Die Thesis spezialisiert sich auf das Thema „Nachhaltigkeit in der Modebranche“ und stellt eine Untersuchung der Zahlungsbereitschaft von KonsumentInnen der Altersgruppe 19-35 Jahren dar. Mithilfe des Marktforschungsverfahrens Price Sensitivity Meter von dem niederländischen Ökonomen Peter van Westendorp wird eine eigenständige Forschung für drei Textilprodukte durchgeführt, durch die greifbare Handlungsvorschläge für preispolitische Entscheidungen für Anbieter der Modeindustrie gewonnen werden konnten.
In Zukunft wird die Modebranche, wie schon die Lebensmittel- und die Drogeriebranche, ihr Sortiment nachhaltiger ausrichten, die Abwicklung der Produktion verläuft bei nachhaltigen Produkten nach sozial und ökologisch fairen Standards. Diese Arbeit zeigt beispielhaft für die Produkte T-Shirt, Jeans und Schuhe einen aus Sicht der TeilnehmerInnen erforschten Akzeptanzbereich von Aufpreisen für eine sozial und ökologisch gerechte Fertigung. Darüber hinaus wird das Verhältnis von VerbraucherInnen zum Thema Nachhaltigkeit im Jahre 2020 anhand der Ergebnisse der Untersuchung präsentiert. Die Beobachtungen dieser Arbeit bieten für Anbieter und Unternehmen der Textilindustrie wertvolle Preisvorstellungen, Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen von KonsumentInnen rund um das Thema „Nachhaltigkeit in der Modebranche“.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Bedeutung des Themas
1.2 GegenstandderUntersuchung
1.3 Ziel und Gang der Untersuchung
2. Theoretischer Teil und Definition zentraler Begriffe
2.1 Entwicklung und Definition des Begriffes „Nachhaltigkeit“
2.2 Definition des Begriffs Zahlungsbereitschaft
2.3 Nachhaltigkeit in der Modebranche
2.4 Trends in der Modebranche
2.4.1 SlowFashion
2.4.2 Corporate Social Responsibility
2.4.3 Gütesiegel als CSR Instrument für nachhaltige Mode
3. Methoden zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften
3.1 IndirektePreisbefragung
3.2 Direkte Preisbefragung
3.2.1 Gabor-Granger-Methode
3.2.2 Price Sensitivity Meter
3.2.2.1 VorteiledesPSM
3.2.2.2 Nachteile des PSM
3.2.2.3 Weiterentwicklungen des PSM
3.2.3 Auswahl und Anpassung des PSM
3.3 Die zu prüfenden Hypothesen der Untersuchung
4. Planung und Organisation der empirischen Untersuchung
4.1 Grundlegende Annahmen für die Untersuchung
4.2 Die Erhebung der empirischen Daten
4.2.1 Das Instrument der Erhebung
4.2.2 Stichprobe und Auswahlverfahren der Online-Befragung
4.3 Allgemeine Gütekriterien der Befragung
4.4 Die Gestaltung des Fragebogens für das Online-Interview
4.4.1 Anforderungen an die Gestaltung des Fragebogens
4.4.2 Auswahl der Fragearten
4.4.3 AuswahldesMessniveaus
4.4.4 Fragebogengestaltung und Auswahl der Produkte für die PSM-Methode
4.5 Pre-Test
5. Durchführung des Online-Interviews
6. Auswertung der Ergebnisse
6.1 Auswahl von Auswertungsverfahren
6.2 Auswertung der ermittelten Daten
6.2.1 StatistischeAuswertung
6.2.2 Auswertung und Ergebnisse der Fragen 1-9 und 19-22
6.2.3 Auswertung der Daten nach PSM
6.2.3.1 Anwendung des PSM bei nachhaltigen T-Shirts
6.2.3.2 Anwendung des PSM bei nachhaltigen Jeans
6.2.3.3 Anwendung des PSM bei nachhaltigen Schuhen
6.3 Bewertung der PSM-Methode mit Überprüfung der Hypothesen
6.4 Kritische Reflexion der Untersuchung
6.5 Zusammenfassung und Handlungsvorschläge für die Preisfindung nachhaltiger Produkte in der Modebranche
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Kurzfassung
Die vorliegende Masterthesis spezialisiert sich auf das Thema „Nachhaltigkeit in der Modebranche“ und stellt eine Untersuchung der Zahlungsbereitschaft von Konsumentinnen der Altersgruppe 19-35 Jahren dar. Mithilfe des Marktforschungsverfahrens Price Sensitivity Meter von dem niederländischen Ökonomen Peter van Westendorp wird eine eigenständige Forschung für drei Textilprodukte durchgeführt, durch die greifbare Handlungsvorschläge für preispolitische Entscheidungen für Anbieter der Modeindustrie gewonnen werden konnten. In Zukunft wird die Modebranche, wie schon die Lebensrnittel- und die Drogeriebranche ihr Sortiment nachhaltiger ausrichten, die Abwicklung der Produktion verläuft bei nachhaltigen Produkten nach sozial und ökologisch fairen Standards. Diese Arbeit zeigt beispielhaft für die Produkte T-Shirt, Jeans und Schuhe einen aus Sicht der Teilnehmerinnen erforschten Akzeptanzbereich von Aufpreisen für eine sozial und ökologisch gerechte Fertigung. Darüber hinaus wird das Verhältnis von Verbraucherinnen zum Thema Nachhaltigkeit im Jahre 2020 anhand der Ergebnisse der Untersuchung präsentiert. Die Beobachtungen dieser Arbeit bieten für Anbieter und Unternehmen der Textilindustrie wertvolle Preisvorstellungen, Erwartungen, Wünsche und Hoffnungen von Konsumentinnen rund um das Thema „Nachhaltigkeit in der Modebranche“.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Preiszusammensetzung eines 4,95 Euro T-Shirts
Abb. 2: ÜbersichtwichtigerGütesiegel derTextilbranche
Abb. 3: Instrumente zur Erfassung individuellerZahlungsbereitschaften
Abb. 4: PSM dargestellt im Liniendiagramm
Abb. 5: Eine Darstellung der Kaufwahrscheinlichkeit von nachhaltigen Produkten
Abb. 6: Übersicht von Auswahlverfahren der Marktforschung
Abb. 7: Selbstdesignter Flyerfürdie einfache Zufallsauswahl
Abb. 8: Die Gütekriterien der Marktforschung
Abb. 9: Eine Übersicht von möglichen Fragearten im Interview
Abb. 10: Eine Übersichtvon MessniveausfürFragearten
Abb. 11: Prozentuale Verteilung der beruflichen Tätigkeiten der Stichprobe
Abb. 12: ProzentualeVerteilung des Markenbewusstseins der Teilnehmerinnen
Abb. 13: ProzentualeVerteilung des Nachhaltigkeitsbewusstseins bei Mu und Mb
Abb. 14: Prozentuale Verteilung der gesamten Stichprobe zum Empfinden nach gesellschaftlichem Druck, aufgeteilt nach Geschlecht
Abb. 15: Prozentuale Verteilung des Besitzes von nachhaltiger Mode aufgeteilt nach Mu und Mb, denen Nachhaltigkeit sehrwichtig/wichtig ist
Abb. 16: Prozentuale Verteilung der Bekanntheit von Gütesiegeln von Konsumentinnen dergesamten Stichprobe mit viel/sehrviel nachhaltiger Mode
Abb. 17: ProzentualeVerteilung zum Kaufverhalten von Second Hand Mode aufgeteilt nach Mb und Mu, denen Nachhaltigkeit sehr wichtig/wichtig ist
Abb. 18: Prozentuale Verteilung von Gründen keine nachhaltige Mode zu erwerben, aufgeteilt nach Mu und Mb
Abb. 19: Prozentuale Verteilung der monatlichen Ausgaben für Modeprodukte, aufgeteilt nach Mu und Mb
Abb. 20: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen T-Shirts der markenunbewussten Teilnehmerinnen (Mu)
Abb. 21: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen T-Shirts der markenbewussten Teilnehmerinnen (Mb)
Abb. 22: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen Jeans der markenunbewussten Teilnehmerinnen (Mu)
Abb. 23: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen Jeans der markenbewussten Teilnehmerinnen (Mb)
Abb. 24: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen Schuhen der markenunbewussten Teilnehmerinnen (Mu)
Abb. 25: Aufpreis-Sensitivität bei nachhaltigen Schuhen der markenbewussten Teilnehmerinnen (Mb)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Errechnete Werte der Mu-Verbraucherlnnen für„T-Shirt“
Tabelle 2: Errechnete Werte der Mb-Verbraucherlnnen für„T-Shirt“
Tabelle 3: Errechnete Werte der Mu-Verbraucherlnnen für „Jeans“
Tabelle 4: Errechnete Werte der Mb-Verbraucherlnnen für „Jeans“
Tabelle 5: Errechnete Werte der Mu-Verbraucherlnnen für „Schuhe“
Tabelle 6: Errechnete Werte der Mb-Verbraucherlnnen für „Schuhe“
Abkürzungsverzeichnis
AM Arithmetisches Mittel
CA Conjoint Analyse
CSR Corporate Social Responsibility
FFF Fridays for Future
GOTS Global Organic Textile Standard
IDP Indifference Price, Indifferenzpreis
ILO International Labour Organisation
IVN Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft
OPP Optimal Price Point, optimaler Preispunkt
PMC Point of Marginal Cheapness, Preisuntergrenze
PME Point of Marginal Expensiveness, Preisobergrenze
PSM Price Sensitivity Meter
USP Unique Selling Proposition
WTP Willingness to pay, Zahlungsbereitschaft
1. Einleitung
1.1 BedeutungdesThemas
Das Thema Nachhaltigkeit gilt gegenwärtig als ein viel diskutiertes und strittiges Thema. Kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so an Bedeutung gewonnen. Für die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ist es mittlerweile notwendig, sich mit nachhaltigem Handeln und Denken auseinanderzusetzen. Das Thema ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Handelt es sich bei dem neuen Streben nach Umweltbewusstsein nur um einen temporären Trend oder um die Zukunft?
Gerade aufgrund des Klimawandels und Artensterbens ist eine intensive Auseinandersetzung mit zukunftsbewusstem Handeln unverzichtbar. Es ist zu vermuten, dass Bewegungen wie „Fridays for Future“1 (FFF) oder Aktivistinnen wie Greta Thunberg dazu motivieren, dass immer mehr Menschen sich dafür einsetzen oder darauf achten, dass die Ressourcen unserer Erde bewusster verwendet und eingesetzt werden. Dieser schonende Umgang mit begrenzten Materialien betrifft alle Lebensbereiche - bei Energie, Fortbewegung und Lebensrnitteln angefangen, über die Kosmetik, bis hin zur Kleidung. Beispielhaft ist die erfolgreiche Etablierung von Bio-Produkten in der Lebensmittelindustrie. Verbraucherinnen haben die freie Wahl, neben konventionellen Produkten werden im Lebensmittelhandel vermehrt Bio-Produkte angeboten und die Bereitschaft für diese auch einen höheren Preis zu zahlen wächst.
Die Modebranche hingegen befindet sich derzeit noch in einem wachsenden Prozess der Integration von Nachhaltigkeitsstrategien. Produkte nachhaltig anzubieten, gestaltet sich für große sowie kleine Unternehmen als eine besondere Kostenfrage. Nicht alle Anbieter investieren ihr Budget in sozialund umweltfreundlichere Produktionen. Die Fertigungskosten nachhaltiger Ware sind bedeutend höher als die der konventionellen Produkte. Infolge wachsender Kosten durch nachhaltige Produktionen setzen Anbieter weniger Gewinn um und Verbraucherinnen müssen bereit sein, für die gewünschte Ware mehr zu zahlen. Wie viel sind Konsumentinnen bereit, für Mode zu zahlen, die sowohl sozial gerecht als auch umweltfreundlich produziert wurde?
Auf Basis dieser Überlegungen soll sich diese Masterarbeit auf das Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche fokussieren und ermittelt mithilfe einer eigenen empirischen Forschung die Zahlungsbereitschaft von Konsumentinnen für nachhaltige Modeprodukte.
1.2 Gegenstand der Untersuchung
Nachhaltigkeit betrifft alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Alle sprechen über Nachhaltigkeit, unklar ist jedoch, wie der optimale Weg zu einer ressourcenschonenden und fairen Zukunft aussehen soll. Für Modeanbieter ist es unaufschiebbar, bestehende Produktionsweisen und Bedingungen zu überdenken, sodass nachhaltige Mode nicht mehr nur eine Ausnahme, sondern zukünftig die Regel wird.
Was bedeutet „Nachhaltigkeit“? Nachhaltigkeit scheint zu einem Trendwort des 21. Jahrhunderts geworden zu sein. Der Begriff Nachhaltigkeit ist von einer nachhaltigen Entwicklung abzuleiten: „Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (Weber J./ Georg J./ Janke R./ Mack S., 2011, S. 14). Spricht man von Nachhaltigkeit in der Modebranche, genügt es nicht das Endprodukt heranzuziehen, es müssen alle Bereiche des Produktionszyklus betrachtet werden. Ein Anbieter handelt demnach nachhaltig, wenn folgende Fertigungsmerkmale erfüllt werden: umweltbewusster Anbau von Rohstoffen, ökologisch verträgliche Handelswege, Vertrieb und Recycling, faire Arbeitsbedingungen, ressourcenschonendes Arbeiten und Transparenz (vgl. Umweltdialog, 2018, o. S.). Für nachhaltige Mode müssen zudem Fertigungs- und Arbeitsressourcen bewusst gewählt und eingesetzt werden, sodass aufgrund des Mehraufwands die Qualität des Produktes steigt und der Lebenszyklus der Kleidung verlängert wird. Infolgedessen wird ein höherer Kaufpreis gerechtfertigt und auch verlangt, wodurch wiederum fairere Arbeitsbedingungen in der Fertigung ermöglicht werden. In Deutschland wird Mode häufig in Form von E-Commerce an Kundinnen vertrieben, was ebenfalls als klimaschädlich gilt. Diese Masterarbeit soll sich allerdings aus den verschiedenen Bereichen des Produktionszyklus speziell auf den „Kaufpreis“ und die Kundenakzeptanz fokussieren. In der Regel machen Konsumentinnen ihre Kaufentscheidung davon abhängig, ob der Kaufpreis für ein Produkt in ihren Augen angemessen erscheint. Die Kundin oder der Kunde beschäftigt sich mit der Frage: Wie gut oder schlecht gestaltet sich das Preis-Leistungsverhältnis der Ware für mich? Darauf folgt eine Entscheidung für einen Kauf oder Nichtkauf. Aus Verkäuferinnensicht steigt aufgrund dessen das Interesse herauszufinden, welchen Preis Nachfragerinnen für ein bestimmtes Gut bereit sind zu zahlen. Diese gewonnene Kenntnis der so genannten „Zahlungsbereitschaft“2 von Verbraucherinnen können Unternehmen dafür nutzen, ihr erstelltes Angebot gezielt auf ihre Kundinnen auszurichten. Kundinnenorientierte Preise haben im besten Fall die Folge, dass die Nachfrage nach diesem Produkt steigt und sich infolgedessen der Absatz und/oder Gewinn für das Unternehmen erhöht.
Es stehen verschiedene Methoden und Verfahren zur Auswahl, um die Zahlungsbereitschaft von Kundinnen zu messen. In dieserArbeit soll für die bevorstehende Empirie das Van-Westendorp-Preismodell angewendet werden. Dieses Modell geht auf den holländischen Wirtschaftswissenschaftler und Marktforscher Peter van Westendorp zurück, die Methode ist im englischsprachigen Raum auch als Price Sensitivity Meter (PSM) bekannt. Es handelt sich hierbei um einen Ansatz zur Untersuchung der Preiswahrnehmung von Verbraucherinnen, erstmals vorgestellt beim ESOMAR Kongress3 im Jahr 1976 (vgl. Müller, K.-M., 2012, S. 78). Da die Van Westendorp-Methode auf einem Ansatz zur Abschätzung eines akzeptablen Preisbereichs für ein Produkt abzielt, ist diese Technik für Forscherinnen von Preisstrategien von besonderer Bedeutung. Van Westendorp geht dabei von verschiedenen wahrgenommenen Preiskategorien durch Konsumentinnen aus. Er grenzt die Kategorien ab, indem den Befragten vier verschiedenen Fragen zur Bewertung und Akzeptanz des Preises gestellt werden (Vgl. Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139-167):
- Welchen Preis sehen Sie für das vorgestellte Produkt als zu günstig, so dass Sie an der Qualität zweifeln würden?
- Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als günstig?
- Welchen Preis sehen Sie für das Produkt als teuer, aber gerade noch akzeptabel, um es zu kaufen?
- Welchen Preis empfinden Sie für das Produkt als zu teuer?
Mit Hilfe der Antworten auf diese Fragen ergeben sich für jede befragte Person vier unterschiedliche Preispunkte. Aus diesen Preispunkten lassen sich summierte Häufigkeitsverteilungen bilden, die in einem Liniendiagramm graphisch abgebildet werden. Durch die summierten Häufigkeiten können zwei steigende und zwei fallende Verteilungsfunktionen gebildet werden. Diese Funktionen geben Aufschluss darüber, welche Preise die befragten Personen als zu hoch, gerade angemessen, niedrig oder zu niedrig empfinden. In dem Diagramm sind zudem Schnittpunkte der verschiedenen Häufigkeiten abzulesen, aus denen darauffolgend Preisbrandbreiten, Preispunkte und Empfehlungen abgeleitet werden können. Bedeutsam sind die Kreuzungspunkte zwischen „zu günstig“ und „teuer“ sowie zwischen „zu teuer“ und „günstig“, welche die Schwellen eines akzeptablen Preisbereiches anzeigen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse weitere Funktions-Schnittstellen, gemeint sind der optimale Preispunkt, welcher den Preis mit dem geringsten Kaufwiderstand der Befragten signalisiert sowie der Indifferenzpreis. Als besonders ertragreich erweist sich der Indifferenzpreis, der Kreuzungspunkt von „günstig“ und „teuer“. Der Preis eines Produktes sollte weder zu teuer noch zu niedrig sein, der Indifferenzpreis gilt als eine Art idealer Kompromiss für Kundinnen. Diese Überlegung bestärkt auch die letzte von den vier dargestellten Fragen der PSM-Methode, Kundinnen erwarten bei nachhaltigen Produkten automatisch einen höheren Kaufpreis, berechtigt durch aufwendigere und faire Fertigungsmethoden und -bedingungen, da sie es von Bio Produkten gewohnt sind. Werden nachhaltige Produkte dementsprechend zu günstig angeboten, verliert das Produkt und/oder der Anbieter möglicherweise an Glaubwürdigkeit und Vertrauen (Vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2012, S. 100ff; Van Westerndorp, P.H., 1976, S. 139-167).
Die PSM gilt seit Jahrzehnten als Eckpfeiler der Preissensitivitätsanalyse und erweist sich als effizientes Instrument, um die Wahrnehmung von Verbraucherinnen für optimale Preise zu ermitteln. Dennoch stößt auch sie auf Kritik, da sie mit einigen Limitationen einher geht. Aufgrund von unterschiedlichen Faktoren kann die persönliche Preisbereitschaft von Konsumentinnen variieren. Beeinflussende Faktoren können hierbei die Markenkommunikation oder die Positionierung des Produktes darstellen. Auch Faktoren aufdieAnbieterwenig Einfluss haben, können ein Grund für unterschiedliche Preisbereitschaften sein. Beispielhafte Faktoren können die persönliche Wertschätzung des Produktes, die eigene finanzielle Situation oder ein Gefühl von Gruppenzugehörigkeit sein (vgl. Ebenfeld, T., 2018, o. S.).
In der Literatur werden verschiedenen Erweiterungen der PSM als Versuch zur Abschätzung der Verbraucherlnnen-Nachfragefunktion beschrieben. Unter diesen wurde den Forschungen im Jahr 1993 von Newton, Miller und Smith, 2008 von Martin und Rayner, 2010 von Roll, 2013 PSMplus Model und 2014 der Preisuntersuchung zur Kosmetikmarke „Ziede“ in Riga große Aufmerksamkeit gewidmet (vgl. Salamandic E./ Alijosiene S. / Gudonaviciene R., 2014, S. 473-477; Rieger U./ Adrian M., 2014, S. 1-4). In Kapitel 3.2.2.3 sollen diese Weiterentwicklungen veranschaulicht werden, denn sie zeigen die Erkenntnis, dass bei der Preisgestaltung eines Produktes nach PSM viele Hersteller dem Fehler unterliegen, markenbewusste und weniger preissensible Verbraucherinnen mit denen zusammenzulegen, die geringeren Wert auf das Branding eines Produktes legen.
Zusammenfassend qualifiziert sich die PSM vorzugsweise für die Untersuchung dieser Masterarbeit, da die befragten Personen eine unabhängige Preisvorstellung zu einem Modeprodukt abgeben, welche für Anbieter einen besonderen Mehrwert darstellen. Durch die erforschten Auswertungspunkte mithilfe der PSM wird ein akzeptiertes Preisintervall für nachhaltige Produkte in der Mode erforscht, was Anbieter zukünftig als Richtwert nutzen können. Das Ziel dieser Arbeit soll sein, die klassische PSM auf Basis vorhandener Weiterentwicklungen so anzupassen, dass neben den optimalen Preisen diejenigen Einflussfaktoren ermittelt werden, die für besondere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Modeprodukte sorgen. Neben den klassischen Fragen der PSM sollen die Befragten in markenbewusste und nicht markenbewusste Verbraucherinnen unterteilt werden und zusätzlich demographische Fragen, Motivationen und Fragen zu persönlichen Wertvorstellungen beantworten, um das Profil der Probandinnen zu vervollständigen.
1.3 ZielundGangderUntersuchung
Der Kern dieser Arbeit soll sein, das Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche zu untersuchen. Mit dem Zweck Ergebnisse über Zahlungsbereitschaften für nachhaltige Produkte in der Mode zu gewinnen, sollen Konsumentinnen befragt werden. Um die Zahlungsbereitschaft zu erforschen, ist zunächst herauszufinden, inwiefern Konsumentinnen im Jahr 2020 auf Nachhaltigkeit in der Modebranche Wert legen. Ist für Verbraucherinnen das Thema Nachhaltigkeit wichtig? Wird erwartet, dass auch die Modebranche auf den Nachhaltigkeitstrend aufspringt? Es gibt mittlerweile unzählige Siegel für nachhaltige Produkte - achten Konsumentinnen auf Gütesiegel beim Kauf von neuen Bekleidungsstücken oder legen sie mehr Wert darauf, dass das Produkt mit einem besonderen Label gebrandet wird? Was für einen Aufpreis sind Konsumentinnen tatsächlich bereit für ein T-Shirt zu zahlen, das sowohl ökologisch als auch sozial fair produziert wurde? Was ist für Kunden dagegen ein nicht angemessener Aufpreis? Mangelt es an Vertrauen in das Produkt, wenn eine nachhaltig produzierte Jeans zu günstig ist?
Die Analyse der eingangs vorgestellten Problematik in dieser Masterarbeit soll wie folgt aussehen: Zunächst sollen zentrale Begriffe dieser Arbeit definiert werden. Es wird darüber hinaus in die Modebranche und das Thema Nachhaltigkeit eingeführt und aktuelle Trends und Maßnahmen werden vorgestellt. Anschließend sollen Methoden zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften dargestellt, die ausgewählte van Westendorp Price Sensitivity Meter Methode und Weiterentwicklungen näher erläutert und die Wahl des PSM für die durchgeführte Empirie begründet werden.
Im nächsten Schritt wird der Forschungsprozess erläutert. Es wird anhand der weiterentwickelten Methode für die durchzuführende Marktforschung ein Fragebogen erstellt. In diesem Zusammenhang wird auf theoretische und wissenschaftliche Anforderungen an die Art der Erhebung sowie an die Gestaltung des ausgewählten Fragebogens eingegangen. Im weiteren Verlauf sollen Hintergründe zu den gewählten Fragen verdeutlicht werden. Darüber hinaus erfolgt eine Definierung der Forschungskriterien für die Durchführung des formulierten Fragebogens. Bevor die fertiggestellte Befragung durchgeführt wird, soll zur Kontrolle eine Testbefragung vorgenommen werden. Sofern keine Korrekturen für die Befragung vonnöten sind, wird die Marktforschung daraufhin durchgeführt. Vorkommnisse sowie Erfahrungen während der Durchführung der empirischen Untersuchung, welche für die Auswertung der Forschungsergebnisse von Belang sein könnten, werden von der Forscherin dokumentiert.
Nach abgeschlossener Befragung werden die ermittelten Daten abgebildet und ausgewertet, dafür werden die am Anfang festgelegten Forschungskriterien erneut herangezogen. Darauffolgt eine Zusammenfassung der gewonnen Ergebnisse und eine kritische Beleuchtung der Methode. Abschließend wird der Versuch unternommen, Handlungsempfehlungen für Anbieter sowie Empfehlungen für weitere Forschungen zu nachhaltigen Modeprodukten auszusprechen.
2. TheoretischerTeil und Definition zentraler Begriffe
Um in die bestehende Thematik einzuleiten, sollen im folgenden Kapitel Begriffe, Entwicklungen und Definitionen von Nachhaltigkeit, Zahlungsbereitschaft und der Modebranche erläutert werden.
2.1 Entwicklung und Definition des Begriffes „Nachhaltigkeit“
Der Ursprung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ geht bis in das 18. Jahrhundert zurück. Bereits Anfang dieses Jahrhunderts beschrieb Hans Carl von Carlowitz4, wie eine nachhaltige und beständige Nutzung „unentbehrlicher Sachen“ aussehen soll. Die damals zunehmende Industrialisierung führte dazu, dass der Bedarf an Holz in der Landwirtschaft zunahm, es kam zu einer Übernutzung der Wälder. Er verfasste zu der Zeit die zweiteilige Abhandlung „Sylviculture Oeconomica“ und behandelt darin das Prinzip von ökologischen Bedingungen. Carlowitz fordert, dass eine dauerhafte Nutzung von Ressourcen die Berücksichtigung des Nachwachsens von Beständen bedingen muss (vgl. Frank, K./ Patrizi, M., 2014, S. 9). Aus dieser zwar sehr altertümlichen Begriffsnutzung lässt sich die heutige Bedeutung von Nachhaltigkeit gut ableiten: wesentliche Ressourcen der Erde sollen bewahrt werden und natürliche Mittel sollen bewusst verwendet und geschont werden. „Der Auftrag ist klar: kommende Generationen sollen den Planeten Erde ebenso nutzbar vorfinden wie die jetzige“ (Baumert. S./ Schlütter K./ Stoppe S., 2013 S. 11). Der Gedanke von Nachhaltigkeit bezieht sich dementsprechend nicht nur zum Schutz der Umwelt auf die ursprünglichen Ideen einer ressourcenschonenden Land- und Forstwirtschaft, der Blickwinkel soll von heutigen Generationen auf zukünftige erweitert werden. Aktuell wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ zumeist mit Verhalten, Produktionsformen und Objekten in Verbindung gebracht, die eine stabile Zukunft erzielen sollen. Nachhaltigkeit bezieht sich demzufolge auf zahlreiche Bereiche, die eng miteinander verbunden sind. Kategorisiert lässt sich ein Nachhaltigkeitsdreieck bilden aus: Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Gelegentlich werden zusätzlich kulturelle Aspekte herangezogen (vgl. Herlyn, E./ Lévy-Tödter, M„ 2019, S. 83f).
Es wird eine globale nachhaltige Entwicklung angestrebt - es wird immer intensiver und überall nach mehr Möglichkeiten für verbessertes Umweltbewusstsein gesucht (vgl. Generalversammlung, 2015, S. 1- 38). Durch Herausforderungen im Zuge des Klimaschutzes und die fordernde Gestaltung einer ressourcenschonenden Gesellschaft wächst der Druck auf Unternehmen und Verbraucherinnen. Klimaverhältnisse brechen jegliche Grenzwerte, die Bevölkerung wächst, in vielen Ländern sind Menschen zunehmend von Hunger bedroht und die geforderten Mindestniveaus für Arbeitnehmerinnen in Produktionsstätten werden insbesondere in armen Ländern nicht eingehalten. Während der Energiekonsum der Menschen immer weiter ansteigt, dehnt sich die soziale und finanzielle Ungleichheit aus, die Abholzung der Regenwälder findet weiterhin statt und die Meere sind von Überfischung bedroht (vgl. Baumert. S./ Schlütter K./ Stoppe S., 2013, S. 11). Unabhängig von persönlichen Einstellungen, Werten oder Ideologien scheint es dem Großteil der Verbraucherinnen bewusst zu sein, dass die derzeitige Lebens- und Wirtschaftsweise drastische Auswirkungen auf das Klima, Wirtschaft und Konjunktur weltweit genommen haben (vgl. Herlyn, E./ Lévy-Tödter, M., 2019, S. 85f).
Eine „nachhaltige Entwicklung“, wie in 1.1. definiert, beinhaltet Zukunftsvisionen, Carlowitz sah schon jüngst die Relevanz von Nachhaltigkeit als dauerhaftes Wohl der Natur und der Gesellschaft im Fokus.
2.2 Definition des Begriffs Zahlungsbereitschaft
Entgegen der wissenschaftlich existierenden Definition von „Zahlungsbereitschaft“ wird in dieser Arbeit eine Definition des Begriffs identifiziert, welche bisherige Definitionen aus der Literatur erweitern soll. Die sogenannte Zahlungsbereitschaft soll die Menge an Gütern, die eine Kundin oder ein Kunde bereit ist zu zahlen, monetär bewerten. „Die Zahlungsbereitschaft ist zumeist mit einem fallenden Grenznutzen versehen, der aus der Annahme resultiert, dass durch das erste Produkt ein höherer Preis gezahlt wird als für die nachfolgenden Produkte, die in der gesamten Kaufmenge enthalten sind“ (Ebner, M. D., 2010, S. 22). Im englischsprachigen Raum spricht man auch von Zahlungsbereitschaft als „Willingness to pay“ (WTP). Bei der Messgröße WTP wird der höchste Preis gesucht, den ein Individuum bereit ist für ein bestimmtes Gut oder eine Dienstleistung zu zahlen (vgl. Breidert, C., 2006, S. 27).
Die Zahlungsbereitschaft wird auf Basis dieser Definitionen jedoch ausschließlich als Maximalpreispunkt verstanden. In dieser Arbeit soll die Zahlungsbereitschaft nicht nur als ein Maximum, sondern als ein Preisbereich definiert werden. Es wird ein monetärer Bereich gesucht, in dem Verbraucherinnen bereit sind ein Modeprodukt zu kaufen. Im Gegensatz zu einem Preispunkt bedeutet ein Preisbereich, dass die Zahlungsbereitschaft sowohl durch einen Minimalpreis als auch einem Maximalpreis begrenzt wird. Unternehmen haben bei der Wahl des optimalen Preises einen gewissen Spielraum. Die Wahl, die letztendlich in der Preispolitik getroffen wird, hängt im gewissen Maße von der Reaktion der Verbraucherinnen ab. Außerdem variiert die Preisausdehnung der Unternehmen durch den aktuellen Wettbewerb, durch die Struktur des Handels und den langfristigen Unternehmenszielen (Van Westerndorp, P.H., 1976, S. 139-167).
Die Untersuchung in dieser Arbeit soll sich aus den unterschiedlichen Einflussfaktoren speziell auf die Preissensibilität der Verbraucherinnen konzentrieren. Für die Angabe der Zahlungsbereitschaft in der empirischen Untersuchung sollen von der Forscherin alle positiven Werte über 0 in Euro (Euro) und Cent (ct) erfasst und in die Analyse mit einbezogen werden.
2.3 Nachhaltigkeit in der Modebranche
Die Textilindustrie wird grundsätzlich in drei Bereiche unterteilt: Herstellung technischer Textilien, Haus- und Heimtextilien und Bekleidungsindustrie. In dieser Arbeit wird der Fokus ausschließlich auf die Bekleidungsindustrie, ebenfalls bekannt als Mode- oder Fashionbranche, gerichtet. Der weltweite Umsatz in der Fashionindustrie für Kleidung und Schuhe betrug 2019 64,6 Milliarden Euro, allein Online wurde ein Umsatz von 18,7 Milliarden Euro generiert (vgl. Rabe, L., 2020, o. S.) und wird Prognosen zufolge jährlich weitersteigen.5 Die Annahme, dass es für Verbraucherinnen eine Ausnahme sei, ein T-Shirt für unter fünf Euro erwerben zu können, gilt heutzutage als irrtümlich. Bekleidungsketten wie H&M, Zara, C&A und Primark bieten seit vielen Jahren ihre Kleidungsstücke und Kollektionen immer günstiger an. „Fast Fashion“6 stellt ein beliebtes Kaufverhalten vieler Konsumentinnen dar und zeigt die permanente Suche nach aktuellen Trends und das immer noch mehr kaufen, welches durch Social Media und einer Vielzahl von Mode Magazinen inspiriert wird. Statistiken zufolge kommt eine/ein durchschnittliche/r Verbraucherin in Deutschland jährlich auf etwa 60 neue Kleidungsstücke (vgl. Martus, T., 2020, S. 3). Der besonders günstige Preis derWare macht es Konsumentinnen möglich, mehr Kleidung zu kaufen, als tatsächlich vonnöten ist. Studien zeigen, dass bis zu 40% dieser Kleidungsstücke nie getragen werden (vgl. Fenzel, V., 2018, S. 11). Modeketten wie Zara oder H&M produzieren zu besonders niedrigen Preisen bis zu 52 Kollektionen im Jahr, um zu garantieren, dass jede Woche neue Angebote in den Verkaufshäusern vorgestellt werden (vgl. Martus, T., 2020, S. 3). Die Bedingungen, zu denen solche Modeprodukte produziert werden, werden dabei von vielen Verbraucherinnen außer Acht gelassen. „Immer öfter geraten Textilunternehmen in die Schlagzeilen aufgrund unmenschlicher Produktionsbedingungen“ (Heinrich, P., 2008, S. 107). Vielen Verbraucherinnen fehlt es an Bewusstsein darüber, dass das Anbieten von Fast Fashion Produkte Sparmaßnahmen im Produktionsprozess unerlässlich macht.
Die meisten dieser niedrigpreisigen Kleidungsstücke werden in asiatischen Ländern, wie beispielsweise China, Indien, Bangladesch oder Kambodscha produziert. Die Arbeitsbedingungen für die Textilarbeiterinnen in benannten Ländern gelten, trotz zunehmender Kontrolle, teilweise als menschenverachtend. Schlechte Arbeitsbedingungen, giftige Chemikalien und Überstunden sind Alltag für diese Arbeitnehmerinnen (vgl. Fenzel, V., 2018, S. 11f). Betrachtet man die Preiskalkulation eines T-Shirts mit einem durchschnittlichen Einkaufspreis von 4,95 Euro setzt sich der Preis beispielhaft wie folgt zusammen:
Abb. 1: Preiszusammensetzung eines 4,95 Euro T-Shirts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Fenzel, V., 2018, S.11.
Neben schlechten Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen erhalten die Angestellten einen Lohn, der unter einem Existenzlohn liegt. Abbildung 1 führt zu der Erkenntnis, dass der größte prozentuale Teil des Verkaufspreises an den Handel (50%) und das Label (25%) ausgezahlt wird. Infolgedessen werden nur 25% für die Herstellung, den Transport und den Arbeitnehmerinnenlohn (1%) kalkuliert. Warum kaufen Konsumentinnen ein T-Shirt, was preislich einem Latte Macchiato gleichkommt? Wären sie bereit einen Aufpreis zu zahlen, wenn sie sicher sein können, dass Textilarbeiterinnen unter fairen Arbeitsbedingungen produzieren und angemessen bezahlt werden?
Neben den schlechten Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen weist das Kaufverhalten von Fast Fashion noch weitere Schattenseiten auf. Die Modeindustrie gilt weltweit als eine der schädlichsten Industrien für die Umwelt. Schätzungen zufolge gehen bis zu 11% der weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Textilbranche zurück (vgl. Martus, T., 2020, S. 3). Als Gründe dafür gelten unter anderem die umweltbelastenden Methoden des Anbaus und der Herstellung von Rohstoffen, sowie die langen Transportwege der Textilen (vgl. Heinrich, P., 2008, S. 107ff). Die Herstellung von Fast Fashion Produkten verzeichnet einen drastischen Ressourcenverbrauch und erweist sich ökologisch als höchst belastend. Zur Färbung und Gestaltung eines Kleidungsstücks werden bei der Produktion viele giftige Chemikalien eingesetzt. Umweltministerin Svenja Schulze warnt die Verbraucherinnen: „Die Kosten der globalen Umweltverschmutzung stehen nicht auf dem Preisschild“ (Martus, T., 2020, S. 3). Vor dem Hintergrund des aktuellen Klimawandels stellt sich nun die Frage: Wird Fast Fashion weiterhin ein befolgter Trend bleiben oder werden Unternehmen und Konsumentinnen sich ihrer Verantwortung bewusst und ändern etwas an dem Produktions- und Kaufverhalten? Es scheint, als sei die Zeit für ein Umdenken in der Modebranche gekommen. Dieser neue Trend nennt sich „Siow Fashion“.
2.4 Trends in der Modebranche
Die Modebranche befindet sich aktuell in einer Umstrukturierung. Als Gründe dafür gelten unter anderem der demografische Wandel, Fast Fashion vs. Slow Fashion, die Bedeutung des Onlinehandels, Corporate Social Responsibility (CSR) als neuer Managementansatz und veränderte Wünsche der Konsumentinnen. Diese und weitere Veränderungen stellen die Modebranche vor ganz neue Herausforderungen. Folgend soll der Trend „Siow Fashion“ und die Strategie „Corporate Social Responsibility“ vorgestellt werden.
2.4.1 Slow Fashion
Slow Fashion betrifft den gesamten Textil- und Bekleidungskomplex und lässt sich als ein alternatives, nachhaltiges Produktions- und Konsumsystem definieren. Der Trend geht über das Konzept der Nachhaltigkeit hinaus und fordert eine grundlegende Veränderung der Infrastruktur und aktuellen Verfahren der Modeindustrie. Slow Fashion löst sich von den wachstumsbasierten Prinzipien der Fast Fashion und konzentriert sich auf neue Prinzipien, welche auf sozialen, ethischen, kulturellen und wirtschaftlichen Werten basieren (vgl. Choi, T.-M., 2014, S. 14f). Besonders der Wandel von Fast Fashion zu Slow Fashion erweist sich als substanziell für diese Arbeit und soll die Relevanz der später durchgeführten Marktforschung begründen. Ein steigender Anteil der Konsumentinnen achtet beim Kauf von Kleidung neben Preis und Marke auf das Kriterium Nachhaltigkeit. Unterdessen ist zu bemerken, dass die Relevanz von Kaufkriterien stark nach unterschiedlichen Altersgruppen der Verbraucherinnen variieren. Neben Preis, Marke und Nachhaltigkeit wird der Kauf oder Nichtkauf eines Produktes durch weitere Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise das individuelle monatliche Haushaltseinkommen oder die Attraktivität eines Designs (vgl. Fenzel, V., 2018, S. 21ff).
Eine Studie von der Splendid Research GmbH im Jahr 2016 ergab, dass 28,9% der über 1.000 Befragten angaben, dass ihnen Nachhaltigkeit beim Kauf von Bekleidung „Eher wichtig“ sei und nur 2,2% sahen Nachhaltigkeit als Kaufkriterium als „Unwichtig“. Ebenfalls ergab diese Studie, dass 30% der Probandinnen in den letzten 12 Monaten mindestens ein nachhaltig produziertes Kleidungsstück gekauft haben (vgl. Wollf, A., 2016, o. S.). Man kann davon ausgehen, dass der Wert aufgrund des rapiden Anstieges des gesellschaftlichen Interesses am Umweltbewusstsein noch weiter angestiegen ist.
Anbieter und Unternehmen stehen vermehrt unter medialer Beobachtung, sie werden gesellschaftlich motiviert, den Nachhaltigkeitsgedanken in den Unternehmensalltag zu integrieren. Dennoch brauchen Hersteller und Handel noch mehr Anreize sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, gesetzliche Regeln mit folgenden Verpflichtungen stehen bereits zur Diskussion: Derzeit wird im Umweltministerium nach einer Umstrukturierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gearbeitet. Es soll eine neue Obhutspflicht geben, welche Hersteller verpflichtet Produkte zu entwickeln, die möglichst lange für Konsumentinnen gebrauchsfähig sind. Durch die Langlebigkeit der Produkte soll verhindert werden, dass weniger überschüssige Bekleidungsstücke produziert werden. Zusätzlich sollen Verbraucherinnen dazu bewegt werden, im Alltag dem Trend „Siow Fashion“ zu folgen, bewusster einzukaufen und mehr Wert auf qualitativ hochwertige und nachhaltige Bekleidung zu legen (vgl. Martus, T., 2020, S. 3).
2.4.2 Corporate Social Responsibility
Im Zusammenhang mit dem Bereich „Ökonomie“ aus dem Nachhaltigkeitsdreieck7 wird der Begriff Coporate Social Responsibility häufig als Synonym für Nachhaltigkeit genutzt. CSR bezeichnet eine freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen soziale und ökologische Maßnahmen durchzuführen, die sowohl dem langfristigen Interesse der Einheit als auch der Gesellschaft dienen. Unternehmen sollen durch CSR vermehrt dazu motiviert werden freiwillige Beiträge zu leisten, um ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte zu steigern. Durch strategische CSR Maßnahmen werden soziale Missstände verringert und umweltschonende Maßnahmen ergriffen (vgl. Zirnig, D., 2009, S. 7f).
Konsumentinnen befinden sich aktuell in einem Wertewandel, es steigert sich zunehmend das Interesse an der Umwelt und dem Menschen (vgl. Sailer, U., 2015, S. 94). Für Anbieter wird es demzufolge immer wichtiger Verantwortung zu übernehmen und ihr Unternehmen am Markt als nachhaltig bewusst zu positionieren. Durch den Einsatz von CSR Maßnahmen entsteht eine Win-Win Situation, wodurch das Image des Unternehmen gestärkt wird und die Interessen der Gesellschaft beachtet werden.
Damit ein Unternehmen am Markt konkurrenzfähig bleibt, sollten ökologische und soziale Interessen mit wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens vereinbart werden. Es wird demnach erwartet, dass ein gesellschaftlicher Beitrag in sozial, ökologisch und ökonomischer Art geleistet wird. Sollten diese Erwartungen nicht berücksichtigt werden, könnten negative Auswirkungen auf Anspruchsgruppen und Konsumentinnen dieser Unternehmen folgen. Eine transparente CSR- Kommunikation gestaltet sich unabdingbar, um Vertrauen bei den Anspruchsgruppen zu gewinnen. Ein CSR-Konzept kann allerdings nur erfolgreich sein, wenn die Kommunikation an die Öffentlichkeit glaubwürdig und transparent stattfindet. Werden diese Anforderungen berücksichtigt, kann ein gutes Konzept zu Imagesteigerung, vorteilhaften Wettbewerbspositionierung, neue Kundinnengewinnung und zu dauerhaften Kundinnenbindung führen (vgl. Heinrich, P., 2008, S. 1f). Weitere Motivatoren werden in der selbstständigen Förderung von ökonomischen Interessen, Kostenreduzierungen durch neue Produktionsmöglichkeiten und Miarbeiterlnnenmotivation als attraktiver Arbeitgeber, gesehen (vgl. Peter, B., 2012, o. S.).
Das Label Armedangels aus Köln gilt als Positivbeispiel für eine erfolgreiche Umsetzung von CSR Aktivitäten. „Armedangels“ ist eins der ersten deutschen Labels, welches die Nachhaltigkeitsaspekte „ökonomisch“ „fair“ und „sozial“ erfolgreich erfüllt und positioniert sich aufgrund dessen mit einem neuen, vorteilhaften Unique Selling Proposition (USP)8 am Markt. „Unser USP: Wir wollten nachhaltige faire und soziale Mode produzieren, aber nicht zwingend teurer als die konventionelle Konkurrenz. Trotz hoher Kosten und geringerer Margen“ (Luckwaldt, S., 2017, o. S.). „Armedangels“ bietet den Kundinnen neben dem Nachhaltigkeitsgedanken eine neue Form von Transparenz. Auf der Internetseite haben Verbraucherinnen die Chance die vollständige Herstellungskette der Modeprodukte nachzuvollziehen. In jedem Schritt der Produktion, Fertigung und Verbreitung werden CSR- Aktivitäten anhand von Standards und Richtlinien umgesetzt. Die besonderen Werte dieser Unternehmensphilosophie werden zu den Konsumentinnen mithilfe von verschiedenen Kommunikationsarten nach außen getragen. „Armedangels“ nutzt dabei die Kommunikationsinstrumente: Public Relation, Sponsoring, Social Media oder auch Kooperationen mit prominenten Personen, damit die Vision einer nachhaltigen Textilindustrie verbreitet und vermittelt wird. Um nachhaltige Materialien und faire Arbeitsbedingungen zu garantieren, zertifiziert sich „Armedangels“ mit den Gütesiegeln "Fairtrade", "Global Organic Textile Standard" und "Fair Wear Foundation", welche im Folgenden genauer erläutert werden (vgl. o. V., 2019, o. S.; Luckwaldt, S., 2017, o. S.).
2.4.3 Gütesiegel als CSR Instrument für nachhaltige Mode
Sozial verträgliche Arbeitsbedingungen für Textilarbeitnehmerinnen gelten aktuell noch eher als Ausnahme. Allgemeine Standards und Gütesiegel sollen dafür sorgen, dass bestimmte Arbeitsbedingungen bei Arbeitnehmerinnen erreicht werden und bei dem Thema Nachhaltigkeit Transparenz und Vertrauen für Konsumentinnen schaffen. Allgemein bezeichnet ein Gütesiegel ein geprüftes Zeichen, wodurch garantiert wird, dass Textilien bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen (vgl. Ohrendorf, M., 2004, S. 107).
Für Verbraucherinnen ist es nahezu unmöglich selbstständig zu prüfen, ob Anbieter gewünschte Nachhaltigkeits-Standards konsequent einhalten. Viele Hersteller und Anbieter lassen sich aufgrund dessen mit Siegeln auszeichnen, welche fair produzierte und umweltfreundlichere Kleidung versprechen. Bei den existierenden Gütesiegeln wird dennoch häufig kritisiert, dass die meisten Siegel nicht alle Aspekte einer nachhaltigen Kleidung berücksichtigen. Darüber hinaus kommt es zu Fällen bei denen Anbieter mit eigenen Siegeln ohne Allgemeingültigkeit werben und damit die Verbraucherinnen möglicherweise täuschen (vgl. Schütte, S., 2011, S. 123f).
Im Folgenden sollen wichtige Gütesiegel der Modebranche vorgestellt werden, da sie für die Online-Befragung von Relevanz sind.
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Abb. 2: Übersicht wichtiger Gütesiegel der Textilbranche
Für ein weit verbreitetes und bekanntes Siegel steht das Label „Global Organic Textile Standard“ (GOTS). Das Siegel wurde in Deutschland vom internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) in Zusammenarbeit mit weiteren Ländern gegründet und zählt zu den Siegeln mit strengsten Standards in der Modeindustrie. Produkte mit dem „GOTS“ Label müssen mindestens zu 90% aus Naturfasern wie Bio-Baumwolle, Bio-Leinen, BioSchurwolle (vgl. Schütte, S., 2011, S. 123f) aus kontrollierter biologischer Landwirtschaft oder Tierhaltung bestehen. Bei dem Siegelzusatz „organic“ gelten die Bedingungen für 95% der für das Kleidungsstück eingesetzten Fasern. Eine unabhängige Zertifizierungsstelle prüft die strengen Standards einmal jährlich. Das Siegel „IVN Best“, ebenfalls gegründet von dem internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft, garantiert in der Verarbeitung von Baumwolle, dass die Normen der „International Labour Organisation“ (ILO) eingehalten werden. Zu diesen Kernarbeitsnormen gehören die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Beseitigung von Zwangsarbeit, die Abschaffung von Kinderarbeit und das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (vgl. Schulz, S. C., 2020, o. S.). Die Textilien weisen 100% ökologische Naturfasern auf und Textilarbeiterinnen verdienen einen nationalen Mindestlohn. Die Einhaltung der Richtlinien wird ebenfalls von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle kontrolliert, (vgl. o. V., 2020, o. S.).
Das „Fairtrade“ Siegel „(...) setzt sich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen ein“ (Sailer, U., 2015, S. 96) und steht für eine Art von Baumwolle, die sowohl fair angebaut als auch gerecht gehandelt wird. Die Standards von „Fairtrade“ sind höher als die der ILO Kernarbeitsnormen, da die Normen nicht nur speziell für die Produktion, sondern zusätzlich für die weitere Verarbeitung gelten. „Fairtrade“ gilt als Förderer des Biobaumwollanbaus, der geforderte Textilstandard deckt die gesamte Wertschöpfungskette der Erzeugung ab. Der Mindestpreis durch „Fairtrade“ soll Bauern und Arbeitern dabei helfen, eine nachhaltige Produktion für die verwendeten Textilien zu garantieren, (vgl. o. V., 2020, o. S.). Die Zertifizierungsgesellschaft FLO-CERT kontrolliert vor Ort, ob die strengen Standards erfüllt werden (vgl. Born. S., 2015, o. S.). Für ein weiteres, bedeutendes Siegel steht die „Fair Wear Foundation“. Dieses Label setzt sich in Zusammenarbeit mit Mitgliedsunternehmen dafür ein, dass faire und sichere Arbeitsbedingungen in den Textilfabrikbetrieben gesichert werden. Geforderte Standards wie Verbot von Kinderarbeit, sichere, freie Arbeitsplätze, angemessene Arbeitszeiten, existenzsichernde Löhne und eine ressourcenschonende Produktion werden in regelmäßigen Abständen kontrolliert (vgl. Pfliegl, J., 2018, o. S.).
Das jüngste Gütesiegel nennt sich „Grüner Knopf“. Das erste staatlich anerkannte Textilsiegel garantiert, dass bei dem verifizierten Produkt 26 ökologische und soziale Produktanforderungen und mindestens 20 Unternehmenskriterien erfüllt werden. Unternehmen, die sich mit „Grüner Knopf“ zertifizieren dürfen, werden von unabhängigen Prüfern regelmäßig in den verschiedenen Produktionsschritten Nähen, Zuschneiden, Färben und Bleichen überprüft. Durch die Kontrollen von „Grüner Knopf“ sollen Menschenrechtsverletzungen und ökologische Belastungen zunächst verringert und langfristig ausgeschlossen werden (vgl. Reuter, S., 2019, o. S.).
3. Methoden zur Ermittlung von Zahlungsbereitschaften
Im folgenden Kapitel werden ausgewählte Marktforschungsinstrumente vorgestellt, welche Daten über Zahlungsbereitschaften von Konsumentinnen abfragen. Für die Bestimmung eines optimalen Produktpreises werden in der Praxis hauptsächlich Faktoren wie Produktionskosten oder Wettbewerbsangebote herangezogen. Eine Festlegung des tatsächlichen Preispotentials basiert dabei auf der nachfrageorientierten Preisbestimmung des Anbieters. Aufgrund dessen gilt es als empfehlenswert, bei allen Entscheidungen rund um den Produktpreis zunächst die Zahlungsbereitschaft der Verbraucherinnen zu erforschen (vgl. Kiely I., 2013, o. S.). Es existieren viele unterschiedliche Methoden, die eine optimale Zahlungsbereitschaft von Verbraucherinnen für ein bestimmtes Produkt messen.
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Marktforscherinnen haben die Möglichkeit auf unterschiedliche Daten als Grundlage für die Preisforschungen zurückzugreifen. Abbildung 3 lässt erkennen, dass für die Forschung Kaufdaten, Präferenzdaten oder Kaufangebote herangezogen werden können. Diese Arbeit konzentriert sich zur Erfassung von Zahlungsbereitschaften auf Präferenzdaten. Präferenzdaten werden unterteilt in indirekte und direkte Methoden der Preisbefragung
3.1 Indirekte Preisbefragung
Bei der indirekten Preisbefragung werden dem oder der Befragten mehrere Produktalternativen mit diversen Preisen vorgestellt, aus denen, wie in einer realen Kaufsituation, ein Angebot als beste Kaufalternative ausgewählt wird (vgl. Kielyl.,2013, o. S.).
Neben unterschiedlichen Preisen weisen die Produkte noch weitere, differenzierte Produkteigenschaften auf, wie beispielsweise technische Funktionen und Features für das Angebot, welche die Probandinnen bei der Bewertung individuell abwägen sollen. Auf Basis des erhobenen Gesamtnutzens werden daraufhin Teilnutzenwerte für die unterschiedlichen Eigenschaftsausprägungen berechnet. Aus diesen Werten können abschließend individuelle Zahlungsbereitschaften abgeleitet werden. Der Vorteil der indirekten Preisbefragung zeichnet sich dadurch aus, dass für eine Entscheidungsfindung einzelne Produkteigenschaften klar abgewogen werden müssen, was reale Ergebnisse für die Forschung versprechen soll (vgl. Hagemeister, F., 2009, S 26f).
Die Conjoint Analyse (CA) oder auch das Conjoint Measurement gilt als Verfahren der indirekten Preisbefragung, es handelt sich dabei um ein weit verbreitetes Modell zur praktischen Umsetzung von Value-Pricing9. Bei der Conjoint Analyse wird gemessen, wie Wert- und Preisvorstellungen einher gebracht werden können. Dafür wird eine Preis-Absatz-Funktion10 ermittelt, welche Umsatz- und gewinnoptimale Preise errechnen soll. Auf Basis der ermittelten Angaben können daraufhin mithilfe von Verfahren der Statik einzelne Teilnutzwerte errechnet werden. Darauf aufbauend kann für alle Ausprägungsmerkmale die individuelle Zahlungsbereitschaft bestimmt werden. Die CA beweist sich durch den Vorteil eine Kaufsimulation real nachzubilden. Kundinnen werden nicht direkt nach ihrer Preismeinung befragt, sie müssen aus verschiedenen Produktalternativen das Angebot auswählen, bei dem die Produkteigenschaften und der Preis einen maximalen Gewinn darstellen. Verbraucherinnen treffen bei dieser Methodik demnach eine individuelle Trade-Off-Entscheidung11. (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 102-113).
Neben zahlreicher Vorteile verzeichnet die Conjoint Analyse dennoch nennenswerte Nachteile. Zum einen besteht ein Nachteil darin, dass bei der Methode häufig mit Ordinalskalen gearbeitet wird, wodurch automatisch ausgeschlossen wird, arithmetische Mittelwerte zu errechnen. Einen weiteren Nachteil stellt die Überforderung mancher Probandinnen dar. Zahlreiche Bewertungen können die Befragten überlasten, wodurch unbrauchbare Daten entstehen. Verfälschte Ergebnisse treten vor allem dann auf, wenn Probandinnen keine reale Vorstellung zu dem befragten Produkt haben (vgl. Baier, D./ Brusch, M., 2009, S. 9f).
Die Conjoint Analyse wird in dieser Masterarbeit nicht eingesetzt. Die CA überzeugt bei Untersuchungen, welche die erste Preisermittlung neuer Produkte beinhalten oder wenn die Forschung aus Bewertungen komplexer Kaufentscheidungen besteht. Die CA erforscht akzeptierte Preise für Produkte mit verschiedenen auswählbaren Features (z.B. Technik), was für die Forschung der Zahlungsbereitschaft von Konsumentinnen für Produkte der Modeindustrie unpassend ist.
3.2 Direkte Preisbefragung
Die direkte Preisforschung gilt in der Marktforschung als simple und kostengünstige Methodik um die Zahlungsbereitschaft im Rahmen eines Kundinneninterviews zu erforschen und ist bereits seit den 60er Jahren erfolgreich in der Forschung etabliert. Bei der einfachsten Variante dieser Art von Befragung wird den Probandinnen folgende Frage gestellt: Wie viel sind Sie bereit maximal für diese Leistung zu zahlen? (vgl. Rommelspacher, M., 2011, S 26f). Durch diese Befragungsart lässt sich der Maximalpreis für eine bestimmte Leistung für den oder die Interviewerin simpel ermitteln. Die direkte Preisabfrage mit nur einer Frage wird jedoch in der Praxis sehr selten durchgeführt, da sich die Befragten zu sehr auf den maximalen Preis fokussieren würden, was Verfälschungen der realen Zahlungsbereitschaft zur Folge haben könnte. Vielmehr wird die direkte Preisabfrage so angewendet, „dass (...) mehrere offene Fragen ein aus Kundensicht akzeptiertes Preisintervall ermitteln“ (Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 96) sollen. Eine weitere Möglichkeit zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft mithilfe der direkten Preisbefragung stellt eine Methode dar bei der Probandinnen mehrere Preise für ein Produkt vorgestellt bekommen. Sie werden dazu aufgefordert das Angebot zu wählen, das in ihren Augen einen noch angemessenen Produktpreis aufweist. Bei nichtlinearen Preissetzungen wird zumeist eine andere Variante der direkten Preisabfrage verwendet, die sogenannte PreisMengenabfragung. Bei dieser Methode wird der Proband lediglich zur Menge befragt: Wie viele Produkte würden Sie zu dem angegebenen Preis erwerben? (vgl. Hagemeister, F., 2009, S 26f; Roll, O./ Pastuch, K./ Buchwald,G.,2018,S.96).
Die direkte Preisabfrage gewinnt für Marktforscherinnen durch die schnelle und einfache Bewertung vieler Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen an Nutzen. „Obwohl die Befragten immer eine leichte Tendenz haben, ihre eigene Zahlungsbereitschaft zu unterschätzen, funktioniert das Verfahren (im Gegensatz zum Business-to-BusinessUmfeld), im Business-to-Consumer-Bereich relativ gut“ (Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 96). Die Probandinnen werden durch die Methode nicht überfordert und die Auswertung gestaltet sich als unkompliziert. Einen weiterer Vorteil stellt die schnelle, unkomplizierte Befragungstechnik dar, da die Befragten während des Interviews nicht an Interesse oder Konzentration verlieren und die Methoden vergleichsweise wenig Zeit erfordern. Darüber hinaus wird ein großer Vorteil darin gesehen, dass durch die direkte Preisbefragung mehrere Produkte innerhalb einer Befragung untersucht werden können (vgl. Frohmann, F., 2018, S. 159).
Dennoch geht auch diese Art der Preisbefragung mit Limitationen einher. Bei der direkten Preisbefragung ist zu kritisieren, dass sie ein atypisches, hohes Preisbewusstsein bei den Probandinnen erfordert (vgl. Rommelspacher, M., 2011, S 26f). Außerdem wird an den direkten Preisabfragungsmethoden kritisiert, dass die Beantwortung der gestellten Fragen häufig nicht mit realen Kundeninnenverhalten übereinstimmen. Für unbekannte Produkte oder Produktarten, bei denen Kundinnen keine Vorstellung über einen angemessenen Preis haben, gelten die Methoden der direkten Preisabfrage als ungeeignet (vgl. Frohmann, F., 2018, S. 159).
3.2.1 Gabor-Granger-Methode
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Methode der direkten Preisabfrage zeigt die Gabor-Granger-Methode. Die Methode, bei der eine Preisabsatzfunktion für das untersuchte Produkt errechnet wird, geht aufdie ForscherAndré Gabor und Clive Granger (1964) zurück. Aktuelle und potentielle Kundinnen bekommen verschiedene Preise für ein Produkt präsentiert und werden daraufhin befragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie das bestimmte Gut zu dem angegebenen Preis kaufen. Der oder die Befragte äußert seine individuelle Wahrscheinlichkeit anhand einer Skala von 1 (sehr unwahrscheinlich) bis 5 (sehr wahrscheinlich) (vgl. Frohmann, F., 2018, S. 160). Mit dieser Datengrundlage kann eine Nachfragekurve berechnet werden und darauf aufbauend weitere Kaufwahrscheinlichkeiten, Preisschwellen und der optimale Preispunkt bestimmt werden (vgl. Riekhof, H.-C., 2013, S.104f). Der Vorteil dieser Methode befindet sich in der Einfachheit, die Methode erfordert vergleichsweise wenig Aufwand. An der Gabor-Granger-Methode wird kritisiert, dass durch die direkte Form der Preisbefragung die Probandinnen die Theorie sehr leicht durchschauen können. Weiterhin wird kritisiert, dass diese Methode keine Einbeziehung von Wettbewerbsbedingungen beabsichtigt (vgl. Clausen, G./ Marktkgraf, D./ Simon, H./ Tacke, G., 2019, S. 27f).
Um eine valide Preisabfrage durchzuführen, sollte der grundlegend sinnvolle Ansatz der Gabor-Granger-Methode um weitere Befragungsmethoden ergänzt werden. Eine Weiterentwicklung der Gabor-Granger-Methode stellt das Verfahren Price Sensitivity Meter (PSM) von van Westendorp dar (vgl. Roll, O./ Pastuch, K./ Buchwald, G., 2018, S. 96).
3.2.2 Price Sensitivity Meter
Das Van Westendorp Price Sensitivity Meter Model (PSM) bietet einen weiteren Ansatz zur Beurteilung der Preiswahrnehmung von Kundinnen für ein Produkt, Service, oder eine Produktgruppe. Die Methode ist auf dem ESOMAR Kongress 1976 erstmalig von dem holländischen Wirtschaftswissenschaftler Van Westendorp vorgestellt worden. Die Technik basiert auf früheren Forschungen in dem Bereich der Preisanalyse, enthält jedoch wichtige, aktuelle Grundsätze, die heute weit verbreitet in der Marktforschung genutzt werden. Der Ansatz dieser Methodik gestaltet sich im Wesentlichen psychometrisch (vgl. Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139167). Seit 1976 wurde der etablierte Ansatz in der Marktforschung von vielen Wissenschaftlerinnen für eigene Preisuntersuchungen als Forschungsansatz genutzt, angepasst oder auch weiterentwickelt. Im Folgenden soll die Technik detailliert vorgestellt und begründet werden, wieso diese Methode für Forscherinnen eine zentrale Rolle bei Preisstrategien darstellt.
Das PSM hilft der Marktforschung, neben dem optimalen Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung, ebenfalls mit Hilfe einer Preisabsatzfunktion elementare Preisober- und Preisuntergrenzen zu ermitteln. Das Verfahren basiert darauf, vier verschiedene Preisdimensionen mithilfe von direkten Fragen an Untersuchungspersonen zu evaluieren. Sowohl aktuelle als auch potentielle Kundinnen werden bei diesem Verfahren zu einem bestimmten Angebot interviewt (vgl. Riekhof, H.-C., 2013, S. 105).
Schritt 1 der PSM Technik besteht daraus den Probandinnen das Produkt oder den Service detailliert vorzustellen. Dabei ist es vonnöten das Angebot unmissverständlich und realitätsnah zu zeigen, da Befragungen nur valide Ergebnisse liefern können, wenn Probandinnen einen guten Einblick über das Produkt erlangen. Kennt der oder die Befragte das Produkt bereits, steigt die Wahrscheinlichkeit einer optimalen Preiseinschätzung. Durch eine realitätsnahe Präsentation des Produktes soll garantiert werden, dass die Befragen einen idealen Überblick über den Nutzen erlangen. In der Praxis wird aufgrund dessen häufig zur Veranschaulichung des Produktes mit Bildern, Videos oder ausführlichen Beschreibungen gearbeitet (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 97ff).
Schritt 2 konfrontiert die Probandinnen mit vier verschiedenen Preisfragen. Die Fragen sehen in der Regel wie folgt aus:
1) Bei welchem Preis würden Sie dieses Angebot als zu günstig bewerten, sodass Sie an der Qualität zweifeln würden? (zu günstig)
2) Bis zu welchem Preis erachten Sie dieses Angebot als günstig, sodass es für Sie ein gutes Geschäft darstellen würde? (günstig)
3) Bei welchem Preis würden Sie das Angebot als teuer bewerten, würden es aber dennoch in Erwägung ziehen es zu kaufen? (teuer)
4) Bei welchem Preis würden Sie das Angebot als zu teuer bezeichnen, sodass Sie das Produkt nicht kaufen würden? (zu teuer)
Schritt 3 folgt nachdem die Probandinnen sich mit den vier Fragen auseinandergesetzt und beantwortet haben. Es ergeben sich Daten, die nach der Bearbeitung graphisch dargestellt und ausgewertet werden. Dafür wird ein zweidimensionales Diagramm verwendet, welches die Ergebnisse der Befragung übersichtlich visualisieren soll (vgl. Frohmann, F., 2018, S. 160ff), wie in Abbildung 4 beispielhaft dargestellt wird:
Für die Erstellung des Liniendiagramms werden die Angaben zunächst in prozentuale Nennungshäufigkeiten kumuliert und darauffolgend graphisch abgebildet. Auf der Preisachse sind daraufhin zwei fallende und zwei steigende Verteilungsfunktionen abzulesen. Die verschiedenen Kurven in der Abbildung zeigen die Verteilung von: billig, zu billig, teuer oder zu teuer. Zudem ergeben die vier dargestellten Verteilungsfunktionen vier verschiedene Schnittpunkte, auch bezeichnet als Preispunkte (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 97ff; Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139-167).
Schritt 4 beinhaltet die Analyse und Gewichtung der verschiedenen Kreuzungspunkte und Kurven. Der Schnittpunkt von den Funktionen „zu billig“ (violett) und „teuer“ (blau) wird als Point of Marginal Cheapness (PMC) (vgl. Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139-167) bezeichnet, übersetzt bedeutet das die untere, sinnvolle Preisschranke für das untersuchte Produkt. Gleich viele Probandinnen sind an diesem Punkt der Meinung, dass das Produkt sowohl „zu billig“ als auch „teuer“ ist. Der Schnittpunkt ist so zu interpretieren, dass Anbieter das Produkt nicht unter diesem Preis präsentieren sollten, da mehr Befragte diesen Preis eher „zu billig“ als „nicht billig“ ansehen. Preisangebote unter dem PMC könnten die Kundinnen an der Qualität des Produktes zweifeln lassen, was zu Image- und Umsatzverlusten führen kann (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S.97 ff).
Einen weiteren Schnittpunkt liefert der Indifferenzpreis (IDP). „Empirical analysis has shown (...), that the indifference-price (IDP) represents a highly significant datum for a market “(vgl. Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139167). An diesem Punkt zeigen identisch viele Befragte die Annahme, dass das Produkt sowohl „teuer“ (blau) als auch „billig“ (orange) ist. Der Indifferenzpreis bietet besonderen Mehrwert sowohl für Anbieter als auch für Konsumentinnen, er gilt in der Praxis als eine Art idealer Kompromiss zwischen den Parteien. Der Preis für ein Produkt sollte nicht zu teuer, aber auch nicht zu günstig sein, der Indifferenzpreis hilft dabei den idealen Preis für ein Angebot zu gewinnen (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 97ff).
Einen weiteren Schnittpunkt der kumulativen Nennungshäufigkeiten für die Fragen „zu billig“ (violette Kurve) und „zu teuer“ (grüne Kurve) repräsentiert der optimale Preispunkt (OPP). An diesem Punkt gilt der Kaufwiderstand der Probandinnen für das Angebot am geringsten, gleich viele Befragte bewerten das Produkt für „zu teuer“ und „zu billig“. Der OPP wird als optimaler Preis zur Maximierung des Absatzvolumens und des Marktanteils für ein Unternehmen gesehen (vgl. Roll O./ Pastuch K./ Buchwald, G., 2018, S. 97ff). In der Analyse ist der OPP oft links vom IDP zu finden, meist mit geringem Abstand zwischen den beiden Punkten. Dennoch gilt es nicht als unwahrscheinlich, dass die Punkte OPP und IDP einen identischen Wert aufweisen (vgl. Van Westendorp, P.H., 1976, S. 139-167).
[...]
1 Fridays for Future (FFF) ist eine Bewegung von Kindern und Jugendlichen für den Klimaschutz nach dem Vorbild von derjungen Aktivistin Greta Thunberg (vgl. z.B. Bremm, U.,2019, S. 6).
2 Eine genauere Abgrenzung von „Zahlungsbereitschaft“ folgt in Kap. 2.2.
3 ESOMAR ist der Weltverband der Marktforschung, der weltweit Marktforschung fördert, voranbringt und aufwertet (vgl. z.B. Menges, L., 2019, o. S.).
4 Hans Carl von Carlowitz gilt als Begründer des Nachhaltigkeitsbegriff und war der sächsische Oberberghauptmann im 17. Und 18. Jahrhundert (vgl. z.B. Frank, K./ Patrizi, M., 2014, S. 9f).
5 Ausgenommen sind Zeiten von Wirtschaftskrisen.
6 Fast Fashion meint ein bestimmtes Produktions- und Vertriebssystem für Massenprodukte, die zu besonders niedrigen Preisen angeboten werden (vgl. z.B. Fenzel,V.,2018,S. 11).
7 Vgl. Nachhaltigkeitsdreieck in Kapitel 2.1
8 Unique Selling Proposition (USP) meint eine Alleinstellung durch objektiv nachweisbare Nutzenversprechen. Der USP soll einen einzigartiges Versprechen für Konsumentinnen herausheben und damit relevantfürdie Kaufentscheidung sein (vgl. z.B. Kreutzer, R.T., 2010, S. 540).
9 Value Pricing fordert, dass der Preis für ein Produkt sich mit seinen spezifischen Eigenschaften (Wertkomponenten) am von Nachfragerinnen wahrgenommenen Wert (Nutzenpreis) ausrichten soll (vgl. Bliemel, F./ Adolphs, K., 2003, S. 137-154).
10 Eine Preis-Absatz-Funktion zeigt die Beziehung zwischen einem Produktpreis oder einem Dienstleistungspreis mit der Absatzmenge als abhängige Variable (vgl. Bräunig, D., 2007, S. 226).
11 Trade-Off-Entscheidungen sind Entscheidungen bei denen vorher besonders abgewogen wird, welche Nachteile man akzeptiert, um sich andere Vorteile zu sichern (vgl. Pfister H-R./ Jungermann H./Fischer K., 2017, S. 104).
- Citar trabajo
- Finja Brückerhoff (Autor), 2020, Relevanz von Nachhaltigkeit in der Modebranche. Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für nachhaltige Modeprodukte, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950647
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