Die Stadt Pompeji ist aufgrund ihres Schicksals weltberühmt. Um 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und begrub die Stadt unter Gestein und Asche. Nur wenige Historiker beschäftigen sich jedoch mit der Stadt, bevor dieses Ereignis über sie hineinbrach. In diesem Essay soll es daher um die Gesellschaft Pompejis vor 79 n. Chr. gehen, insbesondere um die Oberschicht, die als Motor der Stadt nicht zu unterschätzen ist.
Die pompejanische Oberschicht als Motor der Stadt
Die Stadt Pompeji am Golf von Neapel ist vor allem wegen ihres Untergangs durch den Ausbruch des Vesuvs am 24. August des Jahres 79 n. Chr. berühmt geworden.1 Von dem Zeitpunkt an, in dem Pompeji von Gestein und Asche begraben wird, bis etwa in das 18. Jahrhundert gilt die Stadt als verloren. Erst im Jahre 1763 identifiziert man die Ruine mit Pompeji und erst nach Ende des 18. Jahrhunderts beginnt man damit, die Stadt systematisch auszugraben.2 Zu bieten hat die Stadt jedoch weitaus mehr als nur die Repräsentation einer durch eine Naturkatastrophe zerstörten Stadt.
Ein interessanter Aspekt, um die antike Stadt und ihre Geschichte näher zu untersuchen, ist die gewichtende Bedeutung der Oberschicht Pompejis, unter der erkennbar wird, dass ebendiese als Motor der Stadt anzusehen ist.
In diesem Essay soll die Rolle der pompejischen Oberschicht im städtischen Leben herausgestellt werden, wozu vor allem die baulichen Tätigkeiten in den Fokus genommen werden sollen. Die in dieser Arbeit untersuchten Bauten, die die Bedeutung der Oberschicht verdeutlichen, werden auf das Stiftungswesen und die Bestattungskultur mit ihren eindrucksvollen Grabbauten begrenzt. Beide Teilgebiete sollen an jeweils zwei einschlägigen Beispielen veranschaulicht werden.
Als Forschungsliteratur dient dieser Arbeit vor allem das Werk des klassischen Archäologen Dr. Jens-Arne Dickmann und darüber hinaus die Werke der Althistorikerin Beate Wagner-Hasel, dem Altertumswissenschaftler und klassischem Archäologen Robert Étienne sowie der Althistorikerin Mary Beard.3 Die einschlägigen Quellen zum Thema wurden aus den Quelleneditionen von Alison Elizabeth und Melvin George Cooley entnommen.4
Von dem Erdbeben von 62 n. Chr. war in Pompeji „[k]ein öffentliches Gebäude, kein religiöses Bauwerk, kein Privathaus […] verschont geblieben“.5 Auf die Hilfe des amtierenden Kaisers Nero konnten die Stadtbewohner nicht hoffen, da dieser mit dem Aufbau Roms nach dem großen Brand von 64 n. Chr. beschäftigt war und auch die Ereignisse des Vierkaiserjahres 68/69 n. Chr. verhinderten, dass die zerstörte Stadt Hilfe aus Rom erreichte.6 Die Dringlichkeit des Wiederaufbaus der zerstörten Stadt war jedoch groß, sodass Privatleute ebendiese Dringlichkeit und die fehlende Unterstützung aus Rom nutzten, um Gebäude zu stifteten. Doch was machte es für Privatleute attraktiv, ein Gebäude auf eigene Kosten zu stiften? Sie erhielten im Gegenzug eine anerkennende Erwähnung in der Bauinschrift des Gebäudes, was ihnen Prestige verschaffte und daher als reizvoll galt. Auch ein sozialer Aufstieg war möglich, wie sich an folgendem Beispiel zeigen soll.
Zu den Stiftern, die nach dem Erdbeben von 62 n. Chr. zum Wiederaufbau der Stadt beitrugen, gehört unter anderem ein sogenannter Numerius Popidius Celsinus, der den Tempel der Isis auf eigene Kosten wiederaufbauen ließ.7 So lautet es in der Bauinschrift des Isis-Tempels, dass Numerius Popidius Celsinus, Sohn des Numerius, das Gebäude nach dem Erdbeben auf eigene Kosten restaurieren ließ und aufgrund seiner Großzügigkeit in den Stadtrat aufgenommen wurde und das, obwohl er gerade einmal sechs Jahre alt war.8 Das Alter des Stifters lässt darauf schließen, dass die Stiftung des Tempels von dessen Vater vollzogen wurde, der offenbar politische Gründe hatte, seinem Sohn durch eine Stiftung Prestige und darüber hinaus einen sozialen Aufstieg verschaffen zu wollen.9 Die Oberschicht der Stadt ist hierbei also insofern von großer Bedeutung, als dass es als reizvoll galt, dieser anzugehören. Hierbei stehen also eindeutig nicht der Aspekt der Freigiebigkeit und der Wunsch nach einem wiederaufgebauten Pompeji im Vordergrund, wenngleich es dem Wiederaufbau der Stadt zugutekam.
Doch auch vor dem Erdbeben von 62 n. Chr. lassen sich ebensolche Stiftungen von Gebäuden durch Privatleute nachweisen. Hierzu gehört auch das Gebäude der Eumachia, „der obersten städtischen Priesterin“.10 Laut der gefundenen Bauinschrift wurde es von Eumachia, die Tochter des Lucius und Priesterin der Venus war, und ihrem Sohn Marcus Numistrius Fronto gestiftet und darüber hinaus der Concordia und der Pietas Augusta geweiht.11 Die Funktion des Gebäudes ist umstritten und aus der Bauinschrift nicht ersichtlich, aber auch hierbei scheint es sich – wie beim Isis-Tempel – um eine „Kooperation von Vater bzw. Mutter und Sohn“ zu handeln.12 Direkt am Forum gelegen, stellt es ein repräsentatives Gebäude dar, das durch seine Größe, Gestaltung und Position essenziell zum Stadtbild Pompejis beiträgt. Nicht zuletzt, weil es die „prächtigste Fassade aller im Forum liegenden Gebäude“ besitzt.13
Ebenfalls ein interessanter Aspekt, unter dem die Bedeutung der Oberschicht Pompejis für das städtische Leben deutlich wird, ist die Bestattungskultur. Bei den Römern war es üblich, dass die Toten außerhalb der Stadt beigesetzt wurden.14 Aus diesem Grund gab es keine Möglichkeit, Pompeji zu betreten oder zu verlassen, ohne dass man an den Grabstätten der Stadtbewohner vorbeikam.15 So war es von großem Interesse der Stadtbewohner, möglichst eindrucksvolle und ausgefallene Grabmäler errichten zu lassen, da diese als Widerspiegelung der sozialen Schicht, des Vermögens und des Ansehens der ganzen Familie galten.
Zunächst einmal war es bereits von Bedeutung, an welchem Ort das Grabmal errichtet wurde, denn je näher es an der Stadt gelegen war, „desto größer [war] das Prestige des dort Bestatteten“.16 Bei der Gestaltung der Grabbauten ging es dann vor allem darum, durch die Gestaltung und Größe Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Am Beispiel des Grabes der Priesterin Mamia lässt sich hervorragend veranschaulichen, dass die Grabmäler vor Pompeji oftmals einen denkmalartigen Charakter erhielten. Passenderweise lädt hier eine steinerne Bank, die als Halbkreis angelegt ist, zum Verweilen und Totengedenken ein, wie es für ein Denkmal üblich wäre.17
Das Grabmal des Gaius Calventius Quietus stammt aus neronischer Zeit und ist exemplarisch für die extravagante Gestaltung von Grabsteinen und den Aspekt, dass die Gestaltung den sozialen Stand sowie Vermögen und Ansehen widerspiegelt.18 Da der hier Bestattete zu Lebzeiten das hohe Amt des Augustales bekleidete und laut der lobpreisenden Inschrift zudem ein großzügiger Mann war, erhielt er für sein Grabmal sogar einen Ehrensitz.19 Gestaltet ist das Grabmal ebenfalls denkmal-, geradezu altarartig mit einem viereckigen Sockel, auf dem mehrere Stufen nach oben führen, wo mittig ein blockartiges Gebilde platziert ist. Auf ebendiesem Gebilde befinden sich zahlreiche Verzierungen und eine Grabinschrift. Geschaffen wurde das Grabmal aus Marmorstein, der allgemein als wertvolles und besonderes Gestein gilt.20 Es ist also festzustellen, dass das Grabmal des Gaius Calventius Quietus ein sehr kostspieliges Unterfangen gewesen sein musste, welches der Stadt Pompeji jedoch zugutekam. Die ausgefallene Bestattungskultur der Pompejaner war somit vor allem finanziell von großer Bedeutung für die Stadt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rolle der Oberschicht Pompejis für das städtische Leben eine tragende war. Hinsichtlich der baulichen Tätigkeiten konnte herausgestellt werden, dass Privatleute auf eigene Kosten Gebäude stifteten, um sich dadurch einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen und der gesamten Familie Ansehen zu verschaffen. Im Falle des Isis-Tempels war dieses Handeln von Vorteil für den Wiederaufbau der vom Erdbeben zerstörten Stadt Pompeji, gleichwohl dies wohl nicht das primäre Ziel des Stifters war.
Am Beispiel der Stiftung des Gebäudes der Eumachia ist jedoch zusätzlich feststellbar, dass private Stiftungen der Oberschicht auch wesentlich zum Stadtbild im Sinne dessen beitragen konnten, als dass die Gebäude die Stadt verschönerten, die Stadt womöglich sogar repräsentierten, wenngleich den Stifter auch bei diesem Beispiel vermutlich eher Prestigegründe antrieben.
Auch in Bezug auf die Bestattungskultur war der Oberschicht kein Geld zu viel, um durch imposante Grabbauten das Ansehen, den sozialen Status und das Vermögen der Familie zu repräsentieren. Es herrschte geradezu Konkurrenz unter den Familien, welche unter ihnen das auffälligste und aufwendigste Grabmal besaß. Finanziell kam der Stadt diese Konkurrenz zugute.
Es konnte belegt werden, dass die Oberschicht Pompejis – wie bereits zu Anfang dieser Arbeit angemerkt – als Motor der Stadt anzusehen ist.
[...]
1 Vgl. Wagner-Hasel, Beate: Antike Welten. Kultur und Geschichte. Frankfurt am Main/New York 2017, S. 229.
2 Vgl. Wagner-Hasel: Antike Welten, S. 232.
3 Vgl. Dickmann, Jens-Arne: Pompeji. Archäologie und Geschichte, München 2005 und Wagner-Hasel, Beate: Antike Welten. Kultur und Geschichte. Frankfurt am Main/New York 2017 und Étienne, Robert: Pompeji. Das Leben in einer antiken Stadt, Stuttgart 1974 sowie Beard, Mary: Pompeji. Das Leben in einer römischen Stadt, Frankfurt 2017.
4 Vgl. Cooley, Alison Elizabeth/Cooley, Melvin George: Pompeii. A Sourcebook, London 2004 und Cooley, Alison Elizabeth/Cooley, Melvin George: Pompeii and Herculaneum. A Sourcebook, London 2013.
5 Étienne: Pompeji, S. 10.
6 Vgl. ebd.
7 Vgl. Cooley /Cooley: Pompeii and Herculaneum, C5.
8 Vgl. Cooley /Cooley: Pompeii and Herculaneum, C5 und Dickmann: Pompeji, S. 47.
9 Vgl. Dickmann: Pompeji, S. 49.
10 Wagner-Hasel: Antike Welten, S. 239.
11 Vgl. Cooley /Cooley: Pompeii and Herculaneum, E56.
12 Dickmann: Pompeji, S.68.
13 Dickmann: Pompeji, S. 42.
14 Vgl. Beard: Pompeji, S. 422.
15 Vgl. Dickmann: Pompeji, S. 117.
16 Dickmann: Pompeji, S. 117.
17 Vgl. Cooley /Cooley: Pompeii and Herculaneum, E54.
18 Vgl. Cooley /Cooley: Pompeii. A Sourcebook, G37a.
19 Vgl. ebd.
20 Vgl. ebd.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2018, Die Bedeutung privater Stiftungen in Pompeji vor dem Ausbruch des Vesuvs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/962008
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