter des ganzen menschlichen Wesens.59 In der „Traumdeutung“ schreibt Freud: „Das Unbewußte ist der grössere Kreis, der den Kleineren des Bewußtseins einschließt.“60 - Die Theorie des kollektiv Unbewußten jedoch, welche ein Erbgut an Vorstellungsmöglichkeiten nicht individueller, sondern allgemein menschlicher, ja sogar allgemein tierischer Art proklamiert, hat für Benn dahingehend eine größere Bedeutung, da er es dem geologischen Prinzip seines Entwicklungsgedankens einverleiben kann. Das kollektiv Unbewußte stellt für Benn die eigentliche Grundlage des individuell Seelischen dar. Der Idee des persönlich Unbewußten widmet er keine solche Aufmerksamkeit. Dies ist zu erklären, wenn man sieht, daß diese sich für Benn als aus der Idee des kollektiv Unbewußten abgeleitet darsgtellt, er im persönlich Unbewußten lediglich eine ins Individuelle gewendete Wiederholung eines in Urerfahrungen ansetzenden und seit Urzeiten sich konstituierenden psychologischen Prozesses sieht, der in ein synchrones Bezugsverhältnis mit anderen Größen gesetzt wird, welche die menschliche Psyche in der heutigen Art ihrer Lebendigkeit ihrerseits mitzuprägen unternehmen. Jung, bei welchem Benn die Gedanken findet, nennt diese stets sich wiederholenden Erfahrungen der Menschheit, die in der Psyche jedes menschlichen Individuums immer aufs neue ihren Niederschlag finden, Archetypen. Die Gesamtheit aller Archetypen bilden lebendige „Bereitschaftssysteme, welche auf unsichtbarem und daher umso wirkungsvollerem Weg das individuelle Leben bestimmen.“61 Die Archetypen sind, wie Jung weiter ausführt, nichts anderes „als die Manifestationsformen der Instinkte“. Die Jung’sche Theorie der Archetypen nimmt Benn auf. Das letztlich Entscheidende aber, der letztlich ausschlaggebende Grund, warum die Archetypentheorie Jungs aus Benns Sicht Geltung zugestanden werden kann, ist folgender: „Aus der Lebensquelle des Instinktes aber fließt auch das Schöpferische, sodaß das Unbewußte nicht nur historische Bedingtheit ist, sondern zugleich den schöpferischen Impuls hervorbringt“.62 Das Enscheidende ist für Benn hier die Möglichkeit einer unvorhersehbaren Wirkung, das echt spontane Moment, der Raum für eine freie, unbedingte Bewegkraft, der Quantensprung, das Unberechenbare. Benn geht es bei der Entwicklung des Psychischen, wie bei allem Wirken der Natur überhaupt, um eine Restgröße. Ein Riß vielleicht in allen Dingen, ein ererbter Schauer des Chaos, der durch die Dinge fährt, die „epileptoide Mischung“. Bei der Erklärung des Prozesses der Ausformung der menschlichen Psyche ist es ihm um zwei Dinge zu tun. Zunächst, behauptet er grundsätzliche (typische) psychische Beziehungsmuster, die durch die menschliche Begegnung von Welt, durch Aufeinandertreffen lebendiger, ausdifferenzierter (beseelter) Systeme entstanden sind. Diese zum Teil auf organischer Organisation beruhende Systeme sind selbst und im Angesicht ihres Werdens nicht vollständig determiniert, sondern sie selbst bleiben dunkel und ihre Entwicklung ist nicht absehbar. Zum andern geht es Benn darum diese Typenbildung erkenntnistheoretisch zu legitimieren. Vorrangig jedoch und von primären Interesse ist für Benn das schöpferische Element, als immer gegenwärtiges Moment. Im schöpferischen Akt des Künstlers wird die historisch entstandene Verhüllung und Bedingtheit gelöst und die lebendigen Kräfte auf ein Archaisches zurückgewiesen, woraus sich, auf der Grundlage dieses psychisch Ursprünglicheren und aufgrund dessen inneren Unbestimmtheit hinsichtlich des „Werde“, instinktiv ein Neues ereignen kann. „Das archaisch erweiterte, hyperämisch sich entladende Ich, dem scheint das Dichterische ganz verbunden.“63 Hier sehen wir bereits, wie die kunsttheoretische Konzeption Benns in einem Abhängigkeitsverhältnis zu anthropologischen Voraussetzungen steht, worauf weiter unten dann explizit eingegangen wird. Man kann, um die geistige Situation des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts von einer bestimmten Seite zu beleuchten, sagen, daß durch das Einsetzen naturwissenschaftlicher Forschung im großen Stil im 19. Jahrhundert, daß durch das Erschließen immer komplizierterer Zusammenhänge innerhalb der physiologischen Grundlagenforschung innerhalb der Medizin, daß nicht zuletzt durch Nietzsches organische Philosophie („das Biologische als Richterin der Wahrheit“) eine ungemeine Aufwertung des Körperlichen stattgefunden hat. Benn betrachtet den Körper, die Gesamtheit des lebendigen Organismus, als unauflösbare psychophysische Einheit. Die Psyche ist für Benn somit auf jeder Stufe der organischen Entwicklung das dieser Stufe entsprechende, von ihr abhängige nach innen gewendet und gefühlte Leben des Körpers. „Der Körper ist es“, schreibt Benn, „auf dem wir doppelzüngig wohnen, seinem nur zu zwei Dritteln geborenen, zu einem Drittel ungeborenen Sein, seinen in Traum wie Wachen gleich unerforschlichen Regionen, Schattenreich, von dem es keine Rückkehr gibt, stygisches Land, bei dem die Götter schwuren.“64 Die „unerforschlichen Regionen“ des Körpers repräsentieren das, was als „Transzendenz nichtmetaphorischen Geschlechts“ bleibt, wenn alle anderen Transzendenzen verworfen werden mußten. In der, im Zusammenhang mit seiner Aufnahme in die preußische Akademie der Künste 1932 gehaltenen Rede hält Benn fest: „Eine der klassischen Erkenntnisse der nachnietzschen Epoche stammt von Thomas Mann und lautet: ‘alles Transzendente ist tierisch, alles Tierische transzendiert (transzendent) -’ ein höchst seltsamen Wort, es gehört hierher. Wenn es nämlich noch eine Transzendenz gibt, muß sie tierisch sein, wenn es noch irgendwo eine Verankerung im Überindividuellen gibt, kann es nur im Organischen sein.“65 Hintergrund: auch hier der späte Nietzsche - der europäische Nihilismus.
Oben wurde im Zusammenhang mit entwicklungstheoretischen Erörterungen bereits angesprochen, daß Benn den Prozeß der Entwicklung des Menschen - „Mensch“ nicht als an die menschliche Gestalt gebunden, sondern in einem wesentlichen Sinne verstanden, geologische Vorstufen des heute lebenden Menschen mit einschließend - daß Benn also diese Entwicklung nicht als ein stetig zum Besseren hin Führendes begreift. Wenn ein Lebewesen höher entwickelt ist, heißt das nicht, daß es zugleich auch das vollkommener und wertvoller sein muß. Diese Position Benns ergänzt und bestärkt sich noch in einer anderen Wendung, nämlich, wenn man diese seine Haltung im Zusammenhang mit seiner Einstellung zu anderen ethnischen Gruppen betrachtet. Oben66 hatte ich bereits auf die Bücher jüdischer Autoren hingewiesen, von denen Benn selber sagt, daß sie seinen inneren Weg bestimmt hätten. Ein Buch davon trägt den Titel „Das Denken der Naturvölker“67. Es wurde geschrieben von einem Zeitgenossen Benns, dem französischen Ethnologe und Anthropologe Levi-Bruhl, der für Benn „der berühmteste und befugteste Forscher“ in der Aufdeckung soziologischer Zusammenhänge ist.68 Levi-Bruhl hat entgegen einer unter darwinistischen Ideen stehenden Forschergeneration eine andere, unvoreingenommenere Sicht auf außereuropäische Völker vertreten. Das der europäischen Geistesart und dem damit verbundenen Denken so frappierend differente Wahrnehmen und Verstehen von Welt und die daraus resultierenden Lebensformen und gesellschaftskonstituierenden Riten und Bräuche der „Primitiven“ erfahren bei Levi-Bruhl wohl mit zum ersten Mal eine genaue Analyse und den Versuch einer vorurteilslosen Erklärung, der sich um Einhaltung wissenschaftlicher Ansprüche bemüht. Levi-Bruhl stellt heraus, daß die Wesensidentität des Einzelnen bei bestimmten primitiven Volksstämmen von seiner Anteilnahme an der sozialen Gemeinschaft und der Natur abhängt. Wer glaubt, von der Partizipation ausgeschlossen zu sein, kann unabhängig nicht weiterleben. Diese geistige Beschaffenheit führt dazu, daß das, was wir als widersprüchlich und als unvereinbaren Gegensatz wahrnehmen und unserem Denken nicht ohne Widersinn erscheinen würde, bei ihnen nur von sekundärem Interesse ist. Ihr Denken orientiert sich nicht am Gegensatz, sondern an der wesensmäßigen Verbundenheit mit der sie umgebenden Welt und ist gerichtet auf das Einssein mit ihr. Levi-Bruhl nennt diese Geistesart prälogisch und schreibt: „Unter prälogisch soll ... nicht verstanden werden, daß diese Geistesbeschaffenheit gewissermaßen ein Stadium darstellt, welches der Erscheinung des Denkens vorhergeht Sie (die geistige Beschaffenheit der Gesellschaft auf niedriger Stufe) ist nicht antilogisch; sie ist auch nicht alogisch. Mit der Bezeichnung prälogisch will ich nur sagen, daß sie nicht wie unser Denken verpflichtet, sich des Widerspruchs zu enthalten. Sie gehorcht vorerst dem Gesetz der Partizipation. So orientiert gefällt sie sich nicht in willkürlichen Widersprüchen (dadurch würde sie uns einfach absurd werden), aber sie denkt auch nicht daran, sie zu vermeiden. Sie ist in diesem Punkte meistens indifferent.“69 Levi Bruhl sieht das Prälogische nicht vom Standpunkt des Logischen als minderwertig, beurteilt es auch nicht als unvollkommene Vorstufe. Er weist darauf hin, daß hier eine andere Geistesart vorliegt. Der Glaube, daß der menschliche Geist überall der gleiche sein soll, entlarvt er lediglich als ein weit verbreitetes Vorurteil innerhalb der gelehrten europäischen Welt. Benn wendet sich mit Levi-Bruhl nicht nur gegen den Überlegenheitsanspruch der europäischen Kultur gegenüber weniger entwickelten Kulturen, sondern sieht in der europäischen Geistesentwicklung darüber hinaus einen Verarmungsprozeß. Mit dem Ausbau von Erkenntnis hat eine einseitige Entwicklung eines im Menschen angelegten Funktionskomplexes angesetzt, der auf Kosten anderer menschlichen Anlagen besteht. Für Levi-Bruhl ist Erkennen „im allgemeinen objektivieren, gegenständlich machen, etwas objektivieren heißt, es nach außen projizieren als etwas Fremdes, das erkannt werden muß.“70 Soziologisch gesehen sind die antiintellektualistischen Lehren, die in hochentwickelten Kulturen periodisch immer wieder auftauchen, aus der Sicht Levi-Bruhls, Ausdruck für das Bedürfnis nach Partizipation. Für Benn ist der moderne Wissenschaftler durch seine Extrovertiertheit, seine konstitutionelle Wendung nach außen charakterisiert. Auch bei ihm trachtet die Seele wie bei Levi- Bruhl „ ‘nach Tieferem als der Erkenntnis, nach etwas Tieferem, das ihr Ganzheit und Vollendung gibt’ - also bis in jene Sphären, wo in der Totalität uralt die Sphinxe stehen, wo das Denken ... in den dunklen Kreis organischer Belange tritt “71 Das Bedürfnis nach „Ganzheit und Vollendung“ ist nicht Ergebnis einer Höherentwicklung, sondern Bestandteil der „anthropologischen Substanz“. In diesem Sinne kann die logische Denkweise „niemals die Universalerbin der Prälogischen Geistesart sein“,72 denn „unsere geistige Betätigung ist in der Tat zugleich rational und irrational. Das Prälogische und das Mystische bestehen hier neben dem Logischen.“73
In „Antwort an die literarischen Emigranten“74 schreibt Benn auf den Vorwurf, er kämpfe für das Irrationale, daß der Mensch „zwar vernünftig sei, aber vor allem ... mythisch und tief.“ Für Benn und für Levi-Bruhl ist der Streit zwischen intellektualistischen, logischen und rationalen Lehren einerseits und antiintellektualistischen, prälogischen und irrationalen andererseits gleichermaßen gegenstandslos.
Von hier aus läßt sich die ambivalente Einstellung Benns zur Wissenschaft erklären. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Theorien bilden den Stoff seiner Essays. Wissenschaftliche Publikationen werden erschlossen, Theorien kritisch hinterfragt, abgewägt und schließlich unter Anführung von Argumenten beurteilt: Theorien werden entweder abgewiesen, verurteilt oder eklektisch in sein Denkgebäude, das einigen grundsätzlichen theoretischen Prinzipien untersteht, aufgenommen - diesem einverleibt. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, um diese letztlich zu beurteilen, ist Ausgangspunkt und Grundlage seines Denkens. Der Aufsatz „Aufbau der Persönlichkeit“ zum Beispiel wurde „von Sachverständigen als zusammenfassender Überblick über auseinanderliegende Erfahrungsgruppen angesehen“ und gewürdigt.75 Und doch polemisiert er diesen Wissenschaftsbetrieb. Er kritisiert die Wissenschaft jedoch nicht als solche, sondern vor allem den opportunen Gedanken ihrer Nutzbarmachung für ein sinnentleertes Leben innerhalb einer materialistischen Gesellschaft; er kritisiert ihren alleinigen Herrschaftsanspruch, welcher in Anbetracht der im Menschen angelegten Substanz - also unter anthropologischen Gesichtspunkt - zu eng gefaßt ist. Ihre, sich den Menschen einverleibende Denk- und Erkenntnisart soll die einzig wahre sein! „Oberflächlich“ würde Benn abschätzig urteilen. „Der Kanzler Bacon kommt mir vor, schrieb Goethe an Jacobi, wie ein Herkules, der seinen Stall von dialektischem Mist gereinigt hat, um ihn mit Erfahrungsmist zu füllen. Die moderne Wissenschaft, das induktive Zeitalter - Erfahrungsmist!“76 1924 ist Benn noch sowohl der „empirische Phänotyp“, der „institutionell Strukturierte“ als auch der „Halluzinatorische mit dem schiefen Blick“77, ohne die Einheit seiner Persönlichkeit preisgeben zu müssen. Das Streben nach Vereinheitlichung, nach einer Synthese der scheinbar unvereinbaren Strebungen des Rationalen und Irrationalen, kann 1920 als Motiv seiner künstlerischen Produktion angesehen werden. Die Wissenschaft für sich und in ihrer Bewußtheit -: „ewig sinnlos, ewig qualbestürmt“. Nur im Schöpferischen, „im Außersich des Rausches oder des Vergessens“ kann der Mensch sich noch einen und als Ganzes empfinden.78 Später, im „Doppelleben“ (1950) gelangt Benn über Utitz’ Theorie der mehrdimensionalen Persönlichkeit zur Einsicht in die bipolare Struktur seiner Persönlichkeit, das heißt: Arzt und Naturwissenschaftler einerseits und formschaffender Künstler andererseits; Artist, von der „Ananke des Ausdrucksschaffens“ Heimgesuchter und rational- empirischer Wissenschaftler, Glück und Gegenglück - Benns lakonische Bemerkung hierzu: „Ich bin also Dualist, Anti-Synthetiker“79, im lebenspraktischen Sinne verstanden.
Diese bipolare Struktur der Persönlichkeit Benns läßt sich biographisch erklären aus der vor dem Ersten Weltkrieg einsetzenden und stetig wachsenden Gewißheit, daß sich das verfehlte und verkappte „Programm“ der Naturwissenschaft seiner Zeit auf ihr verfehltes und verkapptes Bild vom Menschen, das ihr zu Grunde lag, zurückführen lasse. Ihre Methoden und Zielsetzungen stellten gleichsam nur einen Ausschnitt der menschlichen Wirklichkeit dar. Benn litt als Wissenschaftler unter diesem zu kurz gefaßten Menschenverständnis der Wissenschaft. „Ich war ursprünglich Psychiater gewesen, bis sich das merkwürdige Phänomen einstellte, das immer kritischer wurde und darauf hinauslief, daß ich mich nicht mehr für den Einzelfall interessieren konnte. Es war mir körperlich nicht mehr möglich, meine Aufmerksamkeit , mein Interesse auf einen neu eingelieferten Fall zu sammeln ... Die Fragen nach der Vorgeschichte ihres Leidens ... schufen mir Qualen, die nicht beschreiblich sind.“80 Das der Naturwissenschaft innewohnende, materialistisch verhaftete Menschenbild hat als Gegenmodel Auswirkungen auf die Benn’sche Anthropologie. Im Versuch einer theoretischen Neubegründung des Menschenbild werden nur solche wissenschaftlichen Theorien in Betracht gezogen, finden nur solche Benns Zustimmung und Beachtung, die Raum lassen für eine „Ich schöpferische Freiheit“. Der durch die Schule der strengen Naturwissenschaft gegangene Benn wird zu einem der schärfsten Kritiker ihrer, den Menschen in seinem Wesen unberücksichtigt lassenden geistigen Grundhaltung. Das methodische Programm der Naturwissenschaften, die Reichweite ihrer Anwendung, innerhalb welcher ihr verbindliche, nachweisbare Aussagen zugestanden werden, verwechselt man schließlich mit der onthologischen Beschaffenheit der Gegenstände ihrer Beobachtung. Die Dinge sind nur so tief, wie unsere Methoden es gewähren -. Hier ist die Enge, die Qual des geschrumpften Selbst, die Verkleinerung des Welt- und Selbstverständnisses des Wissenschaftlers, der Ansatzpunkt der Benn’schen Wissenschaftskritik, Motiv zum Mord am Professor in „Ithaka“81.
3 Das Verhältnis von Anthropologie und Dichtungstheorie bei Benn
Warum beschäftigt sich der Dichter Benn mit Problemen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die auf Fragen, was der Mensch und wie er zu verstehen sei, abzielen? Oder sollte man besser fragen, wie Benn dazu kommt zu dichten? Denn das Studium der Theologie und Philologie, das er kurze Zeit auf Wunsch oder Geheiß seines Vaters hin betreibt, läßt er fahren um des Studiums der Medizin - um der Naturwissenschaft willen. Wie ein talentierter und mit Auszeichnung promovierter Naturwissenschaftler dazu kommt, Gedichte zu schreiben, wäre demnach die naheliegendere Frage. Beide Fragestellungen sehen nicht die zwingenden Kräfte, mit welcher sich beide Aspekte - der Aspekt des streng begrifflich, nüchtern und tatsachenorientiert denkenden Wissenschaftlers und der des nach Ausdruck, nach Entleerung und Befreiung drängenden Artisten, der die im rationalen Dunstkreis der Wissenschaft sich aufstauenden Qualen schöpferisch zu überwinden trachtet - mit welcher Kraft sich diese beiden Aspekte in Benns Persönlichkeit ihr Recht streitig machen. Beide „Bereitschaftssysteme“ sind in seiner Persönlichkeit angelegt und verweisen aufeinander, bedingen sich gegenseitig. In der Vorbemerkung der Sammelausgabe seiner Essays, die diesen nach dem zweiten Weltkrieg zum ersten Mal vorangestellt wird, schreibt Benn: „Für mich war das Schrieben der Aufsätze vielfach nur eine Art von Erprobung auf Produktivität und eine Prüfung von Konstellationen, Lagen, Zusammenhängen, von denen aus sich wieder zum Gedicht vordringen ließ, es war also eine Art Materialbeschaffung für die Lyrik, die immer mein eigentliches literarisches Anliegen war.“82 Wieder steigt uns die Frage des vierundzwanzigjährigen ins Bewußtsein: Wie kann ein Dichter ein grundlegendes Verständnis seines Tuns gewinnen, wie sein Schaffen rechtfertigen, ohne „die Dinge und Geschehnisse ... auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen“83 ? Wissenschaft als hauptsächlicher und alleiniger Lebensinhalt ist Benn aufgrund der Unvereinbarkeit der Grundbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens mit Veranlagungen und Dispositionen seiner Persönlichkeit unmöglich. Doch muß der Dichter in Benns Augen um so höheren Anforderungen gerecht werden. Der Künstler, das lyrische Ich, muß hinsichtlich neuer wissenschaftlicher Erforschungen immer „up to date“84 sein, um den ihm eingeborenen Teil der „anthropologischen Substanz“ im Kunstwerk zu realisieren. Dieser Anspruch Benns an sich selbst und die damit verbundene innere Schwierigkeit, resultiert daraus, daß er sich sowohl als „Kunstträger“ als auch als „Intellektualist“85 betrachtet.
Wie oben schon angedeutet, setzt die künstlerische Produktion als solche zum einen die Lockerung der bewußten Kontrollen, des rationalen Oberbaus einerseits, die direkte Verbindung zum archaischen Schöpfungstrieb, zu den unberechenbar triebhaften und affektgesteuerten Unterbau andererseits voraus, bedarf aber ebenso einer geistigen Durchformung. Ein Kunstwerk ist ein solches nur als formal vollendeter Ausdruck der anthropologischen Substanz. Kunstwerke sind nach Benn eine Realisation der archaischen Tiefenschicht, die als „anthropologische Substanz“ Grundlage aller schöpferischen Tätigkeit ist. Diese Tiefenschicht - arthaftes, ursprüngliches Erleben, bloß-sein von der geschichtlichen Verwirklichung des Lebens, von Rindenstrukturen, die in jüngster Entwicklung affektive Steuerungs- und triebhafte Regulationsaufgaben übernehmen - erfährt der Künstler im Rausch, als Erfüllungsstunde. Doch muß das aus dieser Stunde und aus „einem dumpfen schöpferischen Keim“86 Hervorgegangene nun geformt werden. Denn das Leben ist „ereignislos, hinfällig, untragbar ohne Ergänzung, es muß ein großes Gesetz hinzutreten, das über dem Leben steht, es auslöscht, richtet, in seine Schranken weist. Geist = anthropologischer Geist, arthaftes Prinzip, ... bewußt formender Geist.“87 Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, daß er Natur verändert, daß er eine Kulturwelt schafft. Benn definiert den Menschen über seinen Gestaltungsdrang. Er hält ein Leben lang an der Auffassung fest, daß die Urzeit des Homo sapiens die eigentliche schöpferische Periode des Menschen darstellt. Die Menschwerdung nimmt ihren Ausgang mit einer „schöpferischen Ursprungsrasse“. „Erst die Saurier, die Echsen, dann die Art mit Kunst diese (die Menschen) machten Götter und Kunst, dann nur Kunst. Eine späte Welt, untermauert von Vorstufen ...“88 „Das Wesen des Menschen“ ist somit auf die „Gestaltungsphäre“ zurückgeführt.89 Was jedoch ist der Auslöser für diesen scheinbaren Wesenswandel, der uns nötigt den Menschen sozusagen abgehoben von allen übrigen irdischen Lebewesen wahrzunehmen? Was ist das Hinzutretende?
Hier konstatiert man zunächst, daß sich bei Benn Leben und Kunst - Ersteres verstanden als der geschichtlich gewordenen Wirklichkeit, mit der wir uns täglich konfrontiert sehen - polar entgegenstehen. Dementsprechend ergibt sich folgende Antithese: Leben - Geist; der geschichtliche und handelnde Mensch, der hoch will - der zentrale und tiefe Mensch, der schweigend die Verwandlung erwartet; Verbrecher - Mönch.90 Das Leben ist für Benn Handeln. „Wer auf dem Tiger reitet, kann nicht herab. Chinesisches Wort. Auf Handeln angewendet: es führt zu Geschichte.“91 Geschichte ist der Prozeß, der jene Wirklichkeit konstituiert, die in den Augen Benns Entartung des Menschen und Zerstörung der Erde ist. Für Benn ist dieser Gegensatz ein unbedingter und es gibt keine Überbrückungsmöglichkeit. Mehrere apodiktische Wendungen untermauern diesen Gedanken: „Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt, dies ist eine fundamentale Tatsache unserer Existenz“92 ; oder: „Es gibt zwei Ordnungen, eine geistige und eine naturhafte: der Geist, das ist die Askese und die Form; die Natur, das ist der Mangel an Begrenzung.“93 Wie erklärt sich Benn jedoch das Phänomen des Geistes, daß so maßgeblich an der Entstehung von Kunst beteiligt ist? Hier macht sich bei ihm deutlich der Einfluß Max Schelers geltend, dessen metaphysische Konzeption des Geistes und dessen Gedanken eines Urseienden, aus dem zwei einander entgegengesetzte Prinzipien, Leben und Geist, hervorgehen, Benn bekannt waren.94 Er führt die Thesen Schelers 1930 in „der Aufbau der Persönlichkeit“ an, identifiziert sich jedoch nicht mit ihnen.95 Benn will zur Erklärung dessen, was man Funktionen des Geistes nennen könnte, offensichtlich vermeiden ein nicht-biologisch-ableitbares, metaphysisches Reich des Geistes zu proklamieren. Seine geistige Herkunft - Nietzsche - verbietet ihm diese metaphysische Ausflucht. Für Benn lassen sich die Funktionen des Geistes so erklären: Der Mensch ist in der Lage seiner Triebhaftigkeit Kräfte abzuringen, durch welche er vermag, die instinktiven Ordnungs- und Formprinzipien durch selbständig gestaltende zu ersetzen. Im Laufe dieses Aneignungsprozesses wird der Mensch ein der Gestaltung, ein der Kunst bedürftiges Wesen.96 So überführt Benn die Kunst aus dem Ästhetischen zum Anthropologischen. Sie ist dem Leben kein interessenlos Hinzutredendes, sondern - wie bei Nietzsche - die Antwort auf den europäischen Nihilismus - sie, die formende Kraft des menschlichen Lebens schlichtweg. Die Kunst wird zum anthropologischen Prinzip.97 Der daraus sich Ableitende Gegensatz von Geist und Leben ist nach Benn ein anthropologischer Tatbestand, denn: Leben ist die quasi-blinde Wucherung von voreilig sich kanalisierenden Trieben, als welche Benn die Wirklichkeit sieht. Das Prinzip Leben an sich ist ohne jegliches Maß, expansiv bis zum Kollaps. Instinkte: Lebensakkumulationsbahnen, vorschnelles Regulierungsprinzip, ohne ein Dahinterstehendes, ohne ein anderes Motiv als wieder das Leben. Leben und Geist, zwei völlig verschiedene Dinge.98 Das Wesen des Menschen ist deshalb nicht als ein aus seiner tierischen Natur ableitbares zu verstehen. In späteren Schriften orientiert sich Benn zunehmend an Arnold Gehlen, der seinen anthropologischen Ausführungen einen Gedanken Aristoteles’ zu Grunde legt: Der Mensch als „Mängelwesen“, daß sich seine Umwelt, die „Kulturwelt“ erst schaffen muß.99 Des Menschen Leben ist, wie Aristoteles sagt, nicht Gabe, sondern Aufgabe, mit Möglichkeit des Scheiterns. Das dem Menschen eigene Ordnungsprinzip ist ein geistiges, ein vom Leben gesondertes und losgelöstes, das einen ungleich weiteren Horizont an Möglichkeiten des Ausdrucks eröffnet: „konstruktiver Geist“.
4 Schlußbemerkung
Im Rahmen dieser Arbeit sollte nicht die Darstellung der Dichtungstheorie Benns in aller Ausführlichkeit angestrebt werden. Es ging vielmehr darum, das Wechselverhältnis oder die Abhängigkeit seiner Dichtungstheorie mit oder von seinem Menschenbild herauszustellen. Hierbei habe ich mich auf die Darstellung der wesentlichen Züge seiner Lehre und deren Verständnis vom Menschen beschränkt und wichtige Einflußgrößen im einzelnen angeführt. Eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen von ihm vertretenen Positionen und eine Problematisierung verschiedener von ihm vertretenen Standpunkte konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. So kann zum Beispiel Benn, aufgrund der grundsätzlichen Übereinstimmung hinsichtlich kunsttheoretischer Gesichtspunkte, als Nachfolger Nietzsches angesehen werden. Das Verständnis des Begriffs des Lebens und die aus ihm resultierenden Konsequenzen bei Benn sind jedoch mit denen Nietzsches zunächst nicht zu vereinbaren. Auf solche und andere Probleme, wie der Vereinbarkeit späterer Einflüsse, zum Beispiel Gehlens, mit früheren von ihm vertretenen Theorien vom Wesen des Menschen, konnte nicht mehr eingegangen werden.
Verzeichnis der Verwendeten Literatur
Benn, Gottfried: Gesammelte Werke in vier Bänden ; herausgegeben von Dieter Wellershoff; Limes Verlag, Wiesbaden, 1959. Band I, II, III und IV.
Gottfried Benn: „Das gezeichnete Ich - Briefe aus den Jahren 1900 - 1956“; Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1962.
Gottfried Benn: „Briefe an F.W. Oelze“; in drei Bänden, Limes Verlag, Wiesbaden und München, 1977 / 79 / 80.
Friedrich Nietzsche: „Der Wille zur Macht - Versuch einer Umwertung aller Werte“; Alfred Kröner Verlag (Taschenbuchausgabe Bd. 78) in Stuttgart, 13. Auflage, Stuttgart 1996.
Friedrich Nietzsche „Geburt der Tragödie“; Kröners Taschenbuch Verlag, Stuttgart 1955 - 56.
C.G. Jung: Seelenprobleme der Gegenwart“; Rascher Verlag Zürich, zweite Auflage 1932.
C.G. Jung: „Bewußtes und Unbewußtes“; Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, April 1986.
Max Scheler: „Die Stellung des Menschen im Kosmos“; Otto Reichl Verlag Stuttgart 1928/30.
Arnold Gehlen: „Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt“ ; 4. Auflage, AthenäumVerlag, Bonn 1950.
Levi-Bruhl: „ Das Denken der Naturvölker“ ; W. Braumüller Verlag, Wien und Leipzig, 1921.
Semi Meyer: „Probleme der Entwicklung des Geistes“ ; Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig 1913.
Gerlind F. Miller: „Die Bedeutung des Entwicklungsbegriffs für Menschenbild und Dichtungstheorie bei Gottfried Benn“ Peter Lang Verlag, New York - Berne - Frankfurt am Main - Paris, New York 1990.
Walter Lennig: „Gottfried Benn - Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten“; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg, 19. Auflage, Oktober 1997.
Reiner Speck: „Gottfried Benn und die Kunst“; Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig, Köln 1987.
Fritz Martini: „Das Wagnis der Sprache - Interpretation deutscher Prosa von Nietzsche bis Benn“; Ernst Klett Verlag Stuttgart, dritte Auflage 1958.
Bruno Hillebrand: Artistik und Auftrag - Zur Kunsttheorie von Benn und Nietzsche“; Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München 1966.
Theo Meyer: „Kunstproblematik und Wortkombinatorik bei Gottfried Benn“; Böhlau Verlag KölnWien 1971.
Meyers Grosses Taschen Lexikon in 24 Bänden; 3. Auflage 1990.
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1 Siehe Reiner Speck „Gottfried Benn und die Kunst“ ; Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig; Köln 1987.
2 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke in vier Bänden; herausgegeben von Dieter Wellershoff; Limes Verlag Wiesbaden, 1959; Band 4, S. 415 - 433 (Die Essays „Beitrag zur Geschichte der Psychatrie“, „Zur Geschichte der Naturwissenschaften“ und „Medizinische Psychologie“).
3 Siehe „Epilog und Lyrisches Ich“ ; Band 4, S. 9.
4 Siehe Band 2, S. 293.
5 Dieser Begriff steht bei Benn als Repräsentant der mechanistischen Forschungsrichtung und den impliziten erkenntnistheoretischen Konsequenzen.
6 Dies fällt allein schon durch den Gebrauch verschiedener auf Nietzsche zurückgehender Termini ins Auge: Siehe „Ithaka“ ; Band 2 ; S. 303: „Wir rufen Dionysos und Ithaka!“
7 Siehe Band 4 ; S. 179 - 187.
8 Siehe „Gespräch“ ; Band 4, S. 180.
9 Siehe Meyers Taschenlexikon, Mannheim 1990. 3
10 Siehe „Gottried Benn“, „mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Walter Lennig“ ; Rowohlt Taschenbuch Verlg GmbH, Reinbek bei Hamburg, 19. Auflage 1997; S. 32.
11 Siehe Friedrich Nietzsche „Geburt der Tragödie“ ; Kröners Taschenbuchausgabe, Stuttgart 1955 - 56; S. 71.
12 Siehe Bruno Hillebrand „Artistik und Auftrag - Zur Kunsttheorie von Benn und Nietzsche“ ; Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, München 1966.
13 Siehe Bruno Hillebrand; S. 164.
14 Siehe Bruno Hillebrand; S. 157.
15 Siehe Martin Heidegger „Nietzsche“; Band I,; S. 489.
16 Siehe Friedrich Nietzsche „der Wille zur Macht“ ; Alfrd Kröner Verlag in Stuttgart, 13. Auflage 1996; S. 578.
17 Siehe Martin Heidegger „Nietzsche“; Band I,; S. 155.
18 Siehe Martin Heidegger „Nietzsche“; Band I,; S. 500.
19 Siehe Friedrich Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; Alfred Kröner Verlag in Stuttgart, 13. Auflage 1996; S. 17.
20 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 22: „ Daß ich von Grund auf bisher Nihilist gewesen bin, das habe ich mir erst seit kurzem eingestanden ...“.
21 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S.16.
22 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 533.
23 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 533.
24 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 547.
25 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 543.
26 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 538.
27 Siehe Nietzsche „Der Wille zur Macht“ ; S. 40. 6
28 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Lebensweg eines Intellektualisten“ , Band 4; S. 56.
29 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Ithaka“ ; Band 2 ; S. 299.
30 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Diesterweg“ ; Band 2 ; S. 71. Benn zitiert dort Semi Meyer.
31 Siehe Semi Meyer „Probleme der Entwicklung des Geistes“ ; Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig, 1913.
32 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Das moderne Ich“ ; Band 1 ; S. 12.
33 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Nach dem Nihilismus“ ; Band 1 ; S. 153 - 155. 7
34 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Nach dem Nihilismus“ ; Band 1 ; S. 154.
35 Siehe Gerlinde F. Miller „Die Bedeutung des Entwicklungsbegriffs für das Menschenbild dun Dichtungstheorie bei Gottfried Benn“ ; Peter Lang Verlag, New York 1990; S.34. (Eine Meinung, die Benn nur im „Gespräch“ mit Überzeugung vertrat ; siehe G.B.; Gesammelte W. ; Band 4 ; S. 183.)
36 Siehe Anmerkung 33.
37 Siehe Semi Meyer „Probleme der Entwicklung des Geistes“ ; Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig, 1913; S.22.
38 Siehe Semi Meyer „Probleme der Entwicklung des Geistes“ ; S. 98.
39 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Die Insel“ ; Band 2 ; S. 45 -46. 8
40 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Das moderne Ich“ ; Band 1 ; S. 7-21, auch Nachträge von 1933, S. 601 - 609.
41 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke;„Zum Thema Geschichte“ ; Band 1 ; dort zu Darwinismus S. 385 - 87.
42 Siehe Gerlinde F. Miller „Die Bedeutung des Entwicklungsbegriffs für das Menschenbild dun Dichtungstheorie bei Gottfried Benn“ ; S. 70.
43 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Doppelleben“ ; Band 4 ; S. 72.
44 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 90.
45 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Urgesicht“ ; Band 2 ; S. 117. 9
46 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 102.
47 Siehe Gottfried Benn, Gesammelte Werke; „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 103.
48 Siehe „Die neu literarische Saison“ ; Band 1 ; S. 429.
49 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 103.
50 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 103.
51 Gottfried Benn, Briefe, Erster Band, „Briefe an F.W. Oelze 1932 - 1945 ; Limes Verlag Wiesbaden und München, 1977; S. 264.
52 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 91.
53 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 94. 10
54 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 97.
55 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 104.
56 Siehe „Irrationalismus und moderne Medizin“ ; Band 1 ; S. 145.
57 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 99.
58 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 79. 11
59 Siehe C. G. Jung „Geist und Leben“ in „Seelenprobleme“ ; S. 377.
60 Siehe Siegmund Freud „Traumdeutung“ ; S. 365.
61 Siehe C. G. Jung „Die Struktur der Seele“ in „Seelenprobleme“ ; S. 173.
62 Siehe C. G. Jung „Die Struktur der Seele“ in „Seelenprobleme“ ; S. 173.
63 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 81. 12
64 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 81.
65 Siehe „Akademie-Rede“ ; Band 1 ; S. 436.
66 Siehe oben S. 9.
67 Benn nennt den Titel „Das Denken der Primitiven“ ; Orginaltitel: „Les fonctions mentales dans les societes inferieures“ (Paris 1910).
68 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 76. 13
69 Siehe Levi-Bruhl „ Das Denken der Naturvölker“ ; W. Braumüller, Wien und Leipzig, 1921; S. 59.
70 Siehe Levi-Bruhl „ Das Denken der Naturvölker“ ; S. 344.
71 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 77.
72 Siehe „Zur Problematik des Dichterischen“ ; Band 1 ; S. 77, Benn zitiert hier Levi-Bruhl.
73 Siehe Levi-Bruhl „ Das Denken der Naturvölker“ ; S. 345.
74 Siehe „Antwort an die literarischen Emigranten“ ; Band 4 ; S. 239. 14
75 Siehe „Essays - Vorbemerkung“ ; Band 4 ; S. 407.
76 Siehe „Irrationalismus in der modernen Medizin“ ; Band 1 ; S. 148.
77 Siehe „Allexanderzüge mittels Wallungen“ ; Band 2 ; S. 106.
78 Siehe „Schöpferische Konfession“ ; Band 4 ; S. 188 - 189.
79 Siehe „Doppelleben“ ; Band 4 ; S. 136.
80 Siehe „Epilog und lyrisches Ich“ ; Band 4 ; S. 9f. 15
81 Siehe oben S. 2.
82 Siehe „Essays (Vorbemerkung)“ ; Band 4 ; S. 408.
83 Siehe „Gespräch“ ; Band 4, S. 180. Siehe auch oben S. 3.
84 Siehe „Doppelleben“ ; Band 4 ; S. 138.
85 Siehe „Lebensweg eines Intellektualisten“ ; Band 4 ; S. 50. 16
86 Siehe „Probleme der Lyrik“ ; Band 4 ; S. 506.
87 Siehe „Lebensweg eines Intellektualisten“ ; Band 4 ; S. 56 - 57.
88 Siehe „Dorische Welt“ ; Band 1 ; S. 293.
89 Siehe „Weinhaus Wolf“ ; Band 2 ; S. 132.
90 Siehe „Der Ptolemäer“ ; Band 2 ; S. 223 und „Weinhaus Wolf“ ; Band 2 ; S. 139.
91 Siehe „Weinhaus Wolf“ ; Band 2 ; S. 137.
92 Siehe „Doppelleben“ ; Band 4 ; S. 128.
93 Siehe „Sein und Werden“ ; Band 4 ; S. 256.
94 Siehe Max Scheler „Die Stellung des Menschen im Kosmos“ ; Otto Reichl Verlag Stuttgart 1928/30. 17
95 Siehe „Der Aufbau der Persönlichkeit“ ; Band 1 ; S. 103.
96 Siehe „Expressionismus“ ; Band 1 ; S. 247 - 248.
97 Siehe „Lebensweg eines Intellektualisten“ ; Band 4 ; S. 66.
98 Siehe „Doppelleben“ ; Band 4 ; S. 139.
99 Siehe Arnold Gehlen „Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt“ ; 4. Auflage, Athenäum-Verlag Bonn, 1950.
- Arbeit zitieren
- Raphael Haardt (Autor:in), 2000, Verständnis des Menschen bei Benn, als Grundlage seiner Kunst- und Dichtungstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96557
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