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Das Puppenspiel bietet vielfältige Möglichkeiten der individuellen Förderung eines Menschen, seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten. Seit seiner Entstehung regt es Kinder, wie auch Erwachsene zum Zuhören, Nachdenken und Mitmachen an. Durch das Spiel mit Puppen lassen sich u.a. Sprache, Motorik und Konzentration anregen und fördern, sowie charakterliche Eigenschaften wie das Selbstvertrauen, das Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft zur Toleranz auf- und ausbauen. Die Ursprünge des Puppentheaters sind in der Steinzeit zu finden, als erste Menschenab-bildungen in Stein geformt wurden. Es diente anfänglich der Darstellung von Mythen, und ist seitdem in allen Kulturen der Welt zu finden. Im Mittelalter war das Puppenspiel verrufen und diente, ähnlich wie die damaligen Narren, der Belustigung an den Höfen und des gemeinen Volkes. Zu Zeiten des Dritten Reiches, war es gänzlich verboten. Nachdem es im Laufe der Zeit mehr und mehr zum bloßen Kindertheater verkam, bietet es heute wieder Spaß und Unterhaltung für Jung und Alt, sowie die Möglichkeit die Spiel- und Freizeiterziehung für Heranwachsende und von Menschen mit einer Behinderung noch abwechslungsreicher zu gestalten.
Mit Puppen kann man allein spielen, wie es u.a. bei Kindern zu beobachten ist, wenn sie in ihrer kleinen Welt die der Erwachsenen und deren Verhaltensweisen nachspielen. Auch kommunizieren sie mit ihren Puppen, verarbeiten dabei Erlebtes, sehen es als Freund, dem man Geheimnisse anvertrauen kann und führen Zwiegespräche.
Mit Puppen kann man aber auch gemeinsam spielen, wie es in der Vergangenheit viele Spiel-gemeinschaften und Theatergruppen behinderter und nichtbehinderter Menschen gezeigt haben. Doch vor dem eigentlichen Spiel warten Arbeit und Anstrengung auf jedes Gruppenmitglied.
Bei der Planung von Figuren, Handlung und Kulisse sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Während des Fertigens der Puppen werden bei der Arbeit mit verschiedenen Materialien wie z.B. Stoff, Papier und Ton, durch unterschiedliche Techniken bei der Bearbeitung die Fein- und Grobmotorik gefördert. Der Charakter der Puppe und das was sie dem Publikum sagen will, regen zum Nachdenken über eigene Verhaltensweisen und Auffassungen an. Während der Vorbereitungen lassen sich Gespräche über verschiedene Ansichten und Interpretationen anregen. So hat jeder in der Gruppe die Möglichkeit, durch Kommunikation miteinander, die anderen Mitspieler und deren Einstellungen zu ganz speziellen Dingen kennenzulernen.
Die Ausgestaltung der Kulisse bietet, neben der Förderung der Motorik, durch das Einfließen von Effekten die Möglichkeit einer Stimulation des Wahrnehmungsvermögens. Zu nennen wären Lichteffekte, Nebel und Geräusche. Die Kulisse sollte übersichtlich, stabil und leicht zu handhaben sein. Das Einstudieren von Text und Handlung fördern sprachliche Fähigkeiten, Gehör und Atmung. Nicht jedem Mitspieler wird das Erlernen seiner Rolle auf Anhieb gelingen. Dennoch sollte während des Lernens ein gewisser Freiraum für das Improvisieren erhalten bleiben, um Spontanität zu ermöglichen und Handlungen außerhalb erlernter Abläufe zuzulassen. Das räumt die Möglichkeit ein, andere Verhaltensweisen zu testen und kann zum Abbau von Streß und Aggressionen beitragen.
Noch eines sein genannt. Eine gelungene Aufführung, mit applaudierendem Publikum, wird jedem Mitspieler das Gefühl geben, gebraucht zu werden. Und das wird sich auf Selbstvertrauen und Gruppendynamik positiv auswirken.
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Wichtig bei der Integration der einzelnen Gruppenmitglieder ist die Art der Behinderung und die sich daraus ergebenden Einschränkungen zu berücksichtigen, und dementsprechend die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen in das Spiel einzubeziehen. Eine sinnvolle Förderung ist nur dann gegeben, wenn die Ansprüche nicht dauerhaft an die Grenzen des Möglichen stoßen. Der Betreffende könnte sich schnell überfordert fühlen und würde die Freude am Mitspielen verlieren.
Beim Puppenspiel kommen verschiedene Puppenarten zum Einsatz. So gibt es Hand- und Stabpuppen, sowie Marionetten. Für das Puppenspiel mit Behinderten eigenen sich besonders Körper-, Knauf- und Fingerpuppen, sowie Marotten und Klappmäuler. So empfiehlt es sich einen Rollstuhlfahrer mit einer leicht am Körper führbaren Körperpuppe spielen zu lassen, als ihn mit einer Handpuppe, die meist mit gestrecktem Arm geführt wird, zu strapazieren. Ebenso wichtig ist es, als Betreuer anleitend und beratend mitzuarbeiten, und die einzelnen Gruppenmitglieder nach Interressenlagen in das Spiel und seine Vorbereitungen einzubeziehen. Es ist der Sache nicht dienlich, eine Arbeit zu übertragen, welche nur mit Widerwillen und Unlust ausgeführt wird. Möchte jemand nicht aktiv am Spiel mit den Puppen teilnehmen, so besteht die Möglichkeit ihn z.B. für die Gestaltung der Kulisse oder die akustische Begleitung des Stückes zu interessieren, und ihn so der Arbeit der Gruppe teilhaben zu lassen.
Das gespielte Stück sollte eine durchschaubare Handlung haben. Sie sollte sich zu einem Höhenpunkt steigern und klare Gegensätze, wie z.B. gut und böse, Tag und Nacht, enthalten. Wenn sie mehrmals besprochen und, gegebenenfalls, auf Papier gezeichnet wird, ermöglicht das jedem Mitspieler das Verstehen der Handlungsweisen der einzelnen Figuren und von zeitlichen Abläufen während des Spieles.
Die Möglichkeiten für die Integration des Einzelnen ließen sich so beliebig weiter-beschreiben. Jedoch wird sich jedes Spiel und die Arbeit einer Gruppe anders gestalten. Hier ist die Flexibilität des Betreuers als Anleiter gefragt, um das Puppenspiel für jedes Gruppenmitglied interessant zu gestalten.
Abschließend noch eine Bemerkung.
Die praktische Arbeit mit einer Gruppe ist vielschichtiger, lebendiger und konfliktreicher als oben geschildert und fordert das Engagement jedes Einzelnen. Doch bei allen Integrations- und Förderbemühungen sollten für den Betreuer und die Gruppe Spaß am Spiel und bei der Umsetzung von Ideen an erster Stelle stehen.
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- Arbeit zitieren
- Marcel Gräf (Autor:in), 1998, Das Puppenspiel in der Heilerziehung. Fördermöglichkeiten und Integration der Gruppenmitglieder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95823