Inhalt:
Galy Gay, ein irischer Packer will einen Fisch kaufen. Gleichzeitig plündert eine Abteilung von 4 Soldaten einen Tempel. Der Tempelbesitzer hatte aber, für solche Vorfälle gerüstet, Fallen aufgestellt. Die Soldaten verfangen sich in den Fallen, einen von ihnen müssen sie die Haare abschneiden, um ihn frei zu bekommen. Damit sie mit ihren Kumpanen nicht auffallen, lassen sie ihn in einer Kiste versteckt zurück, um ihn in der Nacht die Haare komplett abzuschneiden.
Auf ihren Rückweg treffen sie aber auf einen sehr strengen Sergeanten, den "Blutigen F ünfer" der schon von der Plünderung gehört, die verbrecherische Abteilung sucht. Da sie nur zu dritt sind, fallen sie auf - sie können sich zwar herausreden, aber sie müssen jetzt zu einem Appell, können also nicht bis zum Abend warten. Sie wollen sich nun einen 4. Mann suchen, und Galy der zufällig sie Straße herunterkommt lässt sich überreden. Er geht mit ihnen ein Geschäft ein und spielt den 4. Mann. Nach den Appell wollen die drei nun ihren Kumpanen aus der Kiste holen, doch der Tempelwärter hat sie wegen starken Regens in den Tempel getragen und den Soldaten gefunden. Er liefert ihnen den Soldaten nicht aus, sondern will aus ihm Kapital schlagen indem er aus ihm einen Gott macht.
Die Soldaten sehen nun, dass sie Galy für länger brauchen, beschließen ihn "total umzumontieren wie ein Auto" (Mann ist Mann), damit er in die Rolle ihres ehemaligen Kumpels schlüpfen kann. Sie können Galy wieder mit einem Geschäft überreden, die eigene Persönlichkeit abzulegen und in die Rolle ihres Kumpels zu schlüpfen - Galy spielt sogar seiner eigenen Frau glaubhaft vor sie nicht zu kennen! Da aber unvorgesehens die stationierte Armee in den Krieg ziehen muss, bleibt wenig Zeit den Packer in einen Soldaten zu verwandeln und die drei verwenden nun eine List: Der handelsgeile Galy soll bei einer Versteigerung eines Elefanten (Attrappe!) als Besitzer zeichnen. Während er nun den Besitzer spielt, nehmen Soldaten ihn wegen Verdachts auf Verkauf von Heeresgut fest. Nebenbei "entdeckt" die Käuferin Begbick, dass ihr Elefant nur eine Atrappe ist. Mehrfach angeklagt wird Galy nun zum Tode durch Erschießen verurteilt. Somit wird er gezwungen seine eigene Identit ät als Galy abzulegen, und flüchtet in die schon bekannte Rolle des von ihm gespielten Soldaten. Um ihn aber restlos von seiner Persönlichkeit zu befreien, "erschießen" ihm die Soldaten - als er wieder als Soldat erwacht, wird gerade "Galy" zu Grabe getragen und Galy muss ihm eine Grabrede halten!
Aber in dieser Nacht wird auch eine andere Persönlichkeit durchleuchtet: Der "Blutige F ünfer" total angetrunken, und lüstern auf die Witwe Begbick erzählt, dass ihm der Namen deswegen verliehen wurde, da er fünf wehrlosen Hinduisten sinnlos erschossen hatte. Da sie nun wissen, dass er ein menschlicher Dreckhaufen ist, weiters zielt er sehr schlecht, haben sie jegliche Achtung vor ihm verloren.
Die drei Kameraden verfrachten ihren Neuen jetzt in den Zug, wo er einschläft. Als er am nächsten Morgen erwacht, liegt die Begbick neben ihn. Die anderen reden ihm nun ein, dass er mit ihr geschlafen habe, und weiters erklären sie ihm, er sei eine Zeitlang verwirrt gewesen und habe geglaubt er sei ein anderer. Als sie ihm letztendlich "seinen" Pass zeigen glaubt er schon fast, dass er wirklich Jip ist.
Als nun der frustrierte Fünfer erkennt, dass er durch seine Menschlichkeit und seine Gef ühle seinen Namen verloren hat, entmannt er sich selber, um nicht wieder einmal in Verlegenheit zu kommen und um seinen Namen zu behalten! Galy ist, als er das sieht, nun restlos davon überzeugt, dass Namen und Persönlichkeiten sinnlos sind -> Mann ist Mann.
Als sie bei der Festung ankommen, die sie zerst ören sollen, taucht der reelle Jip wieder auf - die drei kennen ihn aber nicht mehr, um nicht ihr Gesicht zu verlieren. Nur Galy erkennt die Not des Jip und schenkt ihm seinen alten Pass.
Im Kampf entwickelt sich der früher so friedliche und aufrichtige Galy zu der kriegsgeilen Kampfmaschine Jip, und vollendet somit seine Verwandlung vom Packer zum Soldaten.
Interpretation:
Brecht zeigt, dass für ihn eine Vereinbarkeit von individueller Selbstbestimmung und entfremdeter Gesellschaft undenkbar ist: Verweigerung oder Anpassung sind die einzigen Verhaltensm öglichkeiten, wobei Anpassung im Zeichen des Kollektivs in zunehmenden Ma ß positiv ist. Der Denkansatz war sicher der Weltkrieg: Der einzelne erreichte eingreifende Wirkung nur als Repräsentant vieler.
Mann ist Mann thematisiert den Verlust der Identit ät, und trägt mit den Stilmitteln der Groteske den alten Individualitätsbegriff zu Grabe. Das St ück selber ist der Übergang Brechts dramatischer Anfänge zu den Lehrstücken und weiter zum epischen Theater.
Das Stück zeigt, dass Krieg aus wirtschaftlichen Gründen geführt ist, und ein gesellschaftlich legalisiertes Verbrechen ist. Aber so kritisch auch die Armee als Form des Kollektivs dargestellt wird - die Anpassung des Galy wird als zweckmäßiges, den Zeitverhältnissen entsprechendes Verhalten dargestellt. Die Darstellung bedient sich der Groteske - ihr Prinzip ist Entstellung und Verzerrung die zugleich Entsetzen und Lachen bewirken. Wenn nun Brecht vorführt, dass ein Mensch "wie ein Auto ummontiert" wird, so mag das zuerst als groteske Überpointisierung klingen - aber es geht ja nicht nur um den Rollentausch Galys. sondern um die soziale Identit ät; aus dem friedlichen Packer mit weichem Gemüt, wird eine blutrünstige Kampfmaschine. Somit ist diese Aussage nicht übertrieben - nur in der Groteske wird sichtbar, was in der Realität ständig geschieht.
Der Titel des Stücks "Mann ist Mann" ist eine Setzung durch die scheinbar Besonderes zu Gleichem ummontiert wird. Galy ist als Problemlösung für die 3 Soldaten der ideale Mann - er ist zugleich gutmütig und schwerfällig. Seine Verhältnisse, die ihm zu wenig eigene Existenz gaben, ermöglichten es ihm nicht eine eigene Identit ät auszubilden; er hat nicht mehr zu verlieren als seinen Namen. Trotzdem bleibt er Realist - er kann nur durch ein Geschäft überredet werden. eine Verwandlung beginnt in dem Augenblick als der Mann der niemals Nein sagen konnte plötzlich sich selbst seiner eigenen Frau verleugnet. Somit werden die drei Gefühlsingenieure bestätigt: "Ein Mann ist wie der andere."
Das Geschäft (Elefantenverkauf) hat nur Scheincharakter: Der Elefant als Ware ist eine primitive Attrappe, aber dieser Schein ist Verfremdung des ökonomischen Prinzips und zeigt die Abstraktheit der Gesch äfte: Es kommt nicht auf den Gebrauchswert des Elefanten an, sondern um seinen Tauschwert. Galy handelt einfach nach dem Grundsatz "Geschäft ist Geschäft" und als er als Namenloser agiert, ist dies bereits eine weitere Abwendung von seiner früheren Personalit ät. Durch die Anklage wegen Verhökern von Armeegutes, und die daraus resultierende Todesangst, wird die Vitalität Galys auf den Überlebenswillen reduziert. Galy trennt sich nun von seinem Ich und übernimmt die Rolle im Kollektiv. Die Mechanik des Umbaus der Persönlichkeit wird weiters durch die Witwe unterstrichen, die als Gegenleistung verlangt, dass ihre Kantine "Zug um Zug" abgebaut wird. Das Geb äude der Persönlichkeit fällt somit parallel zur Kantine. Aber auch zwei andere Personen werden verwandelt: der Soldat Jip wird vom Mesner in einen Gott verwandelt, der "Blutige Fünfer" verliert sich in eine unwiderstehliche Sinnlichkeit, wo er als Zivilist bei der Witwe die kollektive Identit ät, sowie seinen Namen verliert.
Der Verlust des Namens ist somit ein durchgängiges Motiv im St ück. Galy kann sich aber nicht sofort von seiner alten Persönlichkeit trennen - er beleibt vorerst "der Beide". Seine Kumpanen versuchen ihn nun zu verwirren, aber den entscheidenden Schritt machte erst der demaskierte "Blutige F ünfer" der sich, um seinen Namen zu behalten, und ja nicht mehr Zivilist zu werden sich mit seiner Pistole entmannt. Galy merkt nun, dass seine Rückfälle gefährlich sind. Es gehört aber zu der Logik der Groteske, dass dieser Fall eigentlich das Gegenteil dessen lehrt, was Galy daraus gelernt hat. Denn Fairchild kämpft ja um seinen militärischen Namen, während Galy um seinen zivilen Namen kämpfte! In der Schlacht wandelt er sich komplett in eine Kampfmaschine und zwingt den zurückkehrenden Jip seinen alten Namen auf.
Weitere Themen: Religion ist ein Geschäft mit der Dummheit, kapitalistische Kriege sind kolonialistische Eroberungszüge, Kleinbürger sind durch ihren Besitztrieb verführbar, der Zwang zur Verhaltenskonformität zwingt zur Vernichtung persönlicher Widersprüche.
Interessant ist die Figur Galys gezeichnet: Er der als Anpasser erscheint ist in Wirklichkeit kein Schw ächling, sondern der st ärkste der Personen. Aber erst als er aufgehört hat eine Privatperson zu sein, er wird erst in der Masse stark. Interessant ist, dass er durch die Montage keinen Schaden nimmt, er gewinnt. Weiters zeigt Brecht auch, dass die Persönlichkeit eine Mythe ist, weil der Mensch in zwei unterschiedlichen Augenblicken nie der gleiche sein kann. Das außen sich wechselnde Umfeld zwingt den Menschen sich auch persönlich zu ändern - Galy dem dies klar gemacht wurde gewinnt. Außerdem konnte für ihm die Montage nur ein Gewinn sein, da er vorher selber keine wesentliche Persönlichkeit ausgebildet hatte.
Zur Aufführung: Brecht verwendete für die Soldaten Stelzen, Teilmasken und Drahtbügel: die Soldaten wirkten so als riesige Ungeheuer, weiters ist die Ummontage des Galy plastisch sichtbar. Mit dem Abbau der Pers önlichkeit im Stück hatte der "tragende Schauspieler" und seine Mimik keinen Platz mehr. Nicht umsonst wurden Masken verwendet.
Brecht zeigt hier weiters wie die kapitalistische Produktionsweise (Flie ßbandarbeiter) die bürgerliche Ideologie der Individualität negiert.
- Arbeit zitieren
- Walter-Ludwig Skolud (Autor:in), 1998, Brecht, Bertolt - Mann ist Mann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95483