Die Einigung Italiens
Risorgimento (= Wiederauferstehung):
Bezeichnung für die Ideen und die politisch-soziale Bewegung, die zur Einheit Italiens zwischen 1815 und 1871 führen.
Sie erhält ihren Namen von der Zeitung Il Risorgimento, die von Graf Camillo Benso di Cavour herausgegeben wird. Die Einigungsbewegung geht von der großbürgerlich- adligen Oberschicht im Norden Italiens aus, die Unterschicht bleibt außen vor. Die drei wichtigsten Persönlichkeiten de Risorgimento sind Graf Camillo Benso di Cavour (1810-61), Giuseppe Mazzini (1805-1872) und Giuseppe Garibaldi.
Nach dem Wiener Kongress ist Italien in viele Staaten geteilt, die bis auf das Königreich Sardinien-Piemont und den Kirchenstaat unter fremder Herrschaft stehen. Die Lombardei und Venetien im Norden werden von den Habsburgern regiert (Österreich), die Herzogtümer Toskana, Parma und Modena von Nebenlinien der Habsburger. Im Süden stehen das Königreich Neapel (bzw. das Königreich beider Sizilien) unter bourbonischer (französischer) Herrschaft. Dazwischen nimmt Sardinien-Piemont den Nordwesten und der Kirchenstaat die Mitte Italiens ein.
Erste Phase des Risorgimento (1815-1848):
1820/21: Der Geheimbund der Carbonari initiiert Aufstände in Italien (Neapel, Piemont). Forderungen: Liberale Reformen, nationale Einheit, Unabhängigkeit von Österreich. Die alte Ordnung kann aber überall mit Hilfe Österreichs wiederhergestellt werden. Ebenso werden weitere Aufstände in Mittelitalien von Papst Gregor XVI. unterdrückt. Dadurch verschärft sich das Feindbild Österreich.
1832: Der Republikaner Giuseppe Mazzini (1831 aus Italien ausgewiesen) gründet in Marseille den Geheimbund La giovine Italia und 1834 in Bern La giovine Europa mit deutschen, polnischen und italienischen Emigranten, die alle keinen Nationalstaat haben.
Forderungen: Italien als unabhängige, geeinte Republik; Aufstand der Italiener, der alle Länder zu einem großen Aufstand gegen das Europa der Monarchen hin zu einem Europa der Völker bewegen soll; Nationalismus als Ersatzreligion
1833/1843/1844/1845: Aufstände von Anhängern Mazzinis in Piemont, Bologna, Kalabrien und Rimini, die zwar scheitern, aber dennoch die Bevölkerung aufrütteln und eine stärkere Diskussion über die politische Zukunft Italiens bewirken.
Der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco (1842) von Verdi wird zu einer Art Nationalhymne der Italiener. (Teure Heimat, wann seh' ich dich wieder)
1846: Diskussion um zwei verschiedene Staatsformen: 1. Föderation aller italienischen Staaten unter Führung des Papstes (Bewegung wird durch Reformen von Papst Pius IX. gestärkt, Toskana und Piemont schließen sich 1847 an.); 2. Nationale Einigung unter Sardinien-Piemont
1847: Die Zeitschrift Il Risorgimento wird von Graf Camillo Benso di Cavour und Balbo gegründet. Sie gibt der Bewegung ihren Namen.
1848: Aufstand in Palermo, bei dem König Ferdinand II. eine Verfassung mit Kompromiss zwischen Krone, Adel und Bürgertum verspricht. Nun schließen sich Toskana und Piemont ihm an.
Die Revolution von 1848/49:
März 1848: Österreich räumt Venedig und Mailand nach einem Aufstand. Karl Albert von Sardinien-Piemont erklärt daraufhin Österreich den Krieg und übernimmt damit die Führung der Einigungsbewegung.
Juli 1848: Niederlage Italiens bei Custozza
November 1848: Mazzini vertreibt den Papst aus Rom und ruft die Republik aus.
März 1849: Karl Albert unterliegt erneut bei Novara und dankt zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. ab.
August 1849: Rom ist zurückerobert, die vorrevolutionäre Ordnung wiederhergestellt und Piemont schließt am 7. August Frieden mit Österreich.
Zweite Phase des Risorgimento (1859-1871):
1852: Graf Camillo Benso di Cavour wird Ministerpräsident in Sardinien-Piemont. Er will eine nationale Einigung unter Führung Sardinien-Piemonts und entwickelt es zum liberalen Musterland durch Freihandelspolitik, Justizreform, Kirchengesetzgebung (Freie Kirche im freien Staat), Eisenbahnbau, Bankgründungen, Übergang zum Parlamentarismus. Er will eine konstituelle Monarchie, keine Revolution.
1855/56: Beteiligung Sardinien-Piemonts am Krimkrieg. Dadurch erreicht Cavour die Unterstützung der Westmächte zur Lösung der italienischen Frage.
1858: Frankreich sagt in Plombières seine militärische Unterstützung gegen Österreich zu.
1859: Sardinisch-französicher Krieg gegen Österreich, der mit Siegen bei Magenta und Solferino endet. Diese Schlachten bewegen Henri Dunant zur Gründung des Roten Kreuzes.
12. Juli 1859: Vorfrieden von Villafranca (Frankreich scheidet aus dem Krieg aus)
November 1859: Friede von Zürich, in dem Österreich zwar die Lombardei an Frankreich abtritt, Venetien aber behält. Aus Protest dagegen tritt Cavour kurzzeitig zurück.
24. März 1859: Frankreich tauscht die Lombardei gegen Nizza und Savoyen. Toskana, Modena, Parma und Emilia-Romogna werden an Sardinien-Piemont angeschlossen.
Mai-September 1860: Giuseppe Garibaldi (Mazzini-Anhänger) landet mit vielen Freiwilligen (Rothemden) auf Sizilien und erobert zunächst die Insel, dann das Unteritalienische Festland und schließlich am 7. September 1860 Neapel (Zug der Tausend).
14. März 1861: Das italienische Parlament ernennt Viktor Emanuel II. von Sardinien- Piemont zum König von Italien. Rom wird zur Hauptstadt erklärt, der Regierungssitz ist jedoch noch in Venetien.
Probleme des neues Staates: 1. Rigoroses Zensuswahlrecht; 2. Nord-Südliches Wirtschafts- und Kulturgefälle (Problem des Mezzogiorno); 3. Schuldenberg; 4. Aufstände in Süditalien (1861-65)
1866: Italien nimmt zur Angliederung Venetiens auf der Seite Preußens am Deutschen Krieg teil. Trotz Niederlagen bei Custozza und Lissa erhält Italien Venetien im Frieden von Wien (3. Oktober 1866).
1867: Garibaldi versucht erfolglos in den Kirchenstaat einzudringen.
8. Dezember 1869: Papst Pius I verkündet auf dem 1. Vatikanischen Konzil das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, wodurch die Kluft zwischen Kirche und Nationalstaat unüberbrückbar zu sein scheint.
September 1870: Der Vatikanstaat wird von italienischen Truppen besetzt.
9. Oktober 1870: Rom wird die Hauptstadt Italiens. Der Prozess des Risorgimento ist damit abgeschlossen.
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- Christiane Schlieckmann (Autor), 2000, Italienische Einigung/Staatsgründung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96105