Italien im 19. Jahrhundert: Ein Kontinent der Zerrissenheit, ein Sehnsuchtsort der Einheit. Kann ein Volk, gespalten durch Jahrhunderte der Kleinstaaterei und Fremdherrschaft, jemals zu einer Nation verschmelzen? Diese Frage steht im Zentrum des Risorgimento, der leidenschaftlichen Bewegung, die Italien zwischen 1815 und 1871 in einen modernen Nationalstaat verwandeln sollte. Verfolge die dramatischen Ereignisse, von den geheimen Zirkeln der Carbonari bis zu den blutigen Schlachten auf den Feldern Oberitaliens. Erlebe den Aufstieg charismatischer Führungspersönlichkeiten wie Camillo Benso di Cavour, dem Staatsmann mit Weitblick, Giuseppe Mazzini, dem glühenden Revolutionär, und Giuseppe Garibaldi, dem Volkshelden mit dem roten Hemd, deren unterschiedliche Visionen die Einigung Italiens prägten. Tauche ein in eine Zeit des Umbruchs, in der sich politische Intrigen, militärische Konflikte und der unbändige Wunsch nach Freiheit zu einem explosiven Gemisch vereinten. Entdecke die Rolle von Geheimbünden, Aufständen und Kriegen, die das Fundament für ein neues Italien legten. Analysiere die Beweggründe der Akteure, von den liberalen Aristokraten im Norden bis zu den kämpfenden Massen im Süden, und die tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die das vereinte Italien von Anfang an begleiteten. Erfahre, wie Verdis Opern zu Nationalhymnen wurden und wie der Ruf nach Einheit über konfessionelle und regionale Grenzen hinweg Widerhall fand. Von den gescheiterten Revolutionen von 1848/49 bis zur Eroberung Roms im Jahr 1870 – dies ist die Geschichte eines Volkes, das seine Bestimmung suchte und sie schließlich in einem geeinten Italien fand. Doch welche Schattenseiten barg dieser Triumph? Welche Konflikte blieben ungelöst? Und welche Lehren können wir aus dem italienischen Risorgimento für die Nationalstaatsbildung im Europa des 21. Jahrhunderts ziehen? Eine Reise durch die Geschichte, die den Leser dazu anregt, über die komplexen und oft widersprüchlichen Kräfte nachzudenken, die Nationen formen. Ein Muss für alle, die sich für europäische Geschichte, Nationalismus und die Geburt moderner Staaten interessieren.
Die Einigung Italiens
Risorgimento (= Wiederauferstehung):
Bezeichnung für die Ideen und die politisch-soziale Bewegung, die zur Einheit Italiens zwischen 1815 und 1871 führen.
Sie erhält ihren Namen von der Zeitung Il Risorgimento, die von Graf Camillo Benso di Cavour herausgegeben wird. Die Einigungsbewegung geht von der großbürgerlich- adligen Oberschicht im Norden Italiens aus, die Unterschicht bleibt außen vor. Die drei wichtigsten Persönlichkeiten de Risorgimento sind Graf Camillo Benso di Cavour (1810-61), Giuseppe Mazzini (1805-1872) und Giuseppe Garibaldi.
Nach dem Wiener Kongress ist Italien in viele Staaten geteilt, die bis auf das Königreich Sardinien-Piemont und den Kirchenstaat unter fremder Herrschaft stehen. Die Lombardei und Venetien im Norden werden von den Habsburgern regiert (Österreich), die Herzogtümer Toskana, Parma und Modena von Nebenlinien der Habsburger. Im Süden stehen das Königreich Neapel (bzw. das Königreich beider Sizilien) unter bourbonischer (französischer) Herrschaft. Dazwischen nimmt Sardinien-Piemont den Nordwesten und der Kirchenstaat die Mitte Italiens ein.
Erste Phase des Risorgimento (1815-1848):
1820/21: Der Geheimbund der Carbonari initiiert Aufstände in Italien (Neapel, Piemont). Forderungen: Liberale Reformen, nationale Einheit, Unabhängigkeit von Österreich. Die alte Ordnung kann aber überall mit Hilfe Österreichs wiederhergestellt werden. Ebenso werden weitere Aufstände in Mittelitalien von Papst Gregor XVI. unterdrückt. Dadurch verschärft sich das Feindbild Österreich.
1832: Der Republikaner Giuseppe Mazzini (1831 aus Italien ausgewiesen) gründet in Marseille den Geheimbund La giovine Italia und 1834 in Bern La giovine Europa mit deutschen, polnischen und italienischen Emigranten, die alle keinen Nationalstaat haben.
Forderungen: Italien als unabhängige, geeinte Republik; Aufstand der Italiener, der alle Länder zu einem großen Aufstand gegen das Europa der Monarchen hin zu einem Europa der Völker bewegen soll; Nationalismus als Ersatzreligion
1833/1843/1844/1845: Aufstände von Anhängern Mazzinis in Piemont, Bologna, Kalabrien und Rimini, die zwar scheitern, aber dennoch die Bevölkerung aufrütteln und eine stärkere Diskussion über die politische Zukunft Italiens bewirken.
Der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco (1842) von Verdi wird zu einer Art Nationalhymne der Italiener. (Teure Heimat, wann seh' ich dich wieder)
1846: Diskussion um zwei verschiedene Staatsformen: 1. Föderation aller italienischen Staaten unter Führung des Papstes (Bewegung wird durch Reformen von Papst Pius IX. gestärkt, Toskana und Piemont schließen sich 1847 an.); 2. Nationale Einigung unter Sardinien-Piemont
1847: Die Zeitschrift Il Risorgimento wird von Graf Camillo Benso di Cavour und Balbo gegründet. Sie gibt der Bewegung ihren Namen.
1848: Aufstand in Palermo, bei dem König Ferdinand II. eine Verfassung mit Kompromiss zwischen Krone, Adel und Bürgertum verspricht. Nun schließen sich Toskana und Piemont ihm an.
Die Revolution von 1848/49:
März 1848: Österreich räumt Venedig und Mailand nach einem Aufstand. Karl Albert von Sardinien-Piemont erklärt daraufhin Österreich den Krieg und übernimmt damit die Führung der Einigungsbewegung.
Juli 1848: Niederlage Italiens bei Custozza
November 1848: Mazzini vertreibt den Papst aus Rom und ruft die Republik aus.
März 1849: Karl Albert unterliegt erneut bei Novara und dankt zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. ab.
August 1849: Rom ist zurückerobert, die vorrevolutionäre Ordnung wiederhergestellt und Piemont schließt am 7. August Frieden mit Österreich.
Zweite Phase des Risorgimento (1859-1871):
1852: Graf Camillo Benso di Cavour wird Ministerpräsident in Sardinien-Piemont. Er will eine nationale Einigung unter Führung Sardinien-Piemonts und entwickelt es zum liberalen Musterland durch Freihandelspolitik, Justizreform, Kirchengesetzgebung (Freie Kirche im freien Staat), Eisenbahnbau, Bankgründungen, Übergang zum Parlamentarismus. Er will eine konstituelle Monarchie, keine Revolution.
1855/56: Beteiligung Sardinien-Piemonts am Krimkrieg. Dadurch erreicht Cavour die Unterstützung der Westmächte zur Lösung der italienischen Frage.
1858: Frankreich sagt in Plombières seine militärische Unterstützung gegen Österreich zu.
1859: Sardinisch-französicher Krieg gegen Österreich, der mit Siegen bei Magenta und Solferino endet. Diese Schlachten bewegen Henri Dunant zur Gründung des Roten Kreuzes.
12. Juli 1859: Vorfrieden von Villafranca (Frankreich scheidet aus dem Krieg aus)
November 1859: Friede von Zürich, in dem Österreich zwar die Lombardei an Frankreich abtritt, Venetien aber behält. Aus Protest dagegen tritt Cavour kurzzeitig zurück.
24. März 1859: Frankreich tauscht die Lombardei gegen Nizza und Savoyen. Toskana, Modena, Parma und Emilia-Romogna werden an Sardinien-Piemont angeschlossen.
Mai-September 1860: Giuseppe Garibaldi (Mazzini-Anhänger) landet mit vielen Freiwilligen (Rothemden) auf Sizilien und erobert zunächst die Insel, dann das Unteritalienische Festland und schließlich am 7. September 1860 Neapel (Zug der Tausend).
14. März 1861: Das italienische Parlament ernennt Viktor Emanuel II. von Sardinien- Piemont zum König von Italien. Rom wird zur Hauptstadt erklärt, der Regierungssitz ist jedoch noch in Venetien.
Probleme des neues Staates: 1. Rigoroses Zensuswahlrecht; 2. Nord-Südliches Wirtschafts- und Kulturgefälle (Problem des Mezzogiorno); 3. Schuldenberg; 4. Aufstände in Süditalien (1861-65)
1866: Italien nimmt zur Angliederung Venetiens auf der Seite Preußens am Deutschen Krieg teil. Trotz Niederlagen bei Custozza und Lissa erhält Italien Venetien im Frieden von Wien (3. Oktober 1866).
1867: Garibaldi versucht erfolglos in den Kirchenstaat einzudringen.
8. Dezember 1869: Papst Pius I verkündet auf dem 1. Vatikanischen Konzil das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, wodurch die Kluft zwischen Kirche und Nationalstaat unüberbrückbar zu sein scheint.
September 1870: Der Vatikanstaat wird von italienischen Truppen besetzt.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Risorgimento?
Das Risorgimento (Wiederauferstehung) ist die Bezeichnung für die Ideen und die politisch-soziale Bewegung, die zwischen 1815 und 1871 zur Einheit Italiens führten. Es leitet seinen Namen von der Zeitung Il Risorgimento ab.
Wer waren die wichtigsten Persönlichkeiten des Risorgimento?
Die drei wichtigsten Persönlichkeiten des Risorgimento waren Graf Camillo Benso di Cavour (1810-61), Giuseppe Mazzini (1805-1872) und Giuseppe Garibaldi.
Wie war Italien nach dem Wiener Kongress aufgeteilt?
Nach dem Wiener Kongress war Italien in viele Staaten geteilt, von denen die meisten unter fremder Herrschaft standen. Die Lombardei und Venetien wurden von Österreich regiert, die Herzogtümer Toskana, Parma und Modena von Nebenlinien der Habsburger. Das Königreich Neapel (bzw. das Königreich beider Sizilien) stand unter bourbonischer Herrschaft. Sardinien-Piemont nahm den Nordwesten und der Kirchenstaat die Mitte Italiens ein.
Was geschah in der ersten Phase des Risorgimento (1815-1848)?
In der ersten Phase initiierten die Carbonari Aufstände, es gab die Gründung des Geheimbundes "La giovine Italia" durch Giuseppe Mazzini und verschiedene Aufstände von Anhängern Mazzinis.
Was waren die Forderungen von Giuseppe Mazzini?
Mazzini forderte ein unabhängiges, geeintes Italien als Republik, einen Aufstand der Italiener, der alle Länder zu einem großen Aufstand gegen die Monarchen bewegen sollte, und Nationalismus als Ersatzreligion.
Was geschah in der Revolution von 1848/49?
Österreich räumte Venedig und Mailand nach einem Aufstand. Karl Albert von Sardinien-Piemont erklärte Österreich den Krieg, unterlag aber. Mazzini vertrieb den Papst aus Rom und rief die Republik aus. Die vorrevolutionäre Ordnung wurde wiederhergestellt.
Was waren die Ziele von Graf Camillo Benso di Cavour?
Cavour wollte eine nationale Einigung unter Führung Sardinien-Piemonts und entwickelte es zum liberalen Musterland. Er befürwortete eine konstitutionelle Monarchie.
Wie trug Sardinien-Piemont zum Krimkrieg bei?
Sardinien-Piemont beteiligte sich am Krimkrieg, wodurch Cavour die Unterstützung der Westmächte zur Lösung der italienischen Frage erreichte.
Was war der sardinisch-französische Krieg gegen Österreich?
Im Jahr 1859 gab es einen sardinisch-französischen Krieg gegen Österreich, der mit Siegen bei Magenta und Solferino endete. Frankreich zog sich jedoch zurück und Österreich behielt Venetien.
Was tat Giuseppe Garibaldi?
Giuseppe Garibaldi landete 1860 mit Freiwilligen auf Sizilien und eroberte die Insel, das Unteritalienische Festland und Neapel ("Zug der Tausend").
Wann wurde das Königreich Italien gegründet?
Das italienische Parlament ernannte am 14. März 1861 Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont zum König von Italien. Rom wurde zur Hauptstadt erklärt.
Welche Probleme hatte der neue italienische Staat?
Der neue Staat hatte Probleme mit einem rigorosen Zensuswahlrecht, einem Nord-Südlichen Wirtschafts- und Kulturgefälle (Problem des Mezzogiorno), Schulden und Aufständen in Süditalien.
Wie kam Italien zu Venetien?
Italien nahm 1866 auf der Seite Preußens am Deutschen Krieg teil und erhielt Venetien im Frieden von Wien.
Wann wurde Rom die Hauptstadt Italiens?
Rom wurde am 9. Oktober 1870 zur Hauptstadt Italiens, womit der Prozess des Risorgimento abgeschlossen war.
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- Christiane Schlieckmann (Author), 2000, Italienische Einigung/Staatsgründung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96105