In dieser Hausarbeit wird ein Fallbeispiel geschildert, in dem es um ein Erstberatungsgespäch mit einem an Alzheimer erkrankten Menschen geht. Es wird dabei zuerst der individuelle Fall geschildert und auf familiäre und soziale Umstände eingegangen. Bei der Beratung im Rahmen der Diagnosestellung geht es vordergründig um die Beratung und den Informationsaustausch. Wichtig ist zu besprechen, worauf sich Betroffene und Angehörige einstellen müssen, welche Angebote es gibt (Therapien und Gruppen) und auch Informationsmaterial bereitzustellen. Außerdem sollten Informationen über das "wohnortnahe Hilfesystem" und konkrete Ansprechpartner bereitgestellt werden.
Nachdem der Patient, Hermann B., 58 Jahre alt und seit nun 20 Jahren innerhalb einer Firma als Versicherungsinformatiker tätig, über Beschwerden wie Schlafmangel und Nervosität sowie in beruflicher Hinsicht über Konzentrationsprobleme und Überforderung bei seinem Hausarzt klagte, wurde er mit Verdacht auf Demenz an die Gedächtnisambulanz überwiesen, um die Symptome innerhalb einer Diagnostik abzuklären.
Auch scheint das Familiensystem bereits unter Herr B.s Symptomen beziehungsweise seiner persönlichen "Veränderung" zu leiden. Die Ehefrau berichtet über Vergesslichkeit und darüber, dass er in Gesprächen oft den Faden verliere. Außerdem sei er antriebslos und seine Stimmung sehr schwankend. Am Sozialen lebe nehme er kaum noch teil und meide Kinobesuche oder Treffen mit Freunden. Früher habe ihm all das große Freude bereitet.
Inhaltsverzeichnis
Die zu bedenkenden Umstände des Falles
Nicht-medikamentöse psychosoziale Behandlungsmöglichkeiten
Aspekte für das erste und die folgenden Beratungsgespräche
Quellenverzeichnis
Die zu bedenkenden Umstände des Falles
Nachdem der Patient, Hermann B., 58 Jahre alt und seit nun 20 Jahren innerhalb einer Firma als Versicherungsinformatiker tätig, über Beschwerden, wie Schlafmangel und Nervosität sowie in beruflicher Hinsicht über Konzentrationsprobleme und Überforderung bei seinem Hausarzt klagte, wurde er mit Verdacht auf Demenz an die Gedächtnisambulanz überwiesen, um die Symptome innerhalb einer Diagnostik abzuklären.
Auch scheint das Familiensystem bereits unter Herr B.s Symptomen beziehungsweise seiner persönlichen „Veränderung“ zu leiden. Die Ehefrau berichtet über Vergesslichkeit und darüber, dass er in Gesprächen oft den Faden verliere. Außerdem sei er antriebslos und seine Stimmung sehr schwankend. Am Sozialen lebe nehme er kaum noch teil und meide Kinobesuche oder Treffen mit Freunden. Früher habe ihm all das große Freude bereitet. Da Herr B. laut seiner Ehefrau nur noch Trübsal blase und oft sehr gereizt sei, käme es auch immer öfter zu Streitigkeiten zwischen Herrn B. und dem Sohn F. (fünfzehn Jahre alt). Der ältere Sohn T. (zwanzig Jahre alt) distanziere sich von der Problemsituation.
Alzheimer-Demenz ist eine hirnorganische Krankheit, die durch die fortschreitende Schädigung von Nervenzellen und Nervenzellkontakten gekennzeichnet ist und gehört zu den häufigsten Demenzformen. Gedächtnis- und Orientierungsstörungen sowie Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sind wesentliche Merkmale des Krankheitsbildes, welche die Bewältigung des normalen Alltagslebens immer mehr beeinflussen (Vgl. Martin/Schelling 2005, S. 33).
Da die Diagnostik Demenz vom Alzheimer Typ im Alter von 58 Jahren für Herrn B. und dessen Familie sehr unerwartet sein wird, ist hier abzuklären, ob der Patient überhaupt wünscht, seine Diagnose zu erhalten. Hierbei kann im Vorfeld abgeklärt werden, ob der Patient bereits ahnt, unter einer Demenzerkrankung zu leiden, oder gar davon überzeugt ist völlig gesund zu sein. So kann ausgeschlossen werden, dass die Aufklärung zu einer heftigen psychischen Reaktion, welche sich wie eine Verlustreaktion verhalten kann, und Schockzustände und emotionale Taubheit mit sich bringt, führen kann (vgl. Dick S. et al. 2017, S. 25).
Um herauszufinden, inwieweit der Patient bereits informiert ist, ist es sinnvoll folgende Art von Fragen zu stellen: „Sie hatten erwähnt, dass sie in letzter Zeit häufig Dinge verlegen und nicht mehr wiederfinden. Haben Sie eine Idee, worauf dies zurückzuführen sein könnte?“ (vgl. Dick et al., 2017, S. 55).
Da Herr B. bereits ein Vorgespräch mir seinem Hausarzt hatte und hier nach Schilderung der Symptome mit Verdacht auf Demenz an die Gedächtnisambulanz überwiesen wurde, ist anzunehmen, dass Herr B. nicht allzu überrascht oder schockiert auf die Diagnose reagiert wird.
Es ist wichtig, die Familie hier, wenn gewünscht mit einzubeziehen und ihnen mögliche Hilfsangebote und Netzwerke darzulegen.
Der Umgang mit und die Betreuung von Menschen mit Demenz beinhaltet komplexe Aufgaben und gestaltet sich oft sehr schwierig, da sie in einer eigenen Erlebenswirklichkeit leben und das eventuell belastet Familiensystem um sie herum schwer wahrnehmen können. Pflegende und Angehörige stoßen deshalb täglich an ihre Grenzen und auf scheinbar unlösbare Probleme in der Kommunikation mit den Betroffenen. Das Fortschreiten der Erkrankung kann nicht verhindert werden, doch lässt sich der Verlauf und die begleitenden Einschränkungen verlangsamen und lindern.
Nicht-medikamentöse psychosoziale Behandlungsmöglichkeiten
Herr B. steht im Alter von 58 Jahren zum Zeitpunkt seiner Diagnose noch mitten im Leben, geht einem Beruf nach, ist verheiratet und hat zwei Söhne, welche noch im Haushalt leben.
Wichtig ist, dass die psychosozialen Behandlungsmöglichkeiten so weit wie möglich an das Alltagserleben und -verhalten von Herrn B. anknüpfen, um ihm so seine Selbstversorgungsfähigkeit und auch die Teilnahme am sozialen Leben zu ermöglichen. Damit ist sowohl sein familiäres Umfeld gemeint als auch, soweit noch möglich, seine Arbeitsumgebung. Denn die Diagnose Demenz bedeutet nicht nur für den Betroffenen eine große Einschränkung, sondern stellt auch für das familiäre Umfeld eine große Belastung dar.
In der psychosozialen Beratung der Gedächtnisambulanz erhält Herr B. die Chance Fragen zu stellen und Probleme anzusprechen. Psychologen und/oder Sozialarbeiterstehen in der Gedächtnisambulanz in weiteren Beratungsterminen zur Verfügung, um nach der Diagnose weitere Schritte zu besprechen, aufzuklären und Therapieempfehlungen zu geben.
Ein bewährtes, niederschwelliges Therapieangebot stellt sowohl für den Betroffenen als auch für die Angehörigen eine Gesprächsgruppe dar. Diese werden meist von der örtlichen Alzheimergesellschaft, Fachkliniken, Wohlfahrtverbänden oder Kirchengemeinden kostenlos angeboten.
Da Herr B. bereits seit 20 Jahren in seinem Beruf als Informatiker tätig ist, gilt es zu beleuchten, ob und in welchem Ausmaß er der Tätigkeit weiter nachgehen kann. Eine demenzielle Erkrankung muss nicht zu einer sofortigen Beendigung der Erwerbstätigkeit führen. Es sollte allerdings sorgfältig abgeklärt werden, welche Tätigkeiten passend zu den vorhandenen Ressourcen des erkrankten Menschen ausgeübt werden können. Sind Menschen mit Demenz nicht arbeitsfähig, werden sie krankgeschrieben: „Sie haben Anspruch auf Krankengeld (§ 48 SGB V) für maximal 78 Wochen“ (Projekt FruehLInk, 2015, S.33).
Behandlungsmöglichkeiten, die die Krankenkassen erstatten, sind Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und Verhaltenstherapie. Weitere Möglichkeiten sind Gedächtnistraining, Musiktherapie, Kunsttherapie Lebensrückblicktherapie, Selbstheilungstherapie. Auch die Familie kann bei ihrem Umgang mit dem Erkrankten unterstützt werden; für diesen Fall gibt es Unterstützungs- und Entlastungsangebote (DAlzG, S. 1). Folgend eine Übersicht der Leistungen, die laut DAlzG (Infoblatt 6) von der Krankenkasse übernommen werden:
Physiotherapie: Individuell abgestimmte Übungen zu Ausdauer, Kraft und Balance zur Verbesserung von körperlicher Fitness und Alltagsfertigkeiten. Da Herr B. angab nach kürzester Zeit abgeschlagen und müde zu sein und auch in seinem Job als Informatiker wenig Bewegung hat, sollte seine körperliche Fitness regelmäßig trainiert werden. Mit Fortschreiten der Alzheimer Erkrankung könnte es hier zu Einschränkungen kommen.
Ergotherapie: Erarbeitung von praktischen Problemlösungen im Alltag, Üben von Alltagstätigkeiten, Verwendung von Gedächtnishilfen für Menschen mit Demenz jeglichen Stadiums. Frau Berger gab an, dass ihr Mann „kaum in die Gänge komme“ und zu antrieblos sei, um den Alltag zu meistern. Hier könnten solche Übungen ihn unterstützen.
Logopädie: Verbesserung von Sprach- und Kommunikationsfähigkeit sowie Unterstützung bei Schluckstörungen. Diese Therapie dient im Frühstadium der Demenz vor allem dazu, den Erkrankten bei Wortfindungsstörungen, Ausspracheschwierigkeiten und nachlassendem Sprachverständnis zu helfen. Herr B. wird somit länger in der Lage sein, sich verständlich auszudrücken und seine Bedürfnisse zu artikulieren Verhaltenstherapie: Rückgang von Depressivität, Angst und Verhaltensstörungen, Verbesserung von Alltagsfertigkeiten. Korrektur von negativen Denkmustern, Verändern von verhaltensauslösenden Faktoren, Tagesstrukturierung, praktische Problemlösungen. Frau B. gibt an, dass Herr B. oft nicht aus seinem Trübsinn herausholen lasse und einfach nur stundenlang so da säße und dann lange nicht ansprechbar sei. Dieses Verhalten deutet bereits auf eine depressive Störung hin, welcher mit dem Erlernen von anderen Denkansätzen und einer anderen Tagesstrukturierung entgegengewirkt werden kann. Hier werden auch die Bezugspersonen mit einbezogen.
Folgende Therapeutische Angebote werden laut DAlzG nicht von der Krankenkasse übernommen:
Musiktherapie: Hören, Singen oder Spielen von Liedern oder beliebten Musikstücken. Dies kann zur Aufheiterung der allgemeinen Stimmung beitragen und Herrn B. an positive Momente Erinnern.
Kunsttherapie: Zeichnen, Malen, Gestalten von Objekten zur Förderung von Wahrnehmung, Erinnerung und Kommunikation. Durch die Kunst kann Herr B. Gefühle noch einmal anders zum Ausdruck bringen.
Erinnerungstherapie : Einzel- oder Gruppengespräche über frühere Ereignisse und Erfahrungen, unterstützt durch Fotos, Texte, Musikstücke oder Alltagsgegenstände und Anleitung der Angehörigen. Hier können positive Ereignisse, die er zusammen mit seinen Angehörigen erlebt hat, wieder präsenter für Herr B. werden. Somit kommt er aus dem negativen Gedankenkarussell heraus und lernt wieder die schönen Dinge des Lebens zu sehen.
Bewegung: Es können Aktivitäten gemeinsam mit Angehörigen (wie Gartenarbeit) oder in Sportgruppen (wie Nordic-Walking) gewählt werden. Wichtig ist, dass dies keine bloße Pflichterfüllung darstellt: immer sollten der Spaß und die Freude dabei im Vordergrund stehen. Waren von Demenz betroffene Menschen immer sportlich oder haben sich einfach gerne bewegt, sollte dies so weit wie möglich beibehalten werden (Projekt FruehLInk 2015, S.27).
Eine Zusammenstellung verschiedener, sowohl ergotherapeutischer als auch bewegungstherapeutischer Studien kommt zu dem Schluss, dass beide Ansätze den kognitiven Abbau bei bereits erkrankten Personen verzögern können und daher angewendet werden sollten (vgl. Dick S, Häusler A. et al 2017, S.77).
Soziales Miteinander: Regelmäßige Gruppenaktivitäten können lange noch in gewohnter Weise erfolgen: der frühere Sportverein, der Gospelchor etc. Möglicherweise braucht es ab einem bestimmten Zeitpunkt eher Unternehmungen zu zweit mit Personen aus der Familie und des sozialen Umfeldes oder ehrenamtlich Engagierten, die sich gut auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse der demenziell erkrankten Personen einstellen können (Projekt FruehLInk 2015, S.27).
Vor allem aber ist Geduld der Betroffenen mit sich selbst, aber auch die Geduld der Angehörigen und der Beratungsfachkräfte erforderlich. Geduld ist eine ‚Wartekraft‘: warten bis ich die Kraft habe, die Diagnose zu akzeptieren, sie zu begreifen und zuzulassen. Geduld setzt die Zuversicht voraus, dass Dinge sich auch ohne unser drängendes Zutun neu ordnen (Projekt FruehLInk 2015, S.28). Da Herr B. bis vor kurzem noch seinem Berufsalltag und der Routine innerhalb der Familie nachgegangen ist, sollte man ihn zu Beginn nicht mit Therapieangeboten überfordern und herausfinden, welche Angebote alters- und Situationsbedingt passen.
Aspekte für das erste und die folgenden Beratungsgespräche
Bei der Beratung im Rahmen der Diagnosestellung geht es Vordergründig um die Beratung und den Informationsaustausch. Wichtig ist zu besprechen, worauf sich Betroffene und Angehörige einstellen müssen, welche Angebote es gibt (Therapien und Gruppen) und auch Informationsmaterial bereitzustellen. Außerdem sollten Informationen über das „wohnortnahe Hilfesystem“ und konkrete Ansprechpartner bereitgestellt werden. (vgl. Dick S, Häusler A. et al 2017:58-59).
Folgende Gespräche befassen sich intensiver mit der Bewältigung der Erkrankung und den möglichen persönlichen Konsequenzen und Belastungen für den Betroffenen. Das persönliche Anliegen des Patienten sollte zum Gegenstand des Gesprächs gemacht werden und Einzelgespräche mit den Angehörigen sollten mit dem Betroffenen vorher abgesprochen werden. Es ist zu beachten, dass sich alle Beteiligten nach der Diagnosestellung in einer Krisensituation befinden und man mit viel Feingefühl im Beratungsgespräch vorgehen sollte (vgl. Dick S, Häusler A. et al 2017, S. 59).
Da sich Herr B. noch mitten im Berufsleben befindet, sollte abgeklärt werden, welche Möglichkeiten es gibt, um den Beruf weiter auszuüben und inwieweit Kollegen/ innen oder die Vorgesetzten eingebunden werden müssen. Sollte eine Ausübung des Berufs nicht mehr möglich sein, sollten die rechtlichen Aspekte wie Anspruch auf Krankengeld, Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, eine Ausstellung einer Versorgungsvollmacht oder Patientenverfügung oder das Thema Auto fahren bei Demenz besprochen werden.
Ist die Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben, muss beim Gericht eine rechtliche Betreuung für den Betroffenen beantragt werden. In einer Patientenverfügung kann vom Betroffenen schriftlich festgelegt werden, welche medizinischen Maßnahmen er in einem definierten Gesundheitszustand wünscht und welche nicht. Psychosoziale Beratung kann hier den sehr persönlichen Klärungsprozess begleiten (Dick S, Häusler A. et al 2017, S. 61).
Herr B. ist im Rahmen seiner 40 Stunden Anstellung gemeinsam mit seiner Frau Versorger der Familie. Diese Rolle wird er mit Fortschreiten der Krankheit in Zukunft nicht mehr voll ausüben können und es wird zu einer Veränderung der Aufgaben und Rollenverteilung innerhalb der Familie kommen. Im Fall von Herrn B. ist es sehr wichtig, auch seine Söhne mit in den Therapie- und Beratungsvorgang einzubeziehen, damit sie mit den bevorstehen Veränderungen umzugehen wissen.
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- Anna Nadolny (Autor), 2020, Erstberatung in einer Gedächtnisambulanz. Vorbereitung einer ersten psychosozialen Beratung mit einem an Alzheimer erkrankten Menschen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/957828
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