Gliederung:
1. Einführung
2. wirtschaftsgeographische Grundlagen
2.1 naturräumlich
2.2 antropogeographisch
2.2.1 Ostafrika in vorkolonialer Zeit
2.2.2 Kolonialzeit
3. Der Industriesektor in Kenya bis Anfang der 70er Jahre
3.1 Industrielle Entwicklung während der Kolonialperiode
3.1.1 Importsubstitutionen
3.1.2 Verarbeitung landw. Erzeugnisse & einheimischer Rohstoffe
3.1.3 Bau der Uganda-Eisenbahn
3.2 Folgen der Kolonisation
4. Postkolonialzeit - Gründung der EAC
4.1 Anfänge der wirtschaftlichen Integration
4.2 Formen wirtschaftlicher Integration
4.3 Die East African Community
5. Unterschiedliche Entwicklungen der 3 Volkswirtschaften
5.1 Uganda
5.2 Tansania
5.3 Kenya
6. Innergemeinschaftlicher Handel und Integration
6.1 Der Zusammenbruch der East African Community
6.2 Vor- und Nachteile wirtschaftlicher Integration
7. Die kenyanische Wirtschaft von 1978 bis 1995
7.1 Branchenstruktur des kenyanischen Industriesektors
7.2 Der tertiäre Sektor
7.3 Der informelle Sektor
7.4 Außenhandelsentwicklung
8. Aktueller Stand
8.1 Die Wiedergeburt der East African Community
8.2 Ausblick
9. Literaturliste
10. Anhang
1. Einführung
Ostafrika setzt sich aus den drei Staaten Kenya, Tansania und Uganda zusammen. Durch die geographischen Gegebenheiten und ihre gemeinsame (Kolonial-)Geschichte sind diese Staaten wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Gemeinsam bilden sie die Ostafrikanische Gemeinschaft [(OAG) <=>East African Community (EAC)].
Wie das Thema Produktivität und Entwicklungsmöglichkeiten des sekundären und tertiären Sektors in Kenya (unter besonderer Berücksichtigung der East African Community) bereits feststellt, wird in dieser Hausarbeit versucht, den sekundären und tertiären Sektor in Kenya besonders im Hinblick auf die Staatengemeinschaft zu betrachten und zu beurteilen. Der sekundäre Sektor ist ,, der Wirtschaftsbereich, in dem Rohstoffe be- und verarbeitet werden" (Leser, 1995, Bd.2, S.200). Ihm werden Industrie, Bauwesen, Handwerk und Heimarbeit zugeordnet.
Der tertiäre Sektor ist ,,der Wirtschaftsbereich, in welchem die Dienstleistungen zusammengefaßt werden" (Leser, 1995, Bd.2, S.286 ). Ihm werden im wesentlichen Handel, Verkehr, Verwaltung, Bildungs- und Schulwesen sowie die freien Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte, ...) zugerechnet.
Um die komplexen Zusammenhänge der ostafrikanischen Wirtschaftsräume zu erkennen, ist es notwendig, den Raum Ostafrika in seiner geographischen und historischen Gesamtheit zu beleuchten.
2. wirtschaftsgeographische Grundlagen
2.1 naturräumlich
Naturräumliche Grundlagen haben in Ostafrika eine nicht unerhebliche Bedeutung im Hinblick auf die wirtschaftliche Struktur und die wirtschaftsräumliche Differenzierung dieses Raumes. Diese resultiert aus den in Ostafrika vorwiegend durch Landwirtschaft und Tourismus geprägten Wirtschaftsräumen. Beide Wirtschaftszweige hängen stark von den natürlichen Gegebenheiten ab. Die wichtigsten Naturfaktoren sind die Niederschlagsmenge, die Verteilung der Niederschläge, die Reliefgestalt, der Wasserhaushalt, die thermische Höhenstufung, die Böden und die Pflanzen- und Tierwelt.
Ein prägendes Element im Oberflächenbild von Ostafrika stellen die Grabenbrüche des zentral- und ostafrikanischen Grabensystems dar. Sie werden begleitet von hohen Randschwellen, steilen Bruchstufen und riesigen Vulkanen.
Des weiteren sind das in sich abgestufte Küstentiefland und das von den Grabenbrüchen eingerahmte, flachwellige und eintönige Binnenhinterland markante Elemente im Oberflächenbild von Ostafrika.
Auf die Genese der naturräumlichen Grundlagen wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Es ist festzustellen, daß die geologischen und geomorphologischen Gegebenheiten in Ostafrika bestimmte Grundlinien ostafrikanischer Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung vorzeichnen. Sie können sowohl positive wie auch negative Einflüsse und Wirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung haben:
- Voraussetzung für die Anlage von großen Naturhäfen wie Mombasa oder Tanga war die relativ buchtenreiche Küstenlandschaft Ostafrikas. Durch die Seehäfen konnten schon früh Handelskontakte mit Südarabien und Persien geknüpft werden. Seit der Kolonisierung sind sie auch bei der wirtschaftlichen Erschließung des Landesinneren beteiligt. · In Kenya konnten sich Schwellenregionen und Vulkanmassive, dank ihrer klimatischen Bedingungen und ihrer meist fruchtbaren vulkanischen Böden, zu Inseln europäischer Besiedlung entwickeln. Diese Inseln sind wirtschaftlich hoch entwickelt. · Die unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten bewirken unterschiedlichste Bedingungen und Beschränkungen für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung. · Die Gefällstufen und Stromschnellen der ostafrikanischen Flüsse stellen ein riesiges Potential an nutzbarer Energie dar. Dies ist um so wichtiger, wenn man berücksichtigt, daß Energiequellen auf Erdöl- und Erdgasbasis nicht vorhanden und Kohlevorkommen sehr beschränkt sind.
- Die durch die Geographie bedingten Unterschiede im Landschaftsbild Ostafrikas und der dadurch hervorgerufene Erholungswert der Landschaft beinhalten ein großes Nutzungspotential für den Fremdenverkehr.
- Die überregionalen Verkehrsverbindungen wurden entscheidend von den geographischen Gegebenheiten geleitet.
( Engelhard, 1974, S.16-85 )
2.2 antropogeographisch
2.2.1 Ostafrika in vorkolonialer Zeit
Bereits in vorkolonialer Zeit wies der ostafrikanische Raum eine große ethnische Vielfalt auf. Diese war geprägt durch ein Nebeneinander von hackbautreibenden Bantu- und Nilotenstämmen einerseits, und durch aus Nordostafrika eindringende hamitische und nilohamitische Hirtenvölker andererseits. Dort wo es nicht zu einer Abgrenzung der Hirtenvölker kam, wurden die Hirtenvölker entweder von den Bantu assimiliert oder es kam zu einer Überschichtung der Hackbauvölker.
Unter fremdvölkischem Einfluß stand in vorkolonialer Zeit nur das Küstengebiet. Schon im 13. Jahrhundert kam es durch lebhafte arabische Handelstätigkeit zur Bildung von arabischen Stadtstaaten. Die von Arabern getragenen Sklavenjagten im frühen 19. Jahrhundert, die tief ins Innere des Kontinents vorstießen, bewirkten tiefgreifende Veränderungen in der ostafrikanischen Bevölkerungsentwicklung. Neben starken Bevölkerungsdezimierungen führten sie auch zu umfangreichen Verschiebungen in der Bevölkerungsverteilung. Durch die Ethnienvielfalt existierten verschiedenste Produktionsweisen gleichzeitig nebeneinander. Dominiert wurde der ostafrikanische Raum in vorkolonialer Zeit von zwei alternativen Produktionsweisen:
- Die gemeinschaftliche Produktionsweise: Sie dominierte weite Teile Ostafrikas. Prägendes Element war die Dorfgemeinschaft. Es gab kein individuelles Eigentum an Produktionsmitteln.
- Die feudale Produktionsweise: Sie wurde u.a. durch den Sklavenhandel der arabischen Stadtstaaten begünstigt. Es herrschten hierarchisch/autoritäre Strukturen vor. ( Sobotha,1966, S.197-198 )
2.2.2 Kolonialzeit
Der Portugiese Vasco da Gama erreichte 1498 als erster Europäer Ostafrika. Die Portugiesen beschränkten sich auf die Errichtung einiger Stützpunkte an der Küste. Sie dienten der Absicherung des neuen Seeweges nach Indien. Allerdings wurden die Portugiesen später bis auf wenige Ausnahmen aus Ostafrika verdrängt.
Raumprägende Veränderungen für das Binnenland Ostafrikas setzten erst mit der Ära der britischen Kolonisation ein. Durch die Eröffnung des Suez-Kanals 1869 wurde die Verbindung zu Europa wesentlich verbessert, und dadurch die wirtschaftliche Attraktivität Ostafrikas gesteigert. 1895 erklärte die britische Regierung Kenya zum britischen Protektorat. In der Kolonialzeit kam es zur Ansiedlung einer größeren Anzahl europäischer Farmer in den ausgedehnten kenyanischen Hochlandgebieten. Begünstigt durch die britische Kolonialpolitik entwickelte sich ein geschlossenes europäisches Siedlungsgebiet, die sogenannten W hite Highlands. Diese wurden von der Kolonialregierung gegen das Eindringen anderer Völker nach außen abgeschirmt. Zum Beispiel war es Afrikanern und Asiaten verboten, in den White Highlands Land zu erwerben.
Zudem war es Afrikanern nicht erlaubt, Kaffee oder Tee anzubauen. Dies hatte zum einen das Ziel, keine afrikanische Konkurrenz auf dem Absatzmarkt zuzulassen, zum anderen wurde so die Versorgung der europäischen Betriebe mit billigen afrikanischen Arbeitskräften gesichert. Der Großteil der Europäer lebte zur Kolonialzeit nur kurzzeitig in Ostafrika, meist im Rahmen der Ausübung kolonialer Verwaltungsfunktionen. Ausnahmen bildeten die bereits erwähnten White Highlands und vereinzelte kleinere Europäersiedlungen. Im Jahr 1960 lebten ca. 97.000 Europäer in Ostafrika.
Die Kolonisation hatte auch noch die Einwanderung einer weiteren Volksgruppe zur Folge. Es immigrierten zahlreiche indische Handwerker, Kaufleute, Händler usw.. Von ihnen ging eine rege Handelstätigkeit aus, die einige Wirtschaftszweige belebt hat. Bei den indischen Immigranten handelte es sich fast ausschließlich um Dauersiedler, wobei ihre Zahl bis 1960 auf über 320.000 anstieg.
Verglichen mit der Anzahl der afrikanischen Bevölkerung in Ostafrika ( 1960 ca. 24 Mill. ) ist die Zahl der europäischen und asiatischen Bevölkerung zwar unbedeutend, ihr Einfluß auf Wirtschaft und Gesellschaft war dafür um so nachhaltiger.
(Engelhard, 1974, S.86-133)
3. Der Industriesektor in Kenya bis Anfang der 70er Jahre
3.1 Industrielle Entwicklung während der Kolonialperiode
Die Industrialisierung Kenyas begann nach dem ersten Weltkrieg mit einigen Branchen des verarbeitenden Sektors. 1922 startete z.B. eine britische Gesellschaft mit der Produktion von Bier. Ihr folgte 1924 eine britische Kaffee- und Teeverarbeitungsfirma, 1933 eine Zementfirma.
Zum Durchbruch im Industrialisierungsprozeß kam erst zu Beginn des zweiten Weltkrieges, Ende der 30er Jahre. Die Kolonialregierung versuchte nun mit Importsubstitutionen ( siehe 3.1.1 ) die angeschlagene britische Industrie zu entlasten, und durch die kriegsbedingte militärische Aufrüstung entstand die Möglichkeit des Aufbaus einer leichtindustriellen militärischen Ausrüstungsgüterproduktion.
Der sekundäre Sektor stand in Kenya von jeher im Schatten des primären Sektors. So ist, neben den Importsubstitutionen, die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und einheimischer Rohstoffe das zweitwichtigste Element im Industrialisierungsprozeß Kenyas (siehe 3.1.2 ).
Ein weiteres wichtiges Element war der Bau der Uganda-Eisenbahn (1896 bis 1901; siehe 3.1.3). Durch die im Zuge des Bahnbetriebs entstandenen Werkstätten konnten Ausbildungskapazitäten in technisch-handwerklichen Wirtschaftsbereichen bereitgestellt werden, für die es vorher keine Grundlage gab.
3.1.1 Importsubstitutionen
Der dominanteste Einfluß auf den Aufbau einer Industrieproduktion ging von einer Importsubstitution aus.
Importsubstitution ist definiert als ,,der Ersatz importierter Produkte durch heimische Erzeugnisse". (Leser, 1995, Bd.1, S.264 )
Ziel war es also, importunabhängiger von der, aufgrund des zweiten Weltkrieges angeschlagenen, britischen Industrie zu werden. So begann die Industrieproduktion, unter Ausnutzung lokaler Ressourcen, mit einfach herzustellenden Erzeugnissen des gehobenen lokalen Bedarfs, hauptsächlich zur Befriedigung bzw. Erhaltung der Konsumgewohnheiten der europäischen Einwanderer und Kolonialadministratoren. Dadurch wurde die Abhängigkeit von den Transportkapazitäten des Seeweges verringert.
Auch nach der Unabhängigkeit wurden die Importsubstitutionen als wichtiges Element der Industrialisierungspolitik angesehen, ohne daß die kenyanische Regierung die Importsubstitutionen ernsthaft geprüft hätte.
3.1.2 Verarbeitung landwirtschaftlicher. Erzeugnisse und einheimischer Rohstoffe
Der Impuls für diese Industrieproduktion ging ebenfalls von den kaufkräftigen europäischen Siedlern, den Kolonialadministratoren und den Händlern aus. Ziel war es, ihren Lebensstandard zu sichern, und über Exporte von Gütern, durch Verarbeitung transportfähig gemacht, Exporterlöse zu erwirtschaften.
Beispiele für die Verarbeitung von landwirtschaftlichen. Erzeugnissen in Kenya sind die Verarbeitung von Kaffee, Tee, Milch und Milchprodukten, Fleisch und Früchten.
3.1.3 Bau der Uganda-Eisenbahn
Der Grad der infrastrukturellen Ausstattung, insbesondere der Verkehrserschließung, hat einen nicht unerheblichen Einfluß auf das Siedlungsverhalten. So führte der Bau der Uganda- Eisenbahn in Gebieten mit ausreichendem Entwicklungspotential zu regelrechten Bevölkerungskonzentrationen. Es sind folgende nachhaltige Einflüße des Eisenbahnbaus zu nennen:
- Die Entwicklung des kenyanischen Hochlandes beiderseits der Bahnlinie zu einem geschlossenen europäischen Siedlungsgebiet. Die Ansiedlung europäischer Farmer diente in erster Linie zur Rentabilitätssicherung der kostspieligen Eisenbahnlinie, die primär zur Sicherung der Nilquellen und der Erhaltung des Kolonialstatus in Uganda diente. Durch den Bau von Stichbahnen wurde die Richtung der europäischen Siedlungstätigkeit vorgegeben, da die Eisenbahn zu dieser Zeit das einzigste Transportmedium für den Export war. Der Export aber war überlebenswichtig für die Europäerbetriebe. So steht der Eisenbahnbau in direktem Zusammenhang mit der räumlichen Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten der Europäer in Kenya.
- Die Linienführung der Eisenbahn hat die räumliche Anordnung und Intensivierung des Cash-Crop-Anbaus entscheidend beeinflußt.
- Ebenfalls intensivierende Wirkung hat der Eisenbahnbau auf die Viehzucht gehabt. Durch die verbesserten Transportbedingungen ist die zur Vermarktung gekommene Stückzahl an Rindern erheblich angestiegen.
- Die nachhaltigste Wirkung hatte der Eisenbahnbau auf Städtegründungen und Städtewachstum. So liegen die vier größten städtischen Zentren Kenyas (Nairobi, Mombasa, Nakuru, Kisumu) und die beiden bedeutendsten Städte Ugandas ( Kampala, Jinja) an der Ugandabahnlinie. Mombasa und Kisumu haben als Endpunkte der Bahnlinie und als Umschlagplatz für den Schiffstransport ihr rasches wirtschaftliches Wachstum vor allem der Ugandabahn zu verdanken. Nairobi, Nakuru und Kisumu sind als Stadtgründungen auf den Eisenbahnbau zurückzuführen. So entstand z.B. Nairobi aus einem Bahnbaulager. · Die städtebildende Wirkung der Bahn hatte auch Auswirkungen auf die Industrieansiedelung. So sind die größten Städte Kenyas und Ugandas gleichzeitig die bedeutendsten Industriestandorte in Ostafrika.
- Durch ihre verschiedenen Abzweigungen hat die Ugandabahn in starkem Maße zur Ausbildung zentraler Orte und zentralörtlicher Funktionen geführt. ( Herrmann, 1988, S.166-205 )
3.2 Folgen der Kolonisation
Die europäische Kolonialperiode hat einerseits einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht, andererseits die regionalen Disparitäten erheblich verschärft.
Folgende wirtschaftliche Veränderungen hat die Kolonialzeit bewirkt:
- Die Europäer brachten Ostafrika in engen weltwirtschaftlichen Kontakt. Dadurch konnte sich Ostafrika aus der Abhängigkeit einer reinen Selbstversorgungswirtschaft lösen. Dies hatte jedoch eine hohe Abhängigkeit vom Weltmarkt zur Folge.
- Die wichtigsten agrarischen Exportprodukte für den Weltmarkt wie Sisal, Tee, Kaffee, Baumwolle, Cashewnüsse oder Zuckerrohr wurden entweder von Europäern eingeführt, oder von ihnen in den Weltmarkthandel aufgenommen.
- Die vorhandene Verarbeitungsindustrie für landwirtschaftliche Produkte war Voraussetzung dafür, daß afrikanische Bauern diese Produkte anpflanzen konnten.
- Durch den Ausbau des Verkehrswegenetzes und durch die infrastrukturelle Erschließung neuer Räume wurden ebenfalls notwendige Voraussetzungen für eine agrarische Weltmarktproduktion geschaffen. Dies gilt auch für den Ausbau von Handels- und Absatzeinrichtungen, die hauptsächlich von Indern aufgebaut wurden.
- Durch Innovationen in der Landwirtschaft konnten afrikanische Bauern ihre Erträge steigern. Europäische Farmen dienten hier als Vorbild. Auch gelang es in einigen Regionen die Einstellung zur traditionellen Viehhaltung zugunsten einer marktorientierten Viehzucht zu verändern. Dies führte allerdings in manchen Räumen zur Überweidung und Desertifikation. · Die entscheidenden Impulse zur Industrialisierung gingen von Europäern aus (vgl. 3.1). · Die wirtschaftliche Tätigkeit der Europäer und Inder hatte eine tiefgreifende ökonomische Umstrukturierung des Landesinneren zur Folge. Durch die Verkehrserschließung entstanden neue, rasch wachsende Städte. So änderte sich auch die traditionelle afrikanische Lebensweise der Selbstversorgungswirtschaft. Es entwickelte sich ein Wanderarbeitertum, bedingt durch die räumliche Konzentration der wirtschaftlichen Zentren.
- Durch den Kapitalismus als neu eingeführte Produktionsweise modifizierten sich die vorkolonialen Produktionsweisen (vgl. 2.2.1) in den drei Staaten in sehr differenzierter Form und verloren ihren ursprünglichen Charakter. Typische Formen der kapitalistischen Produktionsweise waren Siedlerkapitalismus in Kenya und Plantagenwirtschaft in Tansania. · Die Kolonisation hat regionale Disparitäten erzeugt bzw. verstärkt. Ebenso wurde eine 2- Klassen-Gesellschaft geboren. Die eine Klasse bestand Großteils aus den rassischen Minderheiten der Europäer und Inder, die als kleine Elite im Wohlstand lebte. Ihr stand die große Masse der afrikanischen Bevölkerungsschichten gegenüber, die in Armut lebte. In Kenya wurde mit der Unabhängigkeit die europäische Elite von einer kleinen afrikanischen Elite abgelöst.
- Den Aufbau verschiedenster Bildungseinrichtungen und medizinischer Institutionen hat Ostafrika der Kolonialperiode zu verdanken. Diese Einrichtungen erleichterten den Weg in eine moderne Welt. Die Verbesserungen im Gesundheitswesen führten allerdings auch zu einem raschen Bevölkerungsanstieg.
- Die britische Regierung führte einige Maßnahmen zur Vorbereitung der Unabhängigkeit von Ostafrika durch. Hier sind z.B. das Flurbereinigungsverfahren in stark besiedelten Regionen oder die Einleitung der Übernahme von europäischem Landbesitz durch afrikanische Bauern zu nennen. Und schließlich schaffte die britische Regierung die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Zusammenschluß der ostafrikanischen Staaten zu einer ostafrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaft, der East African Community ( siehe 4.1 ).
( Engelhard, 1974, S.7-15 )
4. Postkolonialzeit - Gründung der East African Community
4.1 Anfänge der wirtschaftlichen Integration
Die drei Staaten Kenya, Uganda und Tansania standen gemeinsam rund vierzig Jahre unter britischer Herrschaft. Schon 1922 schafften die Briten einen gemeinsamen ostafrikanischen Markt, mit Währungs-, Zoll-, Post- und Verkehrsunion.
Bereits während der Kolonialperiode konnte Kenya ein wirtschaftliches Übergewicht gegenüber den anderen Staaten in der Union erlangen. Dies lag u.a. an den wesentlich höheren Investitionen der Europäer in die kenyanische Wirtschaft. Durch die Anwesenheit zahlreicher britischer Firmen konnte Kenya auch im Handel- und Dienstleistungssektor eine führende Stellung in Ostafrika erreichen.
In der neokolonialen Phase ( _1961-1967 ) entwickelten sich die drei Staaten sehr differenziert:
Die gegensätzlichen Entwicklungen in den drei Volkswirtschaften verschärften sich weiter, als es Mitte der sechziger Jahre zu einer Krise im gemeinsamen Markt kam. Ein Grund war die seit langem stark passive Handelsbilanz Kenyas, bedingt durch eine enorme Kapitaleinfuhr und zahlreicher Dienste für seine Nachbarn. Demgegenüber standen die beiden aktiven Volkswirtschaften von Tansania und Uganda, die mit ihren Exportüberschüssen die negative kenyanische Bilanz auszugleichen hatten (siehe Tab. 1).
Tab.1: Export und Import der ostafrikanischen Staaten 1960, 1965 und 1969
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weitere Spannungen ergaben sich durch Kenyas Stellung im innergemeinschaftlichen Handel.
Hier konnte Kenya einen positiven Saldo vorweisen. Tansania und Uganda mußten hingegen einen negativen Saldo verbuchen ( siehe Abb.1 & 2 ). So entstand für Tansania und Uganda der Eindruck, daß Kenya alleiniger Nutznießer der Währungs- und Zollunion sei. Verschärfend kam dazu, daß auch die zentralen öffentlichen Dienste der Gemeinschaft überwiegend auf Kenya konzentriert wurden. Ein Grund dafür waren die Verbesserungen der internationalen Finanzlage Kenyas.
Jetzt konnten nur noch grundlegende Reformen das Auseinanderbrechen der Gemeinschaft verhindern, zumal sich die drei Staaten auch politisch immer weiter voneinander entfernten (siehe 5.3 ). An einer Erhaltung des gemeinsamen Wirtschaftsmarktes waren aber alle drei Staaten interessiert, da der Zusammenbruch für alle sehr teuer werden würde. So wurde am 6. Juni 1967 die Ostafrikanische Gemeinschaft konstituiert. Eine politische Union wurde nicht angestrebt.
Die gemeinsame Währung, der East-African-Shilling, konnte nicht gerettet werden, da Tansania bereits 1966 eine eigene Notenbank eröffnet hatte.
( Sobotha,1966, S.200-203 )
4.2 Formen wirtschaftlicher Integration
Um die komplizierten ökonomischen Zusammenhänge in Ostafrika zu verstehen, ist es notwendig, allgemeine volkswirtschaftliche Integrationsmodelle mit der tatsächlichen Situation in Ostafrika zu vergleichen ( siehe 4.3 ).
Die typischen Formen wirtschaftlicher Integration von Staaten kann man nach der Intensität der Gemeinsamkeiten folgendermaßen ordnen:
1. Freihandelszone
2. Zollunion
3. gemeinsamer Markt
4. Wirtschaftsunion
5. Volle wirtschaftliche Integration der Staaten
zu 1): Eine Freihandelszone ist der Zusammenschluß mehrerer Länder zu einem Wirtschaftsraum, in dem der Außenhandel der Staaten untereinander keinen Beschränkungen unterworfen ist. Die Zölle und Kontingente für lokale Produkte sind also beseitigt. Jeder Staat behält das Recht, seine Außenhandelspolitik gegenüber Nichtmitgliedern der Freihandelszone ohne Auflagen zu betreiben. Dies gilt besonders für die Erhebung von Zöllen.
zu 2): Eine Zollunion ist ein Zusammenschluß mehrerer Staaten mit dem Ziel der Bildung eines einheitlichen Zollgebiets mit gemeinsamen Außenzolltarif. Gleichzeitig bedeutet eine Zollunion auch den Abbau aller Hemmnisse für den gesamten Warenverkehr innerhalb der Union.
zu 3): Im gemeinsamen Markt ist neben der Freiheit des Warenverkehrs auch die Freiheit der Produktionsfaktoren gesichert. Hauptziel ist neben dem Freihandel die Herbeiführung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik.
zu 4): Die Wirtschaftsunion ist ein übernationaler wirtschaftlicher Zusammenschluß. Sie setzt eine gemeinsame Wirtschaftsordnung und eine gleichsinnige Wirtschaftspolitik voraus. Merkmale der Wirtschaftsunion sind der freie Austausch von Arbeitskräften, Gütern und Kapital, sowie eine gemeinsame Währung bzw. ein fester Wechselkurs. Ziel ist es u.a., die durch national unterschiedliche wirtschaftsrechtliche Bestimmungen hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.
zu 5): Die volle wirtschaftliche Integration der Staaten bedeutet, daß Geld-, Finanz-, Konjunktur- und Sozialpolitik vereinheitlicht sind. Diese Stufe ist nur erreichbar, wenn es supranationale Institutionen mit verbindlicher Entscheidungsbefugnis gibt.
Eine fortschreitende wirtschaftliche Integration erfordert also handlungsbefugte Institutionen, die von den gemeinsamen Staaten betrieben werden. Dies bedeutet allerdings die Aufgabe der nationalen Souveränitätsrechte im wirtschaftlichen Bereich. In der fünften Stufe existieren theoretisch keine nationalstaatlichen wirtschaftlichen Interessen mehr. Für alle Integrationsstufen gilt, daß eine mit fortschreitender Integration wachsende wirtschaftliche Bindung der Mitgliedsstaaten aneinander nur mit gleichzeitiger politischer Integration zu verwirklichen ist. Wenn sich die Staaten während des Integrationsprozesses politisch voneinander entfernen, ist eine stärkere wirtschaftliche Integration keinesfalls zu erreichen. ( Karsten, 1972, S. 48-50 )
4.3 Die East African Community
Die Einordnung der EAC in die unter 4.2 genannte Typologie ist nicht eindeutig.
Grundsätzlich bestand Freihandel zwischen den Staaten. Der freie Güterverkehr galt jedoch nicht für landwirtschaftliche Produkte, und auch beim gewerblichen Güterverkehr konnte unter bestimmten Voraussetzungen eine zollähnliche Einfuhrabgabe erhoben werden. Der Aufbau einer Freihandelszone wurde also noch nicht verwirklicht.
Demgegenüber bestand ein gemeinsamer Außenzolltarif, der ein typisches Merkmal der Zollunion ist.
Des weiteren waren wichtige wirtschaftliche Gesetze, meist als Folge der Kolonisation, vereinheitlicht. So galten die gleichen Tarife für Verbrauchssteuern, wodurch Handelsverzerrungen vermieden wurden, und es galt ein gemeinsamer Einkommenssteuertarif, was für Investitionen wichtig war. Dies waren bereits Elemente einer Wirtschaftsunion.
Es bestanden einige gemeinsame Dienstleistungsunternehmen, insbesondere im Verkehrsbereich. So waren Eisenbahnen, Häfen, das Post- und Fernmeldewesen und der zivile Luftverkehr zentral organisiert.
Wie unter 4.1 erwähnt, wurde die Währungsunion mit Gründung nationaler Zentralbanken 1966 aufgehoben, der Kapital- und Geldverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten war aber im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern relativ einfach.
Das höchste Organ der Ostafrikanischen Gemeinschaft war die Ostafrikanische Behörde ( East African Authority ). Sie setzt sich aus den drei Ministerpräsidenten der Mitgliedsstaaten zusammen. Ständiges Exekutivorgan der Gemeinschaft war der Generalsekretär. Die Ostafrikanische Gesetzgebende Versammlung hatte in bestimmten Bereichen Gesetzgebungsbefugnisse. Allerdings hatte die Ostafrikanische Behörde ein Vetorecht. Die Mitglieder der Ostafrikanischen Gesetzgebenden Versammlung wurden nicht gewählt, sondern von den Regierungen der Mitgliedsstaaten entsandt. Über Streitfragen in der Auslegung von Vertragsbestimmungen entschied der gemeinsame Gerichtshof. Auch die Finanzverwaltung wurde weitgehend gemeinsam betrieben.
Die Ostafrikanische Entwicklungsbank diente Großteils zur Finanzierung von Industrieprojekten. Sie hatte aber auch die Aufgabe, eine gleichmäßige Verteilung der Industrie auf die drei Mitgliedsstaaten zu gewährleisten.
Ein wichtiges Merkmal für den gemeinsamen Markt fehlte jedoch, nämlich die Freizügigkeit des Produktionsfaktors Arbeit. So gab es eine Tendenz in allen drei Mitgliedsstaaten, offene Stellen mit eigenen Arbeitskräften zu besetzen. Ebenso war die Aufteilung der Ostafrikanischen Universität in drei selbständige Universitäten 1970 ein Rückschritt für die kulturelle Zusammenarbeit.
Insgesamt stellte die EAC eine besondere Form der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dar, denn Sie vereinigte Elemente verschiedener Integrationsstufen. Dies ist auf die gemeinsame Kolonialzeit zurückzuführen. Es ist festzustellen, daß die Verträge zur EAC einen Rückschritt im wirtschaftlichen Integrationsprozeß darstellen.
( Ndegwa, 1968, S.203-228 )
5. Unterschiedliche Entwicklungen in den drei Volkswirtschaften
5.1 Uganda:
Die Landwirtschaft bildete die Existenzgrundlage für den größten Teil der Bevölkerung. Ende der 60er Jahre waren rund 90% der arbeitsfähigen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Der Beitrag der Landwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt betrug nahezu 50% ( siehe Tab. 3 ). Zwischen 80 und 90% des Exporterlöses nach Übersee stammten aus dem primären Sektor. Die wichtigsten cash-crop-Produkte waren Kaffee, Baumwolle, und Tee ( siehe Tab.2).
Tabelle 2: Hauptausfuhrgüter Ugandas 1965:
(In 1.000 £ Stg. )
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kreuer, 1967 , S.234
Tabelle 3: Uganda: Sektorale Herkunft des Bruttoinlandsprodukts
Quelle: Karsten, 1972 , S.54
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Beitrag des sekundären Sektors zum Bruttosozialprodukt war gering ( 1966: 12% ). 1963 konnten in Uganda circa 600 Industriebetriebe mit zehn und mehr Beschäftigten gezählt werden. Wichtigstes Exportgut des sekundären Sektors außerhalb der Gemeinschaft war Kupfer ( siehe Tab. 2 ).
Innerhalb der EAC wurden mit Zucker, Pflanzenöl, Tabak und Textilien die wichtigsten Exporteinnahmen erzielt. Die Industrie wurde vom Staat gefördert, was sich in einer steigenden Zahl neuer Betriebe bemerkbar machte.
Wie in 4.1 erwähnt, konnte Uganda seit Jahren eine aktive Zahlungsbilanz vorweisen. 1965 erreichte Uganda einen Ausfuhrüberschuß von 22 Mio. Pfund Stg.. Die wirtschaftliche Zukunftsplanung der ugandischen Regierung zielte auf einen Ausbau des primären Sektors. So sollten neue cash-crop-Produkte eingeführt werden, um die Abhängigkeit von Weltmarktschwankungen zu mindern. Des weiteren wurde die Agroindustrie gefördert. Diese Pläne waren aber nur teilweise bzw. gar nicht auf die Situation im ostafrikanischen Markt abgestimmt. Dies führte zu Konkurrenzplanungen innerhalb der EAC. So plante Uganda z.B. eine Stickstoffdüngerfabrik, ebenso wie Kenya.
Daneben herrschten große Besitz- und Einkommensunterschiede in der Gesellschaft von Uganda. Der bedeutendste Industrielle Anfang der sechziger Jahre war ein Sohn indischer Einwanderer, J.M. Madhavi. Rund 10% der Einnahmen des Staates Uganda kamen zu dieser Zeit durch Steuern und Zölle aus dem Madhavi-Konzern in die Staatskasse. Dies nur als Beispiel für die großen Disparitäten zwischen Ober- und Unterschichten. ( Kreuer, 1967, S.229-237 )
Ferner existierten drei Hauptkonflikte in Ugandas Gesellschaft:
a) Ein regionaler Konflikt zwischen ,,Großbauern" ( Kulaken ) aus dem Süden und Kleinbauern aus dem Rest des Landes. Problem war die Beibehaltung der in der Kolonialzeit entstandenen Struktur der ,,Arbeitsteilung", wo der Süden als warenproduzierendes Gebiet und der Rest des Landes als Reservoir für Arbeitskräfte galt.
b) Ein rassischer Konflikt zwischen asiatischer ( indischer ) Bourgeoisie und afrikanischer Kleinbourgeoisie.
c) Ein religiöser Konflikt zwischen Katholiken, Protestanten und Moslems.
Diese Konflikte und die kommunistischen Ansätze innerhalb der ugandischen Regierung führten schließlich im Januar 1971 zu einem Staatsstreich, in dem die Armee unter Idi Amin die Macht übernahm. Er wurde anfangs aus all jenen Kreisen der Bevölkerung unterstützt, die befürchteten, durch den Linksruck der ugandischen Regierung an Einfluß zu verlieren.
Afrikanischen Händlern wurde eine Ausweitung ihrer wirtschaftlichen Basis versprochen. Diese wurde auf Kosten der asiatischen Minderheit erreicht. So erklärte Idi Amin im August 1972 den ,,economic war" und wies sämtliche Asiaten aus Uganda aus. Die nachrückenden afrikanischen Händlerklassen hatten aber nicht die nötigen wirtschaftlichen Qualifikationen und Beziehungen der indischen Händlerklasse. Die Folgen waren verheerend. Die neuen afrikanischen Agenten bekamen keine internationalen Kredite und mußten somit alle internationalen Transaktionen bar bezahlen. Uganda hatte seine internationale Kreditwürdigkeit verloren.
Die Produktivität der Wirtschaft ging zurück, Schwarzmarkt und Schmuggel blühten. So wurden z.B. 1978 aus Kenya 16.000 Tonnen Robusta-Kaffee exportiert, obwohl diese Menge in Kenya garantiert nicht angebaut wurde.
Mit dem Rückgang des externen Handels gewann der innergemeinschaftliche Markt in Uganda an Bedeutung. Die Importe aus Kenya stiegen. Neue Handelsrestriktionen in allen drei Staaten lähmten jedoch in den folgenden Jahren den Handel und förderten den Schmuggel.
Idi Amin baute sein faschistisches Regime weiter aus, was sich in einer raschen Militarisierung der Gesellschaft und einer wachsenden militärischen Aufrüstung bemerkbar machte. Ein blutrünstiges Terrorregime und außenwirtschaftliche Absicherung durch Deviseneinnamen aus Kaffee ( 1977 =93% ) ermöglichten eine achtjährige Diktatur in Uganda. ( Collignon, 1990 , S.150-196)
5.2 Tansania:
Als Tansania 1961 seine volle Unabhängigkeit erhielt, dominierte ebenfalls der Landwirtschaftssektor die Wirtschaft. Im Süden war noch die traditionelle gemeinschaftliche Produktionsweise bestimmend, während sie sich im Westen und Norden zur individuellen kleinbäuerlichen Produktionsweise entwickelte. Kapitalistische Produktionsverhältnisse wurden nur in sehr kleinen und fruchtbaren Anbaugebieten (um Kilimanjaro, Viktoriasee, Usambara-Berge) angewandt
1968 waren rund 80% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt, der Großteil im Subsistenzsektor. Fast 80% der Exporterlöse wurden durch landwirtschaftliche Produkte erzielt. Circa 50% des Bruttoinlandsprodukts stammten aus dem Landwirtschaftssektor ( siehe Tab. 4 ). Der Beitrag des verarbeitenden Gewerbes fiel mit 6,2% relativ gering aus.
Tabelle 4: Tansania: Sektorale Herkunft des Bruttoinlandsprodukts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Karsten, 1972 , S.53
Ab 1967 folgte die Regierung von Tansania den Grundsätzen des ,,afrikanischen
Sozialismus". Sie konnte die Entfaltung einer Klassengesellschaft zwar weitgehend verhindern, nicht aber eine lang andauernde Wirtschaftskrise.
Die Ziele dieses Sozialismus können folgendermaßen beschrieben werden:
- Aufbau einer ,,sozialen Gleichheit" in der Gesellschaft. Verhinderung einer Klassenbildung durch Ausgleich der ökonomischen, regionalen und sozialen Disparitäten in den Landesteilen. · Aufbau von kollektiven Wirtschafts- und Siedlungseinheiten. In ihnen wurde gemeinsam gelebt und gearbeitet.
- Steigerung des Selbstversorgungsgrades durch Ausnutzung einheimischer Ressourcen und Konzentration auf eine verstärkte Binnenindustrialisierung ( self-reliance ). Ziel einer autochthonen Gesellschaft.
- Umgestaltung der Agrargesellschaft in eine urbanisierte Industriegesellschaft. · Ausbau der ökonomischen Zusammenarbeit mit anderen afrikanischen Staaten.
Schon 1967, im Gründungsjahr der EAC, verstaatlichte Tansania Banken, Versicherungen, Außen- und Großhandelsunternehmen sowie Plantagen ausländischer Besitzer. Die Investition ausländischen Kapitals wurde nur mit staatlicher Beteiligung und unter staatlicher Kontrolle erlaubt. Dies führte dazu, daß ausländische Geldgeber Großteils nicht in Tansania investierten Von 1961- 1967 verzeichnete Tansanias Industriesektor eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 13,3%. Nach Gründung der EAC fiel sie bis 1972 auf 8,1% und bis 1977 auf 3,1% ab. Dies passierte obwohl die Partnerstaaten der EAC festgelegt hatten, daß jeder Staat einige für den ostafrikanischen Markt produzierende Industrien erhalten solle. Zudem war eine gewisse nationale Schutzzollpolitik erlaubt ( siehe 4.3 ). Dies alles konnte den
Rückgang des Industriesektors in Tansania nicht stoppen. Die Gründe für den Rückgang liegen u.a. in einer mangelnden Investitionsbereitschaft ausländischer Kapitalgeber in Tansania und der hohen und rasch steigenden Überschüsse von Kenya im innergemeinschaftlichen Handel mit Tansania ( siehe Abb.1 ).
Die räumliche Anordnung der Siedlungsräume stellt sich in Tansania differenzierter dar als in den beiden anderen Staaten. Einen vergleichbaren Raum wie die White Highlands in Kenya gibt es nicht. Die Orte der marktorientierten Agrarerzeugung liegen stark gestreut und sind häufig durch weite, siedlungsarme Räume voneinander getrennt. Dies förderte auch die Entwicklung räumlich und sozio-kulturell isolierter Völker.
Tansania gliedert sich in circa 120 Ethnien, wobei rund 90% zu den Bantu-Völkern zu rechnen sind. Die größte ethnische Gruppe, die Sukuma, stellt nur rund 12% der Bevölkerung. Dies erschwerte die Ausbildung einer Volksgruppe zur politisch dominierenden Kraft. Ferner entwickelte sich eine ,,bürokratische Bourgeoisie". Zwar wurden 1967 allen politischen Führungskräften private Einkünfte verboten, dafür verfügten sie über zahlreiche Privilegien. Wie bereits erwähnt, legte Tansania großen Wert auf den Abbau von regionalen Disparitäten. Größtes Problem war hier die Primatstellung der Hauptstadt Dar Es Salaam, also die überragende Bedeutung und Größe dieses Raumes gegenüber den nächstgrößeren Wirtschaftszentren. Schon im 2. Fünfjahresplan (1969-74) Tansanias wurde das Ziel verfolgt, diese Disparitäten abzubauen. Hierzu wurde die städtische Entwicklung auf neun Wachstumspole konzentriert, von denen dann Entwicklungsimpulse auf den ländlichen Raum ausgehen sollten. 1972 folgte im Rahmen der Dezentralisierungspolitik eine Verlegung zahlreicher Kompetenzen von der Zentralregierung in die regionalen Verwaltungsbehörden.
1973 wurde dann die Verlegung der Hauptstadt von der Küste in eine ressourcenschwache Region, nach Dodoma, beschlossen. Die geschätzten Gesamtkosten des Umzuges von 1 Mrd. DM überstiegen die Finanzkraft Tansanias bei weitem.
Man kann sagen, daß Tansania dem Abbau regionaler Disparitäten den Vorzug vor einer maximalen Steigerung des Wirtschaftswachstums gegeben hat. Diese Steigerung wäre nur mit einer räumlichen Konzentration der begrenzten technischen und finanziellen Ressourcen zu erreichen gewesen. Der Versuch, sich aus der ökonomischen Abhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmetropolen durch die Anwendung der self-reliance zu lösen, ist gescheitert, auch wenn Tansania in einigen Bereichen durchaus Erfolge vorweisen konnte ( z.B.: Bildungs- und Schulwesen ). (Vorlaufer, 1989, S.602-612 )
Self-reliance ist definiert als ein ,,Entwicklungskonzept, daßsich als Alternative zu wachstums- und weltmarktorientierten Entwicklungsstrategien versteht. Die s.-r. versucht eigenständige Kräfte und Ressourcen im eigenen Bereich (Land) zu mobilisieren. Sie ist ein Weg zur autozentrierten Entwicklung und primär binnenmarktorientiert." (Leser, 1995, Bd.2, S.203 )
5.3 Kenya
Wie bereits in 3.2 erwähnt, hatte sich in Kenya nach der Kolonialperiode eine nationale Elite herausgebildet. Die Regierung verankerte die kapitalistische Produktionsweise in der Gesellschaft, was zu einem enormen Investitionsschub ausländischer Kapitalisten und zu einer Vergrößerung der Auslandsabhängigkeit führte. Gleichzeitig herrschten große Klassengegensätze in der Gesellschaft.
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung stellte sich relativ günstig dar ( siehe 4.1 und Tab. 5 ). Mit rund 35% des Bruttoinlandsprodukts war in Kenya ebenfalls der Landwirtschaftssektor der wichtigste Erwerbszweig. Der gewerbliche Sektor und der Dienstleistungssektor waren wesentlich stärker entwickelt als in den beiden anderen Mitgliedsstaaten.
Tabelle 5: Kenya: Sektorale Herkunft des Bruttoinlandsprodukts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Karsten, 1972 , S.53
Die großen Vorteile Kenyas gegenüber Tansania und Uganda in der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung waren:
- Die Investitionsbereitschaft ausländischer Kapitalgeber konzentrierte sich weitestgehend auf Kenya, das im Unterschied zu Tansania eine Verstaatlichung ausländischer Unternehmen grundsätzlich ablehnte und den Zufluß privaten Auslandskapitals begrüßte. · Hinzu kamen die Standortvorteile Kenyas durch die Seehäfen und durch die gute Infrastruktur in den White Highlands.
- Durch geregelte Übergaben des europäischen Siedlerlandes an Afrikaner konnte die Marktproduktion von Agrargütern in den White Highlands erhalten werden. Während in Tansania die deutschen Siedler spätestens nach dem 2.Weltkrieg enteignet wurden und dadurch wichtige Siedlungsräume der Farmproduktion verfielen, war Kenya fast alleiniger Lieferant für den ostafrikanischen Agrarmarkt, vor allem mit Weizen, Molkereiprodukten und Fleischwaren.
- Die günstigen agroökologischen Bedingungen im Land der Kikuyu und die unmittelbare Nachbarschaft zu den ehemaligen White Highlands erleichterten dem Volk der Kikuyu den Aufstieg zur politisch führenden Kraft in Kenya. Zudem waren die Kikuyu mit 20% die größte Bevölkerungsgruppe Kenyas.
- Die Hauptstadt Nairobi wurde noch bis 1974 als Wachstumspol gefördert. Dies hatte ein rasches regionales Wirtschaftswachstum zur Folge, verstärkte aber auch die regionalen Disparitäten. Erst nach 1974 wurde eine Verringerung des Wachstums angestrebt und benachteiligtere Gebiete gefördert.
(Vorlaufer, 1989, S.602-612 )
6. Innergemeinschaftlicher Handel und wirtschaftliche Integration
6. 1 Der Zusammenbruch der East African Community
Wie bereits erwähnt, wurde die EAC 1967 gegründet, um ein Zerfallen des gemeinsamen Marktes zu verhindern. Die Neuordnung der Beziehungen führte zu einem Rückgang des interterritorialen Handels, da vor allem Tansania Abgaben auf Importe erhob ( siehe Tab.6 und Abb.2 ).
Tabelle 6: Interterritorialer Handel der Ostafrikanischen Gemeinschaft in%
Quelle: Stat. Bundesamt, 1971, S.59
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2 zeigt, daß die Gründung der EAC eine kurze Stagnationsphase zwischen 1967 und 1968 auslöste. Durch nationale Schutzmaßnahmen Ugandas und Tansanias ging der Absatzüberschuß Kenyas zugunsten der anderen Mitgliedsstaaten zurück. Kenya konnte sich in den folgenden zwei Jahren auf Kosten Ugandas wieder erholen und den Wert, den es vor Gründung der EAC hatte, sogar noch übertreffen. Auch Tansania konnte seine interterritoriale Handelsbilanz in den folgenden Jahren leicht verbessern. Dies kam aber lediglich durch geringere Importe aus der Gemeinschaft. Die Exporte konnten kaum gesteigert werden. In Uganda dagegen ging der Export zurück, während der Import anstieg. Kenya konnte sein führende Rolle als Hauptlieferant des ostafrikanischen Marktes weiter ausbauen. Der Militärputsch in Uganda 1971 führte zu einer weiteren Stagnationsphase im innergemeinschaftlichen Handel. Vor allem für Tansania ging ein wichtiger Exportmarkt verloren. Zwischen Kenya und Uganda blühte hingegen der Schwarzmarkt. Ugandas Bilanzverbesserung zwischen 1971-1973 erklärt sich aus einem Importstop durch Verbote und Auflagen der faschistischen Regierung unter Idi Amin für die ugandischen Importeure und durch den Zusammenbruch der ugandischen Industrie.
Auch der Ölpreisschock von 1973 wirkte sich auf die Außenhandelsbilanzen der ostafrikanischen Länder ab 1974 deutlich negativ aus ( siehe Tab. 7 & Abb.3 ).
Tabelle 7: Handelsbilanzen der ostafrikanischen Länder
Quelle: Collignon, 1990 , S.317
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Suche nach einem Ausweg aus dieser Zahlungsbilanzkrise wurde für Tansania und Kenya zum Hauptziel. Zusätzlich verschärfend wirkten sich schlechte Ernten in den Dürrejahren 1973-74 aus. Vor allem Tansania mußte seine Devisenvorräte für Nahrungsmittelimporte verbrauchen, was die Auslandsverschuldung nochmals in die Höhe trieb. Daneben bestand immer noch dasselbe Problem wie zu Ende der Kolonialzeit. Kenya hatte im innergemeinschaftlichen Handel einen positiven Saldo, die beiden anderen Staaten einen negativen Saldo zu verbuchen ( vgl. Abb.1 ). Die gängige Praxis, diese Salden mit ,,harten" Devisen untereinander auszugleichen, führte zu einem unnötigen Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft, mit dem Ziel, möglichst viel Auslandsvermögen des Partnerstaates zu gewinnen. Wenn nun aber die Devisenreserven eines Staates knapp sind, wird er nicht mehr aus der Gemeinschaft importieren. Solch eine Praxis hemmt also den Handel. Dieses Phänomen wird in der Volkswirtschaft als neokoloniale Konkurrenz bezeichnet. Die Jahre nach der Ölkrise waren geprägt durch die neokoloniale Konkurrenz und durch neue Handelsbarrieren und Handelsrestriktionen aller Gemeinschaftsstaaten. Die EAC schien langsam zu sterben.
Diese Situation spitzte sich bis 1977 weiter zu, so daß schließlich ein kleiner Vorfall ausreichte, um die Gemeinschaft zu Fall zu bringen:
Im Februar 1977 gründete Kenya im Alleingang seine eigene Fluggesellschaft. Die gemeinsame ostafrikanische Fluggesellschaft brach auseinander. Daraufhin schloß Tansania seine Grenzen zu Kenya. Der Telefon- und Fernschreibverkehr unter den Mitgliedsstaaten funktionierte nicht mehr, und jeder Staat beschuldigte den Anderen, dafür verantwortlich zu sein.
Ugandas Staatschef, Idi Amin, versuchte zwar noch, durch eine EAC- Notstandskonferenz, die Gemeinschaft zu retten. Doch hatten sich die drei Staatschefs seit Amins Machtergreifung 1971 noch nie getroffen, und gerade deshalb war das Verhältnis der drei Staaten untereinander eisiger denn je. Trotz Drohungen von Ugandas Staatschef Amin, erschienen die beiden anderen ,,Brüder" der Gemeinschaft nicht. Der Zusammenbruch war besiegelt. ( Sobczak,1977 )
6.2 Vor- und Nachteile wirtschaftlicher Integration
Bei einer so vielschichtigen Problematik, wie sie im Wirtschaftsraum Ostafrika vorherrscht, stellt sich die Frage nach dem Sinn einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Im Folgenden werden das Für und Wieder der wirtschaftlichen Integration dargestellt:
1. Vorteile:
- Steigerung der Produktivität durch Vergrößerung des Marktes.
- Senkung der Stückkosten durch weitergehende Spezialisierung und der daraus resultierenden Realisierung von Vorteilen der Massenproduktion und durch Erhöhung der Mobilität der Produktionsfaktoren.
- Zusätzliche Investitionsmöglichkeiten im Industriebereich. Dies kann zu einem Zustrom von ausländischem Kapital und Unternehmerleistung führen.
- Breitere Verteilung der Gemeinkosten für bestimmte Dienstleistungen durch gemeinsame Betreibung.
2. Nachteile
- Die Stückkosten der neuen Produktion liegen fast immer über dem Weltmarktniveau. Daher reicht die Errichtung neuer Industrien bei ausreichend großem Markt allein nicht aus. Es muß zusätzlich ein Schutzzoll erhoben werden. Dies kann zu Handelskonflikten führen. · Die Vorteile, die ein neuer Industriebetrieb mit sich bringt, kommen nur dem Land zugute, in dem sich der Betrieb befindet. Da die Standorte neuer Industrien stark von den gegebenen Infrastrukturen abhängig sind, kommt es häufig zur Agglomeration von Industrieansiedelungen in bestimmten Regionen. Dadurch verschärfen sich die regionalen Disparitäten.
- Durch die Verschärfung des Wettbewerbs in allen Bereichen kommt es häufig zu einer Zerstörung der traditionellen Produktionsformen mit nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Folgen.
- Der Ausgleich der regionalen Disparitäten durch gleichmäßigere Verteilung der
Industrieansiedelung entspricht aus privatwirtschaftlicher Sicht nicht dem optimalen Industriestandort.
( Karsten, 1972, S. 56-59 )
7. Die kenyanische Wirtschaft von 1978 bis 1995
Durch den Zusammenbruch der Ostafrikanischen Gemeinschaft verlor Kenyas Industrie den wichtigen Tansaniamarkt ( siehe Abb.1 ). Dadurch gingen die Investitionen stark zurück. Dennoch war in den meisten Jahren das durchschnittliche jährliche Industriewachstum höher als die Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft.
Der Anteil des produzierenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt konnte in Kenya von 1967 bis 1987 nur um 1,7% erhöht werden ( siehe Tab.8 ). Das Volumen der industriellen Produktion wurde von 1976-88 verdoppelt. Trotzdem sank die industrielle Wertschöpfung zum Ende der 80er Jahre im Vergleich zum Output stark ab ( z.B.: 1985-87 von 15,3% auf 13,6% ). Wertschöpfung ist definiert als ,,Die Summe der in einer Produktionsperiode in den Unternehmen neu geschaffenen wirtschaftlichen Werte" (Leser, 1995, Bd.2, S.375 ).
Tab.8: Anteil (%) der Wirtschaftsabteilungen an der Entstehung des BIP zu Faktorpreisen in Kenya 1967 und 1987
Quelle: Vorlaufer, 1989, S.604
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Verringerung der industriellen Wertschöpfung ist ein Zeichen dafür, daß die
Industrialisierungsstrategie Kenyas zu Beginn der 90er Jahre an ihre Grenzen gestoßen war. Der qualitative Sprung von der Erzeugung relativ einfacher Konsumgüter zur Produktion von Zwischen- und Investitionsgütern war noch nicht gelungen. Allerdings konnte der Anteil der Konsumgüter am Importwert von 27% in den 60er Jahren auf 6,4% in den 80er Jahren gesenkt werden.
Der geringe Anstieg des Anteils des produzierenden Gewerbes am BIP zeigt, daß es ebenfalls nicht gelungen ist, die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des sekundären Sektors maßgeblich zu steigern ( siehe Abb.4 ). (Vorlaufer,1989, S.608-610 )
7.1 Branchenstruktur des kenyanischen Industriesektors
Der sekundäre Sektor bzw. das produzierende Gewerbe hat einen hohen volkswirtschaftlichen Stellenwert. 1992 betrug der BIP-Anteil des sekundären Sektors 19,2% ( Tansania: 12%; Uganda: 11% ). Das produzierende Gewerbe teilt sich in folgende Wirtschaftszweige:
1. Energiewirtschaft
2. Bergbau, Gewinnung von Steinen, Erden und Salz
3. Verarbeitendes Gewerbe
4. Baugewerbe
zu 1.: Kenya besitzt keine nennenswerte Vorkommen an fossilen Brennstoffen. Ebenso sind Kernkraft und alternative Energiegewinnung unterrepräsentiert. Einheimische Energieträger sind die Wasserkraft, die geothermische Energie, Brennholz, Holzkohle und die Biomasse. Die eigenen Energieressourcen reichen nicht aus, um den gesamten Energiebedarf zu decken. Es müssen Brennstoffe importiert werden. Die Energieeinfuhren machen circa ein Viertel der Gesamteinfuhr aus. Sie setzen sich zusammen aus Rohöl und Erdölderivaten, Kohle und
Elektrizität. Die einzigste Erdölraffinerie in Kenya befindet sich in Mombasa. Rund 30% der Produktion wird exportiert, der Rest dient zur Inlandsversorgung. Die Ausfuhr von Erdölprodukten macht circa 10% des Gesamtexportes aus.
1993 entfielen rund 88% der gesamten Energieproduktion auf Wasserkraftwerke, 8% entfielen auf das Geothermalkraftwerk Olkaria und 4% entfielen auf die Wärmekraftwerke. Größte Verbrauchergruppe sind mit rund 63% die Großbetriebe der Industrie und des Handels.
In Zukunft ist ein Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten zu erwarten, um die Importkosten zu senken. Geplant ist vor allem die Ausweitung der hydroelektrischen und geothermischen Kapazitäten.
zu 2.: Dieser Wirtschaftszweig ist in Kenya volkswirtschaftlich relativ unbedeutend.
Sodaasche und Flußspat sind die wichtigsten Bergbauerzeugnisse. Des weiteren werden noch Kalkstein und Salz abgebaut. Der Beitrag zum Gesamtexport betrug 1992 lediglich 2%. Auf kleingewerblicher Basis ist noch die Gewinnung von weiteren Mineralien und Steinen zu nennen, die volkswirtschaftlich aber bedeutungslos ist. Es handelt sich hier zum Beispiel um Gold, Blei, Baryt, Graphit, Gips und Marmor.
zu 3.: Das verarbeitende Gewerbe ist innerhalb des sekundären Sektors dominierend. 1992 entfielen 64,5% der sekundärwirtschaftlichen Gesamtproduktion auf diesen Wirtschaftszweig. Der Beitrag zum BIP zu Faktorkosten betrug 11,8%.
Die wichtigsten Branchen des verarbeitenden Gewerbes sind die Nahrungsmittelindustrie, die Getränkeherstellung und Tabakverarbeitung, die Textilindustrie, die Erdölverarbeitung, die Elektroindustrie, der Maschinenbau, die Metallindustrie, der Fahrzeugbau, das Druckereiwesen und die Papier- und Pappeverarbeitung.
Auf den agroindustriellen Zweig entfielen rund 30% des gesamten verarbeitenden Gewerbes. Durch die lange Dürreperiode Anfang der 90er Jahre kam es zu einer Produktionsstagnation. Ebenfalls rückläufige Produktionszahlen hatten das Bekleidungsgewerbe, die Leder- und Schuhindustrie, die Möbelindustrie und die Papier- und Pappeverarbeitung zu verbuchen. Ein anderes Problem stellte sich den Branchen, die in erhöhtem Maße von importierten Rohstoffen, Investitionsgütern sowie Ersatzteilen abhängig sind (Maschinenbau, Elektrotechnik, Kfz-Industrie). Durch den Wertverlust des Kenya-Shilling und eine fortschreitende Devisenknappheit konnten wichtige Importe nicht getätigt werden. Dies führte zur Abnahme der Produktionsleistung.
Die Textilindustrie konnte ihre Produktionsleistung von 1989 bis 1993 um 25% steigern.
Ebenso konnte die Getränke- und Tabakindustrie aufgrund steigender Nachfragen im In- und Ausland einen Aufwärtstrend beobachten.
Den größten Zuwachs konnten die chemische Industrie und die Erdölverarbeitung verbuchen. Dies ist vor allem der Verdienst der Raffinerie von Mombasa. Aber auch hier kam es ab 1991 infolge der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession zu Produktionsrückgängen. Des weiteren konnten im Zeitraum von 1989-1993 Zuwächse in der Kunststoffherstellung, in der Verarbeitung von Steinen und Erden und in der Metallindustrie erzielt werden. Tab.9 zeigt die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes von 1989 bis 1993. Hierbei wurde ein Mengenindex von 100 für das Jahr 1976 zugrundegelegt:
Tab.9: Mengenindex der Produktion für das verarbeitende Gewerbe 1976=100
Quelle: Stat. Bundesamt, 1994, S.91
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
zu 4.: Die allgemeine wirtschaftliche Rezession Anfang der 90er Jahre verursachte auch eine Krise im Baugewerbe. Mitverantwortlich waren die Einschränkung der Kapitalausgaben für öffentliche Bau- und Infrastrukturausgaben und die starke Reduzierung der Entwicklungshilfeleistungen. ( Statistisches Bundesamt, 1994, S.81-94 )
7.2 Der tertiäre Sektor
Der Handels- und Dienstleistungssektor ist in Kenya mit über 50% Anteil am Bruttoinlandsprodukt die größte Wirtschaftsabteilung. Begünstigt wurde diese Entwicklung auch durch Kenyas Stellung als wichtigster Belieferer des ostafrikanischen Marktes. Sie zeigt aber auch das Problem des ,,Wasserkopfes der Bürokratie". Der tertiäre Sektor teilt sich in folgende Wirtschaftszweige ( vgl.Tab.8 ):
1. Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe ( mit Tourismus ): Dieser Wirtschaftsbereich macht rund 11% des BIP zu Faktorpreisen aus. Der Fremdenverkehr hat mittlerweile Kaffee und Tee als wichtigste Devisenbringer abgelöst.
2. Verkehr- und Nachrichtenwesen: Dieser Zweig trägt mit rund 6% zum BIP bei.
3. Öffentliche Dienstleistungen: Sie halten einen Anteil von fast 15% am BIP. Hierbei handelt es sich um staatliche Aktivitäten im Bereich des Bildungs- und Gesundheitswesens, der Agrar- und Industrieförderung, und der öffentlichen Verwaltung.
4. Finanz-, Immobilien- und Versicherungswesen; gewerbliche und häusliche Dienste. Sie tragen mit knapp 20% zum BIP bei.
( Herrmann, 1988, S.113-117 )
7.3 Der informelle Sektor
Neben den offiziellen Wirtschaftssektoren existiert, vor allem in Entwicklungsländern, ein
,, alternativer Beschäftigungssektor der marginalisierten Bevölkerungsteile. Der i.S. ist durch eine bestimmte Art und Organisation von Produktions-, Vertriebs- und Dienstleistungen gekennzeichnet, die sich von den durchorganisierten und reglementierten Formen wirtschaftlicher Betätigung im formellen Sektor unterscheiden." (Leser, 1995, Bd.1, S.271 ). In Kenya handelt es sich u.a. um Straßenhändler, Garküchenbesitzer und Kleinhandwerker. Zahlenmäßig ist der informelle Sektor wenig bedeutsam, es zeigte sich aber ein großer Arbeitsplatzzuwachs ab Anfang der 80er Jahre. Zwei Drittel aller Beschäftigten des informellen Sektors entfallen auf die Städte. ( Statistisches Bundesamt, 1994, S.55-61 )
7.4 Außenhandelsentwicklung
Wie unter 3.1.1 erwähnt, betrieb die kenyanische Regierung lange Zeit eine Politik der Importsubstitution, auf der Grundlage eines durch disziplinarische Devisenbewirtschaftung abgesicherten Handelslizenzsystems und hoher Importzölle. Zu einer Liberalisierung des Handels- und Devisensystems kam es erst auf Drängen der Geberländer während der 80er Jahre. Zudem wurde der Übergang zu einer stärker ausfuhrorientierten Handelspolitik eingeleitet.
1993 wurden die Handelsbarrieren abgeschafft ( bis auf wenige Ausnahmen, z.B. bei Rohöl ) und Maßnahmen zur Förderung der Exportwirtschaft eingeleitet.
Wie Abb.5, 6+7 und Tab.10 zeigen, ist die Handelsbilanz Kenyas von 1975 bis 1993 kontinuierlich negativ ausgefallen ( vgl. Tab. 1 ). Die Transformation des Produktionsapparates im Gefolge von Industrialisierung und sozialen Veränderungen hat in Kenya ( und in Tansania ) zu zunehmenden Importen geführt, die durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland finanziert wurden. ( Im Gegensatz zu Uganda, wo seit der Kolonialzeit Kapital ins Ausland transferiert wurde.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 10: Außenhandelsentwicklung 1988-1993 in Mill. K-£
Quelle: Stat. Bundesamt, 1994 , S.97
Bei Betrachtung von Abb.6 und Abb.7 fällt auf, daß sich die Handelsbilanz in Kenya-Shilling anders darstellt als die Handelsbilanz in US-Dollar. Dies ist überwiegend auf Abwertungen des Kenya-Shillings zurückzuführen. Es wird deutlich, wie sehr die Volkswirtschaft eines Staates von internationalen Bedingungen abhängt. Die Verbesserung der Handelsbilanz in US-$ 1993 ist zudem auf verbesserte terms of trade zurückzuführen.
Terms of trade ist ,, das Verhältnis aus dem Index der Exportgüterpreise und dem Index der Importgüterpreise" ( Leser, 1995, Bd.2, S.283 ).
Seit Mitte der 80er Jahre unterliegen die terms of trade starken Schwankungen. Während 1986 eine Verbesserung der Warenaustauschbedingungen, bedingt durch den Erdölpreisverfall und geringerer Importpreise, zu verzeichnen war, trat in den folgenden Jahren eine Verschlechterung der terms of trade ein. Gründe hierfür waren die Golfkrise und die Weltmarktpreisentwicklung für Tee und Kaffee. Seit 1991 ist eine Verbesserung der Warenaustauschbedingungen zu erkennen, die auf den erneuten Rückgang der Erdölpreise und steigende Exportpreise für kenyanische Exportprodukte zurückzuführen sind (siehe Tab.11).
Tabelle 11: Terms of Trade
1982=100
Quelle: Stat. Bundesamt, 1994 , S.98
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kenyas wichtigste Importproduktgruppe von 1989 bis 1993 setzte sich aus Gütern für den industriellen Bedarf zusammen. Zweitwichtigste Gruppe stellt der Import von Schmier- und Brennstoffen dar, wobei dies auf die Erdölimporte zurückzuführen ist. Abbildung 8 zeigt die prozentuale Verteilung der Importe von Kenya 1993 nach Warenkategorien.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sind die Industriegütereinfuhren, die Brenn- und Schmierstoffeinfuhren und die Importe von Transportausrüstungen gestiegen, während die Einfuhr von Kapitalausrüstungen ( z.B. Maschinen ) und der Nahrungsmittel- und Getränkeimport zurückgegangen sind.
Die wichtigste Exportwarengruppe von 1989 bis 1993 stellten Nahrungsmittel und Getränke dar. Seit Anfang der 90er Jahre ist Tee das wichtigste Exportprodukt dieser Warenkategorie. Rohkaffee ist 1993, nachdem er 1992 nach Gartenbauprodukten an dritter Stelle stand, durch Erhöhung der Exportmenge wieder zweitgrößtes Ausfuhrprodukt des Nahrungsmittel- und Getränkesektors.
Die nächstgrößere Exportwarengruppe setzt sich aus Gütern für den Industriebedarf zusammen. Hier war eine enorme Steigerung von 1992 bis 1993 von 136% zu verzeichnen. Abbildung 9 zeigt die prozentuale Verteilung der Exporte von Kenya 1993 nach Warenkategorien.
Der Export von Brenn- und Schmierstoffen konnte 1993 im Vergleich zu 1992 wieder gesteigert werden. Trotzdem muß festgestellt werden, daß sich der prozentuale Beitrag dieser Warengruppe zum Gesamtexport im Vergleich zu den vorherigen Jahren gesenkt hat. Wenn man bedenkt, daß dieser Sektor zeitweise zweitwichtigstes Exportprodukt ( nach Tee und vor Kaffee ) war, dann hat der Export von Erdölprodukten seinen hohen Stellenwert in den letzten Jahren zugunsten der Warengruppen Nahrungsmittel & Getränke und Industriegüter eingebüßt.
Der wichtigste Handelspartner Kenyas ist die Europäische Union. Möglich wurde dies einerseits durch spezielle Handelsbegünstigungen, die Kenya als AKP-Land bewilligt werden und anderseits durch die bestehenden engen Geschäftsbeziehungen seit der Kolonialzeit. Abbildung 10 zeigt die prozentuale Verteilung der Importe Kenyas 1993 nach Handelspartnern:
1993 war Großbritannien ( mit Nordirland ) innerhalb der Europäischen Union das wichtigste Bezugsland. Zweitwichtigster Staat in Europa war die Bundesrepublik Deutschland. Bei den Importen aus der EU handelt es sich überwiegend um Transportausrüstungen, Investitionsgüter und industrielle Produktionsinputs. Ein weiterer bedeutsamer Lieferant war mit 22,8% der Nahe Osten, bedingt durch seine Erdöllieferungen an Kenya. Hier sind die Vereinigten Arabischen Emirate 1993 mit rund 15% der Gesamteinfuhr der größte Lieferant des Nahen Ostens und somit der wichtigste Warenlieferant Kenyas. Die Importe aus dem Fernen Osten und Australien haben Anfang der 90er Jahre stark zugenommen. Hier ist vor allem Japan zu nennen, daß sich 1993 mit 7,6% an der Gesamteinfuhr beteiligte. Die Importe aus afrikanischen Staaten sind mit 2,4% sehr gering.
Auch bei den Ausfuhren ist die EU wichtigster Handelspartner. 1993 wurden 35,9% aller Exporte Kenyas in die EU geliefert. Wie bei den Importen, so ist auch bei den Exporten Großbritannien bedeutendster Handelspartner Kenyas innerhalb der EU. Tabelle 11 zeigt die prozentuale Verteilung der Exporte Kenyas 1993 nach Handelspartnern:
Zweitwichtigstes Exportziel Kenyas ist Afrika. 1993 wurden 34,6% aller Exporte in afrikanische Länder geliefert. Innerhalb Afrikas sind die beiden ehemaligen Mitglieder der EAC, Tansania und Uganda, die bedeutendsten Handelspartner. Durch Verbesserungen der bilateralen Beziehungen zwischen den drei Staaten Ende der 80er Jahre konnte Kenya seine Präsenz auf dem ostafrikanischen Markt wieder ausbauen. Mit 8,9% des Gesamtexportes war Uganda 1993 zweitwichtigstes, und mit 7,4% Tansania drittwichtigstes Zielland für Kenyas Ausfuhren. ( Statistisches Bundesamt, 1994, S.95-107 )
8. Aktueller Stand
8.1 Die Wiedergeburt der East African Community
Im November 1993 unterzeichneten Kenya, Tansania und Uganda ein ökonomisches Kooperationsabkommen, das u.a. den freien Austausch von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital zwischen den drei Staaten vorsah.
Im November 1994 beschlossen die Regierungschefs von Uganda, Yoweri Museveni, von Tansania, Julius Nyerere, und von Kenya, Daniel arap Moi, auch auf Druck der Entwicklungshilfegeberländer, die Einrichtung eines Generalsekretariats zum Aufbau eines neuen Wirtschaftsbündnisses. Kurz darauf beschuldigte die kenyanische Regierung Uganda, Guerrila-Truppen zu beherbergen, die den Sturz der Regierung in Kenya planen würden. Die diplomatischen Beziehungen wurden abgebrochen. Der erste Versuch einer Wiederbelebung der wirtschaftlichen Integration war gescheitert.
Als sich Ende 1995 die ostafrikanischen Regierungen zur Amtseinführung des neuen Regierungschefs von Tansania, Benjamin Mkapa, trafen, kam es auf Drängen des früheren Regierungschefs von Tansania, Julius Nyerere, zur Versöhnung zwischen den drei Ländern. Seit März 1996 gibt es ein neues Wirtschaftsbündnis. Dieses besteht zunächst nur aus einem Generalsekretär, zwei Stellvertretern und 32 Büroräumen; aber immerhin haben die drei Staaten den politischen Willen zur Zusammenarbeit bekundet.
Daniel arap Moi nannte zwar als Fernziel des neuen Bündnisses eine Art Bundesstaat, die erneute Annäherung ist aber eher wieder auf wirtschaftliche Gesichtspunkte zurückzuführen. Denn wenn das Bündnis dieses Mal nicht an politischen Unstimmigkeiten zerbricht, dann besteht die Chance, daß die drei Staaten zu einem gemeinsamen Markt von 72 Millionen Menschen zusammenwachsen. So könnte ein Gegengewicht zu Südafrika entstehen, daß seit Ende der Apartheid einen enormen Exportanstieg verbuchen konnte ( 1994 um 26% ). Dies kann auch als Hauptmotivation für den erneuten Versuch der wirtschaftlichen Integration in Ostafrika angesehen werden.
Voraussetzung für ein Gelingen ist neben dem politischen Konsens auch die Freiheit des Warenverkehrs und der Produktionsfaktoren.
Bisher wurde geplant, die Zölle und Tarife der drei Staaten anzugleichen. Kenya erhebt z.B. 45% Einfuhrsteuer, Uganda nur 25%. Dies begünstigte den Schmuggel und hemmte den legalen Handel. Ferner wurde der freie Personenverkehr beschlossen, und eine Angleichung der Steuer- und Geldpolitik ist geplant. ( Kunath, 1996)
8.2 Ausblick
Tansania und Uganda sind wichtige Exportländer für Kenya. Die Öffnung des Marktes wird mit Sicherheit zu einem Anstieg der kenyanischen Exporte führen. Aber auch bei den Importen aus der EAC ist mit einem Anstieg zu rechnen. So ist zu erwarten, daß Kenya in Zukunft in stärkerem Maße auf Energie- und Getreideeinfuhren aus Uganda zurückgreift. Ferner könnte Tansania u.a. Baumwolle zur Weiterverarbeitung nach Kenya exportieren. Ein Problem in der zukünftigen Entwicklung könnte eine erneute Konkurrenzplanung sein. Alle drei Staaten hängen immer noch stark von Importen ab. Die Lösung wird schon seit Jahren in einer Umstellung der alten Industrialisierungsstrategie ( importsubstituierte Industrie ) gesehen. Der Aufbau von exportorientierten Industrien ist das Ziel in allen drei Ländern. Hier ist es wichtig, die Entwicklungspläne aller drei Staaten abzustimmen, um den neuen Produktionen den nötigen Markt zu sichern. Es kann nur das Ziel geben, eine gemeinsame soziale Marktwirtschaft zu verankern. Bei einer reinen Marktwirtschaft würde es höchstwahrscheinlich ziemlich rasch zu Machtkämpfen zwischen international konkurrierenden Großkonzernen in Ostafrika kommen, die dann wiederum nur die Industriestandorte wählen würden, die nach den Gesetzen des Marktes die optimalen Bedingungen bieten. Dadurch würden sich die regionalen Disparitäten weiter verschärfen. Hier könnte sich die EAC an dem Modell der Regionalfonds der Europäischen Union orientieren.
Die weitere außenpolitische Entwicklung in Ostafrika ist ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung des zukünftigen Verlaufes der EAC. In Tansania ist nach dem Zusammenbruch der Sovietunion eine Art Marktwirtschaft eingeführt worden. In Ugandas Wirtschaft herrscht Aufbruchsstimmung. Die jährlichen Wachstumsraten liegen bei 10%. Das Investitionsklima für ausländische Kapitalgeber ist gut. In jedem Fall sind die politischen Voraussetzungen für die EAC dieses Mal günstiger als 1967.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die innenpolitischen Entwicklungen in den drei Staaten. Kenya steht kurz vor den Präsidentenwahlen 1997. Unter internationalem Druck ließ Kenya 1991 wieder ein Mehrparteiensystem zu. Bei der Wahl 1992 profitierte Daniel Arap Moi von der Zerstrittenheit der neu entstandenen Oppositionsgruppen. Ferner wurden die neuen Parteien stark an ihrer Arbeit gehindert. Nach fünf Jahren Zeit für die Opposition sich neu zu formieren, und durch ethnische Konflikte ist der Ausgang der Wahl 1997 mit Spannung zu erwarten. Zusätzliche Spannungen innerhalb der Bevölkerung verursachten die Abwertungen des Kenya-Shillings 1993. Dadurch sind die Lebenshaltungskosten für Kenyaner enorm gestiegen. Die jüngsten Entwicklungen in Ruanda zeigen, daß die ethnischen Probleme in Ostafrika rezent sind. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die drei Staaten ihre jeweiligen ethnischen Konflikte lösen werden. Durch die EAC besteht nun die Chance, die Identifikation der verschiedenen Ethnien mit ihrem gemeinsamen Raum Ostafrika zu erreichen, um durch das neu entstandene Bewußtsein als ,,Ostafrikaner" den Tribalismus und den Nationalismus abzuschwächen bzw. auf lange Sicht sogar zu überwinden. Dazu sind allerdings noch große Anstrengungen vonnöten. Wenn man bedenkt, wie weit die EU-Staaten im Moment von einer Identifikation ihrer Bevölkerung als Europäer entfernt sind, dann wird deutlich, daß die Modifikation der kulturellen Identifikation langsam vor sich geht und große Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung erfordert. Hier ist vor allem der Bildungsbereich gefragt. Ebenso wichtig ist der kulturelle Austausch und die Erleichterung (Förderung) von Reisen in die Nachbarländer. Dies hilft Vorurteile abzubauen und fördert die Toleranz zwischen den Ethnien.
Für die Geberländer ist der gemeinsame ostafrikanische Markt ein wichtiger Investitionsmarkt für neue Produktionen. Da sie in jedem Fall an einem Gelingen der EAC interessiert sind, werden internationale Kredite und Entwicklungshilfe auch von der zukünftigen Entwicklung der EAC abhängig sein. Der Vorteil ist eine verstärkte Motivation der drei Staaten, den Markt voranzutreiben. Leider kann sich hieraus auch ein Nachteil ergeben: Wenn die Hauptmotivation des Vorantreibens eines gemeinsamen Marktes nicht von den Staaten selber ausgeht, sondern von Dritten gefordert wird, dann ist die Gefahr groß, daß die Staaten eine Scheinintegration eingehen, in der es wieder zu nationalen Vorbehalten und Schutzmaßnahmen kommen könnte.
Insgesamt ist die wirtschaftliche Integration in Ostafrika auf jeden Fall zu begrüßen. Über den Weg dorthin wird sicherlich noch viel diskutiert werden müssen.
Markus Rebstock
9. Literaturliste:
Collignon, S. (1990): Regionale Integration und Entwicklung in Ostafrika.- (=Hamburger Beiträge zur Afrikakunde, 38) , Institut für Afrikakunde, Hamburg
Engelhard, K. (1974): Die wirtschaftsräumliche Gliederung Ostafrikas.- (=Afrika-Studien, 84), IFO- Institut für Wirtschaftsforschung, München
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