In jener Zeit, in der europäische Kulturen nicht mehr allein den Maßstab dafür geben, was in der globalisierten Welt darunter zu verstehen ist, Mensch zu sein, herrscht ein Ende einer normativen Anthropologie. Viel mehr ist in der Zeit der Globalisierung eine verstärkte anthropologische Forschung von großer Bedeutung um das, was den Menschen gemeinsam ist, mit jenem, in Bezug zu setzen, was sie unterscheidet. Anthropologisches Wissen ist durch Wissen über andere historischen Epochen und Kulturen bestimmt.
Vor diesem Hintergrund gilt es anhand pädagogisch- anthropologischen Überlegungen, pädagogische Bestimmungen des Menschen historisch, während der Zeit der Reformation zu identifizieren, die vorherrschenden Menschenbilder in dieser spezifischen- kulturellen Ausprägung sichtbar zu machen, um sie schließlich in einer Epoche der unabhängigen Disziplin, die des Freilernens zu setzen.
Zunächst wird in der vorliegenden Arbeit ein Überblick gegeben, der den interessierten Leser in das Thema der Freilerner einzuführen versucht. Dabei stellt die Arbeit eine bisherige Forschungsübersicht und eine inhaltliche Sicht der bisherigen Ansätze des Autors Thomas Spieglers vor, der mit seiner Studie über Homeschooling die Forschung in Deutschland eröffnet und seither allein Ergebnisse erzielt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit folgt eine Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens. Christliche Menschenbilder gelangen dabei in den Fokus der Bezugnahme. Zudem erfolgt eine Spezifizierung, indem die christliche Anthropologie in den Rahmen der Reformation begutachtet wird.
Eine Videoanalyse der Dokumentation „Mit Gottvertrauen Bildung bauen“ erfolgt im Hauptteil, um der Fragestellung nachzugehen, ob die im Video vorgestellte Freilernfamilie reformpädagogische Orientierungen verfolgen und ob man sogar von einer radikalisierten Reformpädagogik sprechen kann. Dabei wurde besonders das organisch- botanische Metaphernfeld als Kennzeichen reformpädagogischer Orientierung untersucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Übersicht über den Forschungsstand
2.1 Was ist Home Education? Zunächst ein kurzer Überblick in das Thema
2.1.1 Überblick über den Forschungsstand
2.1.2 Inhaltlicher Stand der Forschung, Ansätze des Autors
3. Festlegung des theoretischen Begriffsrahen/ Bezugsnahe
3.1 Reformpädagogische Ansätze:
3.3.1 Maria Montessori
3.1.2 Rousseaus Erziehungsverständnis
4. Das organisch- botanische Metaphernfeld- Ausdruck pädagogischer Orientierung
5. Videoanalyse:
5.1 Der pädagogische Raum im Hinblick auf das organisch- botanische Metaphernfeld von Hermann und Böhme
5.2 Die Kennzeichen der reformpädagogischen Bewegung: Der anthropologische Gedanke und die Kritik an die Gesellschaft
5.2.1 Der anthropologische Grundgedanke der Familie Dudek im Konflikt mit der Sozialisationstheorie (Socialisation méthodique) von Émile Durkheim
5.3 „Was ist denn mit der Sozialisation?“
5.3.1 Der Naturraum im Kontrast zum Kulturraum
5.3.2 Die Bedeutung der Sozialität - „Humanes“
6. Fazit
7. Anhang
7.1 Sequenzen in Übersicht
7.2 Sequenzbeschreibung
7.3 Fazit
Literaturverzeichnis:
1. Einleitung
In jener Zeit, in der europäische Kulturen nicht mehr allein den Maßstab dafür geben, was in der globalisierten Welt darunter zu verstehen ist, Mensch zu sein, herrscht ein Ende einer normativen Anthropologie. Viel mehr ist in der Zeit der Globalisierung eine verstärkte anthropologische Forschung von großer Bedeutung um das, was den Menschen gemeinsam ist, mit jenem, in Bezug zu setzen, was sie unterscheidet. Anthropologisches Wissen ist durch Wissen über andere historischen Epochen und Kulturen bestimmt.
Vor diesem Hintergrund gilt es anhand pädagogisch- anthropologischen Überlegungen, pädagogische Bestimmungen des Menschen historisch, während der Zeit der Reformation zu identifizieren, die vorherrschenden Menschenbilder in dieser spezifischen- kulturellen Ausprägung sichtbar zu machen, um sie schließlich in einer Epoche der unabhängigen Disziplin, die des Freilernens zu setzen.
Zunächst wird in der vorliegenden Arbeit ein Überblick gegeben, der den interessierten Leser in das Thema der Freilerner einzuführen versucht. Dabei stellt die Arbeit eine bisherige Forschungsübersicht und eine inhaltliche Sicht der bisherigen Ansätze des Autors Thomas Spieglers vor, der mit seiner Studie über Homeschooling die Forschung in Deutschland eröffnet und seither allein Ergebnisse erzielt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit folgt eine Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens. Christliche Menschenbilder gelangen dabei in den Fokus der Bezugnahme. Zudem erfolgt eine Spezifizierung, indem die christliche Anthropologie in den Rahmen der Reformation begutachtet wird.
Eine Videoanalyse der Dokumentation „Mit Gottvertrauen Bildung bauen“ erfolgt im Hauptteil, um der Fragestellung nachzugehen, ob die im Video vorgestellte Freilernfamilie reformpädagogische Orientierungen verfolgen und ob man sogar von einer radikalisierten Reformpädagogik sprechen kann. Dabei wurde besonders das organisch- botanische Metaphernfeld als Kennzeichen reformpädagogischer Orientierung untersucht.
2. Übersicht über den Forschungsstand
2.1 Was ist Home Education? Zunächst ein kurzer Überblick in das Thema
Im folgenden Abschnitt, der sich mit einer kurzen Einführung in das Thema beschäftigt, beziehe ich mich auf die Studie „Home Education in Deutschland“ von Thomas Spiegler.
Home Education, der Titel von Spieglers Studie, gibt zu erkennen, dass der erklärungsfordernde Begriff aus dem Englischen stammt. Neben der Bezeichnung „Home Education“ existieren weitere Beschreibungen, wie „Homeschooling“, die das vorliegende Phänomen beschreiben. Umfassender umschreibt die deutsche Sprache das Phänomen mit Begriffen wie: „Hausunterricht“ (Spiegler, 2008, S.30), „Bildung zu Hause“ (Spiegler, 2008, S.30) oder „Heimschule“ (Spiegler, 2008, S.30). Wie in der vorab aufgestellten Fragestellung zu entnehmen ist, wird in der folgenden Arbeit das „Freilernen“ synonym für „Homeschooling“, oder „Home Education“ verwendet, wobei letzteres ein umfangreicheres Spektrum, als das des „Homeschooling“ beschreibt. Grund für die variablen Begrifflichkeiten gibt Spiegler, indem er keine Bedeutungsunterschiede zwischen „Homeschooling“ und „Freilernen“ sieht.
Schließlich ist Home Education in Deutschland ein wenig bekanntes und unerforschtes Konzept, was erstmalig durch Thomas Spiegler methodenreich analysiert und erforscht wurde. Allgemein verkörpert Home Education die Verlagerung der Lernprozesse von einem schulischen, in das eigene häusliche Umfeld. Die Lehrerposition wird dann häufig von den Eltern eingenommen, weniger häufig von Familienangehörigen und nahestehenden Personen. Grund für die Verlagerung des Bildungsprozesses in ein häusliches Umfeld, ist die angestrebte Distanzierung von den „herkömmlichen Lernstrukturen“ (Spiegler, 2008, S.30), die bei Betroffenen deutlich variieren. Jene, die sich deutlich von den herrschenden Lernstrukturen distanzieren, beschreiben den praktizierenden Lernprozess als selbstbestimmtes, natürliches und freies Lernen (vgl. Spiegler, 2008, S.30).
2.1.1 Überblick über den Forschungsstand
Zunächst ist zu erläutern, dass vor der Konzeption Spieglers Studie, die Bewegung des Freilernens nahezu unerforscht blieb. Lediglich wenige Studienabschlussarbeiten (Gießer 1994, Werle 2001 oder Bajor 2002), die zudem verjährt sind, beschäftigten sich mit dem Phänomen, wobei das Spektrum hauptsächlich die USA einspannt. Neben den oben erwähnten Studienabschlussarbeiten, erschien 2005 eine erste Publikation über das Phänomen „Homeschooling“, die den christlichen Aspekt des „Homeschooling“ verfolgte und somit eine Engführung des Begriffes nach sich zieht. Schließlich folgten weitere Publikationen, welche sich umfassender mit der Thematik beschäftigten, wie „Schulfrei. Lernen ohne Grenzen“ (2004) von Mohsennia, oder Edels Werk „Nur Schule? Mit zu neuen Bildungswesen (2005)“. Im Hinblick auf zuletzt angeführte Publikationen, taucht die Schuldpflichtbefreiung als zentraler Bemühungsaspekt auf, wobei auch hier das verjährte Erscheinungsjahr kritische Reflexion nach sich zieht.
Wie bereits erwähnt und durch das dargestellte Informationsdefizit abzuleiten, ist die Studie von Thomas Spiegler „die erste wissenschaftliche empirische Studie größeren Umfangs, die sich dieser Bewegung widmet“ (Spiegler, 2008, S.32) und fortan unverzichtbar für den Fortlauf dieser Arbeit.
Spiegler verwendete bei seiner Forschung über die Bewegung des „Homeschooling“ eine Vielzahl von qualitativ orientierten Methoden, wie eine „teilnehmende Beobachtung in den Netzwerken“ (Spiegler, 2008, S.32), die sich auf Versammlungen von Home Education Familien bezog. Dabei besuchte Spiegler Konferenzen, Seminare oder Treffen, um sich mit der herrschenden Situation, den Arbeitsweisen und der praktischen Arbeit der Home Education Familien vertraut zu machen.
Eine weitere qualitativ orientierte Methode, die Spiegler in seiner Forschung durchführte, waren Interviews mit Eltern, die Homeschooling mit ihren Kindern umsetzten. Spiegler gelang durch seine Teilnahme an Netzwerken wie „Initiative für selbstbestimmtes Lernen“ Aufmerksamkeit, und konnte dort durch Rundbriefe auf sich aufmerksam machen. Die Interviews wurden durch einen von Spiegler konstruierten Leitfaden organisiert und strukturiert. Schließlich begünstigten 24 Interviews die Forschungsarbeit.
Als letzten methodischen Zugang zur Forschung verwendete Spiegler die inhaltsanalytische Auswertung schriftlicher Quellen. Unter diesen Quellen sind Rundbriefe, Informationsblätter und Internetveröffentlichungen der Netzwerke, aber auch rund 350 Zeitungsartikel und das EMail Diskussionsforum (homeschooling-D) zu verstehen.
2.1.2 Inhaltlicher Stand der Forschung, Ansätze des Autors
Um herauszustellen, ob Freilerner ein reformpädagogisches Konzept bewahren und dieses möglicherweise in einer radikalisierten/ zugespitzten Form ausleben, scheint es unvermeidbar, vorerst zu differenzieren, welche Motivation Freilerner in ihren zugehörigen Lebenswelten beherbergen. Spiegler konstruiert hinsichtlich der gegenläufigen Lebenswelten der Freilerner, zwei „Home Education Idealtypen“. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Motive deutlich, sodass in der Home Education Bewegung eine Vielzahl von „sozialstrukturellen Merkmalen“ zu finden sind. Trotz diverser Ausprägungen sind die Lebenswelten der Home Education Familien in zwei Typen einzuteilen, zunächst der „earth-based“- alsdann der „heaven-based“ Typ. Spiegler wählte für den „heaven-based“-Typ den Begriff „der Fromme“ und für den „earth-based“-Typ die Übersetzung „der Alternative“.
Der Terminus des Alternativen stammt aus der Verwendung zur Beschreibung „gegenkultureller“ Gruppierungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wird zur Darstellung eines Milieus herangezogen. Hollstein verbindet das Milieu der Alternativen mit Konsumkritik, Aussteigermentalität und Ablehnung materieller Statussymbole, sodass der Lebensstil der alternativ gestimmten Freilerner als „nachhaltig“ zusammengefasst werden kann. Der nachhaltige Lebensstil der alternativen Freilernen lässt sich in ihrer grundlegenden Bild des Menschen wiederfinden. Der Mensch, und somit das Kind ist von Anfang an „wie eine Pflanze“ mit allen notwendigen Informationen ausgestattet, und „bedarf nur noch geeigneter Wachstumsbedingungen und Freiräume zur Selbstentfaltung“. Im Zentrum des alternativ bewegten Freilerner steht die natürliche Entwicklung des jungen Menschen, wobei der Begriff Kind bedacht verweigert wird, indem sich der junge Mensch in Hinblick auf Mündigkeit und Vollwertigkeit nicht vom älteren Menschen unterscheidet.
Der „heaven-based“ Idealtyp wird im folgenden Abschnitt genauer untersucht, um mögliche Parallelen zwischen Spieglers „Fromme“ Home Education Familien und den Freilernen im zu analysierenden Video, zu ziehen im Hinblick auf Charakterisierungen und Grundorientierungen.
Unter Fromme versteht Spiegler, nicht nur Christen und religiöse Menschen, sondern jene, die einer „gottergebenen Lebensführung“ unterliegen. Das bedeutet, dass Religion im Leben eines „Frommen“ einen zentralen Platz einnimmt. Er verdeutlich, dass das zugrunde liegende Bild vom Wesen des Kindes eines Frommen gekennzeichnet ist durch das Böse, durch eine sündenhafte Natur, sodass er die Rettung und Erlösung durch den Glauben an Jesus Christus bedarf. Das zugrunde liegende Bild des Kindes wird in den Kreisen der frommen Freilernern im übrigen mit dem Bild eines Gartens verglichen. „Ein Garten braucht aktive Pflege und Hege“, sodass es vom Unkraut befreit wird und die wilden Triebe seiner Bäume beschnitten werden.
In Home Education Familien wird der göttliche Wille, „Kinder zum Glauben zu führen, zu Liebe und Gehorsam Gott gegenüber“ durch die planvolle Erziehung der Eltern übernommen, sodass man bei der Erziehung zum Glauben von einem „gottgegebenen Auftrag“ sprechen kann. Dieser Auftrag findet in der Schule, die von antichristlichen, antiautoritären, sexuellen, esoterischen und leistungsfeindlichen Einflüssen“ (Spiegler, 2008, S.61), umgeben ist, keinen Raum. All diese sind Aufzählungen, die die Grundlage für den Humanismus bilden, in dessen Schoß sich „die 68er Bewegung“ entwickelte und von den Frommen Home Education Familien als „falsche Richtung“ (Spiegler, 2008, S.61) interpretiert wird. Letzteres beinhaltet die Sorge, dass durch den Humanismus der Mensch an Gottes Stelle gesetzt wird. Spiegler unterstreicht, dass insbesondere der Sexualkundeunterricht ein Grund für die Wahl von Home Education ist. Dieser verbietet die individuelle Wertevermittlung, die bei dem religiös geprägten Teil der Home Education Bewegung geachtet wird. Home Education Familien kritisieren vom Bewegungsbeginn an, dass der Schulunterricht Werte in Hinsicht von Sexualität und Partnerschaft vermitteln, die mit der Vorstellung der Eltern und dem religiösen Alltag nicht übereinstimmen. Das Vermeiden des falschen Weges und das daraus resultierende „asketische Leben“, bedeutet für die Frommen die Umsetzung des göttlichen Willens. Asketisch bedeutet an dieser Stelle der Verzicht auf Computerspiele und Fernsehen.
Hinter der planvollen Erziehung, die nötig ist, um dem göttlichen Willen gerecht zu werden, steht ein durch biblisch-traditionelles Rollenmuster impliziertes Familienbild. Das Familienbild besteht aus der Vaterrolle, die die Hauptverantwortung der geistlichen Führung ausübt und außerhalb der Home Education Umgebung eine Berufstätigkeit ausübt und der Mutterrolle, die den Großteil der Erziehung übernimmt. Dabei stellt die Erziehungsaufgabe, die die Mutter der Familie zu bewältigen hat, ein „Geschenk Gottes dar“ (Spiegler, 2008, S.61).
Das biblisch- traditionelle Rollenmuster steht somit im Konflikt mit dem Rollenmuster, das in der Schule gelehrt wird. Eine Home Education Mutter berichtet, dass „Schulbücher Eltern praktisch als Idioten darstellen“, dass die Eltern als Erziehungsbeauftragte weder wertgeschätzt, noch als notwendig erachtet werden. Sie spricht von einer Ideologie, in denen die Eltern nicht geehrt werden, die Mutter zuhause nicht präsent ist und die Kinder sich zuhause nicht Gehör verschaffen können. All das steht im Konflikt zum christlichen Glauben, in dem die Eltern den Auftrag Gottes, ihre Kinder zum Glauben zu führen, nach gehen.
Neben der Sexualerziehung, die von der Home Education Bewegung kritisiert wird, „gibt es zahlreiche weitere Bereiche, in denen Differenzen zwischen dem elterlichen Verständnis von christlicher Erziehung und wahrgenommener schulischer Prägung auftauchen“ (Spiegler, 2008, S.61). In der Befragung die Spiegler tätigt, äußert ein Home Education Vater seine Kritik bezüglich des Schulunterrichts. Im Zentrum seiner Kritik steht die von der Schule unterrichtete Evolutionstheorie, die „eine andere Sicht der Dinge“ (Spiegler, 2008, S.61) verbietet. Er kritisiert, dass die Evolutionstheorie, nicht als Theorie, sondern viel mehr als Wirklichkeit erachtet wird und dafür sorgt, dass abweichende Theorien wie die Schöpfungstheorie als „Märchen oder Phantasiegeschichten“ (Spiegler, 2008, S.61) erachtet werden.
In Hinblick auf die Fragestellung stellt sich interessanterweise heraus, dass sich trotz zahlreicher unterschiedlicher Motive der beiden Typisierungen, einige gemeinsamer oder zumindest ähnliche Grundzüge erkennen lassen. Die Freilerner Eltern beider Spezifizierungen verstehen sich als Wegbegleiter hin zu einem höheren Ziel, um die Verwirklichung des Guten zu versichern. Auch wenn für den Frommen Freilerner Typ der Glaube an Jesus der Schlüssel zu einem höheren Ziel ist und für den Alternativen die ganzeinheitlich Entfaltung des inneren Selbst, so bedienen sich beide Typisierungen an religiösen oder auch religiös spirituellen Elementen, die in reformpädagogischen Konzepten verankert sind. Infolgedessen bedienen sich sowohl die Alternativen, als auch die Frommen an der Metapher des Gartens, die bereits von Maria Montessori verwendet wurden und den Ansatz eines „heiligen Kindes“ konstruiert. Die Weltanschauung der Freilerner ist verankert durch eine vielseitige spirituelle Offenheit, die verschiedene religiöse Traditionen vereinbart und kombiniert.
Letztlich ist zu unterstreichen, dass die Freilerner Bewegung, trotz spirituellen Züge, nicht ausschließlich christlicher Herkunft ist, was durch die Verehrung der „Mutter Erde“ als geistige Elternschaft anstelle der geistigen Vaterschaft Gottes deutlich wird.
3. Festlegung des theoretischen Begriffsrahen/ Bezugsnahe
Zunächst folgt eine kurze Einordnung des zentralen Begriffs „christliches Menschenbild“, indem ein Blick auf die christliche Anthropologie geworfen und Gott und die menschliche Bildsamkeit betrachtet wird.
Zu Beginn ist zu erläutern, dass nicht von der einen christlichen Anthropologie zu sprechen ist. Ganz im Gegenteil wird bereits durch biblische Schriften deutlich, wie vielseitig die Bildsamkeit und die pädagogische Rede vom Menschen ist, indem einerseits vom „drastisch unbelehrbaren, hinterlistigen, gewalttätigen, und ungerechten Menschen“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.611) andererseits vom „Brudermörder bis Vergewaltiger; vom Gesetzesübertreter und falschen Propheten“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.611), der die Sünde braucht und von der starken erziehenden Hand Gottes zu bewahren vermag, gesprochen wird. Das der hebräischen Bibel zugefügte Gesetzeskorpus (weisheitliche Deutungen und Lebensregeln) beschreibt, wie Gott die Sünde der Menschen begrenzt. Geschichtstheologisch ist also festzuhalten, dass Gott der menschlichen Lebensweise Grenzen setzt und diesen in seine Schranken weist, wobei letzteres den Menschen Spielräume und Freiheit eröffnet.
In späteren Schriften wie Kohelet und Hiob wird dann bereits deutlich, dass die vermeidlichen Lebensregeln und Weisheitsdeutungen unnütz sind und „an manchen schweren Schicksalserfahrungen (.) stumpf werden, ja scheitern.“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.612) Das aus der hebräisch- jüdischen antiken Schrift herrschende Bildungsprogramm wird von nun an skeptisch und selbstkritisch betrachtet, indem Bildung, Glück und Geschick auseinander treten, was in Koh1,18 deutlich, indem geschrieben steht: „Viel Wissen, viel Ärger, wer das Können mehrt, der mehrt die Sorge.“ Eine solche „skeptisch-nihilistische Anthropologie“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.613) gibt letztlich wenig Raum für ein vielversprechendes Bildungskonzept. Zudem existierte eine weitere menschliche Bildsamkeit, die durch die Schriftprophetin Ruth deutlich wird. Sie besitzt einen einfühlsamen und nach Solidarität strebenden Charakter, der „die Zeichen der Zeit auch politisch richtig zu deuten“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.613) vermag. Trotz skeptischer und pessimistischer Auffassung des antiken Bildungsprogramms und der Vorstellung eines unberechenbaren Gottes, strebt Ruth mit voller Hoffnung nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit, was gleichzeitig mit dem endzeitlichen Eingreifen Gottes verbunden wird zum Auftakt einer Frömmigkeitsbewegung, gefolgt mit der Entstehung der besonderen Gotteskindschaft, jene Christen, die durch ihre asketische Lebensführung als besonders fromm galten, und dem Himmelsreich näher waren, als jene Christen, die sich entschieden, auch nach der Taufe ein gewöhnliches, nicht asketisches Leben zu führen. (vgl. Lutterbach, 2003) Die weisheitliche Theologie beschreibt demnach, wie die geschichtstheologisch entstandenen Freiräume zu nutzen sind. Gleichzeitig bemüht sich eine christliche Anthropologie um ein „konstruktiv-kritisches Verhältnis“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.613) zwischen Lebensregeln und Pflichten. Im Zentrum dieser Frömmigkeitsbewegung steht der Menschsohn, Jesus von Nazareth, der zum „exemplarischen Menschen Gottes“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.614) wird und der den besonderen Gotteskindern als Vorbild fungiert, weshalb diese, aufgrund der Askese, das Herrenmartyrium, ausgehend von Jesus Christus am Kreuz, in sich tragen. Gott begegnet „in Jesus Christus dem Glaubenden als Urbild des wahrhaft Freien“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.614) und wird dadurch zum Ebenbild und rechtfertigten Zuspruch Gottes. Christologisch betrachtet liegt darin der Ursprung des Freiheitsbewusstseins des Menschen.
Grundsätzlich herrschen in der Theologiegeschichte zwei Extreme Anthropologien: „Der Bildungspessimist“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.615), der aufgrund der Erbsünde, „die Möglichkeit, der bildenden Selbstverwirklichung gänzlich zu verneinen“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.615), versucht. Andererseits wird genau dies zur Grundlage eines pädagogischen- anthropologischen Optimismus, bei diesem keine Anzeichen einer dogmatischen Sicht des Menschen hinsichtlich der Sündenlehre zu finden ist.
Inwieweit sich Pädagogische Anthropologie und Theologie begegnen, wird im folgenden Abschnitt erläutert:
Die Sicht eines sündenbelassenen Menschen ist im Kontext der Rechtfertigungslehre aufzufinden, welche für die pädagogische Anthropologie unverzichtbar ist. Die rechtfertigungstheologische Sicht des Menschen, dass dieser „simul iustus et peccator“ (Wulf, Zierfaß, 2014, S.617) also, dass der Mensch Sünder und Gerechter zugleich ist, ist pädagogisch hoch bedeutsam. So wird der Rechtfertigungsglaube, der um die Negativität der Welt weiß, zum Anknüpfungspunkt, sich für die Bildung der Einzelnen einzusetzen. Der Gottesglaube, der in der Rechtfertigungslehre im Zentrum beherbergt ist, ermöglicht Freiheit in kommunikativer und kooperativer Hinsicht, sodass dieser Grund zur ethischen Motivation sich durchsetzt. Wenn man also von einem anthropologischen Bild des Menschen in der Zeit der Rechtfertigungstheologie spricht, ist dieser Mensch jener, der in Freiheit lebt, der durch Gottesglauben eine starke Vision einer gerechten Welt (Gesellschaft) entwickelt, indem er weiß, dass er Sünder und Gerechter zuggleich ist. Jener Gottesglaube wird somit zur Motivation, neu definierte „Ansprüche an die Erziehung des Menschengeschlechts“ zu bestimmen.
3.1 Reformpädagogische Ansätze:
Im 20. Jahrhundert wird nicht unbedacht als „Jahrhundert des Kindes“ (Röhner, 2003, S. 18) bezeichnet, wie bereits Rousseaus Erziehungsbegriff kennzeichnete, wird das Kind zum „Gegenstand grenzenloser Erwartung“, (Röhner, 2003, S. 19) „moralisches Vorbild“ (Röhner, 2003, S. 19), ja fast zur majestätischen Figur. Alle genannten Charakteristika eines Kindes, die dieses als reines, gutes Geschöpf emporheben, werden in der Reformpädagogik vorausgesetzt. Wie Jürgen Oelkers zusammenfasst, ist im Kindheitsbild der Reformpädagogik, der alte Mythos des Erlöserkindes abgebildet, damit meint er, dass von jedem Kind vorausgesetzt wird, Erlöser der Erwachsenen zu sein, indem diese moralisch erzogen werden. Neben der Überlegenheit des Kindes, wird dieses gleichzeitig als „leidendes“ Kind abgebildet, welches unter dem Erziehungsanspruch der Erwachsenen leidet. Indem man das reformatorische Kind als „leidendes“ (Röhner, 2003, S. 19) Kind bezeichnet, vergleicht man dieses mit dem Leiden Christi. Die zugleich stattfindende Überhöhung und Idealisierung des Kindes werden die Leitbilder der Reformpädagogik in den 20er Jahren.
Wie bereits erwähnt, wird in der Reformpädagogik dem Kinde vorausgesetzt, dass es rein, gut, moralisch überlegen und majestätisch ist, sodass von einer „Natur des Kindes“ zu sprechen ist. Wenn man von der Natur des Kindes spricht, spricht man von einer „inneren Entwicklung“ (Röhner, 2003, S. 19), die von der Evolutionstheorie losgelöst ist, und sich auf theologische Sichtweisen beruft. Besonders deutlich wird dies in den Worten von Jürgen Oelker, indem er veranschaulicht: „Das Kind ist nicht einfach ein empirisches Ich, sondern teleogisches (sic!) Subjekt, dass sich entwickeln muß, weil die Grundrichtung dieses Prozesses ihm substantiell eigen und somit vorgegeben ist.“ (Röhner, 2003, S. 19) Wenn also von innerer Entwicklung die Rede ist, wird sie weniger ein Prozess als ein Postulat verstanden.
Zusätzlich wird der mythische Kindheitsbegriff in der Reformpädagogik durch den Natur Begriff aus der Philosophie des 17. Und 18. Jahrhundert untermauert, indem er beschreibt, dass die Natur nicht biologischen Ursprungs ist, sondern das Ziel einer Substanzvorstellung, „die die Bewegung des Lebens steuert“.
Der reformpädagogische Kindheitsentwicklungsbegriff ist also mythischer Natur und zielt nicht auf empirische Ziele, sondern auf visionäre, wie die Vollkommenheit, Ganzheit und Gerechtigkeit der Menschen. Letzteres weist Parallelen mit der christlichen Anthropologie der Rechtfertigungs- Theologie auf, weshalb die Vermutung getätigt wird, dass die Reformpädagogik, den Leitfaden der Rechtfertigungs- Theologie, nämlich, dass der Mensch „simul iustus et peccator“ (Röhner, 2003, S. 19) aufnimmt.
Oelkers weist darauf hin, dass die schon bereits im vorigen Abschnitt erwähnte innere Entwicklung nicht von außen beeinflussbar ist. Er selbst beschreibt die Entwicklung als einen „sich selbststeuernder Prozess“ (Röhner, 2003, S. 20), als „Selbstschöpfung des Kindes“ (Röhner, 2003, S. 20), was wiederum die Notwendigkeit der Erziehung in Frage stellt.
3.3.1 Maria Montessori
Während Maria Montessori, ähnlich wie Oelkers das Bild eines „messianische n Kindes“ verfolgt und sich damit als „anti-aufklärerisch“ erweist, bezieht sich der Entwicklungsprozess von Montessori auf eine moderne Entwicklungstheorie und kehrt damit der theologischen Pädagogik den Rücken zu. Nach ihrem Verständnis ist jedes Kind mit einem natürlichen Entwicklungspotenzial ausgestattet, wodurch ihr Verständnis von Entwicklung durch eine biologische Inspiration gekennzeichnet ist. Dieses Entwicklungspotenzial, wird nach Montessori, durch die aktive Auseinandersetzung mit der Umgebung ausgefaltet. Jedes Kind entwickelt sich nach seinem „natürlichen Bauplan“, welchen Montessori mit dem biologischen Konzept der Zellteilung vergleicht.
Indem Montessori den Begriff der natürlichen Umgebung verwendet, haucht sie der Erziehung neues Leben ein. Erziehung meint nun eine „Unterstützung der seelischen Entwicklung des Kindes“. Diese Entwicklung kann das Kind wiederum nur allein und selbständig leisten. Das bekannte Zitat „Wenn wir das Kind also sich selbst überlassen, überlassen wir es seiner Intelligenz“ fasst an dieser Stelle den Entwicklungsbegriff nach Montessori umfangreich zusammen.
3.1.2 Rousseaus Erziehungsverständnis
Gleichsam wie Maria Montessori ist auch Rousseaus aufklärungsphilosophisches Erziehungsverständnis maßgeblich für die reformpädagogische Bewegung im „Jahrhundert des Kindes“ (Röhner 2003, S.16).
Rousseau sah die „Menschwerdung des Menschen“, die im pädagogischen Bezug zwischen Zögling und Erzieher verwirklicht wird, als Aufgabe der Erziehung. Rousseaus Natur- und Erziehungsbegriff ist durch eine teleologische Determination, dass die Kinder, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermitteln, grundgelegt. Demnach sieht Rousseau in dem Kinde den Ausgangspunkt der Menschwerdung, weshalb er zeitgleich mit seiner Entdeckung des Kindes als die Entdeckung seiner Natur mit der traditionell- christlichen Vorstellung der Erbsünde bricht.
Schließlich gilt das Kind mit seinem innewohnenden göttlichen Schöpferplan vor den Einflüssen der Kultur zu bewahren, um den natürlichen Bauplan entfalten zu können.
4. Das organisch- botanische Metaphernfeld- Ausdruck pädagogischer Orientierung
Die Entwicklung der pädagogischen Ideengeschichte ist geprägt durch einen vielseitigen Gebrauch von Bilder und Metaphern, also jenem sprachlichen Ausdruck, bei dem ein Wort aus seinem gewohnten Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertagen, als Bild verwendet wird. Böhme und Herrmann knüpfen an die bis seither noch nicht umfassende Analyse und Systematisierung jener metaphorischen Darstellung von Scheuerl an. Böhme und Hermann differenzieren dabei zwischen zwei Varianten des Gebrauchs von Bildern im pädagogischen Kontext. Auf der einen Seite werden Bilder als „Strukturmomente pädagogischer Praxis“ (Böhme, Hermann 2011, S.15) bezeichnet, auf der anderen Seite werden durch sie „pädagogische Orientierungen und Positionen zum Ausdruck gebracht“ (Böhme, Hermann 2011, S.15).
Im Folgenden werden von der ersten Variante, Bilder als Strukturmomente pädagogischer Praxis verstanden, um die Systematisierungsversuche von Metaphern als komplexe pädagogische Orientierung zu fokussieren.
Vor diesem Hintergrund haben Böhme und Hermann, gestützt durch die große Unterrichtslehre von Comenius, eine Übersicht der etablierten Metaphernfelder erstellt, auf die im Laufe der Arbeit zurückgegriffen wird, wobei dem organisch- botanischen Metaphernfeld alleinige Aufmerksamkeit zu Teil wird.
Das organisch- botanische Metaphernfeld, wurde besonders zur „Kennzeichnung reformpädagogischer Orientierung“ (Böhme, Hermann 2011, S. 22) herangezogen und wird insbesondere durch Rousseau begründet, „dass es der Organismus selbst ist, der die Idee des Guten verkörpert“ (Böhme, Hermann 2011, S.22). Den Raum der Idee des Guten nimmt dabei der Schöpferplan Gottes ein, der auf Verwirklichung zielt. In Verbindung mit dem Schöpferplan Gottes gilt es diesen und das im Menschen angelegte Programm pädagogisch bestmöglich zu entfalten. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nachvollziehbar, dass der Mensch bildlich als Samenkorn beschrieben wird. Wie bereits im vorigen Abschnitt herausgearbeitet wurde, nimmt Maria Montessori, gleichsam wie Rousseau, die religiöse Auffassung „eines vorbestimmten Entwicklungs- und Reifungsprozesses ab“ (Böhme, Hermann 2011, S.22). Ähnlich wie Rousseau, nimmt auch Montessori an, dass die Entwicklung eines Manschens, die zudem von den Bedingungen der Umgebung abhängt, die einer Pflanze gleicht. Um der Pflanze eine bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen, bedarf es einen Gärtner, der diese umsorgt und pflegt. Der Pädagoge, der im organisch- botanischen Metaphernfeld das Bild des Gärtners einnimmt, beherbergt das unverzichtbare Wissen, dem Menschen eine gelungene Entwicklung zu ermöglichen. Zu seinen Aufgaben gehören das Beschneiden von Wildwuchs, das Veredeln und das Stützen der Pflanze, um die Wachstumsrichtung dieser zu beeinflussen.
5. Videoanalyse:
5.1 Der pädagogische Raum im Hinblick auf das organisch- botanische Metaphernfeld von Hermann und Böhme
Die 1. Sequenz (Sek. 9-56):
Das erste Bild dieser Episode ist das, was als Erstes zu sehen ist, weshalb es stillgestellt und farbig ausgedruckt wurde. Dieser Ausdruck ist jener, den es nun zu interpretieren gilt. Das Zentrum des ersten Bildes in der vorliegenden Dokumentation wird auf der einen Seite durch eine Häuserlandschaft, die sich vom linken bis zum rechten Rand des Bildes erstreckt, auf der anderen durch eine vordergründliche Wiese, die zudem unbestritten ist, ausgeschmückt. Eine gräuliche Himmelsdecke rundet im Hintergrund das zum Auftakt bestimmte Bild ab.
Mit diesem ersten Bild setzt zeitgleich eine instrumentale Musik ein, die das Geschehen im Weiteren begleitet. Nach etwa einer Sekunde ist eine männliche Stimme zu hören, die derweilen berichtet: „Verborgen in einem kleinen Dorf im hessischen Vera-Meißen Kreis, lebt Familie Dudek. Schnitt. Ein weiteres Bild folgt. Nun wird vordergründig ein wildbewachsener, aber dennoch nach Nutzpflanzen geordneter Garten vorgestellt, der im Hintergrund durch einen hölzernen Zaun eingegrenzt ist. Am linken Bildrand befindet sich eine weiße, unauffällige Hausfassade. Zudem spricht die männliche Stimme erneut: „Trotz der in Deutschland herrschenden Schulpflicht, unterrichtet das Ehepaar seine Acht Kinder nun schon seit über 12 Jahren selbst Noch bevor der voice-over Kommentar beendet wird, folgt ein neues Bild, welches den Hauseingang der Familie Dudek zeigt. Links über einem der zwei im Hauseingang platzierten Fenstern befindet sich ein Schild mit dem Aufdruck: Jesus macht alles neu. Zudem ist unten rechts im Bild erneut ein hölzerner Zaun zu sehen. Währenddessen wird der Satz mit den folgenden Worten „(...) in ihrem kleinen bescheidenen Heim“ vollendet. Schnitt. Man sieht deutlich auf der linken Seite des Bildes eine grüne Pflanze, die von einem unscharfen, naturfarbenen Hintergrund umgeben ist. Die Stimme spricht weiter: „Man mag sich als Außenstehender die Frage stellen, wieso Eltern ihre eigene Karriere aufgeben (...)“ Erneut wechselt das Bild, noch bevor die Stimme jenen Satz beendet. Nun wird auf der rechten Hälfte des Bildes eine violette blühende Pflanze abgebildet, an dessen Nektar sich eine Biene bedient. Zeitgleich führt die Stimme den vorigen Satz weiter: „ (,..)und ihren Lebensstil komplett umstellen (.)“. Ein erneuter Wechsel erfolgt, sodass nun ein weiteres an der Hauswand befestigtes Schild in Nahaufnahme präsentiert wird. Es beherbergt ein von Christus getätigtes Zitat. „Ich bin die Auferstehung und das Leben“. Währenddessen beendet der Sprecher seinen Satz: „(...), um sich dieser Aufgabe annehmen zu können.“ Schnitt. Der schon zuvor bemerkte hölzerner Zaun ist erneut, aber diesmal in einer deutlich fokussierten Perspektive zu sehen. An ihm ist ein Schild befestigt, welches die Worte „Herr, Gott, du bist unsere Zuflucht für und für“ trägt. Dabei spricht die Stimme: „Hinzu kommt, dass Familie Dudek aufgrund der Verletzung der Schulpflicht kontinuierlich (...)“, wobei erneut ein Bildwechsel geschieht, bevor die Stimme den Satz beendet. Die Hausfassade, geschmückt mit einem weiteren Schild, welches erneut religiöse Aspekte aufweist, indem es „Jesus macht dich frei“ und „Sünde versklavt“ beherbergt, veranlasst den Sprecher, sein Kommentar fortzuführen: „(...) im Konflikt mit dem Staat steht, der mittels Geldes und angedrohten Haftstrafen (...)“. Ein letztes Bild, das Familienschild mit der Aufschrift „Familie Jürgen Dudek“, in Nahaufnahme beendet den letzten take mit den Worten „(.) immer wieder versucht, die Eltern zum Aufgeben zu zwingen.“ Schnitt. Man sieht zunächst die Hände, darauf das Gesicht und zuletzt den gesamten Körper eines Jungen, der Klavier spielt. Die Musik, die in den letzten drei takes hintergründig und leise war, wird nun lauter. Der Sprecher ist nun nicht mehr zu hören. Die Aufmerksamkeit liegt allein auf dem klavierspielenden Kind. Es folgt ein Sprecherwechsel. Nicht mehr die Kamera spricht, sondern einer der Akteure vor der Kamera, sodass ganz offensichtlich ein neuer Sinnabschnitt beginnt.
Im weiteren Verlauf werden die obigen aufgeführten takes näher betrachtet. Zunächst ist es offensichtlich, sowohl zu sehen, als auch zu hören, dass die vier genannten takes, auf der einen Seite durch Musik, auf der anderen durch den gesprochenen Text, zusammengehalten werden, weshalb sie eine Sinn-Einheit bilden. Der gesprochene Text hält die takes in Form einer Klammer zusammen. Während die Stimme erzählt, zeigt die Kamera für wenige Sekunden einige Bilder, die größtenteils zwei Elemente umfassen, nämlich jenes Element der naturbelassenen Umgebung, alsdann der religiöse Aspekt bzw. die religiöse Motivation der Familie. Anhand dieser thematischen Fokussierung gilt es nun, dass bereits erarbeitete theoretische Hintergrundwissen in den Kontext des Videos einzuarbeiten, um mögliche parallele Strukturen zu erkennen.
Die Abbildungen wurden aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt Beginnend mit dem voice-over Kommentar: „Verborgen in einem kleinen Dorf“, der zugleich die Dokumentation eröffnet, wird zeitgleich ein Bild vom pädagogischen Raum konstruiert. Durch den eröffnenden Kommentar wird eine doppelte Marginalisierung im Lebensraum grundgelegt, indem die handelnden Personen in einem kleinen Dorf, welches zudem im Verborgenen, fernab von weltlichen Perspektiven liegt, leben, sodass sie im Grunde in einem Raum leben, der verboten ist. So wird bereits zu Beginn der Dokumentationsvorschau ein scharfer Kontrast zum urbanen städtischen Raum zu Grunde gelegt, der besonders die Aufmerksamkeit des Interessenten zu wecken versucht. Der scheinbar marginalisierte Raum, in dem sich die handelnden Personen begeben, ist von einer weitläufigen Wiesenlandschaft begrenzt, was diesen Ort erneut vom Urbanen abzugrenzen versucht.
Das folgende Bild dieser Frequenz zeigt einen Garten aus Nutzpflanzen, der zwar geordnet, aber dennoch mit Wildwuchs und Unkraut befallen ist. Der Garten ist „ein sehr dominantes Bild für den pädagogischen Raum“ (Böhme, Hermann 2011, S.22) und eröffnet die Dimension, die vom Film konstruierte Umgebung in das von Böhme und Herrmann strukturierte organischbotanische Metaphernfeld als „Kennzeichnung reformpädagogischer Orientierung“ (Böhme, Hermann 2011, S.22) einzuordnen. Anhand der Darstellung des Gartens wird eine Analogie zwischen einem Nutzgarten und einem pädagogischen Raum hergestellt. Der hölzerne Zaun, der den Garten im Bildhintergrund begrenzt, entspricht Fröbels Annahme vom Garten Eden, als „pädagogisches Paradies“ (Braches- Chyrek, Röhner S.187), unberührt von äußeren Einflüssen, welches den Kindern eine heile Welt bieten sollte, in der Sorgen schwinden.
Take 4 und 5 dieser Sequenz, zeigen jeweils zwei differente Darstellungsweisen eines organisch- botanischen Metaphernfeldes, während der voice- over Kommentar erwähnt: „Man mag sich als Außenstehender die Frage stellen, wieso Eltern ihre eigene Karriere aufgeben (...)“. Auf der einen Seite findet erneut eine Marginalisierung des Raumes statt, indem die Stimme bewusst von „Außenstehenden“ spricht und zeitgleich eine Grenze zwischen jenen, die im vorliegenden pädagogischen Raum und jenen die außerhalb des verborgenen Dorfes leben, zieht. Auf der anderen Seite erfährt der Interessent visuell eine nun detailliertere, auch in Form der Kamerahaltung deutlich fokussierte Darstellung des Gartens. Take 5 zeigt in Nahaufnahme die Bestäubung einer blühenden Wildpflanze, zielt entsprechend auf natürliche, umweltorientierte Entwicklungs- und Reifungsprozesse und knüpft unmittelbar an Rousseaus Annahme an, „dass die Entwicklung des Menschen wie bei einer Pflanze von den Bedingungen der Umgebung abhängt“ (Böhme, Hermann, 2011, S.22). Vor diesem Hintergrund ermöglicht der in take 4 präsentierte Teich, eine für den Organismus notwendige Umgebung und ist Teil des Bildes der Welt als Pflanzstätte. (Vgl. Böhme, Hermann 2011, S.18).
Indem die Kamera im vollen Bewusstsein die Natur bzw. den Garten in das Zentrum der Dokumentationsvorschau gestellt wird, wird zugleich ein anthropologisches Bild des Menschen aufgeworfen. Die Natur, die seit dem 17. Und 18. Jahrhundert philosophischer Begriff ist, ist nicht allein biologischen Ursprungs, sondern das Ziel einer Substanzvorstellung, die die Bewegung des Lebens steuert. Die Natur als lebenssteuernde Bewegung bedingt ein Bild eines Kindes, welches sich aufgrund eines natürlichen Bauplans durch einen selbststeuernden Prozess entwickelt.
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- Anonymous,, 2019, Bedeutung christlicher Menschenbilder in der Reformpädagogik. Deutungsmuster bei den Bildungsansätzen der Freilerner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/956830
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