Ziel dieser Arbeit ist es, das neue Modell der Ertragsrealisierung nach IFRS 15 ausführlich darzustellen. Des Weiteren wird auf die neuen Berichtsangaben eingegangen, sowie die Auswirkungen auf börsennotierte Unternehmen anhand von Beispielen erläutert. Zum besseren Verständnis werden zunächst die alten International Accounting Standards (IAS) 11 und 18 dargestellt. Anschließend wird der IFRS 15 ausführlich vorgestellt und die Neuerungen und Veränderungen auf die Ertragsrealisierung erklärt und dargestellt.
Im Jahr 2019 waren weltweit etwa 51.400 Unternehmen an den Börsen gelistet. Die Zahl der tatsächlich aktiven Unternehmen ist jedoch deutlich größer. Allein in Deutschland waren 2019 knapp 3,5 Millionen Unternehmen im Unternehmensregister eingetragen, welche weltweit auf den unterschiedlichsten Märkten arbeiten und handeln. Diese unmittelbar miteinander zu vergleichen ist dabei nicht ohne weiteres möglich, da die nationalen Gesetzte und Regelungen zu verschieden sind.
Um die Abschlüsse und die relevanten Informationen für die unterschiedlichen Interessengruppen so vergleichbar und verständlich wie möglich zu gestalten, gibt es die International Financial Reporting Standards (IFRS). Diese sind gerade für jene Unternehmen, die am Kapitalmarkt teilnehmen oder ein international geprägtes Geschäft betreiben, von großer Bedeutung.
Auf Grund dieser Tatsache entschied die Europäische Union, dass ab dem Geschäftsjahr 2005 die Vorschriften der IFRS für Unternehmen, die an einer Börse innerhalb der EU notiert sind, verpflichtend anzuwenden sind. Daher sind auch in Deutschland die Konzernabschlüsse von börsennotierten Unternehmen nach IFRS aufzustellen.
Der IFRS 15 wurde im Jahre 2016 mit dem Ziel veröffentlicht, die Umsatzerlöse ab dem Geschäftsjahr 2018 einheitlich und prinzipienorientiert zu erfassen. Doch bereits die Herausgabe der ersten Entwürfe ging mit einer Vielzahl an Diskussionen und Spekulationen über signifikante Effekte durch die Umstellung einher.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bisherige Standards der Umsatzrealisierung
2.1 Umsatzerlöse nach IAS 18
2.2 Fertigungsaufträge nach IAS 11
2.3 Anhangsangaben
2.4 Probleme der Rechtsprechung nach IAS 11 und IAS 18
3 Ertragsrealisierung nach IFRS 15
3.1 Entwicklung des IFRS 15
3.2 Übergangsvorschriften
3.3 Grundlegende Änderungen nach IFRS 15
3.4 Anwendungsbereich IFRS 15
3.5 Konzept und 5-Schritte-Modell
3.5.1 Identifizierung von Verträgen mit Kunden
3.5.1.1 Vertragskriterien
3.5.1.2 Zusammenfassung von Verträgen
3.5.1.3 Vertragsmodifikationen
3.5.2 Identifizierung der Leistungsverpflichtung
3.5.2.1 Prüfung auf Leistungsverpflichtungen
3.5.2.2 Abgrenzung von Gütern und Dienstleistungen
3.5.3 Bestimmung des Transaktionspreises
3.5.3.1 Variable Gegenleistungen
3.5.3.2 Signifikante Finanzierungskomponente
3.5.3.3 Nicht zahlungswirksame Gegenleistungen
3.5.3.4 An den Kunden zu zahlende Gegenleistungen
3.5.4 Verteilung des Transaktionspreises
3.5.4.1 Ermittlung der Einzelveräußerungspreise
3.5.4.2 Allokation von Preisnachlässen
3.5.4.3 Allokation von variablen Gegenleistungen
3.5.4.4 Änderungen des Transaktionspreises
3.5.5 Erfüllung der Leistungsverpflichtung
3.5.5.1 Kontrollübergang
3.5.5.2 Leistungserfüllung über einen Zeitraum
3.5.5.3 Bestimmung des Leistungsfortschritts
3.5.5.3.1 Outputbasierte Methoden
3.5.5.3.2 Inputbasierte Methoden
3.5.5.4 Leistungserfüllung zu einem Zeitpunkt
3.6 Darstellung und Sonderthemen
3.6.1 Darstellung
3.6.2 Vertragskosten
3.6.3 Rückerstattungsverbindlichkeiten
3.6.4 Gewährleistungen und Garantien
3.7 Geänderte Anhangsangaben
4. Untersuchung der Auswirkungen von IFRS
4.1 Grundlagen und Ziel der Untersuchungen
4.2 Berichterstattung zu IFRS 15
4.3 Auswirkungen auf die Vermögenslage
4.4 Leistungsfortschritt und signifikante Ermessensentscheidungen
4.5 Zusammenfassung
5. Fazit
Anhang
Verzeichnis der Gesetze und Rechtsgrundlagen
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Im Jahr 2019 waren weltweit etwa 51.400 Unternehmen an den Börsen gelistet.1 Die Zahl der tatsächlich aktiven Unternehmen ist jedoch deutlich größer. Allein in Deutschland waren 2019 knapp 3,5 Millionen Unternehmen im Unternehmensregister eingetragen,2 welche weltweit auf den unterschiedlichsten Märkten arbeiten und handeln. Diese unmittelbar miteinander zu vergleichen ist dabei nicht ohne weiteres möglich, da die nationalen Gesetzte und Regelungen zu verschieden sind. Um die Abschlüsse und die relevanten Informationen für die unterschiedlichen Interessengruppen so vergleichbar und verständlich wie möglich zu gestalten, gibt es die International Financial Reporting Standards (IFRS). Diese sind gerade für jene Unternehmen, die am Kapitalmarkt teilnehmen oder ein international geprägtes Geschäft betreiben, von großer Bedeutung.3 Auf Grund dieser Tatsache entschied die Europäische Union, dass ab dem Geschäftsjahr 2005 die Vorschriften der IFRS für Unternehmen, die an einer Börse innerhalb der EU notiert sind, verpflichtend anzuwenden sind. Daher sind auch in Deutschland die Konzernabschlüsse von börsennotierten Unternehmen nach IFRS aufzustellen.4 Gerade die Umsatzerlöse spielen innerhalb des Jahresabschlusses und der Berichtserstattung eine große Rolle. Nicht nur weil sie entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind, sondern weil sie die oberste Einheit der Gewinn- und Verlustrechnung darstellen und als Kennzahl fungieren.
Der IFRS 15 wurde im Jahre 2016 mit dem Ziel veröffentlicht, die Umsatzerlöse ab dem Geschäftsjahr 2018 einheitlich und prinzipienorientiert zu erfassen. Doch bereits die Herausgabe der ersten Entwürfe ging mit einer Vielzahl an Diskussionen und Spekulationen über signifikante Effekte durch die Umstellung einher.5 Insbesondere Branchen in denen häufig Mehrkomponentenverträge zum Geschäft gehören, wie z. B. die Telekommunikationsbrache, gingen teils von Millioneneffekten in ihren Bilanzen aus.6 Infolgedessen gab es nahezu keine freiwilligen Vorabanwendungen.7
Ziel dieser Arbeit ist es, das neue Modell der Ertragsrealisierung nach IFRS 15 ausführlich darzustellen. Des Weiteren wird auf die neuen Berichtsangaben eingegangen, sowie die Auswirkungen auf börsennotierte Unternehmen anhand von Beispielen erläutert. Zum besseren Verständnis werden zunächst die alten International Accounting Standards (IAS) 11 und 18 dargestellt. Die mit diesen Standards zusammenhängenden Interpretationen, IFRIC 13, 15 und 18 sowie SIC- 31 sind nicht Gegenstand der Arbeit. Anschließend wird der IFRS 15 ausführlich vorgestellt und die Neuerungen und Veränderungen auf die Ertragsrealisierung erklärt und dargestellt.
2 Bisherige Standards der Umsatzrealisierung
Um die Tragweite und die Notwendigkeit des neuen Standards zur Ertragsrealisierung verständlich zu machen, wird der bis zum 31.12.2017 geltende Stand der IFRS betrachtet. Bis dahin regelten im Wesentlichen zwei Standards die Bilanzierung von Umsatzerlösen. Die Bilanzierung von Erlösen im Allgemeinen ist wurde IAS 18 geregelt und die von Fertigungsaufträgen, für welche besondere Regelungen gelten, in IAS 11.8
2.1 Umsatzerlöse nach IAS 18
Mit Beginn des Jahres 1995 tritt der IAS 18 in Kraft und behandelt die bilanzielle Betrachtung von Erlösen aus verschiedenen Geschäftsarten.9 Grundsätzlich wird dabei zwischen drei Arten unterschieden:10
- dem Verlauf von Gütern,
- der Erbringung von Dienstleistungen und
- der Überlassung von Nutzungsrechten gegen Zinsen, Entgelte oder Dividenden.
Ausgenommen davon sind Erträge aus Leasingverhältnissen, aus Versicherungsverträgen und nach der Equity-Methode zu bilanzierende Dividenden, sowie Wertänderungen des Vermögens. Gem. IAS 18.6 werden diese in spezifischen Standards geregelt.11
Ein Ertrag liegt grundsätzlich dann vor, wenn der wirtschaftliche Nutzen des Geschäftsjahres durch Zuflüsse oder Wertsteigerungen von Vermögenswerten zunimmt und das Eigenkapital erhöht wird. Gleiches kann auch durch die Wertminderung von Schulden, zum Beispiel durch den Forderungsverzicht eines Gläubigers, erwirkt werden.12
Der Verkauf von Gütern weist nach IAS 18.14 - 18.19 weitere Charakteristiken auf. Beim Verkauf gehen alle Chancen und Risiken, sämtliche Verfügungsmächte und Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Käufer über. Zudem muss als sicher gelten, dass ein wirtschaftlicher Nutzen aus dem Verkauf entsteht und dass der Preis und eventuelle Veräußerungskosten verlässlich bestimmt werden können.13 Dieses Schema wird auch als „risk-and-reward“ bezeichnet.14
Erträge aus Dienstleistungen sind gem. IAS 18.20 - 18.28 nach der „Percentage- of-Completion-Methode“ (PoC-Methode), also anhand des Fortschritts der Leistung, zu erfassen.15 Voraussetzung dafür ist, dass in jedem Fall ein wirtschaftlicher Nutzen aus der Vollbringung der Dienstleistung entsteht, der bisherige Preis sowie der Fortschritt zuverlässig bestimmt werden können.16
Gegenleistungen in Form von Entgelten, Zinsen oder Dividenden für die Überlassung von Nutzungsrechten sind nach IAS 18.29 - 18.34 zu erfassen, sofern der Ertrag verlässlich bestimmt werden kann und ein wirtschaftlicher Nutzen wahrscheinlich ist.17 Nutzungsentgelte sind entsprechend des zugrunde liegenden Vertrags über der entsprechende Laufzeit zu verteilen.18 Zinserträge sind zeitproportional, unter Berücksichtigung der Effektivverzinsung des jeweiligen Vermögenswerts, und Dividendenzahlungen mit Entstehung des Rechtsanspruchs zu erfassen.19
Die Höhe der Erträge bemisst sich am beizulegenden Zeitwert der erhaltenen oder zu beanspruchenden Gegenleistung.20 Der beizulegende Zeitwert ist gem. IFRS 13.9 grundsätzlich der Preis, welcher bei einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen den Marktteilnehmern für den Verkauf eines Vermögenswertes angesetzt wird.21 Das Entgelt ist dabei um Mengenrabatte und gewährte Preisnachlässe zu kürzen.22
2.2 Fertigungsaufträge nach IAS 11
IAS 11 regelt seit 1995 die Bilanzierung von Fertigungsaufträgen und die damit zusammenhängenden Erträge und Aufwendungen.23 Die Hauptproblematik von Fertigungsaufträgen besteht i. d. R. in der Langfristigkeit. Liegen der Beginn und das Ende des Fertigungsauftrags in unterschiedlichen Berichtsperioden, muss eine Trennung vorgenommen werden, um die zugehörigen Kosten und Erträge zeitlich korrekt und periodengerecht erfassen zu können.24 IAS 11 gibt zwar keine genaue Definition der Langfristigkeit vor, jedoch wird in der Praxis von mindestens zwei Berichtsperioden ausgegangen.25
Gem. IAS 11 ist ein Fertigungsauftrag „ein Vertrag über die kundenspezifische Fertigung einzelner Vermögenswerte oder eine Gruppe von aufeinander abgestimmten Vermögenswerten.“26 Dazu zählen auch Dienstleistungsverträge, welche in direktem Zusammenhang mit der Fertigung eines Vermögenswertes stehen, z. B. Verträge mit Architekten.27 Sofern ein Vertrag mehrere Einzelleistungen umfasst, welche nicht als zusammengehöriges Paket verhandelt wurden und nicht durch Arbeiten in Verbindung stehen28,sind diese jeweils als einzelne Verträge zu erfassen.29 Voraussetzung dafür ist, dass die Kosten und Erträge zuverlässig getrennt werden können und für die Einzelbestandteile jeweils unabhängige Angebote verhandelt wurden.30 Die Ausgestaltung von Fertigungsaufträgen teilt sich in Festpreisverträge, bei denen der Kunde einen festen Preis für eine definierte Leistung zahlt, und Kostenzuschlagsverträge, welche sich durch abrechenbare Zuschläge auf die angefallenen Kosten auszeichnen, auf.31
Die zu einem Fertigungsauftrag zu bilanzierenden Erlöse und Aufwendungen werden als Auftragserlöse und Auftragskosten bezeichnet. Die Auftragserlöse umfassen nach IAS 11.11 i. d. R. den vertraglich vereinbarten Preis, Erhöhungen oder Minderungen durch Preisabweichungen, Nachforderungen für nicht kalkulierte Kosten sowie Prämien und Vertragsstrafen.32 Gem. IAS 11.16 gehören zu den Auftragskosten alle direkt zurechenbaren Kosten, alle indirekten und allgemein zurechenbaren Kosten und alle sonstigen Kosten, welche auf Basis des Vertrags mit abgerechnet werden.33 Zu den direkten Kosten zählen alle Kosten mit einem unmittelbaren Auftragsbezug, wie z. B. Material- und Lohnkosten sowie direkte Aufwendungen für die Fertigung oder Vollbringung des Vertragsgegenstandes.34 Bei den indirekten Kosten können gem. IAS 11.18 Fertigungsgemeinkosten, auftragsbezogene Versicherungsprämien und allgemeine Kosten für die Gestaltung und Unterstützung der Produktion35 sowie Kosten für Fremdkapital angerechnet werden.36
Die Erfassung des Fertigungsauftrags setzt voraus, dass der Grad der Fertigstellung bzw. das Ergebnis zum Bewertungsstichtag verlässlich bestimmt werden kann.37 Ob das Ergebnis bestimmt werden kann, hängt im Falle eines Festpreisvertrags gem. IAS 11.23 davon ab, ob dem Unternehmen bereits ein wirtschaftlicher Nutzen aus dem Vertrag zufließt und die zur Fertigstellung noch notwendigen Kosten sowie die Auftragserlöse und bisherigen Auftragskosten verlässlich bewertet werden können.38 Bei Kostenzuschlagsverträgen besteht durch die Möglichkeit der Erhebung von Zuschlägen für den Auftragnehmer ein geringeres Risiko von unwirtschaftlichen Verträgen. Daher ist die Erfassung auch an weniger Bedingungen geknüpft.39 Nach IAS 11.24 sind für Kostenzuschlagsverträge ebenfalls der wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen sowie die verlässliche Bestimmung der zurechenbaren Kosten entscheidend. Dabei ist es jedoch unerheblich, ob diese tatsächlich abgerechnet werden können.40 Um die entscheidenden Voraussetzungen zu überprüfen, schreibt der IAS 11 kein bestimmtes Verfahren vor, sondern verlangt für jeden Fertigungsauftrag die Nutzung der verlässlichsten Methode.41 Mit input- und outputbasierten Verfahren kann das Ergebnis über den bisherigen Fertigungseinsatz (z. B. Maschinenkosten, Arbeitsstunden) oder anhand der bisher erreichten Leistung (z. B. physische Teileinheiten) ermittelt werden.42
Wenn das Ergebnis eines Fertigungsauftrags verlässlich bestimmt werden kann, sind die Kosten und Erlöse entsprechend des Leistungsfortschritts (percentage-of- completion-Methode) zu erfassen.43 Kann das Ergebnis nicht verlässlich bestimmt werden, wird die zero-profit-method angewandt und es sind nur die angefallenen Kosten anzusetzen.44 Wird aus einem Fertigungsauftrag ein tatsächlicher Verlust erwartet, ist dieser in voller Höhe als Aufwand zu erfassen, sobald er als wahrscheinlich gilt.45
2.3 Anhangsangaben
Die nach IAS 18.35 und 18.36 geforderten Anhangsangaben sind inhaltlich sehr knapp gehalten. Die Angaben umfassen im Wesentlichen die Darstellung der angewandten Rechnungslegungsmethode und die Beschreibung der Methode zur Ermittlung des Leistungsfortschritts bei Dienstleistungsgeschäften. Darüber hinaus ist eine Aufgliederung der Umsatzerlöse in bedeutende Kategorien (Güter, Dienstleistungen, Zinsen, Nutzungsentgelte, Dividenden) vorzunehmen sowie der erzielte Betrag aus Tauschgeschäften innerhalb der jeweiligen Kategorie anzugeben. Unter den Eventualforderungen und Eventualverbindlichkeiten ist bspw. Vertragsstrafen oder Gewährleistungen zu berichten.46 Im Falle von Fertigungsaufträgen i. S. d. IAS 11 sind nach IAS 11.39 bis 11.45 zusätzliche Angaben zu machen. Dazu zählen die Methode zur Ermittlung des Fertigstellungsgrades, erhaltene Anzahlungen, Einbehalte, angefallene Kosten und ausgewiesene Gewinne sowie die Abgrenzung von Fertigungsaufträgen mit aktiven oder passiven Saldo als Vermögenswert oder Verbindlichkeit.47 Insgesamt zielen die Angaben darauf ab, die Zusammensetzung der Umsatzerlöse darzustellen und diese entsprechend zu kategorisieren.
2.4 Probleme der Rechtsprechung nach IAS 11 und IAS 18
Die bisherigen Regelungen sind in der Literatur oft kritisiert und diskutiert, da es den Standards IAS 11 und IAS 18 an einer klaren Auslegung von allgemeinen Realisationskriterien mangelt.48 Die im Conceptual Framework geforderten Kriterien des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses und der verlässlichen Bewertbarkeit der Erlöshöhe49 werden zwar in den einzelnen Standards vom Grundsatz her berücksichtigt, dort aber nicht ausreichend vertieft. Vielmehr erfolgt die Konkretisierung einzelfallorientiert und teils inkonsistent, sodass die bisherigen Standards nicht dem eigentlichen Ziel des IASB, einer prinzipienorientierten Rechnungslegung, entsprechen.50 Durch nur sehr oberflächliche und unzureichende Anhangsangaben sind die im Abschluss enthaltenen Informationen zu den Umsatzerlösen qualitativ nicht ausreichend. Das führt zu einer intransparenten und nicht empfängergerechten Berichterstattung.51 Des Weiteren findet, sowohl standardübergreifend (IAS 11 vs. IAS 18) als auch standardintern (IAS 18.14 vs. IAS 18.20), ein eindeutiger Prinzipienwechsel vom critical event approach (zeitpunktbezogene Erfassung der Erträge bei Eintritt eines maßgeblichen Ereignisses) zum accretion approach (stetige Ertragsrealisierung bei Dienstleistungsverträgen und Fertigungsaufträgen) statt.52 Dies führt zu Unklarheiten in Bezug auf die Ansatzkriterien, was zum Ausweis unrealisierter Gewinne führen kann. Insbesondere betroffen sind Fertigungsaufträge, die gem. IAS 11 anhand der PoC-Methode zu erfasst sind, obwohl noch nicht alle wesentlichen Chancen und Risiken auf den Kunden übergegangen sind.53
Neben den konzeptionellen Schwächen und der Problematik der Zuweisung der Ansatzkriterien bestehen, durch eine fehlende Tiefe der Vorschriften, Regelungslücken. Das führt in der Praxis zu Ermessensspielräumen bei der Erlösrealisierung, wodurch die Möglichkeit zur Manipulation besteht.54 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um branchenspezifische Vertragsgestaltungen und Besonderheiten geht. Vor allem bei den immer häufiger auftretenden Mehrkomponentenverträgen, z. B. in der Telekommunikationsbrache, kommen die Standards IAS 11 und IAS 18 sowie die nachträglich erlassenen Interpretationen an ihre Grenzen.55 Es bleibt grundsätzlich offen wie die nach IAS 18.13 beschriebenen Kriterien für die Aufspaltung eines Mehrkomponentenvertrags, in Bezug auf eine korrespondierende Verteilung des Gesamtumsatzes, anzuwenden sind.56 In der Vergangenheit führte dies in der Praxis oftmals zu einem Rückgriff auf die deutlich detaillierteren Vorschriften des US-GAAP, um die entsprechenden Regelungslücken zu schließen.57 Anderenfalls könnten die Erlöse, aufgrund dieser Lücken, bei der Erfassung innerhalb einer gewissen zeitlichen Bandbreite bilanzpolitisch verschoben werden.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die bisherigen Regelungen nach IAS 11 und IAS 18 nicht mehr ausreichen, um die immer umfangreicheren und komplexeren Transaktionen sachgerecht abzubilden und die steigenden Anforderungen der Abschlussadressaten an transparenten und nachvollziehbaren Informationen zu erfüllen. Der IFRS 15 stellt sowohl in diesem Zusammenhang, als auch in Hinblick auf die Gesamtanforderung der Rechnungslegung nach IFRS, eine nachvollziehbare Entwicklung und notwendige Konsequenz dar.
3 Ertragsrealisierung nach IFRS 15
Im Folgenden wird ein Überblick über die rechtliche Entwicklung, die Zielsetzung und die Regelungen des IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden gegeben.
3.1 Entwicklung des IFRS 15
Der IFRS 15 entstammt ursprünglich dem Konvergenzprogramm des IASB und des FASB, bei dem die Annäherung zwischen IFRS und US-GAAP vorangetrieben werden sollte. Im späteren Verlauf haben sich die G-20-Staaten auf eine zunehmende Vereinheitlichung von Bilanzierungsstandards geeinigt.58 Die Arbeit an einem neuen Standard zur Umsatzrealisierung aus Verträgen mit Kunden begann bereits 2002 mit dem festen Ziel, die 1995 veröffentlichten Standards IAS 11 und IAS 18 sowie zugehörige Interpretationen vollständig zu ersetzten.59 Insbesondere folgende Punkte sollten in dem neuen Standard berücksichtigt werden:60
- Beseitigung von Inkonsistenzen und Schwächen der bisherigen Rechnungslegung
- Einführung eines Rahmenkonzeptes für die bessere Behandlung von Fragen im Rahmen der Erlösrealisierung
- bessere Vergleichbarkeit der Umsätze zwischen verschiedenen Branchen und Märkten
- Reduzierung des Umfangs an Vorschriften und der damit verbundenen Komplexität der Anwendung der Standards
- Lieferung von mehr Informationen für die Abschlussadressaten durch erweiterte Angabepflichten bei der Veröffentlichung
2008 wurde das erste Diskussionspapier vom IASB veröffentlicht, welches erste und vorläufige Regelungen zur Erlöserfassung beinhaltete. Nach Standardentwürfen in den Jahren 2010 und 2011 wurde im Jahr 2014 der finale Entwurf des IFRS 15 vorgestellt.61 Mit der EU-Verordnung Nr. 2016/1905 vom 22. September 2016 wurde der IFRS 15 in der finalen Fassung in das Recht der Europäischen Union übertragen und ist somit für alle Berichte nach IFRS verpflichtend anzuwenden.62 Die Erstanwendung hat spätestens in dem Geschäftsjahr zu erfolgen, das am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnt.63
3.2 Übergangsvorschriften
Bei der Erstanwendung von IFRS 15 kann zwischen zwei Methoden gewählt werden. Gem. IFRS 15.C3 hat die Umstellung anhand der retrospektiven oder anhand der modifizierten retrospektiven Methode zu erfolgen.64
Die retrospektive Methode nach IFRS 15.C3 (a) sieht vor, dass die Neuregelungen auch auf alle Vorperioden anzuwenden sind. I. S. d. IAS 8.22 sind die Änderungen so vorzunehmen, dass alle Anpassungen von Perioden, die nicht mehr im Abschluss dargestellt werden, in der frühsten gezeigten Periode im Eigenkapital verrechnet werden.65 IFRS 15.C5 liefert Erleichterungen, die einige Verträge unter besonderen Voraussetzungen von der Anpassung ausnehmen.
Die modifizierte retrospektive Methode nach IFRS 15.C3(b) passt nur die aktuelle Berichtsperiode an. Die Vorjahreswerte bleiben dabei grundsätzlich unberührt.66 Lediglich im Falle von Verträgen, die zum Erstanwendungszeitpunkt noch nicht vollständig erfüllt sind, ist der Eröffnungswert der Gewinnrücklagen anzupassen.67 Nach IFRS 15.C8 sind zudem alle aus der Erstanwendung resultierenden Differenzbeträge im Vergleich zum Vorjahr unter den Erläuterungen der jeweiligen Abschlussposten anzugeben.68
3.3 Grundlegende Änderungen nach IFRS 15
IFRS 15 beinhaltet nur noch ein einziges und umfassendes Modell für alle Erlöse aus Verträgen mit Kunden.69 Somit muss nicht mehr auf zwei Standards und die jeweiligen Interpretationen zurückgegriffen werden. Es wird ein neues fünf-SchritteModell eingeführt, anhand dessen der Umfang, der Zeitpunkt und die Höhe der Erlöse zu bestimmen sind. Zusätzlich werden zahlreiche Anwendungsleitlinien für Sonderfälle, wie z. B. für Gewährleistungen oder Lizenzen, eingeführt.70 Zudem werden neue Angaben auf quantitativer und qualitativer Basis gefordert, welche dem Abschlussadressaten die Möglichkeit geben sollen, die Umsatzerlöse hinsichtlich ihrer Art, Höhe, Realisationszeit und Unsicherheiten zu beurteilen sowie die damit verbundenen Cashflows zu verstehen.71 Mit der Anwendung des IFRS 15 entfallen alle Vorschriften der Standards IAS 18 Umsatzerlöse und IAS 11 Fertigungsaufträge sowie alle zugehörigen Interpretationen restlos.72 Die Interpretationen umfassen IFRIC 13 Kundenbindungsprogramme, IFRIC 15 Verträge über die Errichtung von Immobilien, IFRIC 18 Übertragung von Vermögenswerten durch einen Kunden und SIC-31 Tausch von Werbedienstleistungen.73
3.4 Anwendungsbereich IFRS 15
Die Vorschriften des IFRS 15 finden grundsätzlich auf alle Erlöse aus Verträgen mit Kunden Anwendung.74 Pauschal davon ausgenommen sind Leasingverträge, Versicherungsverträge, Finanzinstrumente und nicht-monetäre Tauschgeschäfte zwischen Unternehmen derselben Sparte, da zu diesen Vertragsarten gesonderte Standards die Regelung übernehmen.75 Um einen Vertrag im Rahmen des Anwendungsbereiches handelt es sich grundsätzlich, wenn eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien zu rechtlich durchsetzbaren Rechten und Pflichten führt.76 Gem. IFRS 15.6 handelt es sich bei einem Kunden um eine Vertragspartei, die im Austausch einer Gegenleistung, ein Produkt oder eine Dienstleistung aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens erhält.77 Kooperationsvereinbarungen werden in diesem Zusammenhang gesondert betrachtet, da solche Verträge i. d. R. aus der Aufteilung von Chancen und Risiken bestehen und nicht der direkten Umsatzgenerierung dienen (z. B. gemeinsame Entwicklungsprojekte für Produkte).78
3.5 Konzept und 5-Schritte-Modell
Der Ansatz des IFRS 15 basiert auf dem sog. asset-liability-approach.79 Im Rahmen eines 5-Schritte-Modells wird dabei die Erlöserfassung systematisch geprüft.80 Das 5-Schritte-Modelll ist nicht als solches innerhalb des Standards definiert, sondern ergibt sich sinngemäß aus der Gliederung und impliziert ein derartiges Vorgehen. Die Erfassung der Umsatzerlöse erfolgt im Rahmen des Ansatzes des Modells prinzipienorientiert, wobei der Kontrollübergang ein wesentliches Kriterium darstellt.81 Die eigentliche Ertragsrealisation erfolgt dann, wenn durch den Kontrollübergang die wesentlichen Chancen und Risiken an den Kunden übergehen. Es findet dabei eine Steigerung bzw. ein Zufluss von Vermögen in Verbindung mit der Minderung von Schulden statt.82 Der Umfang, die Höhe und der Zeitpunkt der Ertragsrealisation werden durch die folgenden fünf Schritte ermittelt:83
- Identifizierung von Verträgen mit Kunden (3.5.1)
- Identifizierung der Leistungsverpflichtung (3.5.2)
- Bestimmung des Transaktionspreises (3.5.3)
- Verteilung des Transaktionspreises auf die Leistungsverpflichtung (3.5.4)
- Erlöserfassung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung bzw. bei Kontrollübergang (3.5.5)
Im Folgenden werden die fünf Schritte und die jeweiligen Besonderheiten ausführlich erläutert.
3.5.1 Identifizierung von Verträgen mit Kunden
Der erste Schritt im Rahmen der Umsatzrealisierung ist die Identifikation des relevanten Kundenvertrags.84 Dieser stellt eine Vereinbarung zwischen mindestens zwei Parteien dar, die die Durchsetzung von Rechten und Pflichten begründet.85
3.5.1.1 Vertragskriterien
Damit ein Vertrag im Rahmen der Ertragserfassung behandelt werden kann, sind die nach IFRS 15.9 genannten Kriterien kumulativ zu erfüllen.86
- Grundsätzlich muss, als erste Voraussetzung nach IFRS 15.9 (a), zwischen den Vertragsparteien eine Übereinkunft getroffen worden sein, die zugehörigen Rechte und Pflichten durchzusetzen.87 Dabei spielt es keine Rolle, ob dem Vertrag mündlich oder schriftlich zugestimmt wurde, sofern die Annahme den üblichen Geschäftspraktiken entspricht oder durch diese impliziert wird.88 Konditionsverträge fallen, trotz beidseitiger Zustimmung, nicht unter die Kriterien des IFRS 15, da aus ihnen nur im Falle eines anschließenden Einzelvertrags durchsetzbare Rechte und Pflichten entstehen.89 Eine weitere Besonderheit im Rahmen der Vertragsannahme stellen Verträge mit Rücktrittsmöglichkeit dar, bei denen zwei mögliche Folgen zu beachten sind: Hat der Kunde mit Vertragsbeginn das Recht auf Vertragsrücktritt, ist das bilanzierende Unternehmen eine durchsetzbare Verpflichtung auf Lieferung und Leistung eingegangen, sofern bei der Kündigung oder dem Rücktritt sämtliche Güter und Gegenleistungen rückabgewickelt werden.90 Nicht unter die Voraussetzungen nach IFRS 15.9 (a) fallen Verträge, die beiden Vertragsparteien das einseitige Rücktrittsrecht zusprechen, ohne die jeweils andere Partei entschädigen zu müssen.91
- Nach IFRS 15.9 (b) müssen im Rahmen des Vertrags die Rechte hinsichtlich der zu übertragenden Güter oder zu erbringenden Dienstleistungen jeder Vertragspartei zu identifizieren sein.92 Rahmenverträge, welche über die Preisbestimmung hinaus den Kunden zu einer Mindestabnahme oder den Lieferanten zu einer Bereitstellung verpflichten, erfüllen diesen Tatbestand, da die Rechtsfolgen eindeutig zu identifizieren sind.93
- Zusätzlich müssen nach IFRS 15.9 (c) die Zahlungsbedingungen eindeutig zu identifizieren sein.94
- Der Vertrag muss gem. IFRS 15.9 (d) eine wirtschaftliche Substanz aufweisen, welche sich durch das Risiko auszeichnet, dass sich der Zeitpunkt oder die Höhe der zukünftigen Zahlungsströme verändern können.95
- Der Erhalt der vertraglichen Gegenleistung für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen ist gem. IFRS 15.9 (e) wahrscheinlich.96 Ändert sich diese Einschätzung nach Vertragsbeginn, bspw. durch eine Verschlechterung der Liquiditätssituation des Kunden, so ist eine Neubewertung der Vertragskriterien und, im Falle der erneuten Einschätzung nach bereits erfolgter Leistungserbringung, eine Wertberichtigung der Forderung nach IFRS 9 vorzunehmen.97
Das letztgenannte Kriterium wird auch als collectability threshold bezeichnet und soll insbesondere verhindern, dass die Darstellung der Ertragslage durch die Erfassung von Kunden mit schlechter Bonität verzerrt wird. Ertrag und Aufwand würden ansonsten signifikant steigen und somit die Aussagekraft des Ergebnisses verfälschen.98
Sind die genannten Kriterien nicht erfüllt, ist ein Vertrag nicht als solcher zu klassifizieren und nicht als Erlös zu erfassen, bis sich die Erfüllung zu einem späteren Zeitpunkt ergibt.99
3.5.1.2 Zusammenfassung von Verträgen
Im Grundsatz sind die Regelungen des IFRS 15 auf Einzelverträge anzuwenden.100 Darüber hinaus ist nach IFRS 15.17 die Zusammenfassung von zwei oder mehr Verträgen erforderlich, wenn die Verträge gleichzeitig oder in zeitlicher Nähe mit demselben Kunden oder einer nahestehenden Partei des Kunden abgeschlossen werden.101 Die Bedingungen dafür sind, dass die Verträge ein zusammenhängendes Paket mit einem einzigen wirtschaftlichen Ziel bilden, die zu zahlende Gegenleistung des einen Vertrags von einem anderen Vertrag abhängig ist oder die zugesagten Güter oder Dienstleistungen eine einzige Leistungsverpflichtung darstellen.102 Grund für die Zusammenfassung von Verträgen ist die Vermeidung der Ungenauigkeiten der alten Standards im Umgang mit Mehrkomponentengeschäften.103 Durch die genannten inhaltlichen Merkmale wird eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angestrebt, auch wenn die Verträge rechtlich voneinander abgetrennt sind. So wird verhindert, dass durch gezielte Vertragsgestaltung die Höhe und der Zeitpunkt der Ertragserfassung beeinflusst werden können.104 Beispielsweise ist es nicht möglich, dass ein Vertrag über mehrere abhängige Leistungsverpflichtungen, die vor und nach einem Berichtsstichtag liegen, auf mehrere Verträge aufgeteilt wird, um dadurch bereits einen Teil der Erlöse zu erfassen. Diese Verträge sind i. S. d. IFRS 15.17 als ein ganzer Vertrag zu behandeln.
3.5.1.3 Vertragsmodifikationen
Nach Vertragsabschluss kann es häufig zu einer Anpassung des ausgehandelten Vertrags kommen. Aus diesen Veränderungen resultieren in der Regel abweichende durchsetzbare Rechte und Pflichten. Dabei können die bestellten Mengen oder die ausgehandelten Preise angepasst werden. Einigen sich die Vertragsparteien auf eine Anpassung, muss festgestellt werden, ob durch diese nur eine Änderung des bestehenden Vertragsinhaltes erfolgt oder ein neuer zusätzlicher Vertrag entsteht.105
Eine Änderung ist gem. IFRS 15.20 als separater Vertrag zu einzustufen, wenn es sich um eigenständig abgrenzbare Güter oder Dienstleistungen handelt und die vereinbarte Preisanpassung entsprechend dem Einzelveräußerungspreis der Güter erhöht oder gemindert wird.106 Der Einzelveräußerungspreis wird dabei für die zusätzlichen Güter und Dienstleistungen bestimmt und unter Umständen an die spezifischen Vertragsänderungen angepasst, wie bspw. bei einer Mengenrabattierung.107 Die eigenständige Abgrenzbarkeit wird grundsätzlich nicht durch einen funktionalen Zusammenhang zu den zugesagten Gütern oder Dienstleistungen aus dem ursprünglichen Vertrag ausgeschlossen, ist jedoch im Rahmen des Vertragskontextes gem. IFRS 15.27 (b) auf das Vorliegen einer separaten Leistungsverpflichtung zu prüfen108 (siehe 3.5.2 Identifizierung der Leistungsverpflichtung).
Eine Vertragsänderung wird nicht als neuer bzw. zusätzlicher Vertrag erfasst, wenn es keine neuen abgrenzbaren Güter oder Dienstleistungen gibt oder der Einzelveräußerungspreis nicht zuverlässig bestimmt werden kann.109 Die bilanzielle Behandlung ist in diesem Falle abhängig davon, ob die noch zu erbringenden Dienstleistungen oder noch zu liefernden Güter voneinander abgrenzbar sind.110 Sofern die noch ausstehenden Güter oder Leistungen abgrenzbar sind, gilt die Vertragsmodifikation als Beendigung des bisherigen und Abschluss eines faktisch neuen Vertrags, wobei generierte Umsätze aus bereits gelieferten Gütern oder erbrachten Leistungen nicht angepasst werden müssen.111 Die verbleibende Gegenleistung aus dem ursprünglichen Vertrag und der Modifikation wird gem. IFRS 15.21 (a) auf die noch ausstehende Leistungsverpflichtungen aufgeteilt. Die Gegenleistung setzt sich aus den noch ausstehenden Zahlungen aus Vertrag und Änderung zuzüglich noch ausstehender Vertragsverbindlichkeiten (z. B. bei Vorleistung des Kunden) abzüglich noch ausstehender Vertragsvermögenswerte (Vorleistung des Lieferanten) zusammen.112
Sind die noch ausstehenden Lieferungen und Leistungen nicht eindeutig voneinander abgrenzbar, werden sie zu einer einzigen Leistungsverpflichtung zusammengefasst. Gem. IFRS 15.21 (b) gilt die Anpassung als ein Teil des ursprünglichen Vertrags. Da sich durch die Anpassung der Lieferungen oder Leistungen bei Nicht-Abgrenzung der Fortschritt der Leistungsverpflichtung ändert, müssen auch bereits erfasste Erlöse rückwirkend und erfolgswirksam an den neuen Inhalt des Vertrags angepasst werden.113
3.5.2 Identifizierung der Leistungsverpflichtung
Eine Leistungsverpflichtung ist die Zusage per Vertrag, dem Kunden eigenständig abgrenzbare Güter zu übertragen oder Dienstleistungen für diesen zu erbringen. Die Zusage kann auch ein Bündel von Gütern oder Dienstleistungen umfassen.114 Die Identifizierung von Leistungsverpflichtungen innerhalb eines Vertrags spielen im Rahmen der Erlöserfassung nach IFRS 15 eine zentrale Rolle, da diese Thematik eine der wesentlichen Schwächen des alten Standards IAS 18 in Bezug auf die Mehrkomponentenverträge war. Die Identifikation der Leistungsverpflichtung geht mit der eindeutigen Abgrenzung von den im Vertrag genannten Gütern und Dienstleistungen einher und stellt im Wesentlichen den zweiten Schritt des Modells nach IFRS 15 dar.
Die Identifikation von einzelnen Leistungsverpflichtungen sowie die Abgrenzung von Gütern und Dienstleistungen ist bereits für die Beurteilung von Zusammenfassungen und Modifikationen von Verträgen relevant. Dennoch folgt das Vorgehen hierfür den Vorgaben des zweiten Schritts.
3.5.2.1 Prüfung auf Leistungsverpflichtungen
Die Leistungsverpflichtung (performance obligation)115 ist unmittelbar bei Vertragsbeginn zu überprüfen. Im Rahmen des IFRS 15.22 liegt eine Leistungsverpflichtung aus einem Vertrag vor, wenn ein eigenständiges Gut oder eine eigenständige Dienstleistung, ein abgrenzbares Bündel aus Gütern oder aus Dienstleistungen auf den Kunden übertragen wird.116 Eine Reihe eigenständig abgrenzbarer Güter oder Leistungen stellt ebenfalls eine Leistungsverpflichtung dar. Dieses ist z. B. bei periodisch wiederkehrenden Lieferungen der Fall.117 Grundsätzlich sind die zu liefernden Güter oder zu erbringenden Leistungen explizit im Vertrag aufgeführt. In der Praxis kann es aber auch Lieferungen oder Leistungen geben, die „lediglich aufgrund faktischer Zwänge bzw. der üblichen Geschäftspraxis des Unternehmens, d. h. ohne eine rechtliche Verpflichtung geliefert bzw. erbracht werden.“118 Diese müssen nach IFRS 15.24 aber bereits mit Vertragsabschluss in der Erwartung des Kunden stehen, um als Leistungsverpflichtung zu gelten.119 Im Rahmen der Vertragserfüllung erforderliche administrative Tätigkeiten stellen im Rahmen des Standards keine Leistungsverpflichtungen dar.120
3.5.2.2 Abgrenzung von Gütern und Dienstleistungen
Für die Identifikation der einzelnen Leistungsverpflichtungen ist die eigenständige Abgrenzung der zugesagten Güter und Dienstleistungen entscheidend. Der IFRS 15.27 setzt voraus, dass eine abstrakte Unterscheidung und eine konkrete Unterscheidung im jeweiligen Vertragskontext möglich sind.121 Die abstrakte und die konkrete Unterscheidung müssen kumulativ möglich sein. Der reine Wortlaut oder die Gestaltung des Vertrags sind dabei nicht zwangsläufig ein Indiz für die Abgrenzbarkeit von Gütern und Dienstleistungen. Es ist möglich, dass ein Unternehmen zwei Leistungszusagen innerhalb einer Vertragsposition anbietet, z. B. die Lieferung einer Maschine inklusive der Montage. Die reine Zusammenfassung innerhalb des Vertrags bedeutet nicht notwendigerweise, dass keine Trennung zwischen der Lieferung und der Dienstleistung vorgenommen werden kann.122
Eine abstrakte Unterscheidung ist gem. IFRS 15.27 (a) möglich, sofern der Kunde aus dem Bezug des Gutes oder der Dienstleistung einen eigenen Nutzen ziehen kann.123 Diesem Nutzen liegt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde. Dieser kann durch Gebrauch, Konsum, Weiterverkauf oder dem reinen Innehaben erreicht werden.124 Auf den wirtschaftliche Nutzen des Kunden haben viele Faktoren Einfluss. Gem. IFRS 15.28 kann der wirtschaftliche Nutzen bereits mit der Tatsache gegeben sein, dass das Unternehmen das entsprechende Gut oder die Dienstleistung regelmäßig einzeln veräußert. Auf Grund dieser Tatsache ist es wahrscheinlich, dass der Kunde einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Gut oder der Dienstleistung erhält. Das ist auch der Fall, wenn andere Ressourcen in Kombination eingesetzt werden müssen.125
[...]
1 Vgl. Fischer, 2019, So viel börsennotierte Unternehmen gibt es weltweit.
2 Vgl. DEStatis, 2020, Unternehmensregister.
3 Vgl. Godek, 2018, S. 3.
4 Vgl. Deloitte, Rahmen der Finanzberichterstattung in Deutschland.
5 z. B. Pellens, 2014, Kleine Ziffer große Wirkung - Firmen müssen Umsätze neu berechnen.
6 Vgl. Reifenberger, 2017, Erste Konzerne mit konkreten Angaben zu IFRS 15.
7 Vgl. Pilhofer/Herr/Groh, 2019, S. 437.
8 Vgl. Küting/Lam, 2012, S. 2349.
9 Vgl. Deloitte, IAS 18.
10 Vgl. Küting/Lam, 2012, S. 2349.
11 Vgl. IAS 18.6.
12 Vgl. Winnefeld, 2015, Kapitel G, Rn. 157.
13 Vgl. Deloitte, IAS 18.
14 Vgl. Küting/Lam, 2012, S. 2350.
15 Vgl. Deloitte, IAS 18.
16 Vgl. IAS 18.20
17 Vgl. Deloitte, IAS 18.
18 Vgl. ebenda.
19 Vgl. Schlüter/Schönhofer, 2016, § 15. Gesamtergebnisrechnung/Gewinn- und Verlustrechnung, Rn. 29-30.
20 Vgl. Deloitte, IAS 18.
21 Vgl. IFRS 13.9.
22 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Selhorn, 2017, S. 278.
23 Vgl. Deloitte, IAS 11.
24 Vgl. Buhleier, 2014, IAS11. Fertigungsaufträge, Rn. 1.
25 Vgl. Brune, 2016, § 9. Fertigungsaufträge, Rn. 12.
26 Vgl. Deloitte, IAS 11.
27 Vgl. Brune, 2016, § 9. Fertigungsaufträge, Rn. 9.
28 Vgl. IAS 11.9.
29 Vgl. IAS 11.8.
30 Vgl. ebenda.
31 Vgl. IAS 11.3.
32 Vgl. Brune, 2016, § 9. Fertigungsaufträge, Rn. 35.
33 Vgl. IAS 11.16.
34 Vgl. Buhleier, 2014, IAS11. Fertigungsaufträge, Rn. 92-93.
35 Vgl. Buhleier, 2014, IAS11. Fertigungsaufträge, Rn. 95-96.
36 Vgl. IAS 11.18.
37 Vgl. IAS 11.22.
38 Vgl. IAS 11.23.
39 Vgl. Brune, 2016, § 9. Fertigungsaufträge, Rn. 58.
40 Vgl. ebenda.
41 Vgl. Buhleier, 2014, IAS11. Fertigungsaufträge, Rn. 124.
42 Vgl. Buhleier, 2014, IAS11. Fertigungsaufträge, Rn. 127.
43 Vgl. Deloitte, IAS 11.
44 Vgl. Brune, 2016, § 9. Fertigungsaufträge Rn. 58.
45 Vgl. Deloitte, IAS 11.
46 Vgl. IAS 18.35 f.
47 Vgl. IAS 11.39 ff.
48 Vgl. Lam, 2016, S. 99 oder auch Liebfried/Sager, 2015, S. 61.
49 Vgl. CF.4.38 i. V. m. CF.4.47.
50 Vgl. Lam, 2016, S. 99.
51 Vgl. Fleischhauer/Grabe, 2017, S. 67 f.
52 Vgl. Lam, 2016, S. 99.
53 Vgl. Leibfried/Sager, 2015, S. 63.
54 Vgl. Leibfried/Sager, 2015, S. 61.
55 Vgl. Grote/Hold/Pilhofer, 2014, S. 342.
56 Vgl. Lam, 2016, S. 103.
57 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, 2006, S. 157.
58 Vgl. Deloitte, Das Konvergenzprogramm von IASB und FASB.
59 Vgl. DRSC, IFRS 15 Revenue from Contracts with Customers.
60 Vgl. EY, 2018a, S. 7.
61 Vgl. Deloitte, IFRS 15.
62 Vgl. Deloitte, 2016, Übernahme von IFRS 15 in europäisches Recht.
63 Vgl. IFRS 15.C1.
64 Vgl. IFRS 15.C3 i. V. m. Lam, 2016, S. 207.
65 Vgl. IAS 8.22.
66 Vgl. IFRS 15.C3 (b).
67 Vgl. IFRS 15.C7.
68 Vgl. IFRS 15.C8.
69 Vgl. Deloitte, 2014, S. 2.
70 Vgl. KPMG, 2016, S. 4.
71 Vgl. ebenda.
72 Vgl. Rödl & Partner, 2017a, S. 2.
73 Vgl. IFRS 15.C10.
74 Vgl. IFRS 15.5.
75 Vgl. ebenda.
76 Vgl. Deloitte, IFRS 15.
77 Vgl. IFRS 15.6.
78 Vgl. Lam, 2016, S. 118.
79 Vgl. Rödl & Partner, 2017a, S. 2.
80 Vgl. Wöltje, 2016, S. 100.
81 Vgl. Rödl & Partner, 2017a, S. 2.
82 Vgl. IFRS 15 Anhang A i. V. m. IFRS 15.31.
83 Vgl. Deloitte, 2014, S. 2.
84 Vgl. Lam, 2016, S. 121.
85 Vgl. IFRS 15 Anhang A.
86 Vgl. Wöltje, 2016, S.100.
87 Vgl. IFRS 15.9 (a).
88 Vgl. IFRS 15.10 i. V. m. Lam, 2016, S.122.
89 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, §25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 21.
90 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 168.
91 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, § 25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 21.
92 Vgl. IFRS 15.9 (b).
93 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 172 bis 174.
94 Vgl. IFRS 15.9 (c).
95 Vgl. IFRS 15.9 (d).
96 Vgl. IFRS 15.5 (e).
97 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, § 25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 34 f.
98 Vgl. Lam, 2016, S. 123.
99 Vgl. IFRS 15.14.
100 Vgl. IFRS 15.4 i. V. m. Lam, 2016, S. 125.
101 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, § 25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 40.
102 Vgl. IFRS 15.15 i. V. m. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, § 25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 40.
103 Vgl. IFRS 15.17 i. V. m. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 215.
104 Vgl. Lam, 2016, S. 126.
105 Vgl. EY, 2018a, S. 69 i. V. m IFRS 15.18.
106 Vgl. IFRS 15.20.
107 Vgl. IFRS 15.10 (b) i. V. m. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 237.
108 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 236.
109 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, 2020, §25 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 46.
110 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 244.
111 Vgl. IFRS 15.21 (a).
112 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 245 i. V. m. Rn. 931 und 932.
113 Vgl. EY, 2018a, S. 72.
114 Vgl. IFRS 15 Anhang A.
115 Vgl. Knobloch/Anton, 2015a, S. 1519.
116 Vgl. IFRS 15.22 (a).
117 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 261.
118 Vgl. Heintges/Hoffmann/Usinger, 2015, S. 574.
119 Vgl. IFRS 15.24.
120 Vgl. Lam, 2016, S. 132.
121 Vgl. Knobloch/Anton, 2015a, S. 1519.
122 Vgl. Ehrcke, 2019, IFRS 15 Erlöse aus Verträgen mit Kunden, Rn. 302.
123 Vgl. Heintges/Hoffmann/Usinger, 2015, S. 576.
124 Vgl. Lam, 2016, S. 134.
125 Vgl. IFRS 15.28.
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- Leonard Bartz (Autor:in), 2020, Umsatzrealisierung durch den neuen "International Financial Reporting Standard 15". Änderungen und ihre Auswirkungen auf ausgewählte börsennotierte Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/962678
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