Gebraucht man das Wort ,,Gebärde“ in heutiger Zeit, so meint man schlicht jene Bewegungen von Gesicht und Händen, durch die unbewußt oder bewußt Gefühle ausgedrückt werden. Anders war dies im Mittelalter. Damals umfaßte der Begriff viel mehr. Der althochdeutsche Begriff 'gibärida' ist eine Ableitung des germanischen 'gabärian', was soviel heißt wie ,sich traurig gebärden, rufen, klagen´. Der Begriff beschreibt damit das Benehmen, Aussehen und Wesen des Menschen; allgemein also seine Haltung, die stets Ausdruck des Innern ist.
Neben den Gebärden des Körpers, also z.B. der Hände, Finger oder Beine, gibt es die sogenannten Lautgebärden, die auch im Mittelalter schon klar von der geformten Sprache unterschieden worden sind. In einer Rechtsquelle von 1290 wird diese Unterscheidung ganz explizit angesprochen: Dort ist von "(...) gemachten worten und geberden" (Basel, 1290) die Rede. Mit dieser Aussage wird bereits die große Bedeutung der Gebärden für das mittelalterliche Recht angedeutet. Sie traten neben die gesprochenen Wörter und sollten den rechtlichen Vorgang bekräftigen, der erst durch sie auch gesehen werden konnte. Sie brachten eine bestimmte Haltung der Parteien zum Ausdruck, die deren Sitte und Herkommen entsprach.
Das Recht wird im Mittelalter häufig als Rechtshandlung betrieben. Im Sachsenspiegel des Eike von Repgow etwa wird der Begriff ,,recht“ fast immer im Zusammenhang mit Handlungen innerhalb des Gerichtsverfahrens, also mit Prozeßhandlungen benutzt, selten im Zusammenhang mit materiellem Recht. Derartige Rechtshandlungen kommen z.B. durch die Handgebärden im Lehensrecht zum Ausdruck. Durch das gegenseitige Reichen der Hände soll die Verbindung offensichtlich gemacht werden. Dabei sind meist Zeugen anwesend, die die Rechtsakte beobachten und damit eine lebende Erinnerung (living memory) aufrechterhalten.
Alles in allem läßt sich festhalten, daß die Gebärden im mittelalterlichen Recht auch deshalb eine so große Rolle spielten, da dieses viel stärker auf die beteiligten Personen, weniger auf die Rechtssache bezogen war. Die Person wurde grundsätzlich als genossenschaftliches Wesen angesehen, als Teil der Sippe; deshalb auch die Anwesenheit von Zeugen im Lehnverfahren, die die Gemeinschaft abbilden sollten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Bedeutung der Körpergebärden im mittelalterlichen Recht
- Hauptteil: Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels
- Zur Einführung: Kurz Geschichte des Sachsenspiegels
- Übersicht über die Handgebärden in den Bilderhandschriften
- Die Redegebärden
- Hinweisende Gebärden
- Darstellende Gebärden
- Schlußbetrachtung: Gebärden heute - Rückzug oder Revival?
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Bedeutung von Körpergebärden im mittelalterlichen Recht, exemplarisch dargestellt an den Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels. Die Arbeit untersucht die Rolle von Gebärden im mittelalterlichen Rechtsverständnis und analysiert die verschiedenen Arten von Handgebärden, die in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels dargestellt werden.
- Die Bedeutung von Gebärden im mittelalterlichen Recht
- Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels
- Die verschiedenen Arten von Handgebärden
- Die Bedeutung von Handgebärden für die Rechtspraxis
- Die Bedeutung von Handgebärden in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Bedeutung von Körpergebärden im mittelalterlichen Recht und stellt den Begriff „Gebärde" im Kontext der damaligen Zeit dar. Sie zeigt, dass Gebärden nicht nur unbewusste Ausdrucksformen waren, sondern auch eine wichtige Rolle im rechtlichen Prozess spielten. Die Gebärden sollten den rechtlichen Vorgang bekräftigen und die Haltung der Parteien zum Ausdruck bringen.
Der Hauptteil der Arbeit widmet sich den Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels. Zunächst wird die Geschichte des Sachsenspiegels kurz dargestellt, bevor die verschiedenen Arten von Handgebärden, die in den Bilderhandschriften vorkommen, analysiert werden. Dazu werden die Redegebärden, hinweisende Gebärden und darstellende Gebärden genauer betrachtet. Die Arbeit zeigt, dass die Handgebärden im Sachsenspiegel eine komplexe und vielschichtige Bedeutung hatten, die sich sowohl auf die Rechtssache als auch auf die beteiligten Personen bezog.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Körper im mittelalterlichen Recht, Handgebärden, Bilderhandschriften, Sachsenspiegel, Rechtsgeschichte, Rechtssprache, mittelalterliche Kultur, Rechtspraxis, Rechtsverständnis, symbolische Kommunikation, nonverbales Verhalten, Geschichte der Gebärdensprache.
- Arbeit zitieren
- Simone Schroth (Autor:in), 1999, Der Körper im mittelalterlichen Recht - Exemplarisch dargestellt an den Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9647
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.