In einem Seminar haben wir uns mit dem Thema Empathie beschäftigt und untersucht, wann Mitgefühl gefördert wird und wann nicht. In Gruppenarbeit haben wir überlegt, wie Empathie filmisch erzeugt werden kann und haben mit einfachen Mitteln versucht, dies in die Tat umzusetzen. In dieser Arbeit setze ich mich reflektiv mit dem entstandenen Kurzfilm auseinander und nehme Bezug zu theoretischen Aspekten der Empathie. Außerdem gehe ich der Frage nach, ob Empathie ein rein zwischenmenschliches Phänomen ist.
Im Kino kann ein Film verschiedenste Emotionen in einem Menschen hervorrufen: Der Zuschauer ist traurig, wenn ein Protagonist stirbt, er freut sich, wenn zwei Charaktere heiraten, er hat Angst, wenn der Lieblingsdarsteller in eine bedrohliche Situation kommt. Was ist es, das eine solche Reihe von Mitgefühlen in uns auslöst, obwohl die Darsteller auf der Leinwand nicht einmal greifbar sind? In unserem alltäglichen Leben ist Mitgefühl besonders wichtig, wenn es ums achtsame und sensible Zusammenleben mit anderen Menschen geht. Mitgefühl zu zeigen ist eines der menschlichsten Dinge und meiner Meinung nach nebenbei noch Teil des wichtigsten Gebots des Christentums, nämlich der Nächstenliebe.
Inhalt
Einleitung
Theoretische Grundlagen für den Begriff Empathie
Inhalt des Kurzfilms „THE JOURNEY – ein neues Glück“
Zur Entstehung und Idee des Kurzfilms
Didaktisches Potential und religionsdidaktische bzw. unterrichtspraktische Überlegungen
Feedback und Fazit
Einleitung
Im Kino kann ein Film verschiedenste Emotionen in einem Menschen hervorrufen:Der Zuschauer ist traurig, wenn ein Protagonist stirbt, er freut sich, wenn zwei Charaktere heiraten, er hat Angst, wenn der Lieblingsdarsteller in eine bedrohliche Situation kommt. Was ist es, das eine solche Reihe von Mitgefühlen in uns auslöst, obwohl die Darsteller auf der Leinwand nicht einmal greifbar sind? In unserem alltäglichen Leben ist Mitgefühl besonders wichtig, wenn es ums achtsame und sensible Zusammenleben mit anderen Menschen geht. Mitgefühl zu zeigen ist eines der menschlichsten Dinge und meiner Meinung nach nebenbei noch Teil des wichtigsten Gebots des Christentums, nämlich der Nächstenliebe.
In diesem Seminar haben wir uns mit dem Thema Empathie beschäftigt und untersucht, wann Mitgefühl gefördert wird und wann nicht. In Gruppenarbeit haben wir überlegt, wie Empathie filmisch erzeugt werden kann und haben mit einfachen Mitteln versucht, dies in die Tat umzusetzen. In dieser Arbeit setze ich mich reflektiv mit dem entstandenen Kurzfilm auseinander und nehme Bezug zu theoretischen Aspekten der Empathie. Außerdem gehe ich der Frage nach, ob Empathie ein rein zwischenmenschliches Phänomen ist.
Theoretische Grundlagen für den Begriff Empathie
Der Begriff Empathie hat seinen etymologischen Ursprung im Altgriechischen und geht auf das Wort empátheia zurück , dessen grobe Bedeutung etwa mit „Ein-Gefühl“ oder „gemeinsames Gefühl“ zusammengefasst werden kann (Drath 2012). Der Wortstamm path kann etwa mit leiden oder fühlen übersetzt werden. Carl Rogers, der Mitbegründer des Klientenzentrierten Beratungsansatzes, welcher im Wesentlichen durch das Empathische Verstehen-Können des Klienten zum Erfolg führt, beschreibt Empathie damit, in die „private Wahrnehmungswelt“ des anderen einzutreten und darin vollständig aufzugehen und heimisch zu werden, ja vorübergehend sogar „zeitweilig das Leben dieser Person zu leben“ (vgl. ebd. 1980, S. 79)
Individuelle Einflussfaktoren für die Entwicklung von Empathie sind beispielsweise Alter, Geschlecht, Bildung, religiöse Überzeugungen, Kultur undkörperliche und psychische Eigenschaften der Referenzperson.Weiterführend gibt es nach Herbert Stettberger (2012) Katalysatoren, die ebenso Empathie begünstigen oder hemmen können. Darunter zählen der Analogiefaktor (Je ähnlicher Person B (Referenzperson) für Person A (EmpathikerIn) ist, desto mehr kann sich Person A in Person B hineinversetzen), der Sympathiefaktor (aufgeschlossenen, freundlichen und empathischen Personen wird mehr Empathie entgegengebracht), der Attraktivitätsfaktor (erfolgreiche Menschen und jene, die als attraktiv gelten, kommt mehr Aufmerksamkeit und Wohlwollen, und somit auch Empathie zu), der Distanzfaktor (je näher und zeitlich kongruent die Referenzperson, desto mehr Einfühlungsvermögen), der Attributionsfaktor (auf welche Umstände eine bestimmte Situation zurückzuführen ist – also selbstverschuldet oder durch äußere Umstände) und der Konzentrationsfaktor (mit einer einzelnen Person fühlt man eher mit als mit einer anonymen Menschenmenge) (Stettberger 2012, S.201ff).
Inhalt des Kurzfilms „THE JOURNEY – ein neues Glück“
In dem knapp dreiminütigen Kurzfilm, den David Kretzer und ich selbst gedreht und zugeschnitten haben, wird eine fabelhafteReise eines Baumblattes dargestellt1. Während das Blatt in den ersten Szenen noch am Baum hängt und sich im Wind wiegt, fliegt es kurz darauf in die weite Welt hinaus und lässt sich vom Wind treiben. Zunächst wirkt alles sehr idyllisch und frei auf der Reise, der Wind nimmt es mit und wirbelt es durch idyllische Landschaften und Sonnenuntergänge, hin zu schönen Orten, wo es vorher noch nie gewesen ist. Alles erscheint in neuem Licht so leicht und schön und bunt und das Blatt kann diesen Zustand für eine ganze Weile auskosten. Doch treten unerwartete Turbolenzen auf und Wind und Schwerkraft übernehmen die Kontrolle über das Blatt. Sie wirbeln es wild umher und reißen es zu Boden, wo auf einem steinigen Weg die zunächst so aussichtsreiche und vielversprechende Reise vorerst endet. Von dort an ist das Blatt mehr oder weniger fremdgesteuert, es nimmt eine passivere Rolle ein als bisher. Ein Fuß tritt darauf und nimmt das Blatt an der Sohle mit, es bleibt etwas weiter am Wegesrand liegen und findet sich nach einiger an einer vermüllten Straßenkreuzung in der Mitte einer Stadt wieder, einem kahlen, dreckigen, kalten und lauten Ort. Das Blatt liegt dort regungslos und einsam auf dem Asphalt, ohnmächtig und reuig, den vergleichsweisen sorglosen Platz am Baum verlassen zu haben. Die Zeit schreitet immer weiter fort und das Vergangene rückt mit gehetzt und schier endlos wirkenden Szenen einer belebten Stadt immer weiter in die Vergangenheit. So verendet das Blatt nun unglücklich an einem Ort, der nicht für das Blatt bestimmt, und definitiv nicht geeignet war. Nach einer kurzen Schwarzblende erscheint ein totes, vertrocknetes Blatt auf Pflasterstein und ein neuer, lebendiger Spross direkt daneben, auf den die Kamera herauszoomt und scharfstellt, bevor der Bildschirm abrupt schwarz wird.
Musikalisch untermalt wird der Film von einem melancholischen Gitarrencover des Titelsongs von Inception (Time), das im Original aus der Feder vom mehrfach preisgekrönten Filmmusiker Hans Zimmer stammt. Die Erzählung und textliche Begleitung wurde von David Kretzer aus der Außen- beziehungsweise Erzählerperspektive eingesprochen. Das Stück hat einen fast zarten, fließenden Charakter und nimmt mit fortschreitender Zeit an Intensität zu, was zusammen mit den Spannung erzeugenden Schwarzblenden den Film insgesamt dramatischer wirken lässt und ihm eine eher gedrückte und traurige Stimmung verleiht.
Zur Entstehung und Idee des Kurzfilms
Grundlage für den Impuls, einen Film aus der Sicht eines Baumblattes zu drehen, war die für uns spannende Frage, ob ein Mensch in der Lage ist, Empathie für einen leblosen Gegenstand zu entwickeln.Dieser Frage wollten wir nachgehen und haben zunächst nach geeigneten Gegenständen gesucht. Die Suche gestaltete sich schwieriger als gedacht, weshalb wir den Suchbegriff etwas erweiterten. Selbst von den weitläufigeren Ideen verwarfen wir wieder einige, weil sie uns entweder zu abstrakt erschienen (z.B ein Stuhl), oder aber zu nah am Menschen waren (z.B. ein Hund). Die Suche fand ein Ende als wir über YouTube auf ein computeranimiertes Musikvideo gestoßen waren, in dem ein Herbstwind simuliert wird, der bunte Blätter davonträgt. Diese Idee kombinierten wir mit einer Fabel von Leonardo da Vinci, die wir für unsere Zwecke leicht abgeändert und neu interpretiert, aber in ihren Grundrissen übernommen haben.
Die Geschichte beschreibt einen Stein, der von einer prachtvollen Wiese voller Blumen und Kräutern umgeben ist, sich in diesem Umfeld allerdings nicht wohlfühlt und viel lieber bei den anderen Steinen auf dem Weg am Rande des Wiesenhanges liegen. Er lässtsich den Hang hinabrollen und vollendet seine anstrengende Reise bei seinen Gleichgesinnten, den anderen Steinen. Neues Elend macht sich breit, weil er unter Wagenrädern, eisenbeschlagenen Pferdehufen und trampelndenWanderschuhen zu leiden hatte. Bedeckt von Schlamm und Dung denkt er voller Schmerz zurück an den einst ruhigen und friedlichen Platz zwischen den Blumen und sehnt sich zurück an all das Gute, das er einst so entschlossen hinter sich gelassen hatte (vgl. McCurdy 2017).
In unserem Film stellt das Blatt sozusagen den Stein dar, um den herum es sehr idyllisch zugeht und der alles hat, was er zum „Leben“ braucht - zumindest von außen betrachtet.Unser Blatt hängt am Ast, wird über den Baumstamm und die Wurzeln ernährt und hat gleichzeitig auch die Aufgabe,Sonnenlicht und -energie aufzufangen und umzuwandeln. Ein Blatt ist also gleichzeitig das Produkt und wichtige Grundlage für die Fotosynthese, einem komplexen Zusammenspiel der Natur, ohne die kein Baum und keine Frucht überleben oder entstehen könnte. Es herrscht natürlicherweise eine ausgeglichene Balance, eine Wechselwirkung zwischen Baum und Blatt, eine perfekte Symbiose - das eine kann nicht ohne das andere und alles hat seine Bestimmung und seinen Platz. Trotz ausreichender Versorgung durch den Baum, und ebenso verantwortungsvoller Aufgabe, diesen zu erhalten, „fühlt“ sich unser Blatt nicht erfüllt genug und sehnt sich nach einem „Leben“ in der großen weiten Welt2. Die Neugier auf das Unbekannte und die Sehnsucht nach mehr - vielleicht nach einem erfüllteren, besseren Leben - treiben das Blatt dazu, seine gewohnte Heimat und seinen sicheren Hafen zu verlassen, um das Leben neu zu entdecken. Diesen Gedanken finde ich sehr ansprechend, weil viele meiner Freunde und auch ich selbst bereits diese Erfahrung gemacht haben, als es uns nach dem Abitur für ein Jahr ins Ausland gezogen hatte und wir so zum ersten Mal einen „Absprung“ gewagt hatten. Die Familie, meist der erste und im besten Fall in einer ähnlichen Symbiose größte Rückhalt eines Menschen -sie wird in unserem Film durch den Baum verkörpert – bleibt zurück, während man selbst viele prägende Erfahrungen weit weg von zuhause macht. Irgendwann verlässt ein Mensch seine Eltern um ein eigenständiges Leben zu führen. Auch sonst in der Natur kommen beispielsweise viele Tierjunge an den Punkt in ihrem Leben, an dem sie ihre Eltern verlassen müssen, weil diese sich nicht mehr um sie kümmern wollen oder können – oder aber, weil der Nachwuchs auf eigenen Füßen stehen möchte. Wir haben diese Parallelen bewusst gezogen und Eigenschaften auf unser Blatt übertragen, die es eigentlich so nicht hat. Dieses Stilmittel, auch Personifikation genannt, schreibt Gegenständen oder Dingen menschliche Eigenschaften zu, wie beispielsweise Gefühle und die Fähigkeit zu denken oder Entscheidungen zu treffen. Meines Erachtens ist dies ein sehr nützliches Werkzeug für die Entwicklung von Empathie und Identifikationsgefühlen. Als Beispiel aus meiner eigenen Kindheit fällt mir hierzu die Lokomotive Emma aus Michael Endes Geschichte von Jim Knopf ein. Eine namenlose Lokomotive hätte es natürlich auch getan, aber nicht in dem Ausmaß wie sie es als Emma tut, die sogar eine Baby-Lokomotive namens Molly zur Welt bringen kann.
Im Leben läuft nicht immer alles glatt, deshalb haben wir auch dem Blatt äußere Umstände entgegengestellt, die seine Reise auf unangenehme Weise und negativ beeinflussen und letztendlich auch dessen Ende herbeirufen. Das Ende des Films haben wir bewusst nichtbei dem Tod des Blattesbelassen, sondern wir haben versucht, noch eine kleine hoffnungsvolle Note einzubauen, die – wenn auch künstlerisch sehr frei interpretiert – dem einzelnen Blatt noch einmal einen tieferen Sinn geben soll. Der Tod des Blattes ist in unserem Film nicht das Ende, sondern der Beginn von etwas Neuem. Eine neue, saftige und blühende Pflanze wächst aus den Überresten des Blattes hervor und sprießt in neuem Glanz. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Auch, wenn aus einem Baumblatt keine neue Pflanze, und schon gar nicht eine Blume entstehen kann, so soll doch das Bild für sich sprechen. Es soll zeigen, dass aus jeder falschen Entscheidung, jedem Fehler, jedem noch so missglückten Leben etwas Neues, beziehungsweise etwas Gutes hervorwachsen kann. Vielleicht muss auch erst etwas sterben, damit neues Leben möglich wird, Raum für Veränderung entsteht und das große Ganze plötzlich einen Sinn ergibt.
[...]
1 Das Blatt ist geschlechtslos und kann sowohl die männliche, als auch die weibliche Form verkörpern. In diesem Aufsatz wurde aus textlichen Vereinfachungsgründen und der guten Lesbarkeit jeweils nur die männliche Form gewählt. Gemeint sind stets beide Formen.
2 Im Folgenden wird die Tatsache, dass ein Blatt nicht wirklich fühlen und denken kann, ignoriert und deshalb auf die Anführungszeichen bei personifizierenden Eigenschaften verzichtet.
- Arbeit zitieren
- Tobias Heiß (Autor:in), 2016, Durch Medien erzeugte Empathie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/961916
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