Politische Einstellungen und politische Kultur
aus: Oscar W. Gabriel EU-Staaten im Vergleich
1.1/ Die Begriffe "politische Einstellungen" und "politische Kultur"
Nach Almond und Verba hat man unter "Einstellungen" zu verstehen:
Einstellung ist eine durch Erfahrungen organisierte geistige Haltung, die die Reaktion einer Person auf Objekte oder Situationen aller Art beeinflußt. Von den allgemeinen Einstellungen unterscheiden sich politische Einstellungen durch ihren Bezug auf politische Sachverhalte. Für uns sei die Struktur des individuellen Einstellungssystem der Psychologie soweit vereinfacht, daß festzuhalten bleibt: In den modernen Gesellschaften bilden alle Individuen Einstellungen zur Politik aus, die mit anderen Aspekten des individuellen Orientierungssystems z. B. mit religiösen Überzeugungen oder wirtschaftlichen Interessen in Zusammenhang stehen.
Auf dieser Grundlage definieren Almond und Verba die nationale politische Kultur als "die besondere Verteilung von Orientierungsmustern auf politische Objekte unter den Mitgliedern einer Nation". Demnach betrachten sie politische Einstellungen als Eigenschaften von Individuen, die politische Kultur dagegen als ein Merkmal von Kollektiven, besonders von Staaten oder Nationen. Die politische Kultur einer Nation ergibt sich aus der Verteilung der individuellen Einstellungen der zu ihr gehörenden Bürgerinnen und Bürger. Wie sich die politische Kultur eines Landes darstellt vermittelt die empirische Forschung, insbesondere die Umfrageforschung.
1.2/ Die Bedeutung politisch-kultureller Größen im Systemvergleich
Im Zentrum einschlägiger Untersuchungen stand der Zusammenhang zwischen der politischen Kultur eines Landes und der Stabilität seiner demokratischen Ordnung.
Das rührte daher, da sich in der Zwischenkriegszeit gezeigt hatte, daß weder eine demokratische Verfassung noch ein hohes sozio-ökonomisches Entwicklungsniveau den Bestand einer Demokratie garantieren. Am Beispiel England vs. Deutschland wird die Bedeutung kultureller Faktoren für das Entstehen und die Überlebensfähigkeit einer demokratischen Ordnung deutlich: Beide Staaten wiesen ein hohes sozio-ökonomisches Entwicklungsniveau auf, sowie einen funktionierenden Rechtsstaat und eine leistungsfähige Bürokratie. Nur in ihrer politische Kultur unterschieden sie sich beträchtlich voneinander. während in England Untertanenorientierungen und partizipative Einstellungen schrittweise zu einer modernen Staatsbürgerkultur verschmolzen, stellte Deutschland den Prototyp einer Untertanenkultur dar. Diese Orientierungsmuster bestanden auch nach Ende des Kaiserreichs weiter und so widersprachen die demokratischen Prinzipien und Strukturen der Weimarer Verfassung der vorherrschenden politischen Kultur. In der autoritären, gespaltenen politischen Kultur der Weimarer Republik sah die empirische Demokratieforschung die entscheidende Ursache für das Scheitern der ersten deutschen Demokratie und den Erfolg des Nationalsozialismus (vgl. Almond / Verba 1965: 5ff.). Aus diesen Erfahrungen ergab sich die Notwendigkeit, neben institutionellen und sozio- ökonomischen Faktoren eben auch kulturelle Größen in die empirische Demokratietheorie einzubeziehen. In der Weiterentwicklung früherer Erklärungsansätze gilt seither ein hohes sozio-ökonomisches Entwicklungsniveau als wichtige, aber nicht als ausreichende Voraussetzung für das Entstehen und den Fortbestand demokratischer Strukturen. Nur wenn eine demokratische politische Kultur hinzukommt, bestehen langfristig günstige Voraussetzungen für den Erhalt einer demokratischen Ordnung. Dabei resultieren die für eine demokratische politische Kultur typischen Einstellungen nicht zuletzt aus dem Massenwohlstand, einem hohen Bildungsniveau der Bevölkerung und einem leistungsfähigen Massenkommunikationssystem. Diese Errungenschaften tragen zum Abbau politischer Spannungen und zur Ausbreitung demokratischer Werte und Normen in einer Gesellschaft bei. Darüber hinaus beeinflussen Sozialisationsprozesse im Elternhaus und in den Freundschaftsgruppen die Weitergabe politischer Werte und Normen. In der politischen Kultur sieht man einen bedeutsamen Vermittlungsfaktor zwischen der Geschichte eines Landes, seiner Sozialstruktur und seinen politischen Institutionen (vgl. Lipset 1981; Inglehart 1990: 15ff.).
1.3/ Die Dimensionen politischer Kultur
Die Definition der politischen Kultur als Verteilung politischer Einstellungen läßt erkennen, daß jede politische Kultur eine gewisse Heterogenität aufweist. Doch nicht allen Einstellungsunterschieden kommt die gleiche Bedeutung für das Funktionieren des politischen System zu. Eine Schlüsselfunktion kommt (nach Easton 1979: 190ff.) den Einstellungen zum politischen Regime und zur politischen Gemeinschaft zu (in der Sache ähnlich: Almond / Verba 1965:14, 192; vgl. auch: Almond 1980:28).
Unter dem Begriff "politisches Regime" subsumiert Easton die grundlegenden Merkmale der institutionellen Ordnung, also die Garantie von Grundrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip. Sie verleihen einem politischen System seine Identität als Demokratie und grenzen es von autoritären und totalitären Regimen ab. (Anm.: Politisches Regime = systemtragende Werte, Institutionen und Verfahren) (=Polity und Policies?)
Die politische Gemeinschaft erfüllt als Einheit eine wichtige Funktion für den Systemerhalt, da sich ihr die Individuen zugehörig fühlen und ihr Loyalität entgegenbringen. In modernen Gesellschaften übernimmt die Nation in der Regel die Rolle der politischen Gemeinschaft, aber auch kleinere ethnische oder territoriale Gruppen. Almond, Verba und Easton sehen ein Mindestmaß an positiven Einstellungen zum politischen Regime und zur politischen Gemeinschaft als unverzichtbare Erfordernis für den Systemerhalt - allerdings ohne das erforderliche Ausmaß an Systemunterstützung genau zu bestimmen.
Ein zweiter Komplex von Orientierungen richtet sich auf die Output -Aspekte der Politik. Die sind die mit der Herstellung und Durchsetzung verbindlicher politischer Entscheidungen befaßten Handlungen, Institutionen und Akteure. In den westl. Demokratien nehmen vor allem die Regierung, die Verwaltung, die Gerichte und das Militär diese Aufgaben wahr. Diese Organisationen können teilweise auch noch Funktionen ausüben, die nicht im Output Bereich liegen (z.B. Parteien). (=Polity?)
Mit ihren politischen Vorhaben und Maßnahmen (Output) reagieren die Entscheidungsträger häufig auf Forderungen, mit denen sie aus der Gesellschaft konfrontiert werden. Diese Seite ist (nach Easton 1979: 37ff.) der Input -Bereich. Diesen Input -Bereich gliedert Easton auf in a) Forderungen und b) Unterstützung. Auch in diesem Bereich gibt es spezielle Organisationen und Verfahren, mittels derer politische Unterstützung mobilisiert und Forderungen artikuliert werden.
1.3.1/ Almond und Verbas Typologie der politische Kultur
Als Grundlage ihrer Beschreibung der politischen Kultur westl. Demokratien benutzen Almond / Verba (1965: 16ff.) eine aus dem bisher beschriebenen entwickelte Typologie, die hier nur verkürzt dargestellt wird (vgl. Gabriel 1986: 28ff. m.w.L.).
a) Die parochiale politische Kultur
Sie entspricht einem vormodernen politischen System. In ihr stellt die Politik im Leben der Bevölkerung keinen eigenständigen Handlungsbereich dar. Dies gilt für das politische Regime, die politische Gemeinschaft, die regulative und die partizipatorische Komponente des politischen Systems (vgl. Dorf, Stammesleben usw. sind näher als der Staat, der allenfalls durch Steuerbeamte in Erscheinung tritt).
b) Die Untertanenkultur
Mit fortschreitender Modernisierung der Gesellschaft geht die parochiale in die Untertanenkultur über. In der U. bildet die Bevölkerung eine positive Beziehung zur Politik als Leistungs- und Ordnungsfaktor aus. Die Bevölkerung identifiziert sich gefühlsmäßig mit dem politischen Regime und der politischen Gemeinschaft. In diesem Stadium befanden sich die meisten europäischen Staaten vom Beginn der Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. (Oder: es gibt ein voll ausdifferenziertes politisch-administratives System, auf das sich die Orientierungen richten, sofern es sich dabei um Leistungen und Ansprüche handelt. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen sich als Objekt staatlichen Handelns.)
c) Die partizipative politische Kultur
Sie entstand mit der Demokratisierung der politischen Strukturen, insbesondere mit der Einführung eines demokratischen Wahlrechts. Die partizipatorische politische Kultur weist alle Eigenschaften der Untertanenkultur auf, zeichnet sich aber zusätzlich durch eine (positive) Beziehung der Bürgerinnen und Bürger zu den partizipativen Aspekten der Politik aus. Dieser Typ bildet das Fundament einer demokratischen Ordnung.
Für die Stabilität eines politischen Systems ist es nicht nur wichtig, wie weit die für die Staatsbürgerkultur typischen Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet sind, sondern auch, ob das vorherrschende Muster politischer Orientierungen in allen wichtigen gesellschaftlichen Teilgruppen anzutreffen ist. Das daraus resultierende Ausmaß an Homogenität der politischen Einstellungen gehört zu den wichtigsten Merkmalen der politischen Kultur.
a) In homogenen politischen Kulturen besteht gibt es keine enge Beziehung zwischen den politischen Einstellungen und der sozialen Herkunft, sowie den gesellschaftlichen Wertorientierungen ihrer Träger. Besonders die Einstellungen zum politischen Regime und zur politischen Gemeinschaft sind von derartigen Merkmalen relativ unabhängig.
b) In fragmentierten politischen Kulturen dagegen zerfallen an den Grenzen zwischen den sozialen Schichten, Generationen oder politischen Parteien in gegnerische Lager (Clevages?). Deren Beziehungen zu politische Regime und zur politische Gemeinschaft bedeutet aber keine diffuse Unterstützung derselben.
Die Homogenität einer politischen Kultur begünstigt die Stabilität eines Systems, ihre Fragmentierung in Subkulturen dagegen gefährdet sie.
2.1/ Die Anteilnahme der Bevölkerung an der Politik
In der normativen Demokratietheorie, aber auch in Arbeiten auf dem Gebiet der empirischen Einstellungsforschung gilt die politische Involvierung der Bevölkerung als wichtiges Merkmal eines demokratisch verfaßten politischen Systems. Im Zentrum dieser Überlegung steht das Leitbild des politisch interessierten, informierten und handlungsbereiten Bürgers, der im Austausch mit den politischen Führungsgruppen selbstbewußt seine Vorstellungen vertritt und über deren Berücksichtigung wacht. Nach Dalton (1988: 13) vertraten viele Demokratietheoretiker die Auffassung, die Demokratie funktioniere nur dann, wenn die Bürgerinnen und Bürger sich durch ein starkes politisches Interesse , ein hohes Informationsniveau und ein ausgeprägtes Urteilsvermögen auszeichneten. Van Deth (1990) weist dabei dem politischen Interesse eine Schlüsselfunktion zu. Nur Personen, die ein Mindestmaß an politischem Interesse haben, verfügen seiner Meinung nach über eine hinlängliche Motivation, sich politische Informationen zu beschaffen und sich aktiv in die Politik einzuschalten. Im Vergleich mit den aus der Demokratietheorie ableitbaren Erwartungen, lieferte die empirische Forschung ziemlich desillusionierende Befunde (vgl. Gabriel 1994 100ff.).
2.2./ Die Unterstützung des politischen Systems
Im Ggs. zur politische Involvierung, die eine Art Filterfunktion in der Beziehung zur Politik erfüllt, kommt den Einstellungen zum politischen System eine unmittelbare Bedeutung für die Stabilität der demokratischen Ordnung zu. Nach Lipset (1981: 64ff.) ist der Bestand einer Demokratie langfristig davon abhängig, ob die Bürgerinnen und Bürger das politische System als effektiv und legitim einschätzen. Von diesen beiden Unterstützungsmotiven kommt den Legitimitätsüberzeugungen für den Systemerhalt die größere Bedeutung zu. Politische Systeme, deren Legitimität grundsätzlich in Frage steht, sind kaum in der Lage, schwere oder langanhaltende Leistungskrisen zu überbrücken. Dagegen können politische Regime mit gesicherter Legitimität selbst schwere Leistungseinbrüche im Rahmen der bestehenden Strukturen bewältigen (vgl. BRD, Großbritannien und USA während der WWK). Besondere Aufmerksamkeit gilt neben den für die Unterstützungen des politischen Systems maßgeblichen Motiven auch den Objekten (nach Easton 1979), auf die sich die Zustimmung der Öffentlichkeit richtet. Diesen Objekten schreibt Easton große Bedeutung für den Systembestand zu. In der bisherigen Forschung galt besonders der Untersuchung der Unterstützung des politischen Regimes.
2.3/ Das Vertrauen der Bevölkerung zu einzelnen politischen Institutionen
Für zahlreiche Personen stellen sich die politische Ordnung, die politischen Grundwerte und die Nation als abstrakte Größen dar. Konkrete Erfahrungen mit der Politik sind zumeist über spezifische politische Akteure, Strukturen, Prozesse, Organisationen oder Leistungen vermittelt, die vermutlich auch die Beziehung zum politischen System beeinflussen. Wenn diese Annahme zutrifft, dann ist es zweckmäßig, die bisherigen Analysen um stärker in den politischen Alltagserfahrungen verwurzelte Aspekte der politischen Kultur zu ergänzen. Als Zugang hierzu bietet sich die Untersuchung der Einstellungen zu Institutionen und Verfahren der Verfassung an. Obgleich eine solche Analyse durch die auch in den EG Staaten z. T. erheblichen Unterschiede in der institutionellen Ordnung erschwert wird, gibt es doch einen gemeinsamen Bestand an Strukturen, die als Ausgangspunkt einer vergleichenden Analyse politischer Einstellungen dienen können. So erfüllt in allen EG-Staaten das Parlament legislative Funktionen, sprechen unabhängige Gerichte Recht, und eine mit Exekutivfunktionen befaßte, unter der Regierung stehende Staatsverwaltung tritt der Bevölkerung als Träger staatlicher Leistungen gegenüber. Da die Einstellungen der Bevölkerung gegenüber diesen Institutionen nicht nur tagespolitische Gegebenheiten, sondern auch die besonderen Traditionen der untersuchten Länder widerspiegeln, erscheint die Untersuchung des Vertrauenskredits, über den sie in der Bevölkerung verfügen sinnvoll.
2.4/ Partizipative Orientierungen: Das bürgerliche Selbstbewußtsein und die Einstellungen zur Zugänglichkeit der politischen Führung
Ein weiterer wichtiger Aspekt der politischen Kultur liberaler Demokratien ist die partizipative Komponente der Politik. Partizipative Orientierungen betreffen das Selbstverständnis der Bürgerinnen und Bürger als aktive Teilnehmer am politischen Prozeß (interne Effektivität) und die Überzeugung von der Offenheit und Verantwortlichkeit der politischen Führung gegenüber der Bevölkerung (externe Effektivität). Campell (1971: 218ff.) beschrieb diese Komponente in den 50er Jahren als "Gefühl politischer Effektivität". In der Civic Culture-Studie beschäftigen sich Almond & Verba (1965: 136ff.) ebenfalls mit dem staatsbürgerlichen Kompetenzbewußtsein. Sie stellten dabei erhebliche Unterschiede zwischen den anglo-amerikanischen und den kontinentaleuropäischen Staaten fest, besonders im Hinblick auf die Wahrnehmung von Einflußmöglichkeiten auf die nationale Politik. Die Einschätzung der BRD als "Untertanenkultur" stützte sich hauptsächlich auf die große Diskrepanz zwischen der "Untertanen"- und der "Staatsbürgerkompetenz". Deshalb begründen sie die Beschreibung Großbritanniens als partizipative politische Kultur mit dem Gleichgewicht zwischen Input- und Output-Orientierungen. Nachvollziehbar ist das, wenn man bedenkt, daß England und Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine leistungsfähige Verwaltung und einen funktionierenden Rechtsstaat aufwiesen, mit dem wesentlichen Unterschied jedoch, in den Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung beider Länder: In Deutschland waren die formal bestehenden Mitwirkungsrechte praktisch wirkungslos, in Großbritannien dagegen etablierte sich bereits Mitte des vorigen Jahrzehnts ein gut funktionierender Parteienwettbewerb, der der wahlberechtigten Bevölkerung einen gewissen Einfluß auf die von ihr betriebene Politik eröffnete.
2.5/ Die Partei-Identifikation
Der Anstieg des politischen Selbstvertrauens der Bevölkerung, geht nach Auffassung einiger Beobachter einher mit einer neuen Sichtweise traditioneller Organisationen und Institutionen der Interessenvermittlung (die da z.B. sind: politische Parteien, Interessenverbände). Die intermediären (zwischen Bevölkerung und politischem System angesiedelten) Organisationen, insbesondere die politischen Parteien und die Interessenverbände, büßen ihre dominierende Rolle als Bindeglied zwischen der Bevölkerung und den politischen Führungsgruppen ein. Die Bürgerinnen und Bürger gehen immer mehr dazu über ihre Interessen gegenüber den politischen Führungsgruppen selbständig zu artikulieren und durchzusetzen. (Genaueres zum Forschungsstand: Kaase in Berg-Schlosser Müller-Rommel 166ff.)
Vor dem Hintergrund dieser veränderten Interpretation der Staatsbürgerrolle ist auch die Diskussion über die Zukunft des Parteien- und des Verbändestaates zu sehen. Diese Diskussion orientiert sich an beobachtbaren Phänomenen wie: abnehmende Wahlbeteiligung, Entstehen neuer Parteien - ergo: eine zunehmende Instabilität im Wählerverhalten. Die Annahme einer Krise erscheint in dieser Form als zu undifferenziert.
2.6/ Homogenität vs. Fragmentierung der politischen Kultur
Der Begriff der politischen Kultur als "Verteilung individueller Orientierungen auf politische Objekte" verweist auf die innerhalb eines politischen Gemeinwesens auftretenden Einstellungsunterschiede. Diese Einstellungsunterschiede können zufallsbedingt sein, durch Meßfehler zustande kommen, von tagespolitischen Ereignissen abhängen, aber auch systematisch mit der Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Gruppen einhergehen. Die Bedeutung der sozio-politischen Verankerung von Individuen für ihre politische Einstellung gehört zu den interessantesten Problemen der empirischen Demokratieforschung; denn für die Stabilität des politischen Systems ist nicht nur bedeutsam, ob die Bevölkerung eines Landes mehrheitlich die für eine demokratische politische Kultur typischen Einstellungen aufweist, sondern auch, ob dies in allen gesellschaftlichen Teilgruppen der Fall ist. Gibt es in einer Gesellschaft eine starke, von Gruppenbindungen einigermaßen unabhängige Übereinstimmung in den grundlegenden Fragen des politischen Zusammenlebens, dann spricht von einer homogenen politischen Kultur. Wohingegen starke Unterschiede in den gruppenspezifischen Einstellungen zur Politik auf eine Aufspaltung der politischen Gemeinschaft in mehrere konkurrierende, möglicherweise sogar feindliche Subkulturen hin deutet. In ihrer kulturellen Fragmentierung zahlreicher kontinentaleuropäischer Staaten sahen Beobachter eine der maßgeblichen Ursachen für die Instabilität der Demokratie in den betreffenden Ländern. In der EU-Staaten Analyse resümiert Gabriel dazu: Die wichtigsten Bestimmungsfaktoren der genannten Einstellungen erweisen sich nicht die für die Konfliktstrukturen einer Gesellschaft entscheidenden Variablen, sondern Sozialisationsfaktoren wie die Geschlechtszugehörigkeit und das Bildungsniveau. Eine qualifizierte Schulbildung fördert die Bereitschaft, aktiv am politischen Leben teilzunehmen und seinen Einfluß geltend zu machen. Einen vergleichbaren Effekt üben die traditionellen geschlechtsspezifischen Sozialisationsmuster aus, durch die Männer zu einer aktiveren Rolle in der Politik ermutigt werden als Frauen. Mit dem Anstieg des Bildungsniveaus und dem Abbau geschlechtsspezifischer Sozialisationsmuster dürften diese Unterschiede abnehmen.
2.7/ Typen politischer Kultur
Almond/Verbas Konzept, der Unterscheidung in Input-, Output und Systemorientierungen wird hier verwendet. Als kritischen Maßstab für die Beschreibung und Bewertung der politischen Verhältnisse in den westlichen Demokratien hatten Almond und Verba (1965: 337ff.) das Leitbild der Staatsbürgerkultur eingeführt, das sie allerdings nur unpräzise beschreiben. Sämtliche Aussagen dazu in der einschlägigen Literatur lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1./ Die demokratische Staatskultur ist eine gemischte politische Kultur. Einige Bürger weisen positive, andere negative Einstellungen zur politischen Gemeinschaft auf, einige vertrauen der amtierenden politischen Führung, andere mißtrauen ihr, einige interessieren sich für Politik, beteiligen sich an ihr und fühlen sich politisch kompetent, andere nicht.
2./ Diese Einstellungen hängen nicht systematisch mit der Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen oder politischen Lagern zusammen. Einstellungsunterschiede sind primär situationsbedingt.
3./ Auch wenn nicht alle Akteure eine positive Einstellung zu allen Aspekten der Politik aufweisen, sind positive Orientierungen häufiger als negative. Überwiegen die kritischen Einstellungen, dann besteht ein Ungleichgewicht zwischen der politischen Kultur und der politischen Struktur, das den Bestand des Systems gefährdet. Dies gilt vor allem, wenn die Inkongruenz das politische System als allgemeines Objekt betrifft.
4./ Die Input- und Output-Orientierungen stehen in einem annährend ausgewogenen Verhältnis zueinander. Das Vertrauen zur politischen Führung in Verbindung mit einem stark ausgeprägten politischen Selbstbewußtsein begünstigt systemkonforme Aktivitäten.
- Citar trabajo
- Florian Stein (Autor), 1999, Politische Einstellungen und Politische Kultur"aus dem Buch von Oscar W. Gabriel "EU Staaten im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95107
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.