Die Arbeit greift ein altes, seit Kurzem wieder hoch aktuelles Thema der Pädagogik auf: Die soziale Selektivität von Bildung und Erziehung und die Möglichkeit der Herstellung von mehr Gleichheit der Lebenschancen durch Bildung. Insbesondere für die Erwachsenenbildung, die seit Langem mit Begriffen der „doppelten Selektivität“ bzw. der „Weiterbildungsschere“ zu kämpfen hat, stellt das Erreichen und die soziale Integration bildungsfernerer Zielgruppen weiterhin eine Herausforderung dar. Im Folgenden wird in den Vordergrund gestellt, dass die Ungleichheit der Lernenden eine ungleiche Pädagogik erfordert, wenn mehr Gleichheit das Ziel sein soll.
Der Titel „Pierre Bourdieu’s Theoriewerk. Eine Einladung zu reflexiver (Erwachsenen-)Pädagogik“ spiegelt dabei die zentralen Elemente wieder, die zur Auseinandersetzung mit dieser Problematik dienen. Mit Pierre Bourdieu widme ich mich einem selbsternannten Soziologen, der mit seinem gesamten Theoriewerk eine Methode der pädagogischen Aufklärung zur Verfügung gestellt hat. Eine Annäherung der Erwachsenenbildung an Bourdieus Werk findet durch die Betrachtung des Verhältnisses von Soziologie und Erwachsenenbildung als pädagogische Disziplin statt. Kapitel 2 widmet sich dieser neu aufgeflammten Debatte, die zu den einschlägigen wissenschaftsdisziplinären Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts gehört. Gerade die Wissenschaft der Erwachsenenbildung (als Teilbereich der Erziehungswissenschaften) ist vergleichsweise jung und in vielfältiger Weise auf Bezugswissenschaften wie die der Soziologie angewiesen. Durch die fortwährende inhaltliche Überschneidung von Pädagogik und Soziologie konnten sich explizite Wissenschaften etablieren, die als pädagogische Soziologie oder Bildungssoziologie Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs gehalten haben.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ausgangspunkt: Soziale Selektivität im (Erwachsenen-)Bildungssystem
- 2. Zum Verhältnis von Soziologie und Erwachsenenbildung
- 2.1 Die Soziologie als Partialtheorie der Erwachsenenbildung
- 2.2 Konkretisierung in Sozialisationstheorie, Jugendforschung und Musikpädagogik
- 2.3 Pädagogische Soziologie vs. Bildungssoziologie
- 2.4 Konsequenzen für die Erwachsenenbildung
- 3. Zur Person Pierre Bourdieu
- 4. Das Theoriewerk Pierre Bourdieus
- 4.1 Praxeologischer Ansatz
- 4.2 Die Rahmenbedingungen der Habitusgenese
- 4.2.1 Kapital
- 4.2.2 Sozialer Raum
- 4.3 Habitus
- 4.3.1 Primäre Sozialisation durch Familie und Milieu
- 4.3.2 Klassenspezifischer Habitus
- 4.3.3 Sekundäre Sozialisation durch Bildungsinstitutionen
- 4.4 Veränderung der Reproduktionsstrategien der Eliten
- 4.5 Kulturelle Reproduktion der Eliten in Deutschland
- 4.6 Zwischenfazit
- 4.7 Die Rolle der Erwachsenenbildung zur Reproduktion sozialer Ungleichheit
- 4.7.1 Weiterbildungsquoten in Deutschland – AES-Trendbericht 2016
- 4.7.2 Fahrstuhleffekt in der Erwachsenen-/Weiterbildung
- 5. Überleitung - Das Habituskonzept im pädagogischen Diskurs
- 6. Habitustransformation
- 6.1 Zur Veränderbarkeit des Habitus
- 6.2 Lerngründe – Auslöser für Habitustransformationen
- 6.3 Ambivalenzen von Habitustransformationen
- 7. Zielgruppenplanung als Instrument zur Abwendung sozialer Ungleichheit
- 7.1 Zur Problematik des Zielgruppenbegriffs
- 7.2 Soziale Milieuforschung
- 7.2.1 Klassen, Schichten und Milieus in der Erwachsenenbildungsforschung
- 7.2.2 Soziale Milieus als Zielgruppen der Erwachsenenbildung
- 7.2.3 Zur Studie, Soziale Milieus und Weiterbildung in Deutschland'
- 7.2.4 Kritische Diskussion der milieubasierten Zielgruppenorientierung
- 8. Zur Notwendigkeit einer reflexiven Pädagogik
- 8.1 Habituelles Anerkennen sozialer Ungleichheit im Bildungssystem
- 8.2 Reflexive Pädagogik – pädagogische Reflexivität
- 8.2.1 Starke Bildungsstandards zur Abwendung sozialer Bildungsungleichheit
- 8.2.2 Habitussensibilität als professionelle Kompetenz
- 8.2.3 Exkurs: Bourdieus Kritik am legitimen Bildungsbegriff
- 8.2.4 Zur Umsetzbarkeit einer reflexiven Pädagogik
- 9. Zusammenfassung und Fazit
- 10. Forschungsdesiderate
- 11. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der sozialen Selektivität im Bildungssystem, insbesondere der Erwachsenenbildung, und untersucht die Möglichkeiten, durch Bildung mehr Gleichheit der Lebenschancen zu schaffen. Sie widmet sich dem Theoriewerk von Pierre Bourdieu und betrachtet dessen Relevanz für eine reflexive (Erwachsenen-)Pädagogik.
- Soziale Selektivität in der Erwachsenenbildung und die Herausforderung der Integration bildungsferner Zielgruppen
- Bourdieus Theorie der Reproduktion sozialer Ungleichheit durch Kapital und Habitus
- Die Rolle der Erwachsenenbildung bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit
- Die Möglichkeit der Habitustransformation und die Relevanz von Zielgruppenplanung
- Die Notwendigkeit einer reflexiven Pädagogik, um soziale Ungleichheit im Bildungssystem zu bekämpfen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1 führt in das Thema der sozialen Selektivität im Bildungssystem ein und stellt die Herausforderung der Erwachsenenbildung im Kontext der "doppelten Selektivität" dar.
- Kapitel 2 beleuchtet das Verhältnis von Soziologie und Erwachsenenbildung und erörtert die Bedeutung der pädagogischen Soziologie bzw. Bildungssoziologie für die Erwachsenenbildung.
- Kapitel 3 gibt einen Überblick über das Leben und Werk von Pierre Bourdieu.
- Kapitel 4 analysiert Bourdieus Theorie der Reproduktion sozialer Ungleichheit, die auf den Begriffen Kapital und Habitus basiert, und zeigt die Relevanz dieser Theorie für die Erwachsenenbildung auf.
- Kapitel 5 diskutiert die Übertragung des Habituskonzepts auf den pädagogischen Diskurs.
- Kapitel 6 untersucht die Möglichkeiten der Habitustransformation und die Rolle von Lerngründen in diesem Prozess.
- Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Zielgruppenplanung als Instrument zur Abwendung sozialer Ungleichheit und beleuchtet die Problematik des Zielgruppenbegriffs im Kontext der Sozialen Milieuforschung.
- Kapitel 8 argumentiert für die Notwendigkeit einer reflexiven Pädagogik, die die habituellen Mechanismen der Reproduktion sozialer Ungleichheit im Bildungssystem bewusst macht und pädagogische Handlungsmöglichkeiten eröffnet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen der sozialen Selektivität, Erwachsenenbildung, Pierre Bourdieu, Habitus, Kapital, soziale Ungleichheit, Reproduktion, Habitustransformation, Zielgruppenplanung und reflexive Pädagogik. Die Arbeit befasst sich mit der Anwendung der soziologischen Theorie auf die pädagogische Praxis und analysiert die Herausforderungen der Gestaltung einer gerechteren Bildung für alle.
- Arbeit zitieren
- Nikolas Welte (Autor:in), 2018, Pierre Bourdieus Theoriewerk. Eine Einladung zu reflexiver (Erwachsenen-)Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/963103