Einen geeigneten theoretischen Ausgangspunkt für diese Analyse bildet die Theorie optimaler Währungsräume, welche auch für die Einführung des Euros als wissenschaftliches Fundament diente. In Kapitel 2 wird diese Theorie vorgestellt und auf deren Kriterien für die Einschätzung der Optimalität eines Währungsraumes eingegangen. Insbesondere dadurch, dass diese Kriterien vor dem Hintergrund eines ökonomischen Schocks betrachtet werden, besitzt die Theorie eine hohe Relevanz für die aktuelle wirtschaftliche Krise im Euroraum. Unter Ökonomen, die die Optimalität des Euroraums untersuchten, herrscht eine relativ hohe Einigkeit darüber, dass dieser zum Zeitpunkt seiner Gründung nicht als optimaler Währungsraum einzustufen war.
Ob sich der Euroraum im Zeitverlauf und insbesondere nach der Finanzkrise 2008 zu einem optimalen Währungsraum entwickelt hat, bleibt dagegen unklar und ist deshalb ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Bedeutsam für die Beantwortung dieser Frage ist dabei, ob eine ökonomische Konvergenz zwischen den Mitgliedsländern stattgefunden hat. Dies soll anhand der Parameter fiskalische Integration, Konjunktur, Inflationsrate und Wettbewerbsfähigkeit literarisch deskriptiv analysiert werden und ergänzt werden mit eigenen quantitativen Untersuchungen, die auf Daten von Eurostat basieren. Die Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume sind dabei wesentlich für die Kontextualisierung und die Interpretation dieser Parameter. Die Konvergenzparameter von Kapitel 3 werden stets auf zwischenstaatlicher Ebene verglichen. Da zwischen den PIIGS-Staaten und Deutschland im Euroraum die stärksten volkswirtschaftlichen Unterschiede zu erwarten sind, bildet ein Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder einen zentralen Bestandteil der Untersuchung. Im Kontext der Analyse der Konvergenz der Mitgliedsländer sollen schwerwiegende, wirtschaftliche Probleme des Euroraums aufgezeigt werden. Ausgehend von den aufgezeigten Symptomen von Ungleichgewichten soll nach deren tieferliegenden Ursachen geforscht werden, um den Kern der beleuchteten Probleme des Euroraums möglichst genau zu identifizieren.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Theorie optimaler Währungsräume
2.1 Grundlagen
2.1.1 Definitionen
2.1.2 Fixierte und flexible Wechselkurssysteme
2.2 Kriterien
2.2.1 Faktormobilität
2.2.2 Der volkswirtschaftliche Offenheitsgrad
2.2.3 Fiskalische Integration
2.2.4 Diversifikation der Produktion
2.2.5 Glaubwürdigkeit der Geldpolitik
2.2.6 Inflationspräferenzen der Mitgliedsländer
2.3 Zusammenfassung
3 Ökonomische Konvergenz im Euroraum
3.1 Grundlagen
3.1.1 Endogenitäts-Hypothese und ökonomische Konvergenz
3.1.2 Der Euroraum als Währungsraum
3.2 Vertragliche Vereinbarungen zur fiskalischen Integration
3.2.1 Der Vertrag von Maastricht und der AEU-Vertrag
3.2.2 Der Stabilitäts- und Wachstumspakt
3.2.3 Der Euro-Rettungsschirm
3.2.4 Das Europäische Semester
3.3 Konjunktur
3.4 Inflationsrate
3.5 Wettbewerbsfähigkeit
4 Die EZB
4.1 Organisationsstruktur
4.2 Preisniveaustabilität und Determinanten des Geldwerts
4.3 Unabhängigkeitsgebot
4.4 Rechenschaftspflicht und Transparenz
4.5 Instrumentarium
4.6 Zentrale Aspekte der expansiven Geldpolitik
4.6.1 Niedrigzinspolitik
4.6.2 Monetäre Staatsfinanzierung
5 Konklusion
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf (€)
Abbildung 2: Inflationsraten (%)
Abbildung 3: Varianz der Inflationsraten der Euro-12
Abbildung 4: Inflationsraten (%) der PIIGS-Staaten
Abbildung 5: Offenheitsgrad (%) im Euroraum
Abbildung 6: Arbeitslosenquoten (%)
Abbildung 7: Geldwert im Angebot- und Nachfragemodell
Abbildung 8: Leitzinsen (%) im Euroraum
Abkürzungsverzeichnis
AEUV: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
EG: Europäische Gemeinschaft
ESM: Europäischer Stabilitätsmechanismus
ESZB: Europäisches System der Zentralbanken
EZB: Europäische Zentralbank
HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex
IWF: Internationaler Währungsfonds
PIIGS: Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien
1 Einleitung
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise stellen den Euroraum aktuell vor enorme ökonomische und politische Herausforderungen, die die Stabilität des Euroraums als Währungsraum auf die Probe stellen. Als Reaktion auf die Krise wurden Hilfsmaßnahmen auf europäischer Ebene in einer Höhe von über 1000 Mrd. Euro getätigt, wobei in dieser Summe die massiven, nationalen Hilfsprogramme noch nicht berücksichtigt sind (vgl. Bundesfinanzministerium 2020a). Die gespaltene Reaktion der Öffentlichkeit auf diese Hilfspakete spiegelt wider, dass es an Erfahrungswerten mit einer Pandemie dieses Ausmaßes in einer globalisierten Welt mangelt, um einen, unter ethischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, angemessen politischen Umgang mit der Situation zu finden. Die bereits vor der Krise existierenden Probleme lassen sich dagegen anhand bestehender wissenschaftlicher Theorien und empirischer Daten untersuchen, um Empfehlungen an die Politik formulieren zu können. Einige der zentralen, aktuellen Probleme des Euroraums, wie die konjunkturelle Schwäche oder die ausufernde Staatsverschuldung einiger Mitgliedsstaaten, wurden schließlich durch die Corona- Krise lediglich verschärft, existierten aber bereits vor dem Ausbruch der Pandemie. Um adäquate, langfristig tragbare geldpolitische und fiskalpolitische Strategien im Umgang mit diesen Problemen zu finden, die der Zufriedenheit der Bürger und der Stabilität des Euroraums dienen, scheint daher eine fundierte Analyse der bereits vor der Krise existierenden ökonomischen Ungleichgewichte sinnvoll.
Einen geeigneten theoretischen Ausgangspunkt für diese Analyse bildet die Theorie optimaler Währungsräume, welche auch für die Einführung des Euros als wissenschaftliches Fundament diente. In Kapitel 2 wird diese Theorie vorgestellt und auf deren Kriterien für die Einschätzung der Optimalität eines Währungsraumes eingegangen. Insbesondere dadurch, dass diese Kriterien vor dem Hintergrund eines ökonomischen Schocks betrachtet werden, besitzt die Theorie eine hohe Relevanz für die aktuelle wirtschaftliche Krise im Euroraum. Unter Ökonomen, die die Optimalität des Euroraums untersuchten, herrscht eine relativ hohe Einigkeit darüber, dass dieser zum Zeitpunkt seiner Gründung nicht als optimaler Währungsraum einzustufen war (vgl. Mongelli 2008, S. 1). Ob sich der Euroraum im Zeitverlauf und insbesondere nach der Finanzkrise 2008 zu einem optimalen Währungsraum entwickelt hat, bleibt dagegen unklar und ist deshalb ein wesentlicher Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Bedeutsam für die Beantwortung dieser Frage ist dabei, ob eine ökonomische Konvergenz zwischen den Mitgliedsländern stattgefunden hat. Dies soll anhand der Parameter fiskalische Integration, Konjunktur, Inflationsrate und Wettbewerbsfähigkeit literarisch deskriptiv analysiert werden und ergänzt werden mit eigenen quantitativen Untersuchungen, die auf Daten von Eurostat basieren (vgl. Kap. 3). Die Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume sind dabei wesentlich für die Kontextualisierung und die Interpretation dieser Parameter. Die Konvergenzparameter von Kapitel 3 werden stets auf zwischenstaatlicher Ebene verglichen. Da zwischen den PIIGS-Staaten und Deutschland im Euroraum die stärksten volkswirtschaftlichen Unterschiede zu erwarten sind, bildet ein Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder einen zentralen Bestandteil der Untersuchung. Im Kontext der Analyse der Konvergenz der Mitgliedsländer sollen schwerwiegende, wirtschaftliche Probleme des Euroraums aufgezeigt werden. Ausgehend von den aufgezeigten Symptomen von Ungleichgewichten soll nach deren tieferliegenden Ursachen geforscht werden, um den Kern der beleuchteten Probleme des Euroraums möglichst genau zu identifizieren. Hierbei soll der Umgang der Fiskalpolitik (vgl. Kap. 3.2) und Geldpolitik (vgl. Kap. 4.6) mit der Problematik dargestellt und kritisch diskutiert werden. Kapitel 4.1 bis 4.5 beleuchten zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen der EZB, um anschließend logische, geldpolitische Zusammenhänge zu identifizieren. Auf Basis dieser Ergebnisse sollen Empfehlungen an Geldpolitik und Fiskalpolitik gegeben werden, die nicht nur als Reaktionen auf die aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen im Zuge der Corona-Krise zu verstehen sind. Stattdessen wird durch die Empfehlungen dieser Arbeit versucht, grundsätzliche Leitlinien zur Vermeidung zukünftiger und Handhabung aktueller wirtschaftlicher Probleme des Euroraums aufzustellen. Darauf aufbauend soll schließlich ein eigenes Lösungskonzept erarbeitet werden, das alternative fiskalpolitische und geldpolitische Strategien enthält. Dieser utopische Ansatz soll letztendlich dem Ziel dienen, politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum im Euroraum sowie eine Resilienz gegen ökonomische Schocks begünstigen und zu einem Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen Mitgliedsländern beitragen.
2 Die Theorie optimaler Währungsräume
2.1 Grundlagen
2.1.1 Definitionen
Ziel von Kapitel 2 ist die möglichst umfassende Nennung und Beschreibung jener Faktoren, die über die ökonomische Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Währungsraumes entscheiden. Die in der einschlägigen Literatur allgegenwärtige Theorie optimaler Währungsräume bietet für diesen Zweck einen geeigneten wissenschaftlichen Rahmen und nimmt eine dementsprechend zentrale Rolle in dieser Arbeit ein. Die Untersuchungen in Kapitel 2 bieten dabei ein Überblick über allgemeingültige ökonomische Eigenschaften von Währungsräumen sowie von deren Vor- und Nachteile.
Mongelli (2008, S.2) definiert einen optimalen Währungsraum als optimales geographisches Gebiet für eine Währung oder mehrere Währungen, deren Wechselkurse unwiderrufbar aneinander fixiert sind und einheitlich gegenüber anderen Währungen schwanken. Auch Mundell (1961, S. 657) unterscheidet im Rahmen der Definition eines Währungsraumes nicht zwischen Währungsräumen mit einer Währung und Währungsräumen mit mehreren, aneinander fixierten Währungen.
Optimalität ist in diesem Zusammenhang als das makroökonomische Ziel zu verstehen, ein internes und externes Gleichgewicht herzustellen, bzw. aufrechtzuerhalten. Ein internes Gleichgewicht herrscht dort, wo die ökonomischen Kosten im Spannungsfeld von Inflation und Arbeitslosigkeit am geringsten sind. Dagegen bezeichnet externes Gleichgewicht eine Situation, in der die Zahlungsbilanz innerhalb eines Währungsraumes und in Verbindung mit anderen Währungsräumen ausgeglichen ist (vgl. Kawai 1991, S. 526).
McKinnon (1963, S. 717) definiert einen Währungsraum dann als optimal, wenn er die drei, teilweise konkurrierenden, Ziele einer ausgeglichenen Handelsbilanz, Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität innerhalb des Währungsraums bestmöglich erfüllt.
2.1.2 Fixierte und flexible Wechselkurssysteme
Ziel von Kapitel 2.1.2 ist, die Theorie optimaler Währungsräume thematisch einzuordnen und dabei grundsätzliche Vor- und Nachteile von fixierten Wechselkurssystemen gegenüber flexiblen Wechselkurssystemen zu skizzieren.
Die Theorie optimaler Währungsräume entstand im Kontext einer Debatte darüber, ob Systeme fixierter Wechselkurse gegenüber flexiblen Wechselkurssystemen zu bevorzugen wären (vgl. Kawai 1991, S. 526).
Grundsätzlich wird als Hauptargument für flexible Wechselkurse der Aspekt genannt, dass wirtschaftlich schwache Länder in Systemen flexibler Wechselkurse durch eine Abwertung ihrer Währung die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportwirtschaft erhöhen können. Ein System fester Wechselkurse wäre dabei nur dann sinnvoll, wenn exogene Schocks über Anpassungen der Preise und Löhne ausgeglichen werden könnten. Da Preise und Löhne in der Realität jedoch relativ fixiert seien, können exogene Schocks zu Ungleichgewichten führen, die das Wechselkurssystem gefährden können (vgl. Friedman 1953, S. 165 ff.).
Mundell (1973, S. 115) kritisiert die Annahme, dass Löhne (auf Grund von festgeschriebenen Tarifverträgen) und Preise (wegen einer Ablehnung von Preiserhöhungen in von Schocks getroffenen Regionen) unflexibel seien als unrealistisch. Stattdessen fasst er den Ausgleich asymmetrischer Schocks über Wechselkursanpassungen als Argument gegen flexible Wechselkurse zwischen den beteiligten Ländern auf. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass er der Wirkung von Wechselkursanpassungen hinsichtlich einer Verschlechterung der Handelsbedingungen gegenüber dem Effekt der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft des jeweiligen Landes eine höhere Bedeutung beimisst.
Trotz Mundells Kritik spielt Friedmans Abhandlung über die Nach- und vor allem Vorteile flexibler Wechselkurse, zusammen mit Arbeiten von Meade (1957) und Scitovsky (1958), eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Theorie optimaler Währungsräume. Seine Grundidee, dass es universell anwendbare ökonomische Richtlinien gibt, die darüber entscheiden, ob eine gemeinsame Währung für eine volkswirtschaftliche Einheit von Vorteil ist, bildet den Ausgangspunkt für die, von Mundell (1961), McKinnon (1963) und Kenen (1969) formulierte, „klassische“ Theorie optimaler Währungsräume. Für seinen, 1961 veröffentlichten, wegbereitenden Beitrag zur Theorie optimaler Währungsräume gewann Mundell 1999 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Auch mit späteren Veröffentlichungen lieferte er eine wissenschaftliche Grundlage für die Einführung des Euro (vgl. McKinnon 2000, S. 1).
2.2 Kriterien
2.2.1 Faktormobilität
Das Kriterium der Faktormobilität beschreibt die geographische und industrieübergreifende Mobilität von Arbeitskräften und Kapital als Reaktion auf einen asymmetrischen Schock.
Um eine optimale Region für einen Währungsraum festzulegen, argumentiert Mundell mit dem Ricardianischen Prinzip der Faktormobilität: Wenn innerhalb eines Währungsraums hohe Faktormobilität vorherrscht, könne ein System flexibler Wechselkurse zwischen Regionen funktionieren. Grundgedanke hierbei ist, dass Arbeitskräfte aus einer Region A, in der in Folge des asymmetrischen Schocks eine hohe Arbeitslosigkeit vorliegt, in jene Region B auswandern, in der Inflationstendenzen herrschen. Dadurch profitiert Region A in Form einer Abwanderung überschüssiger Arbeitskräfte. Die neu dazugekommenen Arbeitskräfte steigern nun in Region B die volkswirtschaftliche Produktionskapazität, was einerseits zu einer Neutralisierung des Inflationsdrucks führt und andererseits das Ungleichgewicht in der Handelsbilanz wieder ausgleicht. Weiterhin folgert Mundell aus seinen Untersuchungen, dass Währungsräume umso eher Regionen mit hoher interner Faktormobilität entsprechen, je kleinteiliger die Einteilung der Welt in Währungsräume erfolgt. Demgegenüber steht das Argument, dass der Nutzen von Geld mit der Größe des Raumes, in dem es als Zahlungsmittel verwendet werden kann, zunimmt (vgl. Mundell 1961, S. 661 f.).
Kenen (1969, S. 48) fügt an, dass sich die Faktormobilität auf den jeweiligen Währungsraum beschränken soll, während eine hohe externe Faktormobilität eher ein Argument gegen den jeweiligen Währungsraum darstellt.
Kawai betont, dass die Mobilität von Arbeitskräften üblicherweise auf kurze Sicht niedrig ist. Deshalb sei diese effektiver, um anhaltende Ungleichgewichte auszugleichen, während die Mobilität von Finanzkapital als Vehikel zum Ausgleich kurzfristiger Ungleichgewichte effektiver sei (vgl. Kawai 1991, S. 528).
Zudem ergänzt McKinnon, dass Faktormobilität nicht nur geographisch verstanden werden kann, sondern auch industrieübergreifend. Ist der Industriezweig, dessen Erzeugnisse einen Nachfrageschock erleiden, mit relativ wenig Aufwand in der Region, die diese Erzeugnisse importiert, entwickelbar, wäre eine Auswanderung von Arbeitskräften nicht nötig, um ein neues Gleichgewicht herzustellen (vgl. McKinnon 1963, S. 724).
2.2.2 Der volkswirtschaftliche Offenheitsgrad
McKinnon entwickelt Mundells Konzept der Optimalität eines Währungsraums weiter, indem er das Kriterium der Offenheit einer Volkswirtschaft mit in Erwägung zieht. Dafür teilt er die Güter einer Volkswirtschaft in die Kategorien handelbare Güter und nicht handelbare Güter ein und nimmt eine weitere Unterscheidung zwischen importierbaren, handelbaren Gütern und exportierbaren, handelbaren Gütern vor (vgl. McKinnon 1963, S. 717).1
Der Autor erforscht den Einfluss von fixierten und flexiblen Wechselkurssystemen auf eine große, relativ geschlossene Volkswirtschaft. Diesen vergleicht er mit dem Einfluss des Wechselkurssystems auf eine kleine, relativ offene Volkswirtschaft. Seine theoretischen Untersuchungen ergeben, dass es tendenziell für kleine, relative offene Volkswirtschaften sinnvoller ist, einen Währungsraum zu bilden, während es für große, relativ geschlossene Volkswirtschaften von Vorteil ist, die eigene, frei fluktuierende Währung beizubehalten. Dies begründet er damit, dass sich offene, kleine Volkswirtschaften tendenziell durch einen hohen Anteil an handelbaren Gütern (im Verhältnis zu nicht handelbaren Gütern) auszeichnen. Seiner Argumentation zufolge würde in einer solchen Volkswirtschaft eine Abwertung der eigenen Währung zu einer relativen Preissteigerung der handelbaren Güter führen. Durch die Offenheit der Volkswirtschaft hätte dies eine signifikante Minderung der Kaufkraft der Bevölkerung zur Folge. Damit wäre das Ziel der Preisniveaustabilität innerhalb eines Währungsraums klar verfehlt. Durch dieselbe Argumentationskette lässt sich umgekehrt begründen, dass eine Abwertung für eine große, relativ geschlossene Volkswirtschaft weniger gravierende Folgen auf die Kaufkraft der Bevölkerung hätte (vgl. ebda., S.719 ff.).
2.2.3 Fiskalische Integration
Wie McKinnon (1963, S. 719 f.) folgt auch Kenen (1969, S.42) Mundells Ausgangssituation eines Nachfrageschocks als Bedrohung für die Wirtschaftskraft und Stabilität einer Region. Als drittes und viertes Kriterium der Theorie optimaler Währungsräume bezieht er die fiskalische Integration und Diversifikation mit ein.
Grundidee des Kriteriums der fiskalischen Integration ist, dass ein Steuersystem, das den gesamten Währungsraum umfasst, makroökonomische Ungleichgewichte teilweise kompensieren soll. Regionen innerhalb eines Währungsraums, die auf Grund ihrer industriellen Struktur von einem asymmetrischen Schock profitieren, sollen demnach Ausgleichszahlungen tätigen. Diese wären also jene Regionen, deren vorwiegend hergestellte Produkte in Folge des Nachfrageschocks verstärkt nachgefragt werden. Mit Hilfe dieser Ausgleichszahlungen soll in den Regionen, deren Erzeugnisse durch den Schock weniger nachgefragt werden, eine starke Herabsetzung des verfügbaren Einkommens, bzw. ein Anstieg der Arbeitslosigkeit vermieden werden. Andererseits wären jene Regionen, in denen die Steuern erhöht werden, dazu in der Lage, die steuerliche Benachteiligung zu kompensieren, da diese Regionen wirtschaftlich vom asymmetrischen Schock profitieren. Die Koordination der steuerlichen Redistribution sieht der Autor als eine der Hauptaufgaben der Fiskalpolitik. Jedoch soll dieses Konzept der Solidarität lediglich temporär angewandt werden, bis sich die Auswirkungen des asymmetrischen Nachfrageschocks wieder normalisiert haben (vgl. Kenen 1969, S. 47).
An dieser Stelle unterscheiden sich seine Ansichten von der Auffassung von Fleming, der auch dauerhafte Ausgleichszahlungen im Rahmen einer fiskalischen Integration für sinnvoll erachtet. Sind die in diesem Zusammenhang beschriebenen Regionen mit Ländern eines Währungsraums gleichzusetzen, können wirtschaftlich verhältnismäßig schwache Länder mit Hilfe der Ausgleichszahlungen Defizite im Staatshaushalt und in der Handelsbilanz ausgleichen (vgl. Fleming 1971, S. 483).
Kenen betont hingegen, dass es auf Grund ökonomischer und politischer Gründe unwahrscheinlich wäre, dass wirtschaftliche stärkere Länder dauerhaft Ausgleichszahlungen an Defizitländer zustimmen würden. Um ein solches Szenario zu vermeiden sollen Länder, deren Staatsdefizite2 sehr unterschiedlich hoch sind, keinen gemeinsamen Währungsraum bilden. Genügend Ähnlichkeit, hinsichtlich der Staatshaushaltslage, solle deshalb entweder bereits vor der Bildung eines gemeinsamen Währungsraumes oder innerhalb eines kurzen Zeitraums nach der Bildung bestehen (vgl. Kenen 1969, S. 48).
2.2.4 Diversifikation der Produktion
Kenen rückt zudem die industrielle Struktur von Volkswirtschaften in den Vordergrund und führt zusätzlich zum Kriterium der fiskalischen Integration das Kriterium der Diversifikation ein. Die entsprechende Theorie besagt, dass Länder, die einem Währungsraum beitreten möchten, über möglichst diversifizierte Volkswirtschaften verfügen sollen. Die Begründung ist, dass mit einer höheren Bandbreite an Erzeugnissen einer Volkswirtschaft die Auswirkungen eines asymmetrischen Schocks weniger gravierend ausfallen würden. Wenn ein Schock lediglich einen Industriezweig betrifft, sind die Auswirkungen des Schocks umso drastischer, je stärker ein Land von der Produktion dieses Guts abhängt. Wenig diversifizierte Volkswirtschaften sind deshalb wesentlich stärker abhängig von der Möglichkeit, Nachfrageschocks über flexible Wechselkurse auszugleichen (vgl. Kenen 1969, S. 59).
Größere Wirtschaftsräume können zu einer stärkeren Diversifikation der Produkte in der Betrachtung des gesamten Wirtschaftsraums führen, weil größere Märkte in mehrere, kleine Teilmärkte unterteilt werden können, um unterschiedlichen Präferenzen der Konsumenten gerecht zu werden (vgl. Krugman, 1979, S. 470 ff.).
Auf regionaler Ebene unterstützen dagegen empirische Daten aus der US-Ökonomie der 1970er Jahre die Annahme, dass die Förderung der wirtschaftlichen Integration (welche Folge der Bildung eines Währungsraumes sein kann) zu einer Abnahme der Diversifikation der Produktion führt. Dadurch würden regionale Exporte anfälliger für asymmetrische Schocks. Da in großflächigen Währungsräumen die Möglichkeit zu flexibler Wechselkurspolitik oder Geldpolitik auf regionaler Ebene fehlt, müsste auf die Migration von Arbeitskräften oder fiskalpolitische Maßnahmen zurückgegriffen werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken (vgl. Krugman 1993, S. 247 ff.). Die ökonomischen Kosten solcher Schocks wären ohne einen fiskalischen Ausgleichsmechanismus höher (vgl. ebda., S. 258).
2.2.5 Glaubwürdigkeit der Geldpolitik
Frankel (1999, S. 11) ergänzt die Theorie optimaler Währungsräume durch das Kriterium der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Wenn eine (nationale) Zentralbank ihre Geldpolitik unbeachtet von internationalen Akteuren gestalten kann, kann diese Geldpolitik dazu tendieren, Inflation zu verursachen. Um möglichst gleichbleibende wirtschaftliche Rahmenbedingungen und in der Folge mehr Transaktionen und internationalen Handel zu erhalten, sind aber konstant niedrige Inflationsraten nötig (vgl. Fleming 1971, S. 473). Die Bedeutung dieses Kriteriums zeigt sich insbesondere vor dem geschichtlichen Hintergrund, dass Zentralbanken verschiedener Länder ihr Monopol für die Geldschaffung oftmals missbrauchten und zu Gunsten elitärer Partikularinteressen Inflationen mit verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen auslösten. Gerade wenn die Zentralbank einer Nation in der Vergangenheit vergleichbare Szenarien verursacht hat, kann diese Nation durch einen Beitritt in eine Währungsunion von der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik der Zentralbank der Währungsunion profitieren und damit die Basis für einen wirtschaftlichen Aufschwung in Folge nachhaltig niedriger Inflationserwartungen schaffen. Hong Kong, Argentinien und einige Länder Osteuropas haben beispielsweise von solch einer Strategie Gebrauch gemacht (vgl. Frankel 1999, S. 3). Auch Länder wie Italien, Spanien und Portugal, die in der 1970er Jahren hohe Inflationsraten aufwiesen, versuchten, jeweils durch eine Bindung an die Deutsche Mark, die geldpolitische Glaubwürdigkeit der Bundesbank auf ihre eigene Währung zu übertragen (vgl. ebda., S. 11). Eine in der Vergangenheit unglaubwürdige Geldpolitik der Zentralbanken der Mitgliedsländer ist hierbei nicht als Anhaltspunkt für die Qualität, bzw. Optimalität des Währungsraumes zu verstehen. Vielmehr zeigt dies die Notwendigkeit einer Zentralbank, deren Geldpolitik eine hohe Glaubwürdigkeit genießt und kann in diesem Sinne den Beitritt oder Zusammenschluss zu einem Währungsraum rechtfertigen.
2.2.6 Inflationspräferenzen der Mitgliedsländer
Fleming betont die Problematik von gemeinsamen Inflationspräferenzen, bzw. einer gemeinsamen Zielgröße für die Arbeitslosenquote in Abhängigkeit von der Inflationsrate. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Annahme, dass mehrere, autonome Währungsbehörden innerhalb eines Währungsraums in erster Linie die Partikularinteressen ihrer eigenen Region vertreten würden. Um eine effiziente Geldpolitik zur Wahrung einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz zwischen der Währungsunion und dem Rest der Welt herstellen zu können, sei daher eine gemeinsamen Währungsbehörde für den gesamten Währungsraum nötig. Die gemeinsame Geldpolitik habe eine im gesamten Währungsraum relativ gleich hohe Inflationsrate zur Folge. Sie liege dabei höher als die von Überschussländern bevorzugte und niedriger als die von Defizitländern bevorzugte Inflationsrate (vgl. Fleming 1971, S. 469).
Fleming (1971, S. 470 f.) argumentiert mit der gekrümmten Form der Phillips-Kurve, bzw. dem relativ schwachen Wirkungsgrad einer Erhöhung der Inflationsquote bei Annäherung der Arbeitslosenquote an null, um darzustellen, dass unterschiedliche Inflationspräferenzen zu einer insgesamten Verschlechterung der Kombination von Inflationsquote und Arbeitslosenquote führen.3 Ursprünglich determinieren aber die Handelsbilanzen zwischen den Mitgliedsstaaten einer Währungsunion deren Inflationspräferenzen (vgl. Fleming 1971, S. 469). Möglicherweise wäre daher die Auffassung des Kriteriums der Inflationspräferenzen als ein Kriterium unausgeglichener Handelsbilanzen treffender. Ishiyama (1975, S. 357) unterstützt Flemings Auffassung unterschiedlicher Inflationspräferenzen und fügt an, dass das Kriterium umso bedeutsamer ist, je stärker die einzelnen beobachteten Inflationsraten und Wachstumsraten der volkswirtschaftlichen Produktion der Mitgliedsländer divergieren. Diese Ergänzung deutet daraufhin, dass sich das Kriterium der Inflationspräferenzen nicht universell bezüglich seiner Bedeutsamkeit im Vergleich mit anderen Kriterien einstufen lässt.
2.3 Zusammenfassung
In Analogie zum Kriterium der Inflationspräferenzen scheint es, dass auch die Bedeutung der zuvor beschriebenen Kriterien in Abhängigkeit vom betrachteten Währungsraum variiert und deshalb keine entsprechende, universell gültige Abstufung der Kriterien möglich ist. Zudem deuten die im Rahmen dieser Arbeit bisher unternommenen Untersuchungen darauf hin, dass bei jeder ausschließlichen Betrachtung eines einzelnen Kriteriums andere, relevante Einflussfaktoren auf die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Währungsraumes unterschlagen werden. Zu diesem Schluss kommt auch Ishiyama (1975, S. 361), der deshalb einen multidimensionalen Ansatz vorschlägt. Gleichzeitig räumen aber sowohl Ishiyama (ebda.) als auch Fleming (1971, S. 486) ein, dass es bei einem solchen Ansatz schwierig ist, die Bedeutung der einzelnen Kriterien im Verhältnis zueinander zu gewichten, bzw. allgemein zu quantifizieren. Interdependenzen zwischen Vor- und Nachteilen einer Währungsunion erschweren eine Analyse zusätzlich (vgl. Ishiyama 1975, S. 369). In der einschlägigen Literatur wird häufig versucht, diese Herausforderung zu bewältigen, indem, im Rahmen eines Kosten-Nutzen-Ansatzes, negative und positive Aspekte von fixen Wechselkurssystemen gegenübergestellt werden (vgl. Kawai 1991, S. 530; Frankel 1999, S. 9 ff.; Ishiyama 1975, S. 361 ff.).
Grundsätzlich sind die oftmals konkurrierenden Ziele einer ausgeglichenen Handelsbilanz, Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität maßgeblich verantwortlich für die Optimalität eines Währungsraums (vgl. Kap. 2.1). Folgende Kriterien kommen als Voraussetzungen für einen optimalen Währungsraum ergänzend hinzu:
1. Faktormobilität: In Bezug auf die Produktionsfaktoren Arbeitskraft und Kapital ist die geographische und interindustrielle Mobilität innerhalb eines Währungsraums hoch und in Verbindung mit Regionen außerhalb des Währungsraumes niedrig.
2. Offenheitsgrad: Der Währungsraum setzt sich zusammen aus kleinen, offenen Volkswirtschaften.
3. Fiskalische Integration: Für den Fall eines asymmetrischen Schocks besteht ein strukturell verankerter Rahmen, der Ausgleichszahlungen von den vom Schock begünstigten Ländern an Defizitländer vorsieht. Die Mitgliedsländer der Währungsunion weisen relativ gleich hohe Staatsdefizite auf.
4. Diversifikation: Die Volkswirtschaft der Währungsunion zeichnet sich, sowohl insgesamt als auch innerhalb der Mitgliedsländer, durch eine stark diversifizierte Produktionsstruktur, im Sinne unterschiedlicher Industriezweige, aus.
5. Glaubwürdigkeit: Die Geldpolitik der Zentralbank der Währungsunion genießt eine hohe Glaubwürdigkeit - dies gilt vor allem im Sinne der tatsächlichen Einhaltung des vorgegebenen Inflationsziels.
6. Inflationspräferenzen: Mitgliedsländer haben ausgeglichene Handelsbilanzen. Zudem herrscht zwischen diesen Ländern Einigkeit in Bezug auf eine gemeinsame Zielgröße für die Arbeitslosenquote in Abhängigkeit der präferierten Inflationsrate.
3 Ökonomische Konvergenz im Euroraum
3.1 Grundlagen
3.1.1 Endogenitäts-Hypothese und ökonomische Konvergenz
In den Jahren nach der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht wurde auf einige der Schwächen und Beschränkungen der Theorie optimaler Währungsräume näher eingegangen. Bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der Ökonometrie ermöglichten es, mehrere Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume messbar zu machen und die Übertragung von Schocks sowie andere wirtschaftliche Merkmale zu analysieren. In der wissenschaftlichen Literatur verschob sich im Zuge dieser Neubewertung das Sentiment in Bezug auf die Bildung gemeinsamer Währungsräume von einer zuvor eher ablehnenden Haltung hin zu einer Befürwortung (vgl. Mongelli 2008, S. 8). Wesentlich für diese Neubewertung der Thematik war die Endogenitäts-Hypothese, welche die Bildung eines Währungsgebietes als dynamischen Prozess auffasst. Der mit einem Beitritt in eine Währungsunion verbundene Verlust der Autonomie der nationalen Wirtschafts- und Währungspolitik wurde als weniger kostspielig eingestuft, während den Vorteilen von gemeinsamen Währungsgebieten mehr Gewicht verliehen wurde (vgl. Kawai 1991, S. 531).
So steigt etwa im Zeitverlauf der Mitgliedschaft in der Währungsunion mit hoher Wahrscheinlichkeit der Offenheitsgrad unter Mitgliedsländern (vgl. Frankel 1999, S. 28 f.). Dieser Zusammenhang wird in der einschlägigen Literatur weitestgehend anerkannt, wenn auch unterschiedliche Auffassungen bezüglich dessen Stärke vorherrschen (vgl. Grauwe und Mongelli 2005, S. 7).
Ein höherer Offenheitsgrad kann wiederum eine Synchronisierung der Konjunkturzyklen begünstigen. Der Beitritt eines Landes in eine Währungsunion könnte also ökonomisch sinnvoll sein, selbst wenn dieses Land, im Hinblick auf seine ökonomisch relevanten Variablen, zum Zeitpunkt des Beitritts ungeeignet scheint (vgl. Frankel und Rose 1998, S. 1024). Es wird deutlich, dass die klassische Theorie optimaler Währungsräume in ihrer vorwiegend statischen ex ante Betrachtung mit der wirtschaftlichen Entwicklung im Zeitverlauf einen wesentlichen Aspekt unterschlägt. Zur Einschätzung der Optimalität des Euroraums erhält die ökonomische Konvergenz der Mitgliedsstaaten dementsprechend eine prominente Rolle in dieser Arbeit.
Ökonomische Konvergenz ist ein bedeutsames Ziel der EU und wird sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten als auch innerhalb dieser angestrebt (vgl. Andersen et al. 2018, S. 75).
Bei der Bewertung der ökonomischen Konvergenz lässt sich zwischen Input- und Output-Konvergenz unterscheiden. Input-Konvergenz bezieht sich auf politische Parameter, wie Regulierungen oder institutionelle Qualität, während sich Output-Konvergenz auf wirtschaftliche Variablen, wie etwa Arbeitslosenquote oder das BIP, bezieht (vgl. Dolls et al. 2018, S. 9). Auf die Input-Konvergenz wird in Kapitel 3.2 näher eingegangen, während die drei darauffolgenden Kapitel die Output-Konvergenz, anhand der Parameter Konjunktur, Inflationsrate und Wettbewerbsfähigkeit, untersuchen.
Weitere Arten von Output-Konvergenz, die in dieser Arbeit nicht explizit untersucht werden, sind beispielsweise Einkommen, Mobilität von Arbeitskräften und Kapital, Zinsen auf Staatsanleihen und Produktivität. Für eine Erläuterung der Konvergenz dieser Kriterien wird stattdessen auf entsprechende Ausführungen von Franks et al. (2018, S. 7 ff.) verwiesen.
Unter Ökonomen herrscht eine relativ hohe Einigkeit darüber, dass bis zum Jahr 2008 eine ökonomische Konvergenz im Euroraum stattgefunden hat (vgl. Andersen et al. 2018, S. 64). So kamen Grauwe und Mongelli (2005, S. 28 f.) im Rahmen einer Untersuchung der Aspekte Preise und Handel, Integration der Kapitalmärkte, Symmetrie von Schocks, und Flexibilität von Güter- und Arbeitsmärkten des Euroraums zu dem Ergebnis, dass die Aussagen der Endogenitäts-Hypothese auf den Euroraum in den ersten Jahren seiner Existenz zutreffen und sich die Mitgliedsländer in den genannten Bereichen relativ positiv entwickelten. Mongelli (2008, S. 21) fand zudem Belege für eine starke Diversifizierung der Volkswirtschaften in Produktion und Konsum sowie einen hohen Offenheitsgrad und gleichartige Inflationsraten.
Der Ausbruch der Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise unterbrach jedoch diese Entwicklungen und löste Kräfte einer ökonomischen Divergenz aus (vgl. Andersen et al. 2018, S. 64). Diese Annahme und insbesondere, ob diese Divergenz bis heute anhält, soll in Kapitel 3 anhand der Kriterien fiskalische Integration, Konjunktur, Inflationsrate und Wettbewerbsfähigkeit untersucht werden. Hierbei sollen zentrale Ursachen einer möglichen Divergenz im Euroraum identifiziert und Lösungsansätze definiert werden.
3.1.2 Der Euroraum als Währungsraum
Der Euro ist die weltweit am zweithäufigsten verwendete Währung und wird von rund 341 Millionen Menschen täglich benutzt. Als Euroraum, amtlich auch Euro-Währungsgebiet oder Eurozone, wird die Gruppe jener Länder bezeichnet, die den Euro als offizielle Währung besitzen (vgl. EU 2020).
Mitgliedsländer zum Zeitpunkt der Einführung des Euros waren Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien (vgl. EZB 2004, S. 109).4 Seit der Gründung traten sukzessiv Griechenland, Slowenien, Zypern, Malta, die Slowakei, Estland, Lettland und Litauen dem Euroraum bei (vgl. EU 2020, Mitgliedsländer des Euro-Währungsgebiets). Alle 19 Euroländer sind gleichzeitig EU-Mitgliedsländer und haben ihre nationale geldpolitische Souveränität aufgegeben (vgl. Scheller 2006, S. 45). Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Polen, Rumänien, Schweden sind EU-Mitgliedsländer, die den Euro noch nicht eingeführt haben, dies aber tun werden, sobald sie die notwendigen Voraussetzungen hierfür erfüllen (vgl. EU 2020, EU-Mitgliedsländer außerhalb des Euro-Währungsgebiets). Der Euro wurde, zunächst mit einer Beschränkung auf elektronische Buchungen, am 1. Januar 1999 eingeführt, bevor am 1. Januar 2002 die Einführung des Euros als Bargeld folgte (vgl. Bundesfinanzministerium 2019).
Mit der Einführung des Euros im Jahr 1999 ging die alleinige Verantwortung für Geldpolitik im Euroraum über auf das Eurosystem - ein supranationales Zentralbankensystem (vgl. Mongelli 2008, S. 20). Die Zuständigkeit für die Fiskal- und Wirtschaftspolitik bleibt dagegen weiterhin vorwiegend auf nationaler Ebene, bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten (vgl. Dolls et al. 2018, S. 7).
Die Bürger der Eurozone profitieren neben der höheren Vergleichbarkeit der Preise innerhalb des Euro-Währungsgebietes von einer Verstärkung des intereuropäischen Wettbewerbs, welcher günstigere Preise und eine größere Bandbreite an Produkten begünstigt. Zudem werden Auslandsaufenthalte innerhalb der Eurozone, im Zuge des Wegfalls von Tauschgebühren, unkomplizierter und günstiger (vgl. Bundesfinanzministerium 2019). Im politischen Kontext der Input-Konvergenz sei darauf verwiesen, dass vor dem Hintergrund der (oftmals kriegerischen) Auseinandersetzungen der letzten Jahrhunderte zwischen den Nationen Europas die Einführung des Euros sicherlich eine starke politische Motivation, als Symbol für Einheit, hatte und die gemeinsame Währung „Ausdruck europäischer Identität“ (ebda.) ist. Diese politische Motivation für einen gemeinsamen Währungsraum könnte die ökonomische überwiegen (vgl. Mon- gelli 2008, S. 1). Gerade vor dem Hintergrund globaler geopolitischer und handelspolitischer Machtkämpfe könnte das einheitliche Auftreten Europas auf der Weltbühne und die dafür notwendige Konvergenz seiner Mitgliedsländer eine fundamentale Rolle spielen, um eine wirtschaftspolitische Abhängigkeit (insbesondere von den Supermächten USA und China) zu vermeiden.
3.2 Vertragliche Vereinbarungen zur fiskalischen Integration
3.2.1 Der Vertrag von Maastricht und der AEU-Vertrag
Für die Schaffung einer europäischen Währungsunion konnte die Theorie optimaler Währungsräume zu Beginn der neunziger Jahre nur in einem sehr beschränkten Maß konkrete Handlungsempfehlungen geben. Stattdessen wurde die Vereinigung der Länder Europas maßgeblich geprägt von den Anforderungen des Vertrags von Maastricht an Beitrittsländer der EU. Im Rahmen des Vertrags von Maastricht, der auch als Vertrag über die Europäische Union bezeichnet wird, einigten sich die Länder der Europäischen Gemeinschaft5 auf einen Plan, der die schrittweise ökonomische und monetäre Integration der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorsah und die Einführung des Euro beinhaltete (vgl. Mongelli 2008, S. 8 ff.).
[...]
1 McKinnon räumt ein, dass es in der realen Welt eine Bandbreite an Gütern gibt, die sich nicht eindeutig als handelbar oder nicht handelbar klassifizieren lassen. Die Lockerung einer strikten Unterscheidung zwischen diesen Gütern bleibe jedoch ohne Einfluss auf den logischen Zusammenhang in der Argumentation (vgl. McKinnon 1963, S. 721).
2 Kenen gibt keine Auskunft darüber, ob es sich bei diesen Defiziten im Staatshaushalt um die jährliche Neuverschuldung oder die akkumulierte Staatsverschuldung handelt.
3 Aus Gründen des Umfangs wird für eine detailliertere Erläuterung auf die Ausführungen von Fleming (1971, S. 470 ff.) verwiesen.
4 Die in den folgenden Kapiteln verwendete Bezeichnung „Euro-12“ bezieht sich auf diese Gründungsländer und Griechenland.
5 Die Europäische Gemeinschaft (EG) ging aus der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hervor.
- Arbeit zitieren
- Paul Scheuber (Autor:in), 2020, Die Eurozone als Währungsraum vor dem Hintergrund des Ziels einer ökonomischen Konvergenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/962902
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