1. Sachsen wird Bundesstaat
- Frühjahr 1866 hielt preuß Ministerpräsident Otto von Bismarck entscheidenden Zeitpunkt für Waffengang gegen Österreich
➔ polit. Umgestaltung Deutschlands gekommen (Deutscher Krieg) ➔ kleindt. Lösung
- Sachsen unterstützte Habsburgermonarchie
- Leipzig, Dresden, Chemnitz wurden von Antikriegsbewegungen erfaßt ➔ ging von Süddtl. aus
➔ Volksversammlungen verabschiedeten Beschlüsse gegen friedensbedrohende Politik Preußens
- 16.6.1866 überschritten preuß. Truppen die Grenze Sachsens
➔ König Johann zog sich nach Böhmen zurück
➔ Kriegsentscheidung fiel in Böhmen am 3. Juli 1866 in der Schlacht bei Königgratz
- kampflos besetzte Preußen Sachsen
- nach Sieg Preußens blieb Sachsen nur dank öst. u. franz. Fürsprachen als Staat erhalten
➔ hohe finanzielle Forderungen, Pressezensur, Polizeiwillkür und Befestigungsbau um Dresden ➔ antipreußische Stimmung verschärft
➔ Sachsen mußte nach NL im Dt. Krieg 1866 am 21.10.1866 im Frieden von Berlin den Nordt. Bund (unter preuß Führung) beitreten (staatl. Souveränität eingeengt)
1.1. Sachsen im Nordeutschen Bund
- erhielt 4 der 43 Stimmen im Bundesrat (Preußen 17)
- von 23 Abgeordneten im Reichstag vertreten
- hatte noch Wehrhoheit, Gesetzgebungsbefugnisse
➔ behielt Selbständigkeit in der inneren Verwaltung, im Polizei-, Gemeinde-, Schul-, Hochschul-, und Staatskirchenrecht
1.2 Gründung des Deutschen Reiches
- 18.1. 1871 versammelten sich im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles deutsche Fürsten und hohe Offiziere um König Wilhelm I von Preußen zum dt. Kaiser auszurufen
- Kronprinz Albert + Bruder Georg nahm als Repräsentant der Wettiner an der prunkvollen Zeremonie teil
- Königreich konnte aufblühen ➔ födererale Verfassung gewährleistete eine gewisse Selbständigkeit
- für Sachsen als Bundesstaat im Deutschen Reich änderte sich im Vergleich zum Nordt. Bund kaum etwas
➔ fortschrittliche Wirtschaftsgesetzgebung erleichterte Industrialisierung Sachsens
2. Innenpolitische Entwicklung:
- Sachsen behielt Verfassung (Nordt. Bund) ➔ wenig Freiraum für Politik der Bundesstaaten
- Fläche an fünfter, Einwohnerzahl an dritter Stelle der 25 dt. Bundesstaaten
- Gesetzgebungsbefugnisse der Bundesstaaten wurden durch die Reichsverfassung wesentlich beschnitten
➔ Kompetenz über Polizei, Gemeinde-, Schul-, Hochschul-, Staatskirchenrecht
- Staatshaushalt stützte sich auf direkte Steuern
- Domäne blieb Verwaltung ➔ Verfassung legte Vollzug der Reichsgesetze auf dem Verwaltungswege in die Hände der Bundesstaaten
- Justizwesen lag in ihrer Kompetenz ➔ 1879 geschaffene Reichsgericht bekam seinen Sitz in Leipzig
2.1. Wirtschaftsentwicklung
- in den letzten 3 Jahrzehnten des 19 Jhd. bildete sich das typ. sächs. Wirtschaftsprofil aus
- während im Reichsdurchschnitt 39,1% der Beschäftigten auf Industrie und Handwerk und 35,8% auf LW
entfielen, waren es in Sachsen 58 und 15,1%
- traditionelle Textilindustrie, Konfektionsindustrie, Maschinenbau, Metallverarbeitung
- bedeutendste Gründung während der Gründerjahre war 12.11.1872 Dresdener Bank ➔ nach nur 25 Jahren war die Dresdner Bank zur drittgrößten Bank Deutschlands geworden
3. Sachsen als rotes Königreich:
- 1895 erschien der von Wilhelm von Polenz kritisch-realistische Roman "Der Büttnerbauer"
➔ beschreibt Schicksal der in kapitalistischen Schuldknechtschaft geratenen Kleinbauern seiner Heimat
➔ viele Kleinbauern sanken schrittweise ins Proletariat ab, betrieben LW als Nebenerwerb
3.1. In den sechziger Jahren:
- seit Beginn dieses Jahrzehnts bildeten sich zahlreiche Arbeitervereine „wie Pilze nach einem Sommerregen“ (August Bebel)
- in Leipzig existierte neben bürgerlich geführten Gewerblichen Bildungsverein der polit. Arbeiterverein
„Vorwärts“ ➔ Vertreter Wilhelm Fritzsche u. Julius Vahlteich
➔ nahmen Kontakt mit Ferdinand Lassalle auf
➔ war Präsident des im Mai 1863 in Leipzig gegründeten „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ (ADV) auf Grundlage des im März erschienenen „Arbeiterprogramm“
➔ die Arbeitervereine unter liberalem Einfluß wurden Anfang Juni 1863 im Verband Deutscher Arbeitervereine zusammengefaßt
- August Bebel und Wilhelm Liebknecht gründeten 1869 die Eisenacher Partei (sozialdemokratische Arbeiterpartei)
➔ in diese Partei der im VDAV organisierte Arbeitervereine, Gewerkschafter, einige Lassalleaner und Mitlglieder der I. Internationale auf
3.2 In den siebziger Jahren
- nach der Vereinigung von Sozialdemokratischer Arbeiterpartei ADAV 1875 in Gotha erlebte die Sozialdemokratie im Reich und in Sachsen einen enormen Aufschwung
➔ in Sachsen heftiger als in anderen Reichsteilen von Behörden behindert
3.3. Entwicklung der Sozialdemokratie in Sachsen
- Innenpolitk Sachsens im letzten Drittel des 19 Jhd. ➔ Widerspruch zw. fortgeschrittenen sozialökonom. und auf den Stand von 1831 stehengebliebenen politisch-staatl. Verhältnissen charakterisiert
- Eingliederung in Norddt. Bund und in das dt. Reich erforderte die innenpolit. Verhältnisse Sachsens den neuen polit. Bedingungen anzupassen und längst überfällige Reformen nachzuholen
- Innenpolitische Reformen (von konservativen Ministern durchgeführt) am Ende der Regierungszeit König Johanns ließen erkennen daß sich Interressen des Adels und der Bourgeoisie annäherten
- Staatsverwaltung einigen Erfordernissen der kapitalist. Gesellschaft angepaßt
- Adel und Bourgeoisie rücken immer mehr zusammen
➔ das Anwachsen der revolutionären Arbeiterbewegung zur polit. Hauptkraft
➔ Sachsen Entwicklung zum "roten Königreich" konnten sie nicht aufhalten
- marxistische Arbeiterpartei festigte ihre Position in Sachsen rasch durch Verbreitung lokaler Parteizeitung ("Dresdner Volksboten", "Volksstaat")
- 1871 streikten 7000-8000 Metallarbeiter für 60h Woche + höhere Löhne ➔ neue Kräfte zur Arbeiterbewegung
- in Sachsen wurde marxistische Arbeiterbewegung mehr als in anderen Ländern verfolgt
- 1872 Höhepunkt der ersten Verfolgungswelle nach der Reichsgründung ➔ auf Druck Bismarcks hin wurde Leipziger Hochverratsprzeß gegen Bebel, Liebknecht und Hepner inszeniert (Redakteure des "Volksstaates"
- trotz 2 Jahre Haft von Bebel und Liebknecht erhielt Arbeiterbewegung neuen Auftrieb
- 1874 Reichstagswahlen ➔ Sozialdemokraten fast doppelt so viel wie die Konservativen
- in anderen dt. Bundesstaaten zogen Sozialdemokraten erst nach 1890 in Preußen nach 1908 in Landesparlamente ein
- 1875 vereinigen sich in Gotha die sozialdemokrat. Arbeiterpartei unter August Bebel und Wilhelm Liebknecht und der Allgemeine dt. Arbeiterverein der Lassalle Anhänger zur soz. Arbeiterpartei Dtl.
➔ Preußen reagiert auf "Rotes Sachsen"
- 1877 berichtete ein peuß Gesandter in Dresden: „Es gibt kein anderes Mittel, der sozialdemokratischen Bewegung mit Erfolg entgegenzutreten, als das Verbot dieser Richtung auf dem Wege der Reichsgesetzgebung §1: Die Sozialdemokratie ist verboten. §2: Wer der Richtung angehört, wird eingesperrt“
- 1878 Reichstagswahlen ➔ 30% aller sozialdemokrat Stimmen kamen aus Sachsen
➔ veranlaßten sächs. Behörden, Bismarcks „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ besonders rücksichtslos durchzusetzen
➔ 21.10.1878 Sozialistengesetz vom Reichstag verabschiedet
➔ Erfolg oder Mißerfolg mußte sich wesentlich in Sachsen entscheiden
➔ nach Inkrafttreten des Ausnahmegesetzes am 21.10.1878 zogen sich die starken Parteiorganisationen in Leipzig, Dreseden, Chemnitz in die Illegalität zurück
➔ konnten Einfluß auf Arbeiterklasse weiter vertiefen
- bei den ersten Reichstagswahlen unter dem Sozialistengesetz errangen die Sozialdemokraten einen großen moralischen Sieg
➔ in den Hochburgen der Arbeiterbewegung wie in Leipzig und Chemnitz erzielten sie einen Stimmenzuwachs
- die Wahlen beweisen, daß die Sozialdemokratie durch Ausnahmegesetze nicht zu unterdrücken war
- Versuche Bismarcks, die Arbeiter mit dem „Zuckerbrot“ einiger Sozialgesetz weich zu klopfen scheiterten
➔ Sozialdemokratie vergrößerte Einfluß in Sachsen kontinuierlich und gewann auch in agrarischen Kreisen zunehmend an Boden
- von 1881-1890 stieg die sozialdemokratische Stimmenzahl bei den Reichstagswahlen in harten Kämpfen
- bei den letzten Wahlen unter dem Sozialistengesetz wurden in Sachsen 42,1% aller Stimmen für die Sozialdemokratie abgegeben
➔ es wurde deutlich, daß Sachsen nicht mehr wie in den siebziger Jahren die bedeutendste von einigen wenigen roten Inseln in Deutschland war
➔ revolutionäre Arbeiterbewegung überall im raschen Vormarsch
- 1.5. 1890 begingen sächs. Arbeiter den II. Internationalen Kampftag für Achtstundentag und die internat. proletarische Solidarität
- Sieg über Sozialistengesetz ➔ wiedergewonnene Legalität ➔ günstigere Bedingungen für die Sammlung, Organisierung und Aufklärung der Arbeiterklasse
- in Sachsen bildete sich rasch eine gut funktionierende Landesvereinigung heraus
➔ höchste Organ bildete die jährliche Landesversammlung (Funktionär: August Kaden 1892-1899) ➔ zu einen der Vorsitzenden gewählt
- das Leben im Kampf gegen Sozialistengesetz der Sozialdemokraten war charakteristisch für viele Arbeiterfunktionäre
- in den vier Bezirken (Leipzig, Dresden, Chemnitz u. Zwickau) besaß die Sozialdemokratie auflagenstarke Presseorgane
➔ vorallem LVZ (1894) entwickelte sich zum „Ideal einer sozialdemokratischen Tageszeitung“ ➔ sächs. Arbeiterzeitung
3.4. Wilhelm II reagiert auf Sozialdemokraten - Einführung des Dreiklassenwahlrechts
- 1893 zogen 14 Sozialdemokraten in die zweite Kammer ein
➔ König Albert regte 1894 bei Wilhelm II ein schäferes Vorgehen gegen die Sozialdemokraten im Parlament an
➔ Sozialdemokraten forderten gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht zur 2. Kammer für alle Staatsbürger über 21 Jahre
➔ Konservativen brachten 1896 ein an Preußen orientiertes Dreiklassenwahlrecht (schloß alle Nichtsteuerzahler vom Wahlrecht aus)
➔ löst das seit 1861 geltende Zensuswahlrecht ab
➔ das Wahlgesetz bereitet der sozialdemokratischen Vertretung im sächs. Parlament ein Ende
➔ dieses Gesetz diskriminierte 80% der Wähler polit. und machte eine Wahl von Sozialdemokraten in den Landtag fast unmöglich
Inhalt: - die 82 Abgeordeneten der zweiten Kammer werden indirekt durch Wahlmänner auf sechs Jahre gewählt
- Die Wähler der Urwahlbezirke werden in drei Klassen eingeteilt, die sich nach der Höhe der gezahlten Grund- und Einkommenssteuer richten
- Nichtsteuerzahler sind nicht wahlberechtigt
4. Zusammenfassung:
- Sachsen war zwischen 1871 und 1918 der einzige deutsche Staat, der einen derart gravierenden Wahlrechtsraub vollzog
- Folge: bis 1901 schieden alle Sozialdemokraten aus der Zweiten Kammer aus ➔ Konservativen erlangten sogar die verfassungsändernde 2/3 Mehrheit
- Wahlrechtsverschlechterung verschärfte an der Jahrhundertwende die Klassengegensätze besonders
➔ treffend bezeichnete die „Sächsische Arbeiterzeitung“ Sachsen als „Musterländchen der Reaktion“
5. Quellen:
- Chronik der Deutschen / Chronik Verlag
- Aus der Geschichte Sachsens / Cornelsen
- Bundesstaat im Deutschen Reich / Roland Zeise und Bernd Rüdiger
- Meyers Neues Lexikon
- Bertelsmann Lexikon
- LEXI ROM
- Internet
Bewertung: 14NP (Geschichte Leistungskurs 11/I)
- Quote paper
- Matthias Kahnt (Author), 1999, Sachsen als Bundesstaat im Deutschen Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95227