Gliederung
1 Einleitung
2 Probleme der Zusammenarbeit in einer Organisation
2.1 Definition des Begriffes Organisation
2.2 Organisation im multikulturellem Kontext
3 Was ist Kultur?
3.1 Definition des Begriffes Kultur
3.2 Definition des Begriffes Kulturstandard
3.2.1 Beispiel Deutsch-Amerikanische Arbeitsgruppe
3.2.2 Probleme bei Deutsch-Amerikanischer Arbeitsgruppe
3.3 Dynamisierung und Relativierung des Kulturbegriffes
3.3.1 Die Logik adaptiver Gegensätze
3.3.2 Von der nationalen Kultur zur Kultur im Allgemeinen
4 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Kultur, besonders wenn es als Abgrenzungskriterium zwischen verschiedenen Ländern, Nationen, Religionen oder sozialen Gruppen betrachtet wird, ist viel zu allgemein, als das es sich operationalisieren ließe, um menschliches Verhalten zu erklären. Unterschiedliche Handlungen, Meinungen oder Vorurteile mit Kultur erklären zu wollen, bedeutet lediglich, das zu erklärende Rätsel durch die zunächst auch nicht genauer zu erfassende Kultur (also ein anderes Rätsel) zu ersetzten. Man erklärt also die Probleme der Zusammenarbeit in einer Organisation mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Kulturen mit der Tatsache, daß die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen stammen - es besteht also ein kulturelles Problem. Geht man nun aber mit dem Begriff Kultur zu unbefangen um, muß Kultur also ständig als “Auffangbecken” für multikulturelle Problemsituationen herhalten. Der Hinweis auf kulturelle Unterschiede stiftet mehr Verwirrung, als daß er die Menschen in einer mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Kulturen zusammengesetzten Arbeitsgruppe hilft (Lösungsansätze liefert). Der Begriff Kultur faßt gewissermaßen alles zusammen, was die Zusammenarbeit in multikulturellen Gruppen so schwierig macht. Er lädt daher aber auch dazu ein, Probleme, die mit Kulturunterschieden nichts zu tun haben, zu absorbieren. “Insgesamt liegt in der Spezialität der Kooperation und Kontaktsituation zwischen zwei Kulturen die Gefahr, daß divergente Normierungen des Handelns, die von den beteiligten als Problem erlebt werden, fälschlicherweise der kulturellen Herkunft zugeschrieben werde, eigentlich aber Ausdruck von Interessengegensätzen, von betroffenen Handlungsfeldern, von der jeweiligen Subgruppenzugehörigkeit oder der dominierenden Zielvorstellung sind.” (Krewer, 1996, Seite 155)
Man muß also den Inhalt des Begriffes Kultur untersuchen und in seine Einzelteile zerlegen, um den Einfluß auf die Organisation festzustellen und als “kulturspezifisch” identifizieren zu können.
Wie ich im Laufe der Hausarbeit zeigen werde, verwischt aber bei einem derartigem Vorgehen die Grenze zwischen den Problemen multikulturell- und monokulturell zusammengesetzter Gruppen. Ziel soll es hier nicht sein, die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen genau herauszuarbeiten, sondern auf die Gemeinsamkeiten hinzuweisen. Man sollte bei der Problemlösung den Menschen in den Vordergrund stellen, und nicht seine kulturelle Herkunft, die er repräsentiert.
Dahinter steht auch meine persönliche Meinung und Erfahrung, daß die kulturellen Unterschiede, je näher man sie betrachtet, um so kleiner werden. Darüber hinaus soll auch ein Denkanstoß gegeben werden, in erster Linie Gemeinsamkeiten zu suchen, und sich nicht nur auf seine Kultur “zurückzuziehen” und sie durch wahrgenommene Unterschiede abzugrenzen.
2. Probleme bei der Zusammenarbeit in einer Organisation
Unabhängig von Problemen, welche in einer kulturellen Überschneidungssituation auftreten können, sollte man sich zunächst darüber klar werden, welche Probleme in einer Organisation generell auftreten können. Zunächst soll also der kulturelle Hintergrund der einzelnen Mitglieder vernachlässigt werden. “In kulturellen Überschneidungssituationen sollen Kommunikationsbarrieren überwunden, Aha-Erlebnisse vermittelt, ein interkulturelles Bewußtsein erzeugt werden. Das Konzept der Überschneidungssituation wurde von Kurt Lewin zur Beschreibung von (häufig konflikthaften) Konstellationen des psychischen Feldes verwendet, die” dadurch gekennzeichnet ist, daß Personen gleichzeitig in mehreren Situationen ausgesetzt sind. (Winter, 1994, Seite 221)
2.1 Definition des Begriffes Organisation
“Eine Organisation ist ein gegenüber ihrer Umwelt offenes System, das zeitlich überdauernd existiert, spezifische Ziele verfolgt, sich aus Individuen bzw. Gruppen zusammensetzt, also ein soziales Gebilde ist und eine bestimmte Struktur aufweist, die meist durch Arbeitsteilung und eine Hierarchie von Verantwortung gekennzeichnet ist” (Gebert, 1978, zit. nach Rosenstiel, 1992, Seite 3). Aus dieser Definition lassen sich vier Analyseebenen ableiten: Um die Ziele handhabbar zu machen müssen sie in Teilziele zerlegt werden. Das komplexe Endprodukt wird in Aufgaben zergliedert. Diese Aufgaben können von Menschen wahrgenommen werden. Umfangreiche Aufgaben können nur noch von Arbeitsgruppen, deren Mitglieder jeder für sich einen Teil, der zur Lösung benötigten Fähigkeiten besitzen, bewältigt werden.
Dementsprechend rückt Rosenstiel (1992, Seite 9) folgende “Teilaspekte akzentuierend ins Zentrum” seiner Überlegungen: “Die Aufgabe, das Individuum, die Gruppe und die Organisation”
2.2 Organisation im multikulturellem Kontext
Man ordnet Aufgabe, Individuum, Gruppe und Organisation auf einer Geraden an, deren Endpunkte einerseits das spezifische Ziel einer Organisation (ausgedrückt beispielsweise im Endprodukt eines Unternehmens wie Auto, Staudamm oder auch einer Nagelschere) andererseits durch die Reduzierung auf elementarste Arbeitstätigkeiten im Rahmen einer Aufgabe, z.B. das Schlagen eines Nagels in die Wand oder einfache Fließbandtätigkeiten, sind.
Freiheitsgrade sind nach Hacker (1978, zit. nach Ulich, 1994, Seite 69) “Möglichkeiten zum unterschiedlichen aufgabenbezogenen Handeln”. Unterschiedliche Möglichkeiten gibt es “hinsichtlich Verfahrenswahl, Mitteleinsatz und zeitlicher Organisation von Aufgabenbestandteilen” (Ulich, 1994, Seite 69).
Je einfacher die Aufgabe, desto geringer ist ihr Freiheitsgrad. Das ist unmittelbar einsichtig, wenn man sich die oben aufgeführten Beispiele in Erinnerung ruft. Bewegen wir uns nun auf der Geraden in Richtung Organisation nehmen die Freiheitsgrade zunächst zu, und ab einem gewissen Punkt wieder ab. In einer sich immer globalisierenden Weltwirtschaft sind auch die spezifischen Unternehmensziele immer konkreter vorgegeben. Unternehmen orientieren sich an ihren Konkurrenten, am “share-holder-value”, an derMarktsituation und an gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Organisationsumwelt zwingt der Organisation einen immer enger werden Entscheidungskorridor auf; nur in dessen Rahmen kann sie sich noch frei entscheiden. Nimmt man im Zuge der Globalisierung immer transparenter werdende Marktstrukturen an, so bleibt den Unternehmen nichts weiteres übrig, als sich immer stärker am ökonomischem Prinzip zu orientieren und soziale Dimensionen zu vernachlässigen. Tun sie es nicht, entscheiden sie sich aus “freien Stücken” aus dem Markt auszuscheiden.
Ich möchte mich aus diesen Überlegungen heraus im nun Folgendem auf die Analyseebenen Gruppe und Individuum und die Interaktion zwischen beiden beschränken, da anzunehmen ist, daß Kultur und Kulturstandards hier den größten Einfluß ausüben.
Schroll-Machl (1996, Seite 383) nimmt eine ähnliche Strukturierung vor: Sie unterteilt den Problemlösungsprozeß multikulturell zusammengesetzter Gruppen in 1. das Problemlösen (Überführung eines Ausgangszustandes “unter Überwindung einer Barriere” in einen Endzustand), 2. das “Problemlösen in Gruppen”, welche das individuelle Problemlösen um die Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern erweitert, sowie 3. die Kulturspezifizität der Gruppenmitglieder. Kulturspezifizität bedeutet nach Schroll-Machl, (1996, Seite 383) “daß Individuen einer Kultur gehäuft Verhaltensweisen zeigen, die in einer anderen Kultur in dieser Häufigkeit nicht beobachtet werden können”. Kultur stellt also bei ihr eine zusätzliche Dimension im Problemlösungsprozeß innerhalb von Gruppen dar.
In einer Organisation sind immer Probleme von Individuen oder innerhalb einer Gruppe zu lösen. Solange dies in einer Gruppe geschieht, wo alle Mitglieder der gleichen Kultur entstammen, ist dies zunächst einmal nicht Gegenstand dieser Arbeit. Gegenstand ist die Zusammensetzung der Gruppe aus Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen und die daraus erwachsenden kulturspezifischen Probleme. Gleichwohl darf diese Einteilung nicht dazu verleiten, die Interdependenz zwischen Individuen, Gruppe und Kultur in einer kulturellen Überschneidungssituation zu vernachlässigen. Wilpert (1993, Seite 363) weist zu den von ihm skizzierten Grundmodellen darüberhinaus darauf hin, daß auf, gegenüber ihrer Umwelt offenen, Organisationen, sowohl gesellschaftliche als auch kulturelle Einflußfaktoren wirken. Während sich gesellschaftliche Einflußfaktoren an Ausbildung, wirtschaftliches, rechtliches und politisches System und Demographie recht einfach festmachen läßt, darf man Kultur nicht einfach “als ungeklärte Residualkategorie” sehen, welcher man alles Unerklärliche zuordnet. Frei nach dem Motto: für Probleme sind kulturelle Unterschiede veranwortlich, für die man nichts kann, weil sie kulturell sind. Die Frage, die sich nun aufdrängt ist: Was ist Kultur?
3. Was ist Kultur?
Zunächst muß also der Begriff Kultur definiert werden. Anschließend versuche ich ihn um die “nationale” kulturelle Ebene zu reduzieren und zeige, daß es Gründe gibt anzunehmen, daß die Bedeutung von Kultur (im Sinne von nationaler Kultur) in der Analyse organisationsspezifischer Prozesse geringer ist, als allgemein angenommen.
3.1 Definition des Begriffes Kultur
Kroeber und Kluckholm (1952, Seite 181, zit. Nach Alexander, 1993, Seite 379) stellten nach einer Analyse von 150 Kulturdefinitionen folgende zusammenfassende Definition vor: “Kultur besteht aus expliziten und impliziten Verhaltensmustern, die durch Symbole erworben und vermittelt werden, die spezifische Leistungen einer Gruppe begründen, einschließlich ihrer Verkörperung in Kulturprodukten. Der Wesensgehalt der Kultur besteht aus tradierten (historisch gewachsenen und selektierten) Ideen und damit verbundenen Wertvorstellungen. Kulturelle Systeme können einerseits als Ergebnis von Handlungen und andererseits als Bedingungselemente von Handlungen betrachtet werden.”
Damit ist die Kultur einer Organisation innerhalb einer Gesellschaft für die Belange dieser Hausarbeit beschrieben. Die Individuen werden von der Kultur beeinflußt, und beeinflussen auf dieser Basis wiederum die Kultur. Ihre Wahrnehmungen, Einstellungen und Handlungen lassen sich zu, für die jeweilige Kultur spezifischen, Kulturstandards zusammenfassen. Sie sind für die Mitglieder selbstverständlich und werden nicht in Frage gestellt. In einer “interkulturellen Überschneidungssituation” treffen Mitglieder unterschiedlicher Kulturen aufeinander. Um diesem Sachverhalt zu erfassen, stellt Thomas (1993, Seite 180) folgende Definition vor: “Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet, und in der jeweiligen Gesellschaft tradiert. Es beeinflußt das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schaft damit die Vorraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung”.
Treffen Mitglieder unterschiedlicher Kulturen mit ihren jeweiligen Kulturstandards bzw. Orientierungssystemen aufeinander, entstehen häufig Probleme.
3.2 Definition des Begriffes Kulturstandard
“Kulturstandards sind kulturspezifisch beschreibbare rollen- und situationsspezifische Verhaltenserwartungen, welchen (kulturspezifische) Normen zugrunde liegen, deren Nichterfüllung zur Störung der Interaktion ggf. Sanktion des/r Interaktionpartner führen” (Reisch, 1991, Seite 81-82, zit. nach Krewer, 1996, Seite 150). Diese Störungen resultieren daraus, daß die Kulturstandards in einer spezifischen kulturellen Überschneidungssituation nicht kompatibel sind. Mann (1992, Seite 21) stellt fest, daß die Kultur als “der mächtigste soziale Faktor angesehen werden muß, der den Rahmen der Sozialisierung absteckt, und die Verhaltensweisen durch spezifische soziale Umwelteinflüsse und Sozialisierungsmittler indirekt beeinflußt.” Mitglieder einer Kultur bringen somit eine kulturelle “Hypothek” in die Interaktion mit Mitgliedern anderer Kulturen ein.
Demorgon und Molz (1996, Seite 54) bezeichnen diese kulturellen Hypotheken in ihrer Logik adaptiver Gegensätze als “adaptive Achsen” im Spannungsfeld prä-adaptiver Gegensätze. Darauf komme ich im Abschnitt 3.3 zurück. Es ist in sofern als Hypothek (im negativen Sinne) zu verstehen, als daß sich der Einzelne, sich in einer kulturellen Überschneidungssituation befindliche, nicht seiner Kulturstandards bewußt ist. Für ihn selbstverständliche Handlungen und Einstellungen, die er zunächst auch genauso selbstverständlich von seinem Gegenüber erwartet werden von diesem nicht ausgeführt bzw. nicht geteilt.
3.2.1 Beispiel: Deutsch-Amerikanische Arbeitsgruppe
Schroll-Machl (1996) hat in ihrem Vergleich der Problemlösungsprozesse deutscher Arbeitsgruppen “Ganzheitliche Problemkernanalyse” (Schroll-Machl, 1996, Seite 390) und amerikanischer Arbeitsgruppen “Endzielorientierte Teilproblembearbeitung” (Schroll-Machl, 1996, Seite 393) die möglichen Probleme und Dissonanzen beschrieben, die auftreten, falls in deutsch-amerikanischen Gruppen gearbeitet wird:
“Ganzheitliche Problemkernanalyse” erfordert in der Planungsphase eine ganzheitliche Erfassung des Problems, und daraus die Ableitung des Endziels. Dabei wird das Problem idealerweise so gründlich mit all seinen Interdependenzen erfaßt, daß in der darauffolgenden Ausführungsphase die Gruppenmitglieder das zuvor definierte Programm (die ihnen zugeordnete Aufgabe) weitgehend selbstständig, fast ohne Kommunikation untereinander am Endziel orientiert ausführen.
“Endzielorientierte” Teilproblembearbeitung hingegen sieht eine vergleichsweise kurze Planungsphase vor, in der das Problem identifiziert und die erforderliche Lösung mit dem angestrebten Ziel gewählt wird. Vom Endziel werden Meilensteine (sogenannter Top-down- Ansatz) abgeleitet, anhand derer von den Gruppenmitgliedern zu bearbeitende Teilziele und Teilprobleme mit Zeitplänen definiert werden. In der Ausführungsphase wird dieses Programm abgearbeitet, wobei eine intensive Kommunikation zur Koordinierung der Teilziele und zum Informationsaustausch notwendig ist. Entsprechend dauert die Ausführungsphase vergleichsweise lange.
3.2.2 Probleme bei Deutsch-Amerikanischen Arbeitsgruppen
Der “Knackpunkt”, falls in gemischten Gruppen gearbeitet wird, ist die Kommunikation, also der Austausch von Informationen bei Besprechungen: “Deutsche fühlen sich gehetzt, Amerikaner fühlen sich mit ihrer Geduld auf die Folter gespannt.” (Schroll-Machl, 1996, Seite 399) Abstimmungsprobleme ergeben sich in amerikanisch dominierten Gruppen darin, daß Deutsche in der Ausführungsphase davon ausgehen, daß in der Planungsphase alles wesentliche gesagt wurde. Die Amerikaner schalten in einer deutsch dominierten Planungsphase “vorzeitig ab” und nerven anschließend in der Ausführungsphase die deutschen Gruppenmitglieder mit Fragen, verlangen nach Arbeitsanweisungen, den individuellen Teilzielen und -problemen. Unbrauchbare Arbeitsergebnisse führen zu gegenseitigen Schuldzuweisungen: “Die Deutschen sind überzeugt, nicht ausreichend informiert, die Amerikaner, “überhaupt nie” gefragt worden zu sein.” (Schroll-Machl, 1996, Seite 398)
Überwiegend begründet werden die unterschiedlichen Problemlösungsprozesse mit unterschiedlichen Kulturstandards.
Deutschland: “Sicherheitsstreben”, “Pflichterfüllung”, “interpersonale Distanzdifferenzierung” und eine stärkere kollektivistische Ausprägung”
USA: “Handlungsorientierung”, “Gelassenheit”, “Individualismus” und
“Leistungsorientierung” (Schroll-Machl, 1996, Seite 402)
3.3 Dynamisierung und Relativierung des Kulturbegriffes
Wenn multikulturell zusammengesetzte Gruppen lange genug zusammen sind, ist zu erwarten, daß sich ihre Mitglieder “zusammenraufen”, also einen gemeinsamen Nenner finden, auf dessen Basis die Gruppenziele erreicht werden können. Jedes Gruppenmitglied bringt also seine “kulturelle Identität als symbolisches Kapital” (Krewer, 1996, Seite 151) in den Problemlösungsprozeß ein, auf dessen Grundlage sich, unter Berücksichtigung der kulturellen Identität der anderen Gruppenmitglieder, in der Interaktion neue Kulturstandards herausbilden. Krewer (1996, Seite 152) sieht dementsprechend Kulturstandards “als spezifische Orientierungssysteme…, die konstruiert werden, um eigenes und fremdes Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln, in spezifischen INTERkulturellen Kontaktsituationen verständlich und kommunizierbar zu machen, oder kurz gesagt, Kulturstandards sind Mittel der Selbst- und Fremdreflexion in interkulturellen Begegnungen.” Sind Kulturstandards also in der interkulturellen Überschneidungssituation modifizierbar und geschieht dies auch, ist es schwer von zeitlich überdauernden kulturellen Unterschieden zu sprechen, welche die Interaktion als statistische Größe fortdauernd beeinflussen. Es hängt vielmehr von der spezifischen Situation und den beteiligten Individuen ab, inwieweit kulturelle Inkompatibilitäten abgebaut werden, um das Gruppenziel zu erreichen.
Es reicht demnach nicht, zu einem fiktiven Zeitpunkt den “aktuellen” Kulturstandard zu ermitteln, und ihn zur Grundlage von “Patentrezepten” zu machen, mit denen Gruppenmitglieder einer anderen Kultur in der Überschneidungssituation agieren können. Problem ist nun, daß Kulturstandards sowohl zeitlich als auch interpersonal varieren können, so daß eine zielgerichtete Interaktion nicht ausschließlich auf der Basis zeitlich vorgelagert ermittelter Kulturstandards erfolgen kann, sondern auch auf aktuelle Variationen reagieren muß. Es ist eine “Situationsanalyse” erforderlich, welche die Wechselbeziehungen Mensch- Umwelt erfaßt.
“Situationsanalyse bedeutet Anerkennung der Wechselwirkung zwischen Bestimmung der Umwelt durch den Menschen und Bestimmung des Menschen durch die Umwelt. Umwelt ist die Gesamtheit der in einem Moment psychologisch wirksamen Schemata” (Demorgon&Molz, 1996, Seite 46)
Der Mensch bedient sich “Schemata”, um die Umwelt zu strukturieren und verständlich zu machen. “Schemata sind Representationen von “inneren” und “äußeren” Realitäten” (Demorgon&Molz, 1996, Seite 46)
Ein Individuum kann nun Assimilation (Einordnung der Realität in vorhandene Schemata) oder Akkomodation (Anpassen der Schemata an die veränderte Realität) auf eine sich ändernde Realität reagieren, wobei das zweite wohl eher bei größeren Umweltveränderungen zum Tragen kommt: Wer verzichtet schon freiwillig auf bewährte Erklärungsmuster der Realität. Das immer neue “sich orientiern” auf eine sich ändernde Umwelt mittels Akkomodation und Assimilation nennen Demorgon und Molz (Demorgon & Molz, 1996) Äquilibration. “Akkomodation, die nicht ausbalanziert ist, führt… zu Selbstverlust, während extreme Assimilation Realitätsverlust zur Folge hat” (Demorgon & Molz, 1996, Seite 47)
Die Kultur stellt einen Grundbestand an Schemata dar, auf dessen Basis die multikulturell zusammengesetzte Gruppe ihre eigenen Kulturstandards in der konkreten Situation erarbeiten muß.
3.3.1 Die Logik der adaptiven Gegensätze
Demorgon und Molz (Demorgon&Molz, 1996, Seite 50) argumentieren, daß es immer Paare von Gegensätzen gibt, welche nicht gleichzeitig erreicht werden können, und daß die Menschen, falls sich in einer Situation eine Wahlnotwendigkeit zwischen diesen “präadaptiven” Gegensätzen ergibt, für jeweils eine adaptive Achse zwischen diesen beiden Polen entscheiden müssen. Beispielsweise ist jeder Autor einer Hausarbeit in dem Dilemma der präadaptiven Achsen: Zeitlimit/Qualität gefangen. Für dessen Auflösung jeder Student, orientiert an seinem übergeordneten Ziel, z.B.Studienabschluß oder Wissenserwerb, eine
Strategie zur Zielerreichung ausarbeitet. Er muß sich für eine adaptive Achse, also einer Kombination von Zeitlimit und Qualität, entscheiden.
Für eine ganze Kultur betrachtet ergeben sich adaptive Achsen als der Median (im multidimensionalen Raum) aller individuellen adaptiver Achsen. Man kann also den Vertreter einer Kultur grob anhand seiner kulturellen Herkunft einordnen. Je nachdem wie weit seine individuelle adaptiven Achsen aber von den über seine ganze Kultur, aus der er stammt, aggregierten adaptiven Achsen abweicht, ist einem mit einer derartigen Einordnung aber noch nicht viel geholfen. Denn letztendlich geht es ja in jedweder kulturellen Überschneidungssituation darum, innerhalb einer gegeben Organisation mit ihren Mitgliedern aus verschiedenen Kulturen, Probleme zu lösen. Da hilft es wenig, Probleme einzelner Mitglieder mit ihrer Herkunft zu erklären, sondern man muß an dem Mitarbeiter selbst ansetzen und kann seine kulturellen adaptiven Achsen allenfalls als als erste Lösungshilfe in Anspruch nehmen.
Kultur wird hier als “System mobiler adaptiver Achsen verstanden” (Demorgon & Molz, 1996, Seite 58), welche im Zeitverlauf durch Akkomodationen (“Anpassungsstrategien”) modifizierbar ist. Auch das Kategorierungssystem Kultur ist somit einem zeitlichen Wandel unterworfen. Dies gilt jetzt aber nicht nur für nationale Kulturen, sondern kann auch auf intra-nationale Sub-Kulturen (beispielsweise einer Unternehmenskultur) angewendet werden.
Wenn jetzt aber eine nationale Kultur nur als ein System aggregierter adaptiver Achsen verstanden, welche sich durch eine signifikante Homogenität von anderen nationalen Kulturen abgrenzen, bleibt die Frage zu beantworten, inwieweit eine zufällig national, geografisch oder historisch gewählte Population relevante Informationen über ein einzelnes Individuum bereithalten kann.
Unterwirft (paßt sich an) sich der einzelne, durch Mitarbeit in einem Unternehmen, nicht einer Unternehmenskultur, welche sich im Grunde genommen genauso wie eine nationale Kultur definieren läßt. Es ist eben eine besondere Kombination von adaptiven Achsen. Entstehen bei einem Arbeitsplatzwechsel von einem Unternehmen zum Anderem nicht ähnliche Probleme unabhängig davon, ob nationale Grenzen (Kulturen) übersprungen werden.
3.3.2 Von der nationalen Kultur zur Kultur im Allgemeinen
Nicht umsonst ist in der Betriebswirtschaftlehre von der Unternehmenskultur die Rede. “Gemeint ist damit das in einem Unternehmen vorherrschende Wert- und Orientierungssystem, das mit Traditionen und Ritualen verfestigt ist und in das neue Organisationsmitglieder in einem subtilen Prozeß hineinsozialisiert werden” (Schein, 1986, zit. nach Steinmann & Schreyögg, 1991, Seite 158) Kultur spielt also auch in Organisationen mit Mitarbeitern aus einer (National-)Kultur eine Rolle. “Die Unternehmenskultur zu erkennen , ist deshalb inzwischen zur festen Aufgabe des Managements strategischer Planung geworden. Die Unternehmenskultur (oder andere Subkulturen) und die im vorherigem Abschnitt zu erfassen versuchte “nationale Kultur” weisen somit keinen prinzipiellen Unterschied auf. Zweiteres weist lediglich auf eine größere Wahrscheinlichkeit hin, daß sich ihr Vertreter in einer bestimmten Situation entsprechend der für seine Kultur typischen Verhaltensweisen verhält bzw. entsprechende Ansichten und Einstellungen seiner kulturellen Herkunft teilt. Die Gefahr, wenn man sich zu sehr auf die Kultur als Verhaltens- oder Einstellungsindikator verläßt, ist aber eine übertriebene Stereotypisierung,, welche die wahren Motive und Einstellungen mehr vernebelt, als erhellen können.
“Stereotype über Gruppengebräuche klammern einen Teil des Rätselratens aus der sogenannten Interaktion aus: sie ermöglichen es dem Benutzer, mit einiger Sicherheit die wahrscheinliche Reaktion eines eines Amerikaners, Japaners oder Deutschen auf eine Begrüßung mit dem Vornamen, einer höflichen Verbeugung oder einem Schulterklopfen vorauszuahnen. Wenn Stereotype über den Nationalcharakter jedoch undifferenziert auf ein Individuum angewandt werden, können sie extreme Verwirrung und verlegenheit stiften, da nur wenige Individuen haargenau auf ein Stereotyp passen.” (Mann, 1994, Seite 147)
4. Zusammenfassung und Ausblick
Es sollte deutlich geworden sein, daß beim Auftreten von Problemen in multikulturell zusammengesetzten Gruppen, der bloße Hinweis auf die multikulturelle Zusammensetzung nicht zur Problemlösung reicht. Einerseits ist man damit keinen Schritt weitergekommen, was aus wissenschaftlicher Sicht unbefriedigend ist. Und andererseits ist man im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden immer häufiger anzutreffenden multikulturellen Gruppen auf eine Lösung von Problemen auch innerhalb derartiger Gruppen angewiesen. Als methodischer Ansatz empfiehlt sich hier, zunächst die “spezifischen kulturellen Probleme”, als was auch immer sie sich letztendlich heraustellen, zu ignorieren, und auf die “traditionelle” Gruppenpsychologie zurückzugreifen. Intuitiv läßt sich das so plausibel machen, daß man es nicht mit einer anderen “Spezie” zu tun hat, sondern mit Menschen. Diese können aufgrund einer anders erlebter Sozialisierung in ihrer “Herkunftskultur” im Durchschnitt zwar andere Einstellungen zu bestimmten Ereignissen haben und sich entsprechend ,bezogen auf die Kultur des Beobachtenden anders, als erwartet verhalten, bezogen auf den Einzelnen ist dies aber lediglich ein Hinweis zu seiner Persönlichkeitsstruktur, welcher aber überhaupt nicht zutreffen muß.
Nichtdestotrotz gibt es aber auch Probleme, die gerade multikulturellen Gruppen zu eigen sein können, wie beispielsweise die fehlende gemeinsame Sprache. “Die Beherschung einer Sprache verleiht dem Menschen eine Selbstsicherheit, die sich in Gruppengesprächen durch ein bewußtes Auftreten manifestiert”(Kopper, 1994, Seite 274). Wie aber die Gruppenmitglieder mit diesem sprachlichen Problem umgehen hängt aber wiederum von der individuellen Persönlichkeit der Beteiligten ab.
Der Schlüssel liegt also in der Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Genauso wie für bestimmte Tätigkeiten oder Unternehmenskulturen Mitarbeiter mit für besonders geeigneten gehaltenden Persönlichkeitsstrukturen bevorzugt werden, benötigt man für die multikulturelle Organisation “Kulturelle Mediatoren”. “Mediatorenverhalten auszubilden in realen interkulturellen Situationen erscheint uns ein vernachlässigtes Gegengewicht zu sein zu pädagogischen Ausrichtung auf eine artifizielle realiter aber gar nicht so statische und abgegrenzte andere Kultur” (Demorgon&Molz, 1996, Seite 78)
Kultuelle Mediatoren müssen in der Lage sein die Schwankungen (Demorgon & Molz (1996, Seite 66) sprechen von “habituelle Oszillation” und beschreiben damit die Bandbreite innerhalb adaptiver Gegensätze innerhalb dessen für gewöhnlich die Lösungen von einem repräsentativen Mitgliedes einer Kultur gefunden werden.)zwischen den adaptiven Gegensätzen der Menschen zwischen denen sie vermitteln sollen nachempfinden zu können.
Was bedeutet, das die eigene Schwankungsbreite die der der in der Organisation vertretenden Kulturen in möglichst vielen Dimensionen möglichst vollständig umfassen sollte. “Interkulturelles Lernen basiert auf der Fähigkeit zum großräumigen adaptiven Oszillieren, das auch die Zonen um die adaptiven Achsen fremder Kulturen umfaßt. Diese Fähigkeit zu fördern, ohne andererseits existentielle identitäre Verunsicherungen zu provozieren, muß deshalb zentrales Anliegen interkultureller Ausbildung sein. ” (Demorgon & Molz, 1996, Seite 66)
Man benötigt Mitarbeiter mit einer ausreichende kulturelle Flexibilität; Fähig sowohl zur Selbstreflexion, als auch zur Fremdreflexion.
Man muß bereit und in der Lage sein, das “Rad immer wieder aufs neue zu erfinden”, da gerade im Prozeß des erneuten Erarbeitens vermeintlichen Allgemeinguts und durch das gemeinsame Erfolgserlebnis in der interkulturellen Überschneidungssituation Abstimmungsprobleme in multikulturellen Gruppen abgebaut werden können. Kultur oder die Andersartigkeit im Denken und Handeln anderer Menschen, stellen eigentlich nur dann ein unüberwindbares Problem dar, falls der Wille zur Überwindung, oder die Flexibilität dazu fehlt.
Literaturverzeichnis
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2. Gebert, D. (1978) Organisation und Umwelt, Stuttgart: Kohlhammer
3. Hacker, W (1978) Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie (2 Auflage) Schriften zur Arbeitspsychologie (Hrsg. E. Ulich), Band 20, Bern: Huber
Kopper, E (1994) Zusammenarbeit in multikulturellen Arbeits- und Projektgruppen. In A. Thomas (Hrsg.) Psychologie und multikulturelle Gesellschaft (S. 272-275) Göttingen; Stuttgart: Verlag für angewandte Psychologie
4. Krewer, B (1991) Kulturstandards als Mittel der Selbst- und Fremdreflexion in interkulturellen Begegnungen. In A. Thomas (Hrsg.) Psychologie interkulturellen Handelns (S. 147-164) Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe, Verl. für Psychologie
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9. Schein, E.H., (1986) Organizational culture and leadership, San Francisco
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13. Ulich, E (1994) Arbeitspsychologie (3 überarb. und erw. Auflage 1994) Zürich: vdf, Hochschulverlag an der ETH Zürich, Stuttgart: Schäffer-Poeschel
14. Wilpert, B. (1993) Führung und Partizipation im interkulturellen Vergleich. In A. Thomas (Hrsg.) Kulturvergleichende Psychologie (S. 359-375) Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe, Verl. für Psychologie
16. Winter, G. (1994) Was ist eigentlich eine interkulturelle Überschneidungssituation?, In A. Thomas (Hrsg.) Psychologie und multikulturelle Gesellschaft (S. 272-275) Göttingen; Stuttgart: Verlag für angewandte Psychologie
- Quote paper
- Michael Postert (Author), 2000, Probleme der Zusammenarbeit in einer Organisation mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Kulturen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95958
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