In dem Text wird der Versuch vorgenommen, Musik als Integrale im Leben eines ganzheitlich entwickelten Menschen hervorzuheben, um deutlich zu machen, welche Bedeutungen die musikalische Entwicklung hat, wenn diese in die Lebenswelt
eines Kindes durch Erziehung, Bildung und dessen informelle Lebenswelt integriert wurde.
Das Thema Musik in den Kontext der menschlichen Entwicklung zu setzen ist im Ausmaß dieser Facharbeit nur in Teilbereichen möglich. Deshalb wird sich an dieser Stelle auf die thematische Abhandlung von der Geburt bis zur gesetzlichen Volljährigkeit beschränkt. Der Fokus liegt auch deshalb im theoretischen Teil der Arbeit auf Punkten, die dem Schreiber der Arbeit im pädagogischen Alltag bisher selbst begegnet sind und welche er, meiner geringen Erfahrung entsprechend, als wichtig empfunden hat. Es wird die Wirkung von Musik in entwicklungspsychologischen Aspekten der Kindheit untersucht und die gegenwärtige Umgangsweise mit Musik in der Elementarpädagogik in Deutschland betrachtet.
In Punkt 2.4 wird versucht, Betrachtungsweisen zu eröffnen, die bei der Entwicklung der eigenen Kultur von Kindern und vor allem Jugendlichen als wichtig empfunden werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die kindliche Entwicklung unter dem Aspekt Musik
2.1 Pränatalle und frühkindliche Entwicklungsstufen mit Bezug auf Musik
2.2 Musikalische Förderung in deutschen Kindertagesstätten
2.2 Musik als Teil der Kulturentwicklung von Kindern und Jugendlichen
3. Musik im Alltag sozialer Einrichtungen für Kinder
3.1 Projekarbeit mit Instrumenten
3.2 Musikalische Sinneserfahrungen mit einem mehrfach behinderten Kind
4. Musik als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Erziehung
4.1 Musikalisch ressoucenbewusstes Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen
4.2 Musik als Zugang zur Entwicklung der eigenen Lebenswelt
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." - Friedrich Nietzsche 115 Jahre nach dem Tod des deutschen Philologen und Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) emfpinde ich seine überlieferten Worte stimmig mit den Versuchen, Musik in meinem Leben differenziert zu betrachten. Meine Eltern boten mir immer Raum, Instrumente kennen zu lernen und schließlich entdeckte ich meine Leidenschaft zum Schlagzeugspiel. Das Musizieren mit anderen Singkreise oder Klanggeschichten, die als solche nicht mehr positiv wirksam waren. Ich beobachtete weiter und konnte so glücklicherweise immer wieder auch feststellen, dass Talente bei einzelnen Kindern erkannt wurden, dass Angebote auch durchaus effektiv gestaltet werden konnten und dass Singkreise gefeiert wurden. Allen voran aber immer nur einzelne Pädagogen, die ein Instrument gut beherrschten und persönlich ein grundsätzliches Interesse an Musik hatten. Meine Beobachtungen setzten sich dann insofern fort, dass ich ein vierwöchiges Praktikum in einer Einrichtung für mehrfachfachbehinderte Kinder und Jugendliche absolvierte. Es erschlossen sich mir nochmals neue und unerwartete Differenzierungen inerhalb der Musik: Musik als Mittel zur Kommunikation, als Ausdruck eines Menschen, dessen Möglichkeiten sich auszudrücken entweder rudimentär oder nicht vorhanden sind. Musik und Rhythmus als Herzschlag einer Gruppe, in der keiner mit dem anderen sprechen kann. Musik als Fenster zur Welt. Über die beruflichen Erfahrungen hinaus lernte ich als Schlagzeuger einer Band auch die Faszination einer alternativen Musikszene kennen. Hier erlebte ich Musik als Zugang zu Politik und kritischem und das Hören von Musik auf Konzerten wurde somit Teil meiner Persönlichkeitsentwicklung und für diese auch maßgeblich. Musik als Teil meiner Kultur, meines Alltags, meiner Emotionen, meiner Hobbys, meiner Familie, meiner Freunde und Freuden. Eine weitere Differenzierung der Thematik in meinen Gedanken und somit eine neue Sichtweise auf die Musik, kam zustande als ich von 2011 bis 2012 in einer Bewegungskindertagesstätte ein FSJ absolvierte. Die Musik erschloss sich mir als potenzielles Mittel zum Lernen und als Zentrum für Freude und Zusammenkunft innerhalb einer Kindertagesstätte. Bereits hier entdeckte ich eine intrinsische Motivation bei den Kindern zu singen, sowie Rhythmen zu folgen und zu machen, die ich so nicht erwartet hatte. Diese Motivation wurde von den Erziehrinnen oft wahrgenommen und unterstützt, aber meines Erachtens nach wurde sie selten wirklich ernst genommen und wenig ernsthaft als Ressource versucht auszuschöpfen. Auch in zwei weiteren Kindertagesstätten, die ich während der Ausbildung zum Erzieher kennenlernen durfte, wiederholten sich meine Beobachtungen. Diesen Sachverhalt betrachtete ich zunehmend kritisch. Immer wieder erlebte ich Musikangebote, Denken, als Teil der Entwicklung meiner eigenen Kultur und als Ort, an dem gleichgesinnte, junge Menschen ihre Identität suchen konnten. Im Folgenden möchte ich diese Erfahrungen fachlich beleuchten. Es folgt der Versuch, Musik als Integrale im Leben eines ganzheitlich entwickelten Menschen hervorzuheben, um deutlich zu machen, welche Bedeutungen die musikalische Entwicklung hat, wenn diese in die Lebenswelt eines Kindes integriert wurde.
2. Die kindliche Entwicklung unter dem Aspekt Musik
" Die Kunst ist die intensivste Form des Individualismus, die die Welt kennt. " - Oscar Wilde Mit Oscar Wildes Worten, die er als bedeutender Schriftsteller im 20. Jahrhundert gegenüber der Kunst als ganzes verlauten ließ, identifiziere ich meinen Standpunkt zur Musik. Dass die Menschheit also Kunst als Ausdruck ihrer Selbst benötigt, leitet mich zu dem Gedanken, dass Musik, wenn sie einem Menschen als Ausdrucksform verwährt bleibt, ein fehlendes Stück Entwicklung ist. Dass Menschen unterschiedlichste Kunstformen zum Ausdruck von Emotionen kennen, ist immer wieder im Alltag ersichtlich, zu hören oder zu lesen. Gerade gehörlose Menschen nutzen andere Formen des Ausdrucks wie Malerei oder die plastische Kunst. Jedoch funktioniert immer wieder die Musik um große Gruppen zu verbinden, Platz für negative wie positive Emotionen zu schaffen, Kritik in jeder Form zu üben, und vor allem jedem Menschen eine Basis zu schaffen, seine Bedürfnisse selbstbestimmt auszudrücken und sei es "nur" durch das Lernen eines Instruments. Musik ist also im weitesten Sinne Teil eines ganzen Menschen. Der Blick auf eine pädagogische Definition des Wortes Ganzheitlichkeit, setzt dieses in den folgenden Auseinandersetzungen mit der Thematik, in den Kontext, dass einem Menschen ohne Musik im grundsätzlichen eine elementare Ausdrucksform fehlen kann: "Ganzheitlichkeit bezieht sich in der Pädagogik auf einen neurophysiologisch fundierten, integrativen Bestandteil handlungsorientierter Konzepte. Sie geht von der Reformpädagogik aus und betont neben den traditionell privilegierten kognitiv-intellektuellen Aspekten auch körperliche sowie affektiv-emotionale Aspekte. Ganzheitliches Lernen ist ein Lernen mit allen Sinnen, mit Verstand, Gemüt und Körper."1 Die im Titel genannte ganzeitliche Erziehung bedeutet auf den folgenden Seiten also auch immer eine moderne Sichtweise auf die Pädagogik miteinzubeziehen. Aus der historischen Entwicklung der Pädagogik, beginnend u.a. mit bekannten Reformpädagogen wie Jean-Jacques Rousseau, entstanden Sichtweisen auf die Entwicklung eines Kindes, die voraussetzen, dass eine Lernsituation geschaffen wird die, der Idee des Situationsansatzes entsprechend, allumfassend ist. Um meine These zu verdeutlichen, dass ohne eine musikalische Entwicklung einem Menschen ein universeller Lernzugang fehlen würde, benutze ich im Titel die Beschreibung des integralen Bestandteils. Musik als einen Bestandteil der menschlichen Entwicklung, der einen Menschen erst zu dem macht, wonach er strebt. Menschen aller Länder und Kulturen wollen glücklich Leben, sich mitteilen, anderen zuhören, sich weiterbilden und haben großflächig das Bedürfnis über sich selbst hinaus zu denken. Ich behaupte, dass Musik neben vielen anderen Inhalten der Entwicklung, ein elementares Bedürfniss im Mensch ist, was aus der Evolution nicht wegzudenken ist, also integral im System Mensch ist. So erfreue Ich mich an der bildhaften Vorstellung, dass die Entwicklung eines Kindes zu einem erfahrenen Erwachsenen, bis an sein Lebensende, wie der Aufbau und die Einrichtung eines Raumes aussehen könnte: Im Kindesalter werden die hoffentlich starken, Mauern gebaut um einen sicheren Lebensraum zu garantieren, es werden Fensteröffnungen gelassen, dass das Kind einen eigenen Blick nach außen werfen kann, es folgt die Sprachentwicklung als Tür zur Außenwelt und so kann das Kind sich den Raum bis an sein Lebensende einrichten. Der Mensch wächst und richtet sich heimisch ein, deckt sich mit Wissen und Erfahrung ein und erfreut sich daran, seinen Raum nach freien Stücken einrichten zu können. Hat ein Mensch das Privileg eine musikalische Entwicklung zeitlebens zu druchlaufen, so bedeutet das für mich der Bau eines besonders großen Fensters in den besagten Raum. Die musikalische Entwicklung in all ihren weitreichenden Dimensionen wirft den Raum und dessen Einrichtung in ein helles und klares Licht. Sie bietet dem Bewohner, der Protagonist seiner eigenen Entwicklung hierbei ist, die Möglichkeit die gelernten und angeigneten Dinge, die sich in seinem Raum der Entwicklung befinden, in einem Licht zu sehen, welches die Ästhetik der Dinge hervorhebt. Wenn Musik als Integrale in der menschlichen Entwicklung verstanden wurde, dann kann sie vor allem das Gleichgewicht von Disziplin und Leidenschaft herstellen. Dieses Gleichgewicht führt in den meisten Facetten des Lebens zu einer positiven Entwicklung: In Liebe, Politik, Arbeit, Kunst und in der allgemeinen Lebensgestaltung ist die Balance zwischen Disziplin und Leidenschaft maßgeblich. Ob als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener – jeder, der ein Instrument spielt weiß, dass nur diese Balance zum positiven Erfolg führt. (vgl. Barenboim 2010, S.5)² Eine differenzierte Sicht, auf die weitreichenden Auswirkungen der musikalischen Entwicklung eines Menschen, hat bereits Wissenschaftler, Philosophen, Dichter, sowie natürlich Künstler selbst in ihren Bann gezogen. Es wurden Bücher geschrieben, die Musik bis in die tief erforschten Bereiche unseres Gehirns zurückverfolgen, die die historische Entwicklung der menschlichen Musik bis in die Steinzeit zurückverfolgen und Bücher, welche die emotionale Wirkung von Musik philosophisch großflächig behandelt haben. Auch pädagogisch wurde die Präsenz von Musik nicht nur als Kunst- oder Ausdrucksform anerkannt, sondern inzwischen als ernstzunehmender Zugang zum Lernverhalten eines Menschen erkannt. Ich will festhalten, was bereits deutlich wurde: Das Thema Musik in den Kontext der menschlichen Entwicklung zu setzen ist im Ausmaß dieser Facharbeit nur in Teilbereichen möglich. Ich möchte deshalb an dieser Stelle meine thematische Abhandlung von der Geburt bis zur gesetzlichen Volljährigkeit beschränken. Der Fokus liegt auch deshalb im theoretischen Teil der Arbeit auf Punkten, die mir im pädagogischen Alltag bisher selbst begegnet sind und welche Ich, meiner geringen Erfahrung entsprechend, als wichtig empfunden habe. Ich beleuchte die Wirkung von Musik in entwicklungspsychologischen Aspekten der Kindheit und beschreibe die gegenwärtige Umgangsweise mit Musik in der Elementarpädagogik in Deutschland.
In Punkt 2.4 versuche ich Betrachtungsweisen zu eröffnen, die ich bei der Entwicklung der eigenen Kultur von Kindern und vor allem Jugendlichen als wichtig empfinde.2
2.1 Pränatalle und frühkindliche Entwicklungsstufen mit Bezug auf Musik
"Alles, was in die Tiefe geht, ist klar bis zur Durchsichtigkeit." - Leo Tolstoi Der russische Schrifsteller Leo Tolstoi schrieb diesen Satz 1899 in eins seiner Tagebücher, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er in Verbindung mit pränataler Wahrnehmung gebracht werden könnte. Musik geht in die Tiefe, sei es beim extatischen Instrumentalspiel oder beim konzentrierten Hören eines Liedes. Sie geht jedoch auch schon vor der Geburt eines Menschen in die Tiefe. Bereits vor über tausend Jahren gab es in China eine Art Pränatalklinik, in denen optimale Bedingungen während der Schwangerschaft für die Mütter garantiert wurden. Entspannung, Gesundheit und ein ausgeglichenes Seelenwohl der Mutter waren also schon in frühster Historie ein Zeichen für einen gesunden Säugling. Weil Menschen durch viele Epochen die Schönheit des Instrumentalspiels erkannt haben, eröffnete sich auch die Idee, dass das Wohlgefühl der Musik auch dem Kind im Bauch der Mutter zugute kommen könnte. Die moderne Forschung und Medizin trug diese Idee fort und forschte in verschiedenen Richtungen der pränatalen Phase weiter. So konnte durch eine Vielzahl von Forschungsergebnissen festgestellt werden, dass ein Fötus hören kann und dass er Gefühle der Mutter, während eines Liedes oder einer Melodie, auch nach der Geburt mit seinen eigenen in Verbindung stellt. Es konnte durch eine Habituierungsstudie (Habituation = psychische Gewöhnung) von einem Forschungsteam um Cathelijne van Heteren sogar festgestellt werden, dass ungeborene Säuglinge Töne Lernen können und diese in einem Kurz- und Langzeitgedächtnis speichern können (vgl. Spitzer, 2002 S.143)3. Wollen Eltern die Entwicklung ihres Kindes musikalisch begleiten, so können sie dies also schon vor der Geburt tun. Ob sie dies bewusst tun oder nicht spielt keine Rolle, denn eine gewisse Lautstärke, eine Musikrichtung, eine Dauer oder eine Tonlage ist ausschließlich davon abhängig, ob sich die Mutter dabei wohlfühlt und glücklich ist. Zu erkennen ist das beispielsweise an der Reaktion, die ein geborenes Kind bei Musik zeigt, wenn diese von der Mutter während der Schwangerschaft gehört wurde oder wenn sie selbst musizierte. Ein sehr aussagekräftiger Versuch stammt von Professor Peter Hepper von der School of Psychology an der Queen's University in Belfast. Er unterteilte werdende Mütter in zwei Gruppen: Eine Gruppe schaute die Serie "Neighbours" gerne und regelmäßig, die andere Gruppe nicht. Das Ergebnis nach der Geburt der Kinder war eindeutig: Da die Mütter, welche die Serie gerne schauten sich während der Sendezeit entspannten und zurücklehnten, assoziierten die Kinder mit der Titelmelodie der Serie Entspannung, da sie sich durch die Position der Mutter im Bauch besser bewegen konnten. Die Gruppe Kinder, deren Mütter die Serie nicht schauten, zeigten keine Reaktion auf die Titelmelodie (vgl. Spitzer 2002, S.146). Diese Erkenntnisse der Forschung deuten in vielen Dimensionen daraufhin, dass Musik bereits einen ungeborenen Menschen positiv in seiner Enwicklung prägt. Nach einem kurzen Exkurs in die pränatale Phase der menschlichen Entwicklung muss jedoch auch deutlich werden, wie sich die musikalische Wahrehmung von Geburt an weiterentwickelt. Musik in den Ohren eines Kindes bedeutet zunächst nicht ein geschriebene Komposition, sondern mehr Tonabfolgen, Geräusche, rhythmische Veränderungen wie Schritte oder Klopfen, aber vor allem die Stimmen der Eltern. Das erste, das ein Kind im Bauch der Mutter hört ist die Stimme der Mutter. Sie hat einen extrem deutlichen Wiedererkennungswert für das Kind und diesen hat es ein Leben lang. In den ersten sechs Monaten eines Menschenlebens kann Musik für die Entwicklung selbst schon einen Stellenwert besitzen, da das Kind seine eigene Stimme mit "Gebrabbel" entdeckt. Tonhöhen der eigenen Stimme werden getestet und erkannt, die Stimme wird mit unterschiedlicher Intensität gefordert. Musik kann also schon in den ersten Lebensmonaten als Erkennungsmuster dienen, nachdem sich der Säugling stimmlich orientiert. In den folgenden drei Jahren entwickelt sich ein Kind mit sehr hoher Geschwindigkeit. Zwischen dem sechsten und zwölften Monat erweitert sich das Erfahrungsfeld Musik stetig. Dreiklangmelodik ergibt nun Sinn für das Kind und es orientiert sich an Imitation und Intonation verschiedenster Sprachlaute. Auch einzelne Töne können nun schon nachgesungen werden, was deutlich macht, wie früh bei einem Kind ein deutliches Verständnis von Melodien vorhanden ist. (vgl. Hirler 2006)4 Die Aussage vieler Eltern, ihr Kind sei einfach nicht musikalisch, ist für mich hiermit enkräftet, denn das gleiche Entwicklungsmuster gilt für die rhythmische Entwicklung. Von einer angeborenen Unmusikalität auszugehen ist faktisch nicht korrekt, da bekannt ist, dass jedem gesund entwickelten Kind die Wahrnehmung und die Gehirnleistungen gegeben sind, dass es eine Sprache entwickelt. Da die, eben bruchstückhaft beschriebenen Aspekte einer Sprachentwicklung gleichzusetzen sind mit einer Intonation, also einer Sprachmelodie, sowie einer automatischen Rhythmik der Wortlaute, erfolgt meines Erachtens bereits eine gewisse Musikalität aus der reinen Entwicklung der Sprache. Diesen Gedanken befestige ich an der Aussage des Wilfried Gruhns (Prof. em. Für Musikpädagogik an der Musikhochschule Freiburg), der sich auf lernpsychologische Betrachtungsweisen Piagets bezieht. Zuvor stellt er die Kopplung von Gehör und Stimme ins Zentrum frühkindlicher Sprachentwicklung und schreibt dazu: "Dabei wird eine beständige Anpassung der Stimmorgane an die wahrgenommenen Laute notwendig (Piaget spricht lernpsychiologisch vom Vorgang der Akkomodation), während das Vergnügen, immer wieder Laute zu hören, zur Immitation dieser Laute führt (Piaget spricht hier von Assimilation durch Wiederholung). (...) Durch den Vorgang der Aufnahme (Assimilation) und der Anpassung (Akkommodation) von Klängen wird die im Geiste abgebildete Klangwelt differenzierter und führt so zur Unterscheidbarkeit ähnlicher Lautgebilde." (Gruhn 2003, S.37-38)5 Aus dem Erfolgserlebnis eines Kindes sich immer ausgiebiger mitteilen zu können resultiert auch eine gewisse Freude, ein Vorteil. Bei einer gesunden Sprachentwicklung sind Melodie und Rhythmus und somit Musik demnach bereits enthalten. Ein weit verbreiteter Gedanke vieler Eltern: Freude und Talent an Musik sind "einfach in die Wiege gelegt" oder "es liegt eben in den Genen". Mein Standpunkt in dieser Hinsicht ist jedoch, dass Musikalität von Eltern und Pädagogen bewusst in die Wiege gelegt werden kann, immer mit einem Blick für das Bewusstsein der frühkindlichen Sprachentwicklung. Kehrt man den Gedanken um, so folgt aus den genannten Aspekten und Beispielen die Tatsache, dass die Sprachentwicklung durch Musik erheblich gefördert wird. Daraus folgt, dass die Fähigkeit sich mitzuteilen dem Kind eher gegeben sind, wenn sein Entwicklung musikalisch begleitet wird. Die Fähigkeit uns mitzuteilen und dadurch unseren Bedürfnissen zu folgen ist eine Grundvoraussetzung für das Leben in unserer Gesellschaft.
2.2 Musikalische Förderung in deutschen Kindertagesstätten
Um meinem theoretischen Gedanken zu folgen, dass Musik einen integralen Bestandteil in der Entwicklung eines Kindes einnimmt, möchte ich im folgenden Punkt deutlich machen, wie die musikpädagogische Gegenwart in Deutschland grob zu betrachten ist. Wie in Punkt 2 bereits erwähnt, ist auch hier zu berücksichtigen, dass es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, alle Vorgänge und Aspekte ausführlich zu beleuchten. Alle Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet ihr Bildungssystem so zu strukturieren, dass für alle pädagogischen Berufszweige ein Plan vorliegt, an dem sich Fachkräfte zu orientieren haben und der versucht alle wichtigen Punkte von Bildung, Erziehung und Betreuung abzudecken. Die praktischen Empfehlungen im musikalischen Bereich der "Bildungs- und Erziehungsempfehlung für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz" lautet z.B. : "Kinder sollen die Möglichkeit erhalten: Tonhöhen und -tiefen sowie Lautstärken unterscheiden zu lernen, Rhythmus und Takt zu erfahren, die eigene Stimme und den Körper (Klatschen, Stampfen, etc.) als Musikinstrument zu entdecken und damit zu experimentieren, Lieder kennen zu lernen und gemeinsam zu singen (dabei ist auch traditionelles Liedgut zu berücksichtigen, damit auch gemeinsam mit Eltern und Großeltern gesungen werden kann, sowie das Liedgut anderer Länder und Kulturen), Musikinstrumente kennen zu lernen und selber zu bauen, verschiedene Musikrichtungen zu hören und die Vielfalt musikalischen Ausdrucks kennen zu lernen. Dies geschieht mit dem Ziel, Kindern die Gelegenheit zur Entfaltung ihrer musikalischen Anlagen zu geben, ihnen zu ermöglichen, eigene Gefühle und Erfahrungen musikalisch auszudrücken und darüber hinaus einen Zugang zur Musik zu finden."6 Es wird also dazu angehalten, Kindern musikalische und rhythmische Grundkompetenzen beizubringen um eine Basis zu schaffen, dass Musik in deren Leben stattfinden kann. Mit Blick auf Kinder, deren soziales Umfeld eine Förderung der Musikalität nicht bieten kann, ist diese staatliche Aufforderung zur musikalischen Bildung sehr fortschrittlich. In der (Elementar-)pädagogischen Landschaft sind des Weiteren noch viele Angebote, Projekte, Initiativen und Ideen zur Umsetzung von Musikpädagogik zu finden, deren Umsetzung täglich in deutschen Einrichtungen stattfinden. Ein wichtiges Resultat der Umsetzung des Situationsansatzens, der seit den siebziger Jahren die pädagogische Fachwelt stark prägt, ist das stetig wachsende Bewusstsein für die Rhythmik, die sehr stark in Verbindung mit musikalischer Entwicklung steht, denn "Da rhythmische Spielformen eine Kombination aus verschiedenen Methoden, Interaktionsformen und Modalitäten mit Musik, Sprache und Bewegung sind, regen sie auf spielerische Weise die taktil-kinästhetische, propriozeptive, auditive und visuelle Wahrnehmung an und fördern unter anderem die sensorische Integration und dadurch wiederum die Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung."(Hirler (2009), S.41)7 Singkreise, Instrumente, Musikangebote und die eben erwähnte Rhythmik, die in vielen Alltagsbereichen Platz finden kann, sind in den meisten Kindertagesttätten Praxis. Entsprechende Fortbildungen für Pädagogen sind in Bereichen der Musikpädagogik und der Rhythmik vielerorts Angeboten, so finanziert das Ministerium für Bildung und Forschung beispielsweise eine Fortbildung zum Thema Musikalisch – kulturelle Bildung in der Kita, das "MuBiKi"8. Solche Bildungsangebote für Pädagogen werden der Fachwelt zur Verfügung gestellt von Ministerien oder z.B. dem Deutschem Musikrat, dessen Wirken im vor allem politischen Sinne dafür verantwortlich ist, dass Musikpädagogik eine Platform im Bildungssystem hat. In unserer gegenwärtigen Demokratie gibt es also Kanäle und Institutionen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Musik als Bildungszugang in das Leben der Menschen zu integrieren. Um meine These zu untermauern, dass Musik einen integralen Stellenwert in der Entwicklung eines Kindes hat, ist hier deutlich zu sagen, dass die Umsetzung dieser Integration in der Verantwortung jeder einzelnen Fachkraft liegt.
2.2 Musik als Teil der Kulturentwicklung von Kindern und Jugendlichen
"Das Verhängnis unserer Kultur ist, dass sie sich materiell viel stärker entwickelt hat als geistig. Ihr Gleichgewicht ist gestört." - Albert Schweitzer Im folgenden will Ich kurz verdeutlichen, welchen Stellenwert musikalische Bildung für Kinder und Jugendliche für deren Kulturentwicklung haben kann, wenn Musik einen Platz in ihrem Horizont eingeräumt wurde. Ich will nicht auf die Übermittlung musikalischen Kulturguts oder kulturellen Aspekten in Verbindung mit Musik eingehen, sondern viel mehr verdeutlichen, welche weitreichenden Auswirkungen eine ganzheitliche Musik- vor allem aber Instrumentalpädagogik haben kann, wenn das Kind sich musikalisch entwickelt hat. Musik mit anderen bedeutet immer auch Kommunikation und Exploration mit dem eigenen Umfeld. Z.B. Ein Ensemble ist keines, wenn die Beteiligten nicht aufeinander hören und achten. So entwickelt sich beim musizieren auch mit der eigenen Stimme die Eigenschaft, sozialkommunikative Prozesse eigenständig einzuleiten um diese für die Selbstbildung zu nutzen (Doerne, 2010. S.20)2. Allein diese Eigenschaft kann, projiziert auf andere Lebensbereiche, die Entwicklung der eigenen Kultur und der eigenen Bildung enorm beeinflussen. Andreas Doerne, Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik in Freiburg, schlussfolgert in seiner Dissertation über umfassendes Musizieren: "Jede noch so unscheinbare Spielgeste kommuniziert, jeder interpetatorische Gedanke ist das Resultat einer kommunikativen Auseinandersetzung, jede emotional aufgeladene musikalische Äußerung ist eine Mitteilung an die Umwelt – sei sie nun programmatischer oder selbstoffenbarender Art." (Doerne, 2010. S.93) Diese folgende Eigenschaft eines musikalisch entwickelten Menschen erachte ich als absolut und maßgebend, bei der Entwicklung eines Bewusstseins für Kultur und die eigene Umwelt. Herrscht ein solches Bewusstsein, so ist dem Mensch ein Zugang zur Welt geöffnet, die sich auf sein Lernverhalten noch im Erwachsenenalter als sehr prägend darstellen kann (siehe auch Punkt 3.2). Um diesen Aspekt mit der Entwicklungspsychologischen Ganzheitlichkeit in einen Kontext zu setzen, ein deutliches Beispiel aus Venezuela: Bereits 2008 schrieb der deutsche Journalist, Musiker und Musikwissenschaftler Wolfram Goertz in der Wochenzeitung "Die Zeit" über eine Entwicklung in einem Land, in dem Kriminalität, Drogenhandel und Arbeitslosigkeit weitaus vorherrschender sind, als in westlicher entwickelten Ländern. Die Initiative, beschäftigungs- und perspektivlose Kinder aus Städten Venezuelas zu kleinen Ensembles zusammenzubringen und mit ihnen klassische Musik zu spielen, hat mehr als nur ein positives Erfolgserlebnis zu verbuchen. Durch die zahlreichen Beispiele von Kindern und Jugendlichen, die durch das gegründete Orchester einen Weg aus der Kriminalität und Bildungsferne gehen konnten, beschloss die Regierung Venezuelas die dafür verantwortliche Stiftung "Sistema" mit jährlich 29 Millionen zu unterstützen. Letztendlich schlossen sich Pädagogen, Eltern, Kommunen, Politik und auch die Kinder selbst zusammen, um die Integrale Musik zu nutzen, um Lernzugänge zu schaffen. (vgl. Goertz 2008)10
3. Musik im Alltag sozialer Einrichtungen für Kinder
Wie in der Einleitung bereits umschrieben, habe ich während meiner pädagogischen Ausbildung die Musik immer wieder nur als Randfigur erlebt. Abgesehen von der fachschulischen Ausbildung, in der die Musikpädagogik als Lernzugang dargestellt wird, habe ich im praktischen Alltag Musik immer wieder gesucht, aber nur in Teilen gefunden. In den folgenden Punkten will ich nun erläutern, wie Ich Musik in Einrichtungen, in denen ich praktisch arbeiten durfte als ganzheitlichen Lernzugang versucht habe zu nutzen. Dies geschah nach eigenem Ermessen und meinen damaligen Kenntnissen entsprechend. In einer integrativen Kindertagesstätte lernte ich, den Kindern Instrumente und Rhythmen über möglichst viele Wege der Wahrnehmung ins Bewusstsein zu holen. In einem sozialpädagogischen Wohnheim für mehfachbehinderte Kinder und Jugendliche bekam ich Einsicht in die Wirkungsweise von Musiktherapie. Mit Blick auf die Punkte 2 bis 2.3 versuche Ich die Idee des musikalischen Lernens mit allen Sinnen in den Kontext meiner bisherigen Erfahrungen zu stellen. Ich will verdeutlichen, wie positiv die Arbeit mit Musik war, wie positiv sie aufgenommen wurde aber vor all dem will ich verdeutlichen, wie wichtig Musik sein kann, wenn man sie als Zugang zu einem Menschen benutzt.
3.1 Projekarbeit mit Instrumenten
"Mama hat in der Kreisdingsbumsschule angerufen, ich bekomm' jetzt Schlagzeugunterricht! - M. 4 Jahre Im Oberkurs meiner Ausbildung arbeitete Ich während des Praktikumsblocks in der Integrativen Kindertagesstätte des Caritas Förderzentrums St. Laurentius & Paulus in Landau. Zum Zeitpunkt des Praktikums war nur ein Kind mit integrativem Förderbedarf in der Gruppe, weshalb ich den Aspekt der musikalischen Integrationsarbeit behandeln konnte, da das Kind während meines Projekts aus mehreren Gründen in der Gruppe blieb. Die Idee des Projekts war, fünf Kindern zwischen 4 und 6 Jahren Instrumente nahezubringen, sodass sie diese selbst im Projektcharakter weiterverfolgen konnten, um sie kennenzulernen, sie zu spielen, um sie dann vielleicht sogar gezielt zu nutzen. Grundstruktur des Projekts war eine Einleitung, während der Ich den Kindern ein Lied vorspielte, aus dem sie die Instrumente heraushören sollten. Die Menge an Instrumenten in einem Lied war vielen Kindern bis dahin noch nicht bewusst und so konnte durch das Ritual, bei Beginn des Projekts, bereits das musikalische Gehör geschult werden. So war es für die Kinder eine Höchstleistung der Konzentration, den Musikern des Buena Vista Social Club zuzuhören und alle sechs Hauptinstrumente herauszuhören. Allein die darauf folgende Diskussion über die möglichen Instrumente war eine Sozialkommunikative Herausforderung für alle, denn es galt die Wahrnehmung einer Möglichkeit des anderen zu respektieren. Auf diese Übung folgte ein Rätsel: Das jeweilige Instrument, welches Ich den Kindern an den Tagen vorstellen wollte, lag immer unter einer Decke, sodass nur dessen Form erkennbar war. Sie durften tasten, klopfen und Vermutungen anstellen. Wenn ein Kind dann richtig lag, durften die Kinder die Decke beiseite legen und das Instrument wurde mit allen Sinnen wahrgenommen. In den Folgenden Minuten lenkte ich dann immer das Interesse mit Impulsfragen auf das Material, die Eigenschaften, die Lautstärke, die Form, das Gewicht, den Geruch, die Spielweise, usw. Am ersten Tag entdeckte ich mit ihnen alle in der Kita vorhandenen Orff-Instrumente und Percussions (Rasseln, Woodblocks, Metalophone, Shaker, Maracas und Orchesterbecken). Nach dem experimentieren und eigenständigen Entdecken, leitete ich die Kinder dazu an, mit mir zusammen einen Sprachvers zu üben. Dazu durfte sich jeder ein Instrument auswählen um den Rhythmus mitzuhalten. Nachdem wir den Sprachvers über zwei hungrige Elefanten dann provisorisch eingeübt hatten, gab ich ihnen noch einen "BigMac" (Sehr leicht zu bedienendes Aufnahmegerät für die Arbeit mit Kindern und behinderten Menschen), damit Sie das aufnehmen konnten, was sie produziert hatten. In den folgenden zwei Tagen lief das Projekt mit dem gleichen Ablauf, nur mit anderen Instrumenten ab. Dienstags durften die fünf ein Schlagzeug wie ein großes Puzzlespiel zusammenbauen und darauf spielen und Mittwochs brachte ich eine elektrische Gitarre und eine Ukulele mit. Ganz im Sinne der Zielsetzung der klassischen Projektarbeit führte das explorative Verhalten und ein sehr hohes Interesse an den Instrumenten dazu, dass die Kinder das Projekt mit eigenen Ideen bereicherten. So brachten zwei Kinder eine Blockflöte und eine Triola mit, woraufhin ich diese zwei Kinder vor dem Projekt dazu bringen konnte, dass sie ihr eigenes Instrument von zuhause den anderen Kindern im Projekt als "Experten" vorstellten. Vor den anderen zu sprechen, sich zu erklären und eine Position einzunehmen, in der Sie diejenigen waren, die etwas vermittelten, war für die beiden Kinder eine große Herausforderung, eine Übung in Mut und Disziplin und im Nachhinein für beide ein Erfolgserlebnis, das ich auch in einer Lerngeschichte für sie dokumentierte. Während dieses Angebots trat für mich immer wieder der Spaß, den die Kinder beim Lernen und entdecken von Instrumenten hatten, in den Vordergrund. Das Ziel einen Rhythmus auf einem Instrument halten zu können oder eine Melodie auf einem Instrument zu erzeugen, war für die Kinder eine Sinneserfahrung, die zwischen Gruppenalltag und Freispiel ihresgleichen suchte. Bereits nach dem zweiten Tag waren die positiven Assoziationen, jene die Kinder mit dem Wort "Musikprojekt" hatten so groß, dass sie sich das Projekt gruppenübergreifend unter den Kindern herum sprach. Ein Junge im Alter von 4,8 Jahren bewies an den Rhythmusinstrumenten eine altersuntypische Koordinationsfähigkeit, woraufhin ich seiner Mutter empfehlen konnte, sich mit der Kreismusikschule in Verbindung zu setzen (siehe Zitat oben). Zu Beginn des Praktikums wurde mir gesagt, dass das Thema Musik in allen Gruppen nur wenig bis garnicht behandelt wurde. Musikgestalterische Elemente des Alltags waren ein Singkreis, der in unregelmäßigen Abständen stattfand und vereinzelt Lieder in den Morgenkreisen. Mit Blick auf diesen Umstand (bzw. Missstand) wurde mir deutlich, was ich in der Einleitung bereits erwähnte: Um durch Musik bei Kindern als einen Lernzugang zu schaffen, müssen Pädagogen im Team sein, deren Musikalität entsprechend ausgebildet ist, oder deren Interesse daran ausreichend motiviert.
3.2 Musikalische Sinneserfahrungen mit einem mehrfach behinderten Kind
Im Orientierungspraktikum des Unterkurses hatte ich vier Wochen Einblick in die Arbeit in einem sozialpädagogischen Wohnheim für mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche. Die pädagogische Arbeit dort unterscheidet sich in wesentlichen Punkten zu der Arbeit mit nicht behinderten Kindern. Die meisten Kinder haben starke Wahrnehmungseinschränken, meist dadurch, weil sie ihren Bewegungsapparat nicht selbst steuern können oder weil sie blind, taub oder geistig schwer behindert sind. Die zentrale Pädagogik dreht sich also darum, einen geregelten Alltag und ein Umfeld zu gestalten, dass den Kindern trotz ihrer enormen Einschränkungen (Lern-)Anreize, Freude, Entspannung und Geborgenheit bietet. Mir wurde inerhalb der Gruppe eine Bezugsbewohnerin zugeteilt, auf deren Pflege und Betreuung ich mich fokusieren sollte. Das Mädchen war 11 Jahre alt und geistig wie körperlich schwerbehindert. Sie hatte Spastiken in Armen und Beinen, eine stark gekrümte Wirbelsäule und ein Krankheitsbild aus mehreren Diagnosen und es wurde vermutet, dass ihre Sehfunktion stark eingeschränkt ist. Den Zugang zu ihr konnte man also nur durch Körperkontakt und Sprache finden. Neben Hörspielen und Musik, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen eine kleine elektrische Bongo zu bedienen. Wenn ihr etwas gefiel, lautierte Sie und ihre Gesichtsmuskeln deuteten auf eine positive Empfindung hin. Ihr Interesse für Klänge und Rhythmen veranlasste mich dazu mit ihr den Musikraum des Wohnheims zu erkunden. Von den Fachkräften des Wohnheims bekam ich grundlegende Information über die Basale Stimulation (Basale Stimulation, vom lateinischen basal = grundlegend und voraussetzungslos und stimulatio = Anreiz, Anregung, bedeutet die Aktivierung der Wahrnehmungsbereiche und die Anregung primärer Körper- und Bewegungserfahrungen sowie Angebote zur Herausbildung einer individuellen non-verbalen Mitteilungsform bei Menschen, deren Eigenaktivität aufgrund ihrer mangelnden Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist und deren Fähigkeit zur Wahrnehmung und Kommunikation erheblich beeinträchtigt ist (...).)11. Diese Informationen über Kommunikationszugänge bei behinderten Menschen nutzte ich, um mit meiner Bezugsbewohnerin den Musikraum zu erkunden: Nachdem ich mit ihr in den Musikraum gegangen war, begann ich eine ruhige Atmosphäre einzuleiten (Fenster zur Straße geschlossen, gedimmtes Licht, zum Gang geschlossene Tür sowie eine ruhige Stimmlage meinerseits). Bei jedem Instrument, was ich nun meist langsam anklingen lies, unterstützte ich verbal in dem ich den Namen und z.B. Die übliche Verwendung nannte, letztenendes nicht um ihr diese Informationen zu vermitteln, sondern um sie mit eventuell unbekannten Tönen nicht mit ihrer Wahrnehmung alleine im Raum zu lassen. Ihre Reaktionen auf die Klänge waren meist eindeutig, so erschrak sie z.B. bei der hawaianischen Steeldrum, das Klavier irritierte sie in höheren Oktaven während sie den tieferen Oktaven gerne zuhörte. Eine weitaus tiefgehendere, durchweg positive Reaktion konnte ich bei einer großen Schamanentrommel feststellen: Ihr charakteristisches Lautieren und ihr etwas abseits gerichteter Blick stellten sich bei den sehr tiefen, basslastigen Tönen der Trommel sofort ein. Sie begann mit den Kopf hin und her zu wackeln, nachdem ich einen druchgehenden Rhythmus anschlug, was mir zeigte, dass sie den Rhythmus bewusst als diesen wahrnehmen konnte. Auch mit ihrer aktiven, sehr viel weniger gelähmten und durch Spastiken eingeschränkte Hand, begann sie auf und ab eine Schlagbewegung zu machen, die ich schon von ihren elektronischen Bongos kannte. Dies veranlasste mich dazu, ihre Schlagbewegung in den Rhythmus zu integrieren und sie auf der Trommel mitspielen zu lassen, was ihr ebenfalls sehr gefiel, da sie nun deutlich ihre Selbstwirksamkeit spüren und hören konnte. Nach einiger Zeit des Trommelns begann ich, das gedimmte Licht hell zu machen um ihre Wahrnehmung des Raums etwas zu erhellen, da K. nur über ein sehr schlechtes Sehvermögen verfügt. Da ihr die Schama- nentrommel immernoch sehr zusagte, nutzte ich diese um den quadratischen, sehr ruhigen Raum akustisch mit ihr zu erkunden. Dies gehörte, genau wie ihr großes Interesse an der Schamanentrommel, nicht mehr zum geplanten Angebot, sondern entstand nach eigenem Ermessen und meiner Einschätzung nach. Ich stellte sie also mit Blick zum Fenster in die Mitte des Raumes und begann vor ihrem Brustkorb fest auf die Trommel zu schlagen, dass sie möglichst viel Vibration des Schlagfells spüren konnte. Um dann auf ihre Raumwahrnehmung einzugehen bewegte ich mich, mit immer dem gleichen Rhythmus, langsam von ihr weg, um sie herum, wieder auf sie zu und durch alle Ecken des Raums. Immer wieder folgte ihr Kopf dem Rhythmus, was mir deutlich zeigt, dass sie sehr aufmerksam folgte. Auch ihr Lautieren war nach wie vor eingestellt, was ich ebenfalls als deutliches Zeichen der Konzentration wahrgenommen hatte. Am Beispiel dieser Reaktionen, die K. Auf Rhythmen und Melodien hatte, wurde mir die tiefgehende Verbundenheit zwischen Mensch und Musik verdeutlicht. Dass Rhythmus und Melodie Bedürfnisse sind, welche Menschen dazu bewegwen, sich automatisch zu konzentrieren, sich zu sammeln und die eigenen Emotionen deutlich werden zu lassen, steht in Verbindung mit den oben genannten entwicklungspsychiologischen Aspekten, unter dem Gesichtspunkt des Bedürfnisses nach Kommunikation. Melodie und Rhythmus sind integral im System Mensch, auch wenn dieses System in seiner Wahrnehmung, Kognition und Fähigkeit sich zu äußern extrem eingeschränkt ist.12
4. Musik als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Erziehung
"Die unaussprechliche Tiefe der Musik, so leicht zu verstehen und doch so unerklärlich, ist dem Umstand zu verdanken, dass sie alle Gefühle unseres innersten Wesens nachbildet, jedoch vollkommen ohne Wirklichkeit und fern allen Schmerzes... Musik drückt nur die Quintessenz des Lebens und seiner Ereignisse aus, nie diese selbst." - Arthur Schoppenhauer Die in den vorangehenden Punkten dargestellten praktischen Arbeiten, in denen ich Kindern versucht habe Musik näher zu bringen, waren jeweils Schlüsselerlebnisse in der Entwicklung meiner pädagogischen Denkansätze. Durch meine persönlichen, durchweg positiven Erfahrungen mit Musik bestand in mir selbst schon immer ein großes Interesse daran. In der praktischen Pädagogik dieses Interesse und die Begeisterung für Musik teilen zu können, war ein mehr als nur ein Erfolgserlebnis. Durch die Fokusierung der Kinder auf Musik, durch die enorme Freude, die Sie bereitet und den Faktor der gemeinschaftlichen Kommunikation, der Musik oftmals erst Interessant macht (z.B. auf Konzerten, in Singkreisen, im Orchester), wurde mir bewusst, dass ich in Zukunft meine pädagogischen Handlungsweisen daran orientieren kann, was Musik in Menschen bewegt. Der elementarpädagogische Bereich lag in meiner Entwicklung als Pädagoge bisher am nächsten, was mich bisher in Kindertagesstätten führte, um dort mein Fachwissen während der Ausbildung in die Praxis umzusetzen. Da in dieser Ausbildung pädagogische Fachbereiche immer wieder nur teilweise, bzw. grundlegend gelehrt werden, war mir die Musikpädagogik nie vollständig transparent. So erlebte ich als Hobbymusiker bei meinen Angeboten immer wieder das, was Andreas Doerne während eines Vortrags anlässlich des Kongresses "Musik bildet." 2007 in der Staatsoper "Unter den Linden" in Berlin versuchte zu erläutern. Die Entwicklung der Konzeption einer Musikkindertagesstätte beinhaltet für ihn auch, den Besuch von professionellen Musikern in der Kita. Diese erzählten von ihren Erlebnissen bei den ersten Besuchen, und so trug Doerne vor: "Eine andere wichtige Erkenntnis für Musiker ist, dass der Anspruch, kindgerecht zu handeln eine große Herausforderung darstellt. Einfach ist nicht gleich leicht, und elementar bedeutet nicht infantil. Dinge auf ein kindliches Niveau zu bringen, darf keinesfalls bedeuten, Kinder in ihrer Neugier, ihrem Lerneifer, ihrer Auffassungsgabe und ihrem präzisen Nachfragen zu unterschätzen. Kinder saugen Sinneseindrücke, für die sie sich interessieren auf wie ein Schwamm. Sie können nicht nicht lernen und sind daher – auf ihre Weise – äußerst anspruchsvolle „Schüler“. Fast alle Musiker entdecken schon bei ihrem ersten Besuch, dass Vermittlungssituationen mit Kindern höchste Anforderungen an den Vermittelnden stellen. „ Ich finde, dass man die Kinder total oft unterschätzt. Sie sind schon ganz schön weit und ließen sich auf mehr ein, als ich dachte. “ „ Was ich gelernt habe ist, dass man mit den Kindern schon sehr vieles machen kann – fast wie mit Erwachsenen. Man darf nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen oder gar für ‚blöd’ zu halten. “ Was von den Musikern im Kindergarten gefordert wird, ist dasselbe, was die Kinder den Musikerbesuchen entgegenbringen: Neugier und Offenheit. Auf dieser Grundlage kann ein echter Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden entstehen, der feste Rollenmuster durchlässig macht und letztlich eine Situation herbeiführt, von der beide Seiten profitieren: Kinder lernen von Erwachsenen und Erwachsene lernen von Kindern. Entsprechend liest sich die Empfehlung eines pädagogisch nicht ausgebildeten Orchestermusikers an seine Kollegen wie die Quintessenz beruflicher Weisheit eines erfahrenen Erziehers: „ Habe viele Ideen aber keinen sturen Plan. Lass etwas entstehen, sei offen, lass dich von den Kindern inspirieren. “ " Maßgeblich für den Umgang mit Musik als Lernzugang sind also die Verhaltensweisen der Erwachsenen und Pädagogen. Es stellt sich nicht die Frage, ob Musik transportiert wird, sondern wie sie zum Kind transportiert wird. Deshalb möchte ich im folgenden auf Ressourcen hinweisen, die mir während meiner bisherigen pädagogischen Arbeit und während den Recherchen zu dieser Abhandlung bewusst gemacht worden sind.
4.1 Musikalisch ressoucenbewusstes Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen
Grundgedanken meiner Behauptung, dass eine musikalische Entwicklung integral im Menschen sei, wurden in Punkt 2.2 deutlich. Jedoch ist auch hier wichtig, nicht zu vergessen, dass der Mensch das Produkt seiner Erfahrungen ist. Das bedeutet, dass als Pädagoge wichtig ist sich immer wieder vorzuhalten, dass man für die Erfahrungen des Kindes verantwortlich ist und somit der mitwirkende Architekt eines menschlichen Systems ist, was es gilt glücklich werden zu lassen. Neben vielen Punkten in der menschlichen Entwicklung, die jedem Menschen gegeben sein sollten (Lesen, Rechnen, Schreiben, Sozialkompetenzen, Berufsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, usw.), ist es also sehr wichtig auf einen Platz im Horizont des Kindes einzurichten, dass es sich selbst glücklich machen kann. Die Beispiele in Punkt zwei machten bereits deutlich, wie viel Spaß trotz selbstbestimmtem Lernen beim Musizieren freigesetzt wird. Eine Ressource, die zur Optimierung des eigenen Gefühlsbewusstseins führen, ist vor allem die Musik. Pädagogen, Eltern und Menschen, die Verantwortlich für das Handeln eines Kindes sind, sollten also immer einen Blick auf vorhandene Ressoucen in dieser Hinsicht haben. Reflexion des eigenen Denkens und Handelns sind dafür vorauszusetzen. Mit Fragen, die man sich selbst und dem Kind stellt, kann erfragt werden, ob und wie die musikalischen Ressoucen genutzt werden können, denn die Frage. ob ein Kind grundsätzlich unmusikalisch sein kann, wurde in Punkt 2.1 geklärt. Also wie kann Musik in den Alltag des Kindes Einzug halten? Hat der Betreuende einen Bezug zu Musik? Wenn ja, wie kann er dieses Interesse teilen? Wie kann Musik für mehr als nur ein Lied genutzt werden? Ist das Kind vielleicht glücklicher, wenn es ein Instrument spielen kann, weil es davon spürbar profitiert? Wie profitiert ein Kind von dem Instrument? Hat das Kind jemals versucht Musik mit anderen zu machen? Wie konzentriert hört das Kind auf ein Lied? Alles Fragen, die genutzt werden können, um das eigene Ressoucenbewusstsein zu erfagen. Eine Selbstreflexion hinsichtlich der Musik allgemein sollte auch betrieben werden, um eigene Prioritäten zu hinterfragen. Gerade bei Eltern, deren Besorgtheit um ihr Kind die emotionale Macht besitzt das Kind zu unterdrücken, sollte die Frage im Raum stehen: Gebe ich meinem Kind Anreize dazu, ein leistungsfähiger Mensch mit möglichst viel Wissen zu werden, um sich in der Gesellschaft als Erwachsener behaupten zu können, oder gebe ich meinem Kind Anreize, dass es Disziplin und Leidenschaft emotional vereinbaren kann, ohne den Blick für die eigene Freude zu verlieren? Hier ziehe ich vor allem die Pädagogen in ihre Pflicht, Eltern auch den Anreiz zu geben, ihr eigenes Tun zu hinterfragen, ohne diesen zu unterstellen, nicht das Beste für ihr Kind zu wollen. Meiner Theorie nach sollte jedem Kind der Zugang zu den Vorzügen aus Melodie und Rhythmus geschaffen werden, um in den späteren Wirren des Lebens sich selbst einen Emotionalen Raum schaffen zu können, der Ausgleich schafft. Die Ressoucen dafür sind in unserem Kopf, es gilt diese zu nutzen.
4.2 Musik als Zugang zur Entwicklung der eigenen Lebenswelt
Folgender Punkt steht eng in Verbindung mit den genannten Aspekten aus Punkt 2.3. Der Zugang dazu, mit anderen verbal und non-verbal zu kommunizieren, sein eigenes Umfeld und seine gesamte Umwelt zu entdecken, benötigt ausgereifte Kompetenzen. Zentral sind hier Selbstbildungsprozesse, die beim Musizieren automatisch auslösen, dass verschiedene Standpunkte eingenommen werden können. Hört mein gegenüber was ich tue und passt sich dessen an? Wie hört sich meine Stimme für die anderen an? Kann ich mit diesem Rhythmus den anderen deutlich machen, wie schnell ich das Lied spielen möchte? Ich möchte nicht die Musik für die Entdeckung der eigenen Lebenswelt verantwortlich machen, somit würde ich jedem Menschen, der zeitlebens keinen Zugang zu Musik gefunden hat unterstellen, er würde sich und sein Leben nicht kennen. Jedoch möchte ich verdeutlichen, wie empathisches Denken bei musikalischen Menschen einen Beitrag zu der Entwicklung ihrer Selbst und ihrer Lebenswelt haben kann. Fernab von musikalischer Entwicklung und Musikpädagogik im Elementarbereich möchte ich die Auswirkungen, die eine musikalische Entwicklung haben kann am Beispiel unterschiedlicher Jugendszenen festmachen: In der Adoleszenz ist das Gefühl autonom zu werden vorherrschend. Das Kind strebt nach Individualismus, eigenem Können, strebt nach Verbundenheit zu etwas, das Sicherheit bietet und will sich gleichzeitig befreien von der Verbundenheit, die bisher Sicherheit im Leben gab, es sucht also nach Leidenschaften. Liebe, Rebellion, Engagement, Unlust und viele andere Emotionen werden mit Leidenschaft ausgeführt. Je nach gegebenen Möglichkeiten gliedern sich die meisten jungen Menschen in gewisse Jugendszenen. Sei es ein Sportverein oder ein kirchliches Engagement, mindestens aber eine Angliederung an einen bestimmten Freundeskreis. Einem Kind mit musikalischer Entwicklung jedoch ist eine Angliederung an eine Musikszene ermöglicht. Das Wirken und Bewegen inerhalb von Szenen, die oft kontrovers, jung und meistens politisch sind, bietet dem jungen Menschen einen Freiraum, der zu dem Spannungsfeld der Adoleszenz eine willkommene Entspannung bietet. Inerhalb von HipHop, Punk, Pop, Blasmusik, Jazz oder Metal ist eine Vielfallt an Abgrenzung geboten, von Dingen, die die Szene nicht möchte. Die Stärke junger Musikszenen war schon immer die Abgrenzung. Ein Jugendlicher lernt hier zu sagen, was er nicht gut findet: Kleidung, die Einstellung anderer, die eigene bisherige Einstellung, die eigenen Lebensumstände und dadurch oftmals allgemein politische Umstände.
Die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe ist immer beständig, durch den größten gemeinsamen Nenner der Jugendszenen, die Musik. Die Kritikfähigkeit, die Diskussionskultur, die Möglichkeiten un die Herangehensweisen der jeweiligen Subkulturen werden bestimmt durch die Lebenswelt und der örtlichen, wie sozialen Gegebenheiten. Auch in diesem Bereich ziehe ich Pädagogen und Eltern in ihre Pflicht, die Entwicklung und Bildung des Kindes kritisch zu betrachten, mindestens aber ihr eigenes Wirken zu hinterfragen. Gerade in den genannten Jugendszenen besteht nämlich Gefahr, dass sich politische Ideologien das Autonomiebestreben des jungen Menschen zu nutze machen, um radikalen Ideen abseits demokratischen Denkens, Platz zu verschaffen. Das Autonomiestreben eines Kindes und eines jungen Menschen muss als Lernzugang zu sich selbst, zu den Empfindungen anderer und der eigenen Lebenswelt genutzt werden.
5. Fazit
Während der Recherche zum Thema "Musik als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Erziehung" wurde mir bewusst, dass ein Bezug dieser Themenformulierung auf das einzelne Kind oder den einzelnen Jugendlichen nicht möglich ist. Die musikalische Entwicklung sollte Teil einer ganzheitlich funktionierenden Erziehung und Bildung sein, dessen Erfolg vom Ressourcenbewusstein der Betreuenden abhängig ist. Ab dem Punkt dieser Erkenntnis rückte ich etwas von dem Gedanken ab, dass Musik in jedem Menschen veranktert sei, dass jeder Mensch Musik benötige um glücklich zu werden oder dass jeder Mensch ein potenzieller Musikliebhaber sein könnte. Viel mehr fiel mir immer wieder auf, dass dies durchaus sein könnte, würde das Bildungssystem als solches nicht auf das Erlernen möglichst vieler Dinge fokusiert sein, sondern nur auf das Erlernen möglichst musischer, kreativer und ästehtischer Dinge und Tätigkeiten. Ein Bildungssystem, dessen Fokus nicht auf der Pluralität unserer Lebensumstände liegen würde, wäre jedoch nicht wünschenswert und einseitig. Mit Blick auf eine Gesellschaft, die sich selbst durch soziale Arbeit, Warenproduktion, Forschung und Politik trägt, ist die Musik jedoch lediglich als Teilaspekt einer menschlichen Entwicklung zu sehen und nicht unbedingt als die eine Integrale, die den Menschen glücklich macht. Da unter anderem die Musik in meiner Entwicklung dafür verantwortlich war, mit welchen Menschen ich sprach, welche Dinge ich hörte, welche Orte ich sehen durfte aber vor allem, welche Fragen ich an das Leben stellte, war mein Blick auf die Musik sehr einseitig im positivsten Sinne. Wie die individuelle Entwicklung eines Menschen verläuft, lässt sich jedoch nicht an seiner Musikalität messen, genauso wenig wie seine Zufriedenheit oder seine Sozialkompetenzen in kausalem Zusammenhang zur Musik stehen. Wie ein Mensch sich entwickelt, hängt von so vielen Faktoren ab, dass diese nicht zählbar sind, und dennoch ist eine musikalische Entwicklung bei einem Menschen immer erstrebenswert, da Musik in sich nichts Negatives transportieren kann. Erst der Mensch kann mit Texten eine negative Nachricht über die Musik transportieren, eine eigenständige Melodie kann höchstens traurige oder negative Gefühle verstärken, um zu deren Kompensierung beizutragen. Aufgrund der Menge an Fakten, Angeboten, Arbeitsweisen und Ideen zu Musikpädagogik, die ich während den Recherchen überblicken konnte, festigte sich mein Bild davon, dass Musik nicht bloß eine Randfigur im pädagogischen Alltag ist. Blickt man jedoch auf die Menge an Inhalten, die als Erzieher zu vermitteln sind, kann Musik gar nicht mehr Platz finden. Voraussetzung für einen stärkeren Fokus auf musikalische Förderung z.B. in Kindertagesstätten, müsste das vorhandene Personal in seiner Ausbildung mehr an Wirkung und Ursachen von Musik herangeführt werden. Hier gilt es als zukünftiger Pädagoge immer wieder mehr Inhalte einzufordern, eine sozialpolitisches Verständnis für den eigenen Berufsstand zu entwickeln und sensibler auf die Vermittlung von musischen Inhalten einzugehen. Denn Musik und Kunst sind, meiner Empfindung nach, in den Augen der Mehrheit meist nicht mehr als Unterhaltung. Ich will abschließend deutlich machen, dass Eltern und Pädagogen Musik verwenden müssen, um Kinder und Jugendlichen nahezubringen, wie man selbst mit Fehlern umgehen kann. Es geht nicht darum Musik als Ganzes zu sehen oder zu hören, es geht darum Musik als Ganzes zu nutzen, um Menschlichkeit in ihrer Schönheit zu betrachten, denn ohne sie wäre das Leben ein Irrtum.
6. Quellenverzeichnis
A) Bücher:
[...]
1 Hauptartikel Wikipedia "Ganzheitlichkeit" (2014), Definition im Abschnitt "Ganzheitlichkeit in der Pädagogik": http://de.wikipedia.org/wiki/Ganzheitlichkeit#Ganzheitlichkeit_in_der_P.C3.A4dagogik (6.4.2015 ca. 17 Uhr)
2 Doerne, Andreas (2010): Musik bildet. Der Musikkindergarten Berlin – Ein Modell. Breitkopf&Härtel
3 Spitzer, Manfred (2002): Musik im Kopf – Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. Schattauer.
4 Hirler, Sabine (2006): Musik und Spiel für Kleinkinder: Ein Praxisbuch für die musikalische Früherziehung in Krippe, Tagespflege oder Eltern-Kind-Gruppen. Beltz. (Keine genaue Seiten- angabe möglich, da Inhalte des Abschnitts aus Unterrichtsmaterial entnommen wurden, welches aus diesem Buch stammt,
5 Gruhn, Wilfried (2003): Kinder brauchen Musik – Musikalität bei kleinen Kindern entfalten und fördern. Beltz.
6 Bildungs- und Erziehungsempfehlung für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz (2004). Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend. S. 26 Punkt 3.4.2: https://kita.bildungrp.de/fileadmin/dateiablage/Bildungsempfehlungen/BEE/Downloads/bildungs- und-erziehungsempfehlungen.pdf (14.4.2015, ca. 15 Uhr)
7 Hirler, Sabine (2009): Rhythmik – Spielen und Lernen im Kindergarten. Bildung durch ganzheitliche Musikerziehung. Cornelsen Scriptor.
8 Landesverband niedersächsischer Musikschulen e.V. (2014), http://www.mubiki.de/index.php?id=4712 (15.4.2015, 18:30 Uhr)
9 Doerne, Andreas (2010): Umfassend musizieren – Grundlagen einer Integralen Instrumentalpädagogik. Breitkopf & Härtel. B) Internet:
10 Goertz, Wolfram (2008): Kinder des Olymp, http://www.zeit.de/2006/50/M-Venezuela (29.1.2015, ca. 21 Uhr)
11 Hauptartikel Wikipedia "Basale Stimulation" (2014), Definition der basalen Stimulation nach Andreas D. Fröhlich: http://de.wikipedia.org/wiki/Basale_Stimulation#cite_ref-1 (20.4.2015, 17 Uhr)
12 Doerne, Andreas (2007) Der Musikkindergarten Berlin – Konzeption, Praxis und Beobachtungen, http://www.musikkindergarten-berlin.de/Vortrag_Kongress_DrDoerne.pdf (29.1.2015, ca. 21 Uhr)
- Citation du texte
- Anonyme,, 2015, Die Rolle von Musik in der ganzheitlichen Erziehung. Welche Bedeutung hat sie für die Lebenswelt von Kindern?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/954669
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