Gliederung:
1 Einleitung
2 Essen
3 Allgemeine Aspekte und Zahlen
4 Eßstörungen
4.1 Anorexia nervosa
4.1.1 Charakteristika
4.1.2 Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
4.1.2.1 Entstehung
4.1.2.2 Aufrechterhaltende Faktoren
4.1.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
4.1.4 Therapie (nach Rink 1999):
4.2 Bulemia nervosa
4.2.1 Charakteristika
4.2.2 Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
4.2.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
4.2.4 Therapie (nach Rink 1999)
4.3 Adipositas
4.3.1 Carakteristika
4.3.2 Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
4.3.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
4.3.4 Therapiemöglichkeiten
5 Schlußbetrachtungen
5.1 Zusammenfassung
5.2 Gedicht
Literaturliste:
Printpublikationen:
Elektronische Publikationen:
1 Einleitung
Sucht
Muß Kontrolle halten
Vernunft laß wallten
nicht ans Essen denken,
ablenken.
Muß das Tier besiegen
in den Griff kriegen
Nicht mehr ausrasten,
weiterfasten.
Muß den Kopf entleeren
muß mich stärker wehren
Muß jetzt Hilfe ergreifen,
darf nicht abschweifen.
Von GuteMine
2 Essen
Essen ist etwas Alltägliches, immer Wiederkehrendes. Es scheint auf den ersten Blick das Natürlichste und Selbstverständlichste der Welt zu sein. Es gehört zu den grundlegenden Bedürfnissen des Menschen und ist verbunden mit sinnlichem Genuß und Wohlgefühl. Seit Menschengedenken gehört das gemeinsame Essen zum Ritual des Zusammenlebens.
Die meisten Menschen kennen bestimmte Situationen, in denen Essen mit unterschiedlichen Gefühlszuständen eng verbunden ist. Manchen können Spannungen "auf den Magen schlagen", so daß "nichts mehr runtergeht", andere "stopfen sich" gerade dann "den Bauch voll" und setzen "Kummerspeck" an.
Während diese Eßstörungen bei den meisten Menschen mit dem Beheben der Probleme wieder vergehen, gibt es inzwischen eine Vielzahl, vor allem Frauen, bei denen sich die Eßstörung zur Krankheit verfestigt. Die davon Betroffenen verfügen nicht mehr über die Freiheit, sich angemessen zu ernähren. Neben persönlichen Problemen steht das kollektive Werturteil im Vordergrund, daß Schlankheit für die meisten Menschen der westlichen Industrienationen zur universellen Idealvorstellung des Körpers geworden ist und vor allem bei der Bewertung von Frauen gleichgesetzt wird mit Schönheit und Attraktivität.
3 Allgemeine Aspekte und Zahlen
Schätzungen zufolge leidet ca. 1% der Bevölkerung in Deutschland an Magersucht (Anorexie) oder Eß-Brechsucht (Bulimie).
Von diesen ca. 740 000 Betroffenen sind ca. 95% weiblich und nur ca. 5% männlich. Der Anteil krankhaft übergewichtiger Menschen in Deutschland liegt bei ca. 16% (12-13 Millionen) Die Anzahl von Menschen, die an Eßstörungen erkrankt sind, wird zumeist unterschätzt. Auch daß es sich dabei oft um Suchterkrankungen handelt, gehört noch nicht zum allgemeinen Wissensstand. Die Adipositas als psychosomatisches Krankheitsbild ist weitgehend unbekannt.
Grundsätzlich sind die Erscheinungsformen der Eßstörungen nicht eindeutig voneinander abgrenzbar, die Übergänge können fließend sein. So können sowohl Eßsüchtige als auch Magersüchtige nach dem Essen erbrechen. Magersucht kann sich zur Eßsucht oder Eß-Brechsucht wandeln und umgekehrt. Kennzeichnend für eine Eßstörung ist die Tatsache, daß der Alltag der Betroffenen zwanghaft um das Thema Essen kreist. Ich werde gesondert auf Anorexie, Bulemie und Adipositas eingehen.
4 Eßstörungen
4.1 Anorexia nervosa
4.1.1 Charakteristika
Diagnostische Kriterien (vergl. DSM-III-R nach DSM-III-R):
a) Das Körpergewicht wird absichtlich nicht über dem der Körpergröße oder dem Alter entsprechendem Gewicht gehalten. Es kommt zu Gewichtsverlust vom 15 % oder mehr unter dem Richtwert. Die während der Wachstumsperiode zu erwartende Gewichtszunahme bleibt aus, mit der Folge eines Untergewichts vom 15 % oder mehr.
b) Die Personen haben starke Angst davor, an Gewicht zuzunehmen oder Angst vorm Dickwerden, obgleich sie untergewichtig sind.
c) Die Körperwahrnehmung hinsichtlich Gewicht, Größe oder der Form ist gestört.
d) Bei Frauen setzt die Regelblutung für mindestens drei aufeinanderfolgende Zyklen aus.
Anorexia nervosa, das bedeutet wörtlich nervöser Appetitmangel. Was eigentlich eine falsche Bezeichnung der Krankheit ist, denn der Grund liegt nicht in mangelndem Appetit oder fehlendem Interesse an Nahrung. Im Gegenteil, Magersüchtige beschäftigen sich ungemein mit Nahrungsmitteln, mit allem, was dazu gehört, sie sind besessen davon.
Bei der Magersucht dreht sich das Verhalten um ein schonungsloses Streben nach immer stärkerem Dünnsein, wobei der Betroffene fast ständig ans Essen denkt. Sie haben panische Angst vor Gewichtszunahme, die Waage bestimmt ihren Tag.
Gelegentlich wird das Magersein geschickt kaschiert. Der Betroffene fastet gänzlich oder wählt gezielt kalorienarmes Essen aus, das er dann wieder selbstinduziert erbricht oder durch Abführmittel beseitigt. Auch Freßanfälle, Horten von Nahrungsmitteln und Essensdiebstähle wurden beobachtet.
Die Krankheit führt zu extremer Magerkeit bis hin zur Kachexie. In den meisten Fällen bleibt entweder schon vor oder während der Abmagerung die Regelblutung der Frauen aus, was teilweise eine Körperreaktion auf den Gewichtsverlust ist oder die emotionale Notlage anzeigt.
Eine ausgeprägte Überaktivität – motorisch oder auf dem Gebiet der intellektuellen Leistungen - steht im erstaunlichen Gegensatz zur körperlichen Erscheinung der Personen. Sie versuchen in Schule, Studium oder Beruf, perfekt zu sein und unterziehen sich harten sportlichen Trainingsprogrammen.
Das DSM III Kriterium der Störung der eigenen Körperwahrnehmung ist das dasjenige, das am stärksten mit dem inneren Bild des Patienten von sich selbst zu tun hat. Die Breiteneinschätzung des Körpers ist gestört, daß es zu einer Überschätzung der Körperbreite kommt. Ihr Aussehen können Magersüchtige nicht mehr richtig beurteilen. Sie bekommen ein verzerrtes Körperbild, je länger die Krankheit andauert. Je mehr sie abnehmen, desto dicker finden sie sich. Auch wenn sie bereits wie ein Skelett aussehen, finden sie sich noch zu fett. Zur Körperwahrnehmung gehört auch das Verleugnen und die Fehlinterpretation von Hunger und Durst. Sie erleben Hunger oft als schönes Gefühl. Sie haben kein richtiges Hungergefühl und auch kein Völlegefühl mehr.
Diese Verhaltensstörungen haben oft seelische Folgesymptome. Die Isolation und der soziale Rückzug nehmen mit der ausschließlichen Beschäftigung mit Körper und Essen zu. Die betroffenen Personen isolieren sich auch zunehmend von der Familie, wirken arrogant und unduldsam und nicht selten treten Zwangshandlungen auf, wie z.B. Waschrituale oder besonder Rituale bei der Zubereitung von Nahrung oder bei Sportprogrammen. Auch depressive Verstimmungen bei längerem Verlauf der Magersucht sind charakteristisch.
4.1.2 Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
4.1.2.1 Entstehung
Freudianische: In der Pubertät entwickelt sich endgültig die eigene Geschlechtsidentität in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht. Auch zu wenig Aufklärung oder Ängste gegenüber der Sexualität können eine Rolle spielen.
Essen könnte Ersatz für sexuelle Aktivität sein, das Nicht Essen drückt die Furcht vor gesteigertem sexuellen Bedürfnis aus.
Lerntheoretische Auffassung:
Anorexie wird in dieser Theorie als Gewichtsphobie aufgefaßt, die durch gesellschaftlich (teils unerreichbare) Norm des Schlankseins (besonders für Frauen) unterstützt wird.
Systemisch-Familientherapeutischer Ansatz:
Die Lebensphase in der sich die Anorexia nervosa entwickelt ist die Zeit der Pubertät und danach. In diesem Lebensabschnitt geht es um die tatsächliche oder phantasierte Trennung von den Eltern oder den primären Beziehungspartnern. Dies kann z.B. durch Schulwechsel, einen Auslandsaufenthalt oder den Wegzug von älteren Geschwistern, Tod der Großeltern oder sogar durch den Tod eines Hundes geschehen.
Ein weiterer Entstehungsfaktor für Magersucht ist der "Hunger" nach Anerkennung. Magersüchtige hassen sich und ihren Körper; fühlen sich als Versager. Sie meinen, nichts und für niemanden wert zu sein. Aber sie können etwas, was andere nicht können: hungern. Nur so sind sie sich etwas wert. Sie hungern nach Liebe, Zuneigung, Geborgenheit. Gefühle, die es in ihrer Familie vielleicht nie gab. Suchen Aufmerksamkeit. Eßgestörte denken, etwas beweisen zu müssen. Sie wollen mehr erreichen, als sie können. Sie sind überzeugt, mit dem Erwachsenwerden sofort perfekt funktionierende Menschen sein zu müssen. Gleichzeitig aber haben sie das lähmende Gefühl, an sich und ihrem Leben nichts ändern zu können. Sie fühlen sich hilflos gegenüber den Lebensproblemen. Sie glauben, sie müssen etwas tun, wozu sie noch nicht bereit sind. Durch ihr Hungern wollen sie also indirekt ihre Entwicklung aufhalten.
Nicht selten auch die schlechte Erfahrung mit Menschen: körperlicher oder seelischer Mißbrauch durch Mitmenschen. Allgemein gilt der "Sinn" einer Eßstörung weiter noch als Lebenssinn und Lebensinhalt, als Macht und Stärke, als Möglichkeit, sich von der Familie abzugrenzen, als Flucht vor der realen Welt, als Ausdruck von Leiden.
Beispiel für den systemisch-familientherapeutischen Ansatz: in einem rigiden Familiensystem, mit mindestens einem sehr dominanten Elternteil und gleichzeitigem Tabu, Konflikte offen auszutragen, kommt es durch die Weigerung zu essen zu einem Machtgewinn der Tochter bzw. zu einem indirekten Protest gegen die elterliche Dominanz.
Gesellschaftliche Ursachen:
Hinzu kommen gesellschaftliche vermittelte Ursachen wie ein übertriebenes Schlankheitsideal und die Körperfeindlichkeit unserer Kultur.
Es gibt noch weitere Erklärungsversuche doch keine der Erklärungen ist hinreichend empirisch bestätigt bzw. kann allgemeingültige Erklärung beanspruchen.
4.1.2.2 Aufrechterhaltende Faktoren
Einige Verhaltensweisen und Faktoren tragen wesentlich dazu bei, daß der Anorektiker sein selbstzerstörerisches Verhalten nicht aufgeben kann und erschweren dadurch jede Hilfe. Z.B. durch das Hungern und Erbrechen, durch die die Körperkontrolle wächst, kann der Patient ein Hochgefühl bekommen und wird überkritisch und arrogant. Denn er erreicht etwas, was andere nicht können. Er isoliert sich und wird schwer erreichbar. Um so größer wird aber die Angst, ob die große Anstrengung erhalten bleibt oder ob der Körper irgendwann einfordert, was er braucht. Es kommt zu einem Teufelskreis zwischen Angst und sich steigerndem Hunger. Der Patient muß weiterhungern, um sein Größenselbst zu halten.
Die Ausschüttung körpereigene Endorphine unterstützt durch den euphorisierenden Effekt die Ausbildung des Teufelskreises. Dieser greift auch auf die sozialen Beziehungen über. Selbstkontrolle und Askese machen den Patienten überlegen und führen zu immer stärkerer Isolation (vergl. Herzog/Munz/Kächele 1996 S. 7ff).
4.1.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
Eine Amenorrhoe, das Ausbleiben oder auch Nichteintreten der Menstruation zählt zum Krankheitsbild. Im Verlauf der Krankheit treten Herz- Kreislaufstörungen auf. Da einige Kreislaufstabilisierende Medikamente den Ruf haben, dick zu machen, werden sie oft von Anorektikerin abgelehnt. Bei extremer Körperlicher Belastung, können die Störungen zum plötzlichen Herztot führen.
Bei 5 bis 10 Prozent der Betroffenen gibt es keine Hilfe mehr. Sie sterben an der Verweigerung der Nahrungsaufnahme, wenn ihr Zustand zu spät erkannt und behandelt wurde.
Magersüchtige sowie Bulemiker haben Magen- und Darmbeschwerden, Störungen im Verdauungstrakt. Bei zusätzlichem Mißbrauch von Abführmitteln kommt es zu erheblichen Stoffwechselstörungen, was zu Lähmungen führen kann und letztlich lebensbedrohlich ist. Trockene Haut kommt bei vielen Magersüchtigen vor. Sie bekommen ein greisenhaftes Aussehen. An manchen Körperpartien entwickelt sich eine feine, flaumartige Behaarung, auch Babyflaum oder Languno-Behaarung genannt.
Die bläuliche Verfärbung der Hände und Füße ist auf Kreislaufstörungen zurückzuführen. Bei etwa einem Viertel der Erkrankten entstehen Ödeme, das sind Flüssigkeitseinlagerungen, die sowohl auf Kreislaufstörungen als auch auf Mangelernährung zurückzuführen sind. Diese Ödeme können sich nicht nur in Körperregionen bilden (und somit ein höheres Gewicht vortäuschen), sondern bedrohlicherweise auch im Herzbeutel oder Bauchraum, was dann eine sofortige Intensivbehandlung erfordert.
Weitere Folgen sind ständiges Frieren, Schlafstörungen, Muskelschwäche und der plötzliche Tod (bei ca. 15%). Im Verlauf der Sucht werden Essgestörte im wahrsten Sinne des Wortes dünnhäutiger, labiler, depressiv. Sie werden andererseits aber auch reizbar, aggressiv und äußerst mißlaunisch. Sie werden beherrscht von Zwangsdenken (Nahrung, Kalorien) und Zwangshandlungen.
Nach und nach kommt es durch die fehlende Energiezufuhr und der geistigen Ablenkung (Zwangsdenken) zu gravierenden Konzentrationsstörungen, was oft krasse Verschlechterung der Leistungen zur Folge hat.
4.1.4 Therapie (nach Rink 1999):
In der Regel erfolgt eine zweiphasige Therapie.
Das Ziel der ersten Phase ist die Gewichtssteigerung, der zweiten Phase Aufrechterhaltung des Gewichts sowie die Behandlung familiärer, psychischer Probleme und Einstellungen, die krankheitsbedingend, aufrechterhaltend oder rückfallverursachend sein könnten.
Je nach Bedrohlichkeit des Gewichts- bzw. des körperlichen Zustandes wird in Phase 1 eine stationäre Behandlung mit Sondenernährung oder Infusion, nötigenfalls auch gegen den Willen der Patientin durchgeführt.
Danach oder sonst hat sich ein verhaltenstherapeutisches Vorgehen zur Gewichtssteigerung bewährt: für jede von der Patientin gern durchgeführte Aktivität wird geschätzt und aufgelistet, wieviel Kalorien diese etwa verbraucht bzw. wieviel Kalorien durch Nahrung aufgenommen werden müssen, damit diese Aktivität durchgeführt werden darf (z.B. Spazieren gehen, Sport treiben, sich mit Besuch oder mit Pflegepersonal beschäftigen, Lesen usw.)
Für Phase 2 hat sich bspw. das von Minuchin et al. (1975) entwickelte familientherapeutische Verfahren bewährt.
Kernelemente von Minuchins Theorie und Therapie sind: eine zu hohe Verstrickung zwischen Elternteilen und dem anorektischen Symptomträger; mangelnde Konfliktlösungsfähigkeit zwischen den Eltern; mangelnde Beschäftigung der Eltern miteinander, dafür eine kompensatorische, überstarke Konzentration auf die adoleszente Tochter.
4.2 Bulemia nervosa
4.2.1 Charakteristika
Diagnostische Kriterien (vergl. DSM-III-R nach DSM-III-R):
a) Zum Krankheitsbild gehören wiederholte Episoden von Freßanfällen (schnelle Aufnahme einer großen Nahrungsmenge innerhalb einer bestimmten Zeitspanne). b) Dir Betroffene hat das Gefühle, das Eßverhalten während der Freßanfälle nicht unter Kontrolle halten zu können. c) Um einer Gewichtszunahme entgegenzusteuern, greift die betroffene Person regelmäßig zu Maßnahmen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern, wie selbstinduziertes Erbrechen, Gebrauch von Abführmitteln oder harntreibenden Mitteln, strenge Diäten oder Fastenkuren oder übermäßige körperliche Betätigung. d) Ein Durchschnitt von mindestens zwei Freßanfällen pro Woche über einen Mindestzeitraum von drei Moneten gilt als Diagnosekriterium. e) Betroffene beschäftigen sich andauernd und übertrieben mit Figur und Gewicht.
Bulemie wir auch als Fress- und Kotzsucht bezeichnet.
Der Begriff Bulemie (von bous = Stier und limos = Hunger) – Hunger auf einen Ochsen - kennzeichnet nur eine Seite des Symptomgeschehens. Die Nahrungsaufnahme im Freßanfall leitet zwingend über zu dem Kontrollmaßnahmen, die das aufgenommene Essen beseitigen sollen. Dies kann z.B. durch Erbrechen oder Nahme von Abführmitteln geschehen, aber auch durch Hungern oder andere Formen der Gewichtskontrolle sowie sportliche Betätigung. Der Triebumbruch durch den Kontrollverlust muß durch eine strenge Reinigungsaktion rückgängig gemacht werden.
Bulemiepatienten möchten ihre Gier unter allen Umständen verbergen. Ihre Angst vor Gewichtszunahme führt zu einer Ausrichtung ihres Gewichts, was um das Normalgewicht herum schwankt. Extreme Schlankheit wird nicht angestrebt.
Der Bulemische sucht die Orientierung am gängigen Schlankheitsideal oder setzt sich eine subjektive Gewichtsmarke, die er nicht überschreiten darf. Es ist es eine Phobie, dick zu werden. Sowohl Magersucht als auch Bulemie treten in 95 % aller Fälle bei Frauen auf. Die Bulemie tritt später auf (oft zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr) als die Anorexie (am häufigsten in der Aloeszenz) und ist etwas doppelt so häufig, wobei Bulemie die Fortentwicklung einer vorherigen Anorexie darstellen kann.
Bulimiker müssen nicht besonders dünn sein, sie können auch ganz normal oder übergewichtig aussehen. Da eine Bulemie nicht wie die Magersucht ins Auge fällt, existiert sie oft jahrelang in der Heimlichkeit. Aufmerksame Beobachter werden gelegentlich durch entmineralisierte durch die Magensäure zerstörte Zähne, hamsterbäckchenartige geschwollene Ohrspeicheldrüsen und verhornte Areale auf dem Fingerrücken auf die Spur der Bulemie geführt (vergl. Herzog/Munz/Kächele 1996 S. 14ff).
Als charakteristisch wird häufig ein gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl beschrieben. Diese Problematik äußert sich in Minderwertigkeitsgefühlen, dem Gefühl der Ineffektivität, Hilflosigkeit und der Tendenz zur Selbstkritik.
Hintergrund ist möglicherweise die Einstellung zum eigenen Körper.
Neben einer erhöhten Depressivität wird oft eine affektive Instabilität mit starken Stimmungsschwankungen und eine geringe Frustrationstoleranz als charakteristisch genannt. Auch eine verminderte Inmulsivitätskontrolle mit erhöhtem Vorkommen von Alkohol- und Drogenmisbrauch, Diebstahl und selbstschädigendes Verhalten wurden festgestellt. Hinzu kommen Schwierigkeiten mit Problemen und Emotionen adäquat umzugehen. Bulemische Patienten haben oft weniger Problembewältigungsstrategien verfügbar.
4.2.2 Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
Nicht ein einzelner Ursachenfaktor ist für die Entstehung der Bulemia nervosa verantwortlich sondern ein Zusammenspiel von verschiedenen prädisponierende Faktoren, auslösende Bedingungen und aufrechterhaltenden Mechanismen.
Die Eßstörung ist ein Teufelskreis: Das gezügelte Essen führt zu Freßattacken, die die Angst vorm Dickwerden verstärken und somit wieder zu weiterer Einschränkung der Nahrungsaufnahme führen.
Bulemie scheint am Beginn wie die perfekte Lösung: so viel und so oft essen zu können, wie man will, ohne zuzunehmen. Doch im Laufe der Zeit weicht der Stolz darüber, die Natur überlistet zu haben, denn man erkennt, daß man nicht mehr aufhören kann, auch wenn man es sich immer wieder vornimmt. Bulemie wird oft als Dämon beschrieben, der einen in seiner Gewalt hat und nicht mehr losläßt. Gar nicht so selten ist ein Selbstmord(versuch), weil die Betroffenen einfach keinen Ausweg mehr finden.
Zu den prädisponierenden Faktoren können soziokulturelle Einflüsse, die vor allem durch Familie, Schule oder die Medien vermittelt werden, zählen.
Vor allem die gesellschaftliche Bedeutung des Schlankheitsideals und des daraus resultierenden Diätverhalten stellen den Hintergrund dar. Offenbar spielen auch eine Reihe von individuellen Faktoren eine Rolle, z.B. eine affektiv-labile Persönlichkeitsstruktur oder Schwierigkeiten, die Gefühle Hunger und Durst richtig zu deuten.
Möglicherweise haben auch biologische Bedingungen eine Bedeutung sowie bestimmte familiäre Interaktionsmuster.
Aber auch Probleme der Geschlechtszugehörigkeit und die soziokulturelle Position der Frau scheinen eine Rolle zu spielen da das weibliche Geschlecht stark überwiegt bei der Ausbildung von Eßstörungen.
4.2.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
Auch bei Bulemikerinnen tritt gelegentlich Amenorrhoe auf.
Magersüchtige sowie Bulemiker haben Magen- und Darmbeschwerden: Störungen im Verdauungstrakt. Bei zusätzlichem Mißbrauch von Abführmitteln kommt es zu erheblichen Stoffwechselstörungen, was zu Lähmungen führen kann und letztlich lebensbedrohlich ist.
Oft kommen durch das häufige Erbrechen Zahnschäden vor.
Im Verlauf der Krankheit werden Eßgestörte labiler und depressiv, aber auch reizbar, aggressiv und äußerst mißtrauisch.
4.2.4 Therapie (nach Rink 1999)
Verschiedene Varianten einer kognitiv-verhaltenstheoretischen Therapie haben sich nachweislich als dauerhaft erfolgreich erwiesen. So z.B. sich im Spiegel mit dem eigenen Körper auseinander setzen, die Einstellung zum Körper positiv verändern, Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten bzw. des Kochens (regelmäßige Nahrungsaufnahme); Konfrontation (dosiertes Essen) mit "verbotenen" Lebensmitteln ohne Erbrechen bzw. Abführen, so daß die gewohnten, negativen Gefühle verschwinden.
4.3 Adipositas
4.3.1 Carakteristika
„Adipositas ist eine chronische Krankheit. Die WHO spricht von der Fettleibigkeit gar als einer globalen Epidemie. Geschätzt wird, daß etwa sechs Prozent aller Gesundheitskosten durch Adipositas und deren Begleit- und Folgeerkrankungen entstehen, dies entspricht ungefähr einer Summe von 30 Milliarden Mark jährlich für die Bundesrepublik"(Ärztezeitung vom 20. Juli 1999).
Adipositas liegt vor, wenn der Anteil des Fettgewebes am Körpergewicht höher als normal ist. Sie wird als ein Übermaß an Fettgewebe definiert, das häufig zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit führt. Der Anteil der Fettgewebes wird mit ca. 15-18% für Männer und 20-25% für Frauen angegeben, wobei der Durchschnitt mit zunehmendem Alter steigt. Mit dem Begriff des Übergewichts wird jedoch selten auf den Anteil des Fettgewebes, da der methodisch schwierig zu bestimmen ist, sondern auf Tabellen Bezug genommen.
Eine Tabelle die häufig verwendet wird ist z.B. der Body Mass Index (BMI).
Der BMI wird nach der Formel berechnet:
Gewicht in Kilogramm (kg) / Körpergröße (m)2.
Das Normalgewicht liegt bei Männern bei einem BMI von 19-24 und bei Frauen von 20-25. Übergewicht beginnt bei einem BMI von 30.
4.3.2 Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltende Faktoren
Persönlichkeitsmerkmale:
Es besteht die Überzeugung, daß Übergewicht auf bestimmte Eigenschaften der Persönlichkeit zurückzuführen sind. Anhänger dieser Theorie meinen, daß emotionale und psychische Probleme für die Entstehung des Übergewichts verantwortlich sind. Persönlichkeitsstörungen und bewußte oder unbewußte emotionale Konflikte werden als Grundlegend angesehen. Jedoch gibt es nur wenige empirische Belege dafür zu finden.
Eßverhalten:
Für die Mehrzahl Fettleibiger gilt, daß sie schon als Kind (gelegentlich) übergewichtig waren bzw. daß kompensatorisches oder habituelles Vielessen zum Stil der Familie gehört. Adipöse essen mehr als normalgewichtige oder dünne Menschen. Das ist naheliegend und klingt plausibel, doch empirische Beweise, daß dies zutrifft sind selten.
Genetische Faktoren:
Untersuchungen führen zu der Annahme, daß genetische Faktoren möglicherweise eine größere Rolle spielen.
Ein möglicher Mechanismus könnte die unterschiedlich starke Anpassung des Organismus auf die Veränderung der Energiezufuhr sein.
Man nimmt außerdem an, daß Übergewichtige andere Enzyme produzieren und deshalb ihr Körper anders auf Fett reagiert als es bei Normalgewichtigen der Fall ist oder daß ein Unterschied in den Enzymen, im Nervensystem oder im Hormonsystem des Körpers existiert.
Insulin-Theorie:
Da zwei Drittel aller Diabetiker Übergewicht haben, kamen Forscher zu der Annahme, daß eine Insolinüberprodktion bestehen könnte und diese zu einer Unempfindlichkeit gegenüber diesem Hormon kommen könnte. Eine Überproduktion des „Dickmacher-Hormons" führt nach dieser Annahme zu mehr Nahrungsaufnahme.
Neurologische Theorie:
Diese Theorie befaßt sich mit dem Regulationssytems des Körpers. Man nimmt an, daß im Hypothalamus Hungersignale umgesetzt werden. Störungen in der Hungerregulation sind Ursache für Fettleibigkeit.
Gesellschaftliche Theorie:
Eßsucht kann auch als individueller Protest gegen die Ungleichheit der Geschlechter gesehen werden.
Aktuelle Ursachen:
Aktuelle Ursachen können (außerdem) Frustration, chronische soziale Unzufriedenheit, sich Belohnen für wiederholte berufliche Anstrengungen sowie übermäßiges Essensangebot durch die aktuellen geänderten Lebensverhältnisse (Partner, Geschäftsessen usw.) sein.
4.3.3 Gesundheitliche Störungen und Folgen
An erster Stelle ist die höhere Sterblichkeitsziffer zu nennen, die Lebensversicherungsstudien herausgefunden haben. Danach steigt das Mortalitätsrisiko der Versicherten ab einen BMI von 25 kontinuierlich an.
Auch bei Herz- Kreislauferkrankungen hat Übergewicht eine Bedeutung. Erhebliches Übergewicht ist mit einem erhöhten Risiko an Herzinfarkt oder kronaren Herzkrankheiten oder Herzschwäche zu erkranken verbunden. Viele Übergewichtige leiden an Hypertonie (Bluthochdruck) und Schlafapnoe. Diabetis, Fettstoffwechselstörungen, Gerinnungsstörungen, Gallensteinleiden und Fettleber treten bei übergewichtigen Menschen häufiger auf als bei Normalgewichtigen. Ein Hohes Gewicht zieht oft Wirbelsäulenerkrankungen und Gelenkarthrosen in Knie- und Hüftgelenken mit sich. Außerdem wurde ein erhöhtes Risiko an Endometriumkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs oder Gallenblasenkrebs zu erkranken festgestellt. Weitere Folgen können verminderte Fruchtbarkeit, Pilzerkrankungen der Haut, Überbehaarung und Krampfadern sein. Außerdem entstehen durch Fettsucht meist psychosoziale Probleme (vergl. Schroeder 1999). Auch Depression und Übergewicht sind offenbar eng miteinander verknüpft. Frauen im gebärfähigem Alter mit einem BMI von 30 und mehr haben ein deutlich erhöhtes Risiko, fehlgebildete Kinder zu Welt zu bringen. Das hat eine Untersuchung von der Mainzer Universitäts-Kinderklinik mit 20 248 Neugeborenen ergeben. Besonders häufig waren Fehlbildungen des Urogenitalsystems, der Augen und orofazialen Spalte.
4.3.4 Therapiemöglichkeiten
Die Erklärungsmuster für Übergewichtigkeit geben wenig Ansatzpunkte für die Therapie. Genetische Theorien liefern sogar Zweifel daran, ob sie überhaupt therapierbar ist. Da sie jedoch gesundheitliche Risiken birgt, muß zumindest für einen Teil der Patienten eine effiziente Therapie gefunden werden.
Im allgemeinen ist die Langzeitprognose sowohl für eine unbehandelte als auch für behandelte extreme Adipositas ziemlich schlecht.
Die Zielsetzung einer Therapie ist in zwei Phasen einzuteilen:
Zunächst soll eine Gewichtsreduktion erreicht werden. Anschließend soll das erreichte Gewicht möglichst lange beibehalten werden. Besonders eine langfristige Gewichtskonstanz bereitet große Schwierigkeiten.
Diättherapie:
Eine Diät ist die am häufigsten vorgeschlagene Behandlungsmöglichkeit.
Im Vergleich zu anderen Methoden erscheint diese Form als sanft und harmlos. Doch hier wird Fettleibigkeit als biologische Fehlfunktion angesehen und auf ähnliche Weise behandelt. Die Bedeutung, die Dicksein und Schlanksein für einen Menschen hat und die gesellschaftlichen Folgen und Ursachen der Eßsucht, werden nicht berücksichtigt.
Verhaltenstherapie:
Verhaltenstherapeutische Behandlungsprogramme sind bei nicht extrem lang andauernder eindeutig und bei chronifizierter Adipositas relativ gesehen (im Vergleich zu anderen Therapieverfahren) erfolgreich.
Ein realistisches Mindestziel bei extremer Adipositas ist, die weitere Gewichtssteigerung zu stoppen.
Ähnlich wie bei Substanzmißbrauch (Drogen, Alkohol) gibt es zwar einen gewissen Teil langfristiger, dauerhafter Erfolge, aber auch eine unbefriedigend hohe Quote an Rückfällen
Medikamentöse Behandlung:
Für viele Menschen ist die medikamentöse Unterstützung der Gesamttherapie von großem Nutzen, um gegen die ererbte Disposition angehen zu können. Mit Medikation soll vor allem die langfristige Gewichtsabnahme unterstützt werden, denn ohne Arznei können nur zwischen 20 und 30 Prozent der Patienten ihr reduziertes Gewicht drei Jahre oder länger halten. Dabei senkt eine Abnahme von zehn Kilo, wie Professor Hans Hauner aus Düsseldorf sagt, die Gesamtsterblichkeit um 20 Prozent und die Sterberate an Diabetes-assoziierten Erkrankungen sogar um 30 Pozent (vergl. Ärztezeitung vom 20.7.1999).
Operative Eingriffe:
Bei der Op wird um den oberen Teil des Magens ein Band gelegt und so der Mageneingang flexibel eingeengt.
Studien mit über 6000 Probanden hätten belegt, daß die Patienten innerhalb eines Jahres bis zu 60 Prozent ihrer Körpermasse verlieren. Die Op-bedingte Letalität sei mit 0,1 Prozent angesichts des allgemeinen Risikos dieser Patienten gering (vergl. Ärztezeitung vom 20.7.1999).
5 Schlußbetrachtungen
5.1 Zusammenfassung
Anorexie und Bulemie gehören zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen. Beide können chronisch werden. Sie bergen zahlreiche Komplikationsgefahren und können sogar tödlich enden. Und es gibt kein Gegenmittel, kein Medikament. Entziehung in dem Sinn ist nicht möglich. Essen wird immer da sein.
Den meisten Frauen und Männern fällt es schon schwer, vor sich selbst einzugestehen, daß mit dem eigenen Eßverhalten etwas nicht stimmt. Noch schwieriger ist es, darüber mit anderen Menschen zu reden. Die Kranken können sich eigentlich nur selbst helfen. Aber sie brauchen viel Unterstützung, sie brauchen echte Freunde, Verständnis und vor allem Geduld.
Allein kommt man nur selten und verdammt schwer aus dem ganzen Gewirr wieder heraus. Therapie ist daher erforderlich.
5.2 Gedicht
Auf der Suche nach dem ICH
Nun sehe ich die Eßstörung als Schlüssel zum Selbst Sie ist noch da, nur nach hinten versetzt. Hab mich erschrocken, was sich dahinter versteckte, all die Unarten, mit denen ich schon früher aneckte.
Ich erkenne trotzdem meine Chance zu leben. Nicht mehr nur einzusacken, sondern auch anderen zu geben.Vielleicht ist es gut, daß die Krankheit erschien. Hilft mir nun zu erkennen, wer ich wirklich bin. von GuteMiene
Literaturliste:
Printpublikationen:
Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen: DSM III-R. Beltz, Weinheim, Basel 1989.
Herzog, W., Munz, D., Kächele, H.: Analytische Psychotherapie bei Eßstörungen: Therapieführer. Schattauer, Stuttgart, New York; 1996.
Lawrence, M. (Hrsg.): Satt aber hungrig: Frauen und Eßstörungen. Rohwolt Taschenbuchverlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg 1989.
Orbach, S.: Anti-Diätbuch. Verlag Frauenoffensive, München 1978.
Westenhöfer, J.: Gezügeltes Essen und Störbarkeit des Eßverhaltens. Verlag für Psychologie, Göttingen 1992.
Elektronische Publikationen:
Ärzte Zeitung Verlagsgesellschaft mbH 1999 (20. Juli 1999) (Hrsg.): Sommerakademie Ärzte Zeitung, daily Newspaper for physicians. – URL: http://www.aerztezeitung.de/akademie/134a/.
Jacoby, G.E.: Hintergründe der Eßstörungen. - URL: http://klinik-am-korso.de/Index4.html.
Rink, K.: Psychische psys99f2. – URL: http://www.psych.unizh.ch/klipsy/rink/psys99f2.html.
So>http://www.rspaf.pfaffenhofen.de/esspro.htm.
Schroeder, C.: AdipositasRisikoerkrankungen. – URL: http://www.drschroeder.de/adiprisk.html.
URL: http://mitglied.tripod.de/GuteMine/.
- Arbeit zitieren
- Anja Lindner (Autor:in), 1999, Essstörungen: Anorexia nervosa, Bulemia nervosa und Adipositas. Ein Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95799
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