Es gibt in der Philosophie, wie in jeder Wissenschaft, einen erkennbaren Fortschritt, auch wenn die Fragen größtenteils die gleichen geblieben sind. Gleichzeitig wiederholt sich auch einiges und erscheint im Gewand der neuen Begriffe, ohne wirkliche neue Erkenntnis zu bringen; nicht jeder Philosoph hat die Philosophie "nach vorne" gebracht. Doch stehen wir in der glücklichen Position dessen, der prüfend auf viele Jahrhunderte des harten Ringens um die Wahrheit zurückschauen darf. Wir sind zwar selbst Zwerge, aber auf dem Rücken von Riesen. Das ist der nicht hoch genug einzuschätzende Wert der Tradition.
Darauf beruht die "philosophia perennis", die immerwährende Philosophie, die von den Zufälligkeiten des einzelnen Philosophen absehend das Wesentliche weitergibt und sich getragen weiß von dem Wissen, dass es letztlich nur eine Wahrheit gibt. Die entscheidende Frage ist nun: Welche philosophischen Aussagen lassen sich in die Kette der philosophia perennis einreihen? Diese Arbeit will im Sinne einer Fundamentalkritik die genannte Frage in Bezug auf Hegels philosophische Grundaussagen beantworten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Situation Hegels
3. Die Kritik im einzelnen
3.1 Die Dialektik
3.2 Das Erkennen und der Widerspruch
3.3 Das Sein
3.4 Gott
4. Zusammenfassung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Aufgabe der Philosophie ist die Erlangung des "methodisch gesicherten, systematisch durchgeführten, gedanklich geklärten"[1] Wissens um das Wirkliche. Als die Universalwissenschaft geht es der philo-sophia[2] nicht um beliebige (Tatsachen-)Wahrheiten, sondern um die wesentlichen Wahrheiten, d.h. es geht um begründete Wesenserkenntnis. Sie behandelt - im Gegensatz zu allen anderen Einzelwissenschaften - nicht nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit, sondern alles. Dieses zusammenhängende, begründete Wissen dringt dabei bis zu den letzten Gründen vor und findet, wie sich noch zeigen wird, seine Krönung in dem letzten bzw. ersten und absoluten Grund.
So sehr es der Mutter aller Wissenschaften aber um Überzeitliches geht, sie ist nichtsdestotrotz, sofern sie vom Menschen betrieben wird, nicht völlig von dessen Zeitlichkeit zu trennen. Dementsprechend ist die Philosophiegeschichte ein wichtiger und interessanter Teil der Philosophie, der jedoch stets der Frage nach der Wahrheit untergeordnet bleiben muß.
Es gibt in der Philosophie, wie in jeder Wissenschaft, einen erkennbaren Fortschritt, auch wenn die Fragen, im Gegensatz zu den meisten anderen Wissenschaften, stets die gleichen geblieben sind. Man darf sich nicht von den oft widersprüchlichen Lösungsvorschlägen der Vergangenheit blenden und verwirren lassen. Vieles wiederholt sich und erscheint im neuen Gewand der neuen Begriffe, ohne wirkliche neue Erkenntnis zu bringen und lange nicht jeder Philosoph hat die Philosophie "nach vorne" gebracht. Doch stehen wir in der glücklichen Position dessen, der prüfend auf viele Jahrhunderte des harten Ringens um die Wahrheit zurückschauen darf. Wir sind zwar selbst Zwerge, aber auf dem Rücken von Riesen. Das ist der nicht hoch genug einzuschätzende Wert der Tradition. Darauf beruht die gesamte philosophia perennis, die immerwährende Philosophie, die von den Zufälligkeiten des einzelnen Philosophen absehend das Wesentliche weitergibt und sich getragen weiß von dem Wissen, daß es nur eine Philosophie gibt, so wie und weil es nur eine Wahrheit gibt.[3]
Die entscheidende Frage für den Leser ist nun: Welche Philosophen oder allgemeiner welche Aussagen lassen sich in die Kette der philosophia perennis einreihen und was bedeutet dies für den Erkenntniszuwachs?[4] Diese Hausarbeit will im Sinne einer Fundamentalkritik die genannte Frage in Bezug auf Hegel beantworten.
2. Die Situation Hegels
Die Situation in der sich Hegel im Umkreis der letzten Jahrhundertwende befand trug nachweislich zur Bildung "seiner" Philosophie wesentlich bei[5]. Im Hinblick auf diese sehr kurze inhaltliche Auseinandersetzung mit Hegel soll darauf jedoch nicht näher eingegangen werden. Angemerkt sei nur folgendes: Der deutsche Idealismus (1781-1821) zeichnet sich unter anderem durch einen ungeheuren Schöpfungswillen aus. Ihm liegt besonders an der Vermittlung, wenn nicht Synthese der extremen philosophischen Positionen und damit der Extrema selbst. Hegel denkt die seit Kant aufkommenden Ansätze am weitesten und sein System gilt deshalb zurecht als der Endpunkt des deutschen Idealismus[6].
3. Die Kritik im einzelnen
Die Kritik der Hegelschen Philosophie stellt sich als ein so umfangreiches Unternehmen dar, daß es nicht leicht fällt, sich auf einzelne Begriffe und Sachverhalte zu begrenzen. Da dies aber doch geschehen muß, habe ich mich auf die folgenden vier Punkte konzentriert:
Erstens die Dialektik, da sie das ganze Werk Hegels maßgeblich und in bisher ungekannter Weise bestimmt und beschreibt. Zweitens die Erkenntnistheorie und hier besonders die Stellung und das Verständnis des Widerspruches, wo sich besonders deutliche Kritikmöglichkeiten bieten. Drittens einen der wesentlichsten Begriffe der Philosophie seit jeher, den des Seins. In dessen Umfeld wird dann naturgemäß auch vom "Nichts" zu reden sein. Und schließlich viertens den Kronbegriff überhaupt, nämlich Gott oder wie Hegel sagen würde den absoluten Geist.
Erwartungsgemäß hängen die genannten Begriffe so eng miteinander zusammen, daß eine völlige Trennung trotz der folgenden vier Unterkapitel nicht möglich ist. Ausgelassen werden unter anderem Geschichtsphilosophie, Naturphilosophie, Anthropologie sowie Ästhetik, deren allgemeine Relevanz dadurch nicht gemindert werden soll. Weiter beschränke ich mich auf die Hauptwerke Phänomenologie des Geistes, die Wissenschaft der Logik und sehr vereinzelt auf die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften.
Nun also direkt ins Herz des Hegelschen Systems, der Dialektik.
3.1 Die Dialektik
Der Begriff der Dialektik[7] ist, wie kaum ein anderer, einem beträchtlichen Bedeutungswandel unterworfen worden. Verstand Platon darunter noch die aus der dialogischen Diskussion gegenteiliger Meinungen entspringende Wissenschaft, ist sie für Hegel die "absolute Methode". Sie läßt sich deshalb nicht mit dem formalistischen Schema These - Antithese - Synthese zusammenfassen, wenngleich diese drei Begriffe für sie wesentlich sind.
Wie will Hegel nun also "seine" Dialektik verstanden wissen? Ausgangspunkt ist die alte Frage, wie es Endliches und Unendliches, Allgemeines und individuell Konkretes oder etwa Notwendigkeit und Freiheit geben kann. Angestoßen von Kants Antinomienlehre bietet Hegel folgende Lösung an: Ein jedes sei dadurch bestimmt, daß es nicht ein anderes sei. Die Bestimmung sei also wesentlich Negation, Hegel nennt sie deshalb "bestimmte Negation"[8]. Die ursprüngliche These bzw. der ursprüngliche Begriff wird also durch die bestimmte Negation zur Antithese. Das besondere dieser Negation ist, daß sie einen ebensosehr positiven wie negativen Charakter haben soll. Das Resultat der Bestimmung führt dann aber zum Widerstreit bzw. Widerspruch der beiden Thesen, bei dem der Verstand nicht stehen bleiben kann. In der Synthese, der sogenannten "Negation der Negation" ist dann der Widerspruch im dreifachen Sinne "aufgehoben"[9]. Sie trägt als Keim jedoch erneut den Widerspruch in sich, so daß auch hier kein Abschluß möglich ist. Durch die vielzitierte "ungeheure Macht des Negativen"[10] bewegt sich die Erkenntnis alsbald weiter, um mit einer neuen Bestimmung wiederum einen Widerspruch zu finden usw. Hegel spricht sogar von einer Selbstbewegung, wenn es heißt: "Das, wodurch sich der Begriff selbst weiterleitet, ist das vorhin angegebene Negative, das er in sich selbst hat; dies macht das wahrhaft Dialektische aus."[11]
Damit liegt der Kern der Dialektik vor uns: die "Bewegung der Begriffe"[12]. Dieser Begriffsdialektik liegt aber nach Hegel die Bewegung des Seins selbst zugrunde, wie sich bei der Behandlung der Realdialektik im Kapitel 3.3 noch zeigen wird.
Bereits hier kann jedoch die Kritik ansetzen. Wenn - wie schon Heraklid behauptet hat - alles im Fluß ist, müßte gelten: Nichts steht fest. Das wiederum ist unmöglich, da mindestens dieser Satz feststehen muß. Also ist diese insich durch und durch widersprüchliche Auffassung unhaltbar.
[...]
[1] W. Brugger: Philosophisches Wörterbuch, S. 295
[2] griech.: Liebe zur Weisheit
[3] Der Satz "Es gibt mehrere Wahrheiten" setzt selbst die eine übergeordnete Wahrheit voraus.
[4] Genauso interessant, aber aus Platzgründen hier nicht behandelt, ist die Frage, was aus den phil. Aussagen für das persönliche Handeln folgt, schließlich ist der Mensch nicht nur sein Erkenntnisvermögen.
[5] Vgl. z.B. R. Kroner: Von Kant bis Hegel oder N. Hartmann: Die Philosophie des deutschen Idealismus
[6] Zur Frage, inwieweit der deutsche Idealismus überhaupt ein Idealismus ist siehe O. Willmann: Geschichte des Idealismus
[7] von griech. dialektos "Unterredung, Gespräch"; aus dia "auseinander" und legein "sagen, sprechen, reden" also auseinandersetzen
[8] Phänomenologie S. 62; Logik I S. 36
[9] im Sinne von beseitigt, erhöht und geborgen
[10] z.B. Phänomenologie S. 26
[11] Logik I S. 37
[12] Vgl. hierzu und zum folgenden z.B. Logik II S. 214
- Arbeit zitieren
- Eraßme, Rolf (Autor:in), 1997, Ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel der Abschluß der Philosophie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95854
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