Am 2. Juni 1945 übersandte das Erzbergwerk Rammelsberg der provisorischen Nachkriegs-Stadtverwaltung Goslar eine Liste der im „Ostarbeiterlager“ im Bergtal unterhalb des Herzberger Teiches untergebrachten ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Ukraine.
„Displaced Persons“, kurz DPs, wurden diese Menschen nun genannt, die das Naziregime von 1939 bis 1945 aus ganz Europa zusammengetrieben hatte, um für die deutsche Kriegswirtschaft zu arbeiteten. Viele der DPs wußten nicht wohin. Sie waren seit Jahren fern ihrer Heimat, insbesondere diejenigen, die aus dem Osten Europas ins Reich zwangsverschleppt worden waren. Viele hatten Angst zurückzukehren, denn in der Sowjetunion wurden sie, so zynisch es auch war, als Verräter angesehen und oft genug in Stalins GULAG gesteckt. So wurden sie von den Alliierten zusammengefasst und kamen in ehemaligen Zwangsarbeiterlagern unter. Nach der genannten Liste war die älteste Arbeiterin 69 Jahre alt, das jüngste Kind gerade ein Jahr.
Nach einer amtlichen Statistik des Gauarbeitsamtes Südhannover-Braunschweig vom Juni 1944 waren im Gau bei einer Anzahl von insgesamt 868.000 Beschäftigten knapp 300.000 Ausländer tätig, davon 227.000 „Zivilarbeiter“ und 70.500 Kriegsgefangene. Sie arbeiteten in großen und kleinen Fabriken, in der Landwirtschaft, bei Handwerkern, bei der Reichsbahn und in städtischen Betrieben. In Goslar waren es nach Mitteilung an die Gestapo Braunschweig im Juni 1944 2.300 Ausländerinnen und Ausländer. Insgesamt arbeiteten während des Krieges etwa 5.000 Menschen aus dem europäischen Ausland in der Stadt und ihrer Umgebung. 61 Betriebe bedienten sich in diesem Zeitraum ihrer Arbeitskraft.
Einleitung
Am 2. Juni 1945 übersandte das Erzbergwerk Rammelsberg der provisorischen NachkriegsStadtverwaltung Goslar eine Liste der im „Ostarbeiterlager“ im Bergtal unterhalb des Herz-berger Teiches untergebrachten ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Ukraine. „Displaced Persons“, kurz DPs, wurden diese Menschen nun genannt, die das Nazi-regime von 1939 bis 1945 aus ganz Europa zusammengetrieben hatte, um für die deutsche Kriegswirtschaft zu arbeiteten. Viele der DPs wußten nicht wohin. Sie waren seit Jahren fern ihrer Heimat, insbesondere diejenigen, die aus dem Osten Europas ins Reich zwangsverschleppt worden waren. Viele hatten Angst zurückzukehren, denn in der Sowjetunion wurden sie, so zynisch es auch war, als Verräter angesehen und oft genug in Stalins GULAG gesteckt. So wurden sie von den Alliierten zusammengefasst und kamen in ehemaligen Zwangsarbeiter-lagern unter. Nach der genannten Liste war die älteste Arbeiterin 69 Jahre alt, das jüngste Kind gerade ein Jahr.
Nach einer amtlichen Statistik des Gauarbeitsamtes Südhannover-Braunschweig vom Juni 1944 waren im Gau bei einer Anzahl von insgesamt 868.000 Beschäftigten knapp 300.000 Ausländer tätig, davon 227.000 „Zivilarbeiter“ und 70.500 Kriegsgefangene. Sie arbeiteten in großen und kleinen Fabriken, in der Landwirtschaft, bei Handwerkern, bei der Reichsbahn und in städtischen Betrieben. In Goslar waren es nach Mitteilung an die Gestapo Braunschweig im Juni 1944 2.300 Ausländerinnen und Ausländer. Insgesamt arbeiteten während des Krieges etwa 5.000 Menschen aus dem europäischen Ausland in der Stadt und ihrer Umgebung. 61 Betriebe bedienten sich in diesem Zeitraum ihrer Arbeitskraft.
Die größten Arbeitgeber waren die Chemische Fabrik Gebr. Borchers A.G./H.C. Starck, die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke G.m.b.H. mit dem Erzbergwerk Rammelsberg, der Fliegerhorst Goslar, ab August 1944 die Betriebe bzw. Ämter Büssing, Chemische Fabriken Oker & Braunschweig, Harzer Weinbrunnen, Harzer Grauhof-Brunnen, Greifwerke, Dr. Genthe & Co., Luther-Werke & Jordan, Bleiwerk Goslar, Ernst Schmutzler, Reichsbahnbetriebsamt Goslar, Maschinenfabrik H. Weule, Stadtforstamt Goslar, Joseph Gastrich und List. Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren in folgenden Sammellagern untergebracht:
- Lager des Erzbergwerks Rammelsberg
- Unterkünfte der Firma Borchers Im Schleeke und Sudmerberg 7 und 8a
- Unterkünfte der Greifwerke in der Zehntstraße 6 und Bergstraße 4
- Baracken auf dem Flugplatz und an der Astfelder Straße
- Wohnlager Petersberg
- Goslarhalle
- Lager auf den Domänen.
Etliche wohnten auch in anderen speziellen Unterkünften ihrer Arbeitgeber.
Seit dem Überfall auf Polen rekrutierten die Häscher des NS-Regimes aus den besetzten Ländern Arbeitskräfte, um die zur Wehrmacht eingezogenen Arbeiter und Angestellten zu ersetzen und die Rüstungsmaschinerie am Laufen zu halten. Noch waren es nicht viele, denn noch war die Kriegsrüstung nicht „total“. Doch mit dem Überfall auf die Sowjetunion änderte sich das, erst recht nach der Niederlage von Stalingrad. Die Betriebe mussten ihr Personal an die Wehrmacht und Waffen-SS abgeben. Ersetzt wurden die Deutschen durch ausländische Arbeitskräfte, die systematisch über die Arbeitsamtsverwaltung des Reichs in die Zwangsarbeit gepresst wurden.
Wo die Wehrmacht auch hinmarschierte, das Stadtbild wurde „bunter“. Erst kamen Tschechen und Slowaken, dann Polen. Nach dem „Frankreichfeldzug“ kamen Holländer, Belgier und Franzosen. Im „Balkanfeldzug“ wurden Slowenen und Serben überwältigt und ins Reich ge-schafft. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion bemächtigten sich die Organisationen Todt und Sauckel der Menschen der Völker der Sowjetunion; nach Goslar kamen im wesentlichen Ukrainer und Russen.
Goslar wurde aus einer verträumten, mittelalterlich anmutenden, von Handwerk, Mittelstand und Fremdenverkehr geprägten Stadt zu einem wichtigen Ort der Rüstungsproduktion des Naziregimes. Blei, Kupfer und Zink des Rammelsberges und der Hütten im Okertal waren begehrt, die Stahlveredelungsprodukte und Arsenverbindungen der Firma Borchers A.G./
H.C. Starck ebenso. Beide Betriebe wurden mit staatlichen Mitteln ab 1935/36 ausgebaut, Produktion und Belegschaften mehr als verdoppelt.
Das „Rammelsbergprojekt“ und seine historische Aufarbeitung
Am 13. Dezember 1935 widmete die Goslarsche Zeitung (GZ) der Ankündigung eines neuen Industriekonzepts am Rammelsberg zwei Druckseiten. Bergrat v. Scotti hatte Teile einer Denkschrift zum sogenannten "Rammelsbergprojekt" einer ausgesuchten Öffentlichkeit aus Goslar vorgestellt: „Der Rammelsberg ist die bedeutendste Erzlagerstätte in Deutschland. Aufgeschlossen in Form von Erz ist dort ein Metallvorrat von nahezu 2.000.000 t an Zink, Blei und Kupfer, von 1.000.000 kg Silber und 7.500 kg Gold nachgewiesen. Alles spricht dafür, daß außerdem noch einmal die gleiche Erzmenge unaufgeschlossen der späteren Erschließung harrt. Trotzdem wurde der Rammelsberg bisher nicht genügend zur deutschen Metallversorgung herangezogen, obwohl mehr als die Hälfte des deutschen Metallverbrauchs aus dem Ausland bezogen werden müssen. Er konnte unserer Volkswirtschaft bisher jährlich nur 23.000 t an Zink, Blei und Kupfer, 16.000 kg Silber und 130 kg Gold liefern. Der Grund dafür liegt darin, daß eine Steigerung der Erzeugung durch bloße Erweiterung der Anlagen unter Beibehaltung des alten und veralteten Gewinnungsverfahrens heute nicht mehr zulässig ist und noch dazu ein wirtschaftlicher Unsinn wäre.
Die Rammelsberger Erze sind zwar metallreich, in sich aber so unendlich fein verwachsen, daß ihre Verarbeitung auf Metall sehr schwierig ist. Erst neuerdings ist es gelungen, für die Verarbeitung der mengenmäßig bei weitem überwiegenden Bleizinkerze ein befriedigendes Verfahren zu finden. Erst dieses neue Verfahren bietet technisch die Möglichkeit zur Steigerung der Erzeugung. Wir haben uns deshalb entschlossen, dieses jetzt unverzüglich durchzuführen.
Unser Rammelsbergprojekt sieht eine Steigerung unserer Metalljahreserzeugung auf66.000 t Zink, Blei und Kupfer, 35.000 kg Silber und 200 kg Gold vor. Für ein Viertel der Erzförderung, nämlich für die auf unserer Okerhütte verhütteten kupferhaltigen Melierterze, genügt eine Ergänzung der Anlagen ohne wesentliche Veränderung des Verfahrens. Für die übrigen drei Viertel, nämlich für die bisher auf unseren beiden anderen Hütten verhütteten Bleizinkerze, müssen eine Aufbereitung und eine Hütte von Grund auf neu gebaut werden. Für die Metallerzeugung ergibt sich hierbei neben der Steigerung vor allem auch eine wesentliche Verbilligung... Dabei wird der Devisenwert einer einzigen Jahreserzeugung an Metallen aus dem Rammelsberg nach heutigen niedrigen Weltmarktpreisen berechnet, von bisher 5.500.000 RM auf 14.000.000 RM steigen. Hierzu ist eine einmalige Aufwendung von 19.000.000 RM für Neuanlagen erforderlich. Neben diesen bedeutenden nationalwirtschaftlichen und privatwirtschaftlichen Gründen sprechen dringende wehrpolitische und soziale Gründe für die Durchführung des Projekts.“
Die Kosten waren viel zu niedrig angesetzt. 98,87 Mio. RM an Förderprämien steckte das NS-Regime in das Projekt. Noch drei Jahre vorher war das Bergwerk und mit ihm die Hütten von der Schließung bedroht. Nur mit Fördermitteln der damaligen Länder Preußen und Braun-schweig sowie des Reichs in Höhe von 8 Mio. RM konnte im Juni 1932 eine Schließung der Betriebe verhindert werden.
Heute gehört das Bergwerk zusammen mit der Goslarer Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Über 1.000 Jahre Bergwerksgeschichte werden im Rammelsbergmuseum dem interessierten Publikum präsentiert. Die von den Nazis eingerichtete Aufbereitungsanlage wird von der Museumsleitung so gewürdigt: „Das beeindruckende Bild der sich an den Hang des Rammelsberges schmiegenden Aufbereitungsanlage mit ihren in Stufen übereinander angeordneten Baukörpern, deren Lagerhaftigkeit die Architekten mit zwei gegen den Hang gestellten Giebeln optisch entgegenwirkten, wird durch die im Tal anschließenden Bauten, den Verwaltungs- und Magazinflügel noch verstärkt. Diese wurden gestalterisch in die Gesamtanlage mit einbezogen und so gruppiert, daß ein cour d'honneur, also ein Ehrenhof entstand. Die hohe architektonische Qualität der Gesamtanlage wird auch dadurch deutlich, daß sich sämtliche Gebäudeteile bezüglich ihrer Gestaltung sowie der verwendeten Materialien zu einer harmonischen Einheit zusammenziehen. Den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer ist es gelungen, ohne die technischen Aufgaben der Gebäude zu verleugnen, am Rammelsberg eine der baukünstlerisch beeindruckendsten Bergwerksanlagen des 20. Jahrhunderts zu schaffen.“
Nun mag jeder die architektonisch beeindruckende Anlage am Rammelsberg bestaunen wie er will; aber dass diese Anlage einen ganz bestimmten Zweck erfüllen sollte, nämlich Rohstoffreserven primär für den Krieg zu erschließen, sollte nicht vergessen werden. Die vorliegende kleine Broschüre wird sich diesem Thema, das im Konzept der Museums („was sind schon 12 Jahre gegenüber den 1.000 Jahren seines Bestehens“) bisher praktisch ausgespart wird, widmen. Wir sind der Meinung, dass es unredlich ist, über dies Kapitel Goslarer Berg- und Hüttengeschichte schlicht hinwegzusehen. Denn die Tat-sache, dass der Rammelsberg zum Weltkulturerbeobjekt geworden und dass der Berg-bau überhaupt bis 1988 fortgesetzt werden konnte, verdankt sich einzig den Anstren-gungen des NS-Regimes, den Bergbau am Rammelsberg aus kriegswirtschaftlichen Gründen zu erhalten. Wie v. Scotti 1935 richtig sagte, waren es die „wehrpolitischen Gründe“, die einen Weiterbetrieb des Bergwerks in den dreißiger Jahren ermöglichten. Und - das sei noch hinzugefügt - es war das Regime der Zwangsarbeit im Krieg, das seinen Betrieb nach 1940 sicherstellte.
„Gebt uns unsere Würde wieder“ - was will die Ausstellung ?
„Die Planung und Durchführung dieses Projekts war eine bewundernswerte Leistung. Sie war nur möglich, weil alle daran beteiligten Gremien in hervorragender Weise zusammengearbeitet haben. Am 7.10.1936fiel das erste Bleikonzentrat vom Filter, das den erwarteten Ergebnissen entsprach.“ Dies Zitat entstammt nicht dem Ministerium Göring, auch nicht dem Amt des Gauwirtschaftsführers Paul Pleiger, sondern ist einer Besucherinformation des Rammels- bergmuseums aus dem Jahre 1998 entnommen.
Ganz davon abgesehen, dass sich die politische Führung der Stadt Goslar 1935/36 heftigst gegen das Projekt gesträubt hatte, es also mit der Zusammenarbeit gewiss nicht weit her war, sollte neben der falschen Sachinformation diese Art von Würdigung nationalsozialistischer Kriegswirtschaft durch die Museumsleitung doch zu denken geben. Hitlers Kriegsprojekte noch 1998 als bewundernswert zu preisen, setzt schon ein hohes Maß an historischer und politischer Ignoranz voraus.
Um es historisch deutlich zu sagen: Das Weltkulturerbe Rammelsberg würde heute gar nicht existieren, wenn die Nazis nicht durch millionenschwere Investitionen ein volks- und betriebswirtschaftlich unrentables Bergwerk für ihre Kriegswirtschaft erhalten hätten.
Der Verein Spurensuche Goslar e.V. ist bestrebt, in authentischen Kellerräumen des ehemaligen Ostarbeiterlagers am Rammelsberg eine Dokumentations - und Erinnerungsstätte für die ehemals in Goslar tätigen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus ganz Europa zu errichten. Diese Stätte soll den Opfern gewidmet sein, die immer noch unter dem Trauma von Verschleppung und menschenunwürdiger Ausbeutung leiden. Sie soll aber auch Lücken im Geschichtsbild der Stadt Goslar schließen.
Die vorliegende Begleitbroschüre zur Ausstellung „Zwangsarbeit in Goslar 1939-1945“ will dem Zusammenhang zwischen Kriegsvorbereitung, verbrecherischem Raubkrieg und Zwangs-arbeit des NS-Regimes nachgehen und somit auch einen Beitrag zum besseren historischen Verständnis Goslarer Geschichte leisten. Die Ausstellung soll den Grundstein für die geplante Erinnerungsstätte am Rammelsberg bilden und es gleichzeitig erleichtern, einen historisch fundierteren Diskurs über unser Projekt in der Stadt zu führen.
Es geht dem Verein nicht darum, bestimmt Betriebe oder Personen an den Pranger zu stellen. Im Gegenteil möchten wir mit allen Betroffenen Zusammenarbeiten mit dem Ziel, dass Zwangsarbeit endlich als das anerkannt wird was es war: Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine Entwürdigung von Menschen, manchmal bis in den Tod.
Das zu leugnen, kleinzureden oder zu beschönigen, ist einer zivilen Gesellschaft unwürdig - und die Bundesrepublik Deutschland hat lange gebraucht, diesen Zustand zu erreichen. „Gebt uns unsere Würde wieder“, lautet der einhellige Wunsch aller ehemaligen Opfer des Zwangs-arbeitssystems. Dem nachzukommen, dient unsere Vereinsarbeit.
Wir möchten in diesem Zusammenhang dem Land Niedersachsen und insbesondere dem Niedersächsischen Kultusministerium danken, durch dessen finanzielle Unterstützung die Ausstellung erst möglich wurde.
Die Preussag und der Rammelsberg - ein Stück Industriegeschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts
Am 13.Dezember 1923 wurde die „Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft gegründet. Grundlage war das „Gesetz betr. Übertragung der Verwaltung und Ausbeutung des staatlichen Bergwerksbesitzes an eine Aktiengesellschaft“ mit dem Ziel, eine Einheitsgesell-schaft privaten Rechts zur Bewirtschaftung des gesamten Bergwerks- und Hüttenbesitzes des preußischen Staates zu erhalten. Am 30. Dezember 1924 gründeten auf der Grundlage eines Staatsvertrages zwischen Braunschweig und Preußen die Preussag und die Braunschweig GmbH die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke (U.H.B.H.W.). Die Preussag hielt 4/7, die Braunschweig GmbH 3/7 des Eigenkapitals. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb des Erzbergwerks Rammelsberg und der Hütten in Herzog-Julius-Hütte, Langelsheim, Oker und Harlingerode. Ziel war es, unter einheitlicher Führung eine Kuppelproduktion zu organi-sieren: Die im Rammelsberg geförderten Blei, Zink- und Kupfererze sollten auf den Hütten zu Metall und Metallverbindungen weiterverarbeitet werden. Hütten und Bergwerk waren pro-duktionstechnisch aufeinander angewiesen und erhielten jetzt eine einheitliche Geschäftsfüh-rung. Die stark verwachsenen Erze des Rammelsberges erforderten besondere Verfahren bei der Verhüttung, die Hütten waren auf diese Form der „Röstung“ spezialisiert.
Das Bergwerk war in Goslar seit langem entscheidender Arbeitgeber. Nicht nur, dass dort viele Menschen arbeiteten, auch wurden die Produkte ihrer Arbeit in der Region weiterverarbeitet und gaben vielen Menschen Lohn und Brot. Die Hütten existierten wegen der Rammelsberger Erze;
Glas- und Chemieindustrie hatte sich im Raum Goslar und dem weiteren Nordharzgebiet angesiedelt, um Hüttenprodukte zu nutzen. Die Bergleute selbst hatten einen guten Ruf in der Stadt, und diese setzte sich auch für ihre Belange ein. So gelang es im Frühjahr/Sommer 1932 dem damaligen Oberbürgermeister Klinge, mittels einer konzertierten Aktion von Politik, Indu-strie und Gewerkschaft, dem Reich und Preußen Subventionszahlungen für das Bergwerk ab-zuringen und damit die geplante Stillegung im Sommer des Jahres zu verhindern. Im Strudel der Weltwirtschaftskrise war die Belegschaft von 497 (1929) auf 261 (1932) geschrumpft, die Gesamtförderung war von 121.000 t (1930) auf 64.000 t im Jahre 1932 gesunken. Die Weltmarktpreise für NE-Metalle waren seit 1929 um 50% gesunken, eine Konjunkturerholung nicht in Sicht. Erst mit massiver Aufrüstung zur Abwehr der deutschen und japanischen Aggressoren und dem Kriegseintritt der USA stiegen die Metallpreise auf dem Weltmarkt wieder an.
Neben den Preisen setzte aber auch die Fördertechnik und Verhüttung einer Förderung am Rammelsberg mengenmäßige Grenzen. Die Kapazität der Hütten war wegen des aufwendigen Röstprozesses begrenzt. So lag die Förderung am Rammelsberg auch in Zeiten guter Konjunk-tur bei ca. 100.000 t Roherz pro Jahr. Mit der neu zu errichtenden Flotationsanlage sollte sich das ändern. Ziel war es, den Hütten Konzentrate, insbesondere Zink- bzw. Zinkmischkonzen-trate und kupferarme Bleikonzentrate zu liefern. Dadurch sollte es möglich werden, dass die Hütten 98% des Zinks ausbringen konnten. Bislang stellten die Unterharzer Hütten lediglich Zinkoxid her in einem Röstprozess, bei dem 25% des Zinkinhalts der Erze verloren ging. Durch eine verbesserte
Aufbereitung und den Neubau einer Zinkhütte in Harlingerode sollte ein produktiverer Verhüttungsprozess möglich werden.
Die weltweite Konjunkturschwäche der Zwischenkriegszeit und erst recht die Weltwirtschafts-krise 1929 hatten den Erzbergbau im Harz heftig getroffen. Die Metallpreise des Weltmarktes waren drastisch gesunken; in den Vorständen der Bergbau- und Hüttenindustrie wurden Krisenstrategien entwickelt. Doch deren unterschiedliche Interessen ließen sich kaum unter einen Hut bringen. Während die Hütten an Rhein und Ruhr, angeschlossen an günstige Ver-kehrswege, die fallenden Weltmarktpreise für Metallerze begrüßten, stöhnten die Bergwerks-betriebe unter der Last der ausländischen Konkurrenz. Von ihnen ging der Ruf an die Politik nach Einfuhrzöllen und Subventionen aus. Wortführer war Röchling in Völklingen, der massiv eine Autarkiepolitik, wie sie später die Nazis verfolgten, forderte, sich aber gegenüber den einflußreichen Rhein-Ruhr-Verbänden nicht durchsetzen konnte.
Auch die Geschäftsleitung des Rammelsberges betonte noch zu Beginn des Jahres 1933 ihren weltmarktorientierten Kurs, so im Jahresbericht des Unternehmens vom Frühjahr 1933: „Die deutsche Bergbau- und Hüttenindustrie hat sich gegen den Versuch einer deutschen Metallautarkie ausgesprochen, aber den Schutz der heimischen Metallgewinnung verlangt. Die Forderung nach Einführung von Metallzöllen ist noch nicht verwirklicht worden. Die deutsche Regierung hat es für richtiger gehalten, dem Erzbergbau durch Subventionen die Weiterarbeit zu ermöglichen.“
Doch nach der Realisierung der Folgen der „Machtergreifung“ begann die Geschäftsleitung des Rammelsberges zu handeln. Schon 1930 hatte die Preussag im Oberharz eine selektive Flotationsanlage zu Versuchszwecken in Betrieb genommen. Diese Anlage war Ergebnis jahrelanger Kleinversuche, die Metallgewinnung aus den Erzen des Harzes zu effektivieren. Ziel der Ver-suche war die Einführung der selektiven Flotation am Rammelsberg, doch die betriebswirt-schaftlichen Kosten schienen angesichts der Weltmarktentwicklung zu hoch.
Das änderte sich nach der Machtübernahme Hitlers. Im Mai 1934 wurden staatliche Förder-prämien für NE-Metallbetriebe eingeführt - und die neue Rammelsbergleitung reagierte prompt. Im Laufe der Jahre 1933/34 waren die Bergräte Paul-Ferdinand Hast, Willhelm Sauerbrey, Hans Hermann v. Scotti und Karl Bodifeé in die Leitung des Rammelsbergs aufgerückt, 1936 folgte ihnen als Finanzdirektor K. Rudolph. Sie erkannten die Chance, die Flotationsversuche jetzt mit Reichsmitteln in einer Großanlage umzusetzen. Ab dem 1.9.1934 koppelte das NS-Regime den deutschen Metallmarkt von der Weltmarktentwicklung ab. Für Zink und Blei, den beiden wesentlichen Metallen des Rammelsbergs, wurden 201 bzw. 210 RM/t als Abnahmepreis festgesetzt. Da auch diese Preise die Gestehungskosten der deutschen Erzbergwerke nicht decken konnten, wurden für die Differenz zwischen Gestehungskosten und Inlandspreisen Förderprämien gezahlt, die in die Finanzierung von Investitionen gesteckt wer-den konnten. Die U.H.B.H.W. erhielten 1934 1,8 Mio., 1935 5,5 Mio., 1938 17,2 Mio., 1940 14,1 Mio., 1943 8,5 Mio. und 1944 9,6 Mio. RM Förderprämien, insgesamt netto 98,87 Mio. RM. Nur so war das aufwendige Rammelsbergprojekt zu finanzieren. Unter den Bedingungen eines freien Weltmarktes hätte das Rammelsbergprojekt aus betriebswirtschaftlichen Gründen nie finanziert werden können; erst die Autarkiepolitik des totalitären Regimes Hitlers und Görings hatte den Bau der Anlage möglich gemacht.
Die Rüstungsausgaben Deutschlands stiegen von 5,5 Mrd. RM (1935) auf über 16 Mrd. RM (1938). Sie wurden finanziert über die sogenannten Mefowechsel und später mit Reichsanlei-hen und Steuergutscheinen. Die Staatsverschuldung stieg von 14 Mrd. (1933) auf 42 Mrd. RM (1938). Mit Verkündung des zweiten Vierjahresplans auf dem Parteitag der NSDAP im September 1936 wurde Göring als „Beauftragter für den Vierjahresplan“ mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet, um die Armee in spätestens vier Jahren „einsatzfähig“ und die Wirtschaft „kriegsfähig“ zu machen. Unmittelbarer Anlass waren eingetretene Engpässe im Rohstoffsektor. Der devisenverbrauchende Einfuhrüberschuss bei Eisen- und Nichteisen-metallen sollte gemindert werden. Der Aufbau der „Reichswerke Hermann Göring“ in Salzgitter war das wohl bedeutendste Projekt für Erzgewinnung und -verarbeitung des NS-Regimes. Seit 1933 war bis 1938 der Einfuhrüberschuss bei Aluminium, Kupfer und Blei gestiegen. Dem sollte durch einheimische Produktion ein Riegel vorgeschoben werden. 1938 betrug z.B. der Anteil importierten Bleis mit 809.000 t 28,6 % des Gesamtverbrauchs, zwei Jahre später nur noch 12 %. Bei Kupfer und Zink waren die Verhältnisse ähnlich.
Was machte die Rammelsberger Erze für das Regime so interessant? Zink und Kupfer, die Haupterzeugnisse des Bergwerks und der Hütten, benötigte man zur Produktion von Messing; Kupfer war für die Herstellung von Granatenführungsringen unverzichtbar. Aus Blei wurden Akkumulatoren (Batterien) und natürlich Geschosse produziert. Aus dem Messing wurden nicht nur Türklinken oder Kronleuchter gefertigt, sondern vorwiegend Geschosshülsen und Armaturen für die Wehrmacht. Aber auch der Silbergehalt der Rammelsberger Erze war öko-nomisch bedeutend.
Ab 1937 stiegen die Fördermengen an Roherz sowie entsprechend die Konzentratproduktion und der Ausstoß der Okerhütten. Wurden 1937 noch 107.526 t Roherz gefördert, steigerte sich diese Menge kontinuierlich auf die Maximalförderung während des Krieges von 223.760 t im Jahr 1944. Die Produktionssteigerung machte auch einen Ausbau der Untertageanlagen nötig und möglich. Am 15. Januar 1938 wurde der neue Rammelsbergschacht in Betrieb genommen. Die Belegschaft erhöhte sich von 289 im Jahr 1933 auf den Höchststand von 910 im Jahr 1938 und schwankte dann bis zum Kriegsende um ca. 850. Eine Chronik der Preussag-Hauptverwaltung aus dem Jahre 1981 vermeldet für das Jahr 1939: „Gute Beschäftigung und hoher Leistungsstand in allen Betrieben.“ 881 Arbeiter und Angestellte arbeiteten 1939 auf dem Rammelsberg. Die belegschaftsbezogene Tonnenleistung, d.h. die Arbeitsproduktivität, erhöhte sich im Jahr der Machtergreifung 1933 auf 327 Manntonnen/Jahr, stieg 1934 auf 438 Manntonnen und sank dann wieder ab, um 1944 bei 274 Manntonnen zu liegen. Die aus dem Erz gewonnen Metallkonzentrate (Blei, Kupfer und Zink) erhöhten sich durch die Aufberei-tung beträchtlich, doch blieben sie danach mehr oder weniger konstant. Das geförderte Erz wurde 1938 zu 101.687 t Konzentrat verarbeitet, aus dem 20.000 t Handelsblei, 8.600 t Hüttenzink, 21.000 t Zinkoxid und 49.000 t Schwefelsäure gewonnen wurden. Die Produktion von Blei in Goslar/Oker machte immerhin fast ein Drittel der reichsdeutschen Produktion aus.
Das Zwangsarbeitsregime am Beispiel des Erzbergwerkes Rammelsberges
Mit Kriegsbeginn verschärfte sich das seit 1937 latent vorhandene Problem der Arbeitskräfteversorgung. Schon 1937 waren Oberschlesier und Saarländer angeworben worden; nun, nach der Einberufung von 143 Beschäftigten zur Wehrmacht, waren sechzig Oberschlesier dienst-verpflichtet. Mit der sogenannten „Göringverordnung“ vom Mai 1939 wurde die Arbeitszeit für die
Untertagebelegschaft auf 8,75 Stunden, für die Übertagearbeiter auf 10 Stunden fest-gelegt. Das erhöhte zwar das Lohnvolumen, aber nicht die Leistung, wie der Jahresbericht von 1940 bemängelt. Sechzehn „Wanderarbeiter“ und 31 Elsässer wurden angeworben, von denen aber im Laufe des Jahres 22 wieder verschwanden. Im Gegensatz zu anderen Betrieben, etwa der Firma Gebr. Borchers A.G./H.C. Starck, war die Geschäftsführung des Rammelsbergs auf qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere im Untertagebetrieb, angewiesen. Der Jahresbericht von 1940 beklagt: „Das Jahr 1940 war ein Kriegsjahr. Dem geregelten Ablauf des Betriebes stellen sich zahlreiche Schwierigkeiten entgegen: Die Einziehung von Gefolgschaftsmitglie-dern zum Wehrdienst sowie der allgemeine Mangel an Arbeitskräften, die schwierige Beschaf-fung von Eisen, Holz und Material aller Art sowie die mit der nahezu restlos durchgeführten Planwirtschaft verbundenen Erschwerungen, die Mehrarbeit durch die Versorgung der Gefolgschaft mit Zusatzkarten bzw. Bezugsscheinen für Lebensmittel, Berufskleidung, Arbeitsschuhe, Sohlenleder und Seife“.
Das Regime verlangte von der Betriebsleitung eine deutliche Erhöhung der Kupferproduktion. Die Abhängigkeit von Importkupfer war wesentlich höher als bei anderen NE-Metallen. Noch 1939 betrug die Einfuhr fast die Hälfte des Verbrauchs. Das wurde ab 1940 zwar geändert, doch konnte die einheimische Kupfererzeugung die Importlücken nicht schließen. Ab 1941 wurden durch die Flotation 12.000 t, 1942 31.000 t und 1943 39.000 t Bleikupfer-Konzentrat gewonnen.
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion verschärfte sich die Lage der arbeitenden Bevölkerung zunehmend. Wer nicht eingezogen wurde, musste drastische Kürzungen der Lebensmittelratio-nen hinnehmen. Die Bergwerksleitung richtete daraufhin unterhalb des Herzberger Teichs eine Schweinezucht ein und ließ Getreide und Kartoffeln anbauen. Die Produktion musste aufrechterhalten, die eingezogenen Arbeitskräfte ersetzt werden. Frauen, die seit 1941/42 massenhaft in der Rüstungsproduktion eingesetzt waren, kamen wegen der schweren Arbeitsbedingungen unter Tage nicht in Frage; es wurden daher Zwangsarbeiter angefordert.
Dieses Verfahren lief folgendermaßen ab: Die Geschäftsführung eines Betriebes stellte einen Anforderungsantrag an das örtliche Arbeitsamt. Das sondierte durch die übergeordneten Be-hörden in den besetzten Gebieten und den in Deutschland befindlichen Auffanglagern für verschleppte Menschen. Das Goslar am nächsten gelegene Lager befand sich in Lehrte bei Hannover. Die so Erfassten wurden dann den Betrieben zugeleitet. Vom 13. - 17. Oktober 1941 kamen die ersten gefangenen „Zivilrussen“, 22 Arbeiter unterschiedlicher Berufe, am Rammelsberg an. Am 7. Mai 1942 folgte der nächste Massentransport aus Charkow in der heutigen Ukraine. Dort hatte die SS ein Sammellager eingerichtet, in dem sie die im dortigen Erz- und Kohlerevier Arbeitenden zusammentrieb. 24 junge Männer wurden auf diese Weise erstmals im Rammelsberg eingesetzt. Sechs Wochen später kamen am 18. Juni 1942 weitere
46 Grubenarbeiter aus diesem Gebiet, der nächste Transport mit 36 Menschen, unter ihnen 18 Frauen, wurde am 11. November in Empfang genommen. Sieben Monate später trafen weitere 16 Sowjetbürger am Rammelsberg ein. Im Frühjahr 1943 waren 40 Franzosen aus dem besetz-ten Teil ihres Landes zum Rammelsberg verschleppt worden.
Entsprechend den behördlichen Anweisungen wurden die ausländischen Zwangsarbeiter unterschiedlich behandelt und untergebracht. Die „Ostarbeiter“ genannten russischen Zivilgefange-nen stellten die unterste Stufe der perversen Nazi-Rassenhierarchie dar. Sie mussten in be-wachten Lagern leben und waren den Schikanen der Gestapo und der betrieblichen Aufseher besonders stark ausgesetzt. Der Rammelsberg hatte solch eine Unterkunft noch nicht. Im Jahresbericht 1943 vom 17.
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