Das Phänomen des Kämpfens ist schon weit vor der Schulzeit ein wichtiger Bestandteil in der kindlichen Entwicklung und Sozialisation. Durch das Ringen, Raufen, Balgen und Kämpfen suchen Kinder schon früh die direkte körperlich-seelische Form der Auseinandersetzung. Es ist ein freudvolles Kräftemessen, ein Umgang mit Distanz und Nähe sowie das Kennenlernen und Entdecken der eigenen Grenzen. Der sportliche Kampf zeichnet sich nach Binhack (1998) durch eine eigene Vitalität aus, die zum einen auf einem psychophysischen Ausleben von Kraftüberschuss, als auch auf einen Erwerb dessen abzielt. Gleichermaßen trägt das kämpferische Vitalsein den Aspekt des Erlebens und den des Leistens mit sich.
Der Einbezug des Kämpfens in die Lehrpläne der Bundesländer, macht die Tragweite des Kämpfens deutlich. Die normative Aufarbeitung des sportlich-spielerischen Kämpfens in der Sportpädagogik stellte eine Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme und Ausweitung des Kämpfens in den Sportlehrplänen der Bundesländer dar. Durch die aktuellsten Verabschiedungen von Lehrplänen wurden kampfsportübergreifende Zweikampfformen mittlerweile in fast alle schulischen Curricula verankert. Dadurch wird dem verantwortungsvollen Kämpfen ein hoher pädagogischer Wert beigemessen. Dabei entscheiden die Bundesländer selbst, in welchen Schulbereichen und Jahrgangsstufen die Thematik des Kämpfens obligatorisch oder fakultativ angeboten wird. Bei der Festsetzung kämpferischer Inhalte wird sich zu großen Teilen immer auf das „Ringen und Raufen“ bezogen.
Das „Ringen und Raufen“ ist keine Sportart an sich, wenn auch gewisse Verbindungslinien zum Ringen und Judo bestehen. Es ist ein komplexes Lernfeld, in dem durch eigenständiges, motiviertes, aktivierendes und sozialisierendes Verhalten gemeinsame Grenzerfahrungen gesammelt werden können. „Ringen und Raufen“ gibt Raum für spielerisches, experimentierendes und exploratives Handeln in der Schule. Neben den anderen Sportarten in der Schule setzt auch das Kämpfen im Sportunterricht eine professionelle Handlungskompetenz der Lehrkraft voraus. Inwieweit diese Kompetenz ausgeprägt ist und ob es eventuelle Unsicherheiten hinsichtlich der Umsetzbarkeit von Kämpfen im Schulsport aufkommen, soll im nächsten Kapitel thematisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problem- und Zielstellung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Das Phänomen Kämpfen
2.2 Kämpfen im gymnasialen Lehrplan Hessen
2.2.1 Pädagogische Begründung für das Bewegungsfeld Kämpfen im Lehrplan
2.2.2 Analyse des Lehrplans in Bezug auf das Bewegungsfeld Kämpfen
2.3 Empirischer Forschungsstand zum Thema Kämpfen
2.3.1 Wirkung von Kämpfen
2.3.2 Kämpfen im Sportunterricht
2.4 Kämpfen aus Sicht der Lehrenden
2.5 Fragestellungen und Hypothesen
3 Methodik
3.1 Untersuchungsdesign
3.2 Fragebogen
3.3 Untersuchungsdurchführung
3.4 Stichprobenbeschreibung
4 Ergebnisse
4.1 Deskriptive Auswertung der Ergebnisse
4.2 Hypothesentestung
4.3 Auswertung offener Antworten
4.3.1 Unterrichtsinhalte
4.3.2 Kompetenzen und positive Effekte
4.3.3 Herausforderungen, Probleme und Risiken
5 Diskussion / Fazit
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.2 Kritische Reflexion der eigenen Untersuchung
5.3 Fazit und Ausblick
6 Literatur- und Quellenverzeichnis
7 Anhang
7.1 Fragebogen
7.2 Qualitative Ergebnisse
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Leitideen und Inhaltsfelder des Hessischen Kerncurriculums - Sport
Abbildung 2: Bipolare Ratingskala
Abbildung 3: Anzahl abgeschlossener und aufgerufener Fragebögen im Zeitraum vom 14.11.2019 bis 14.12.2019
Abbildung 4: Prozentuale Verteilung der Kampfsporterfahrung der Teilnehmer in den verschiedenen Kategorien
Abbildung 5: Prozentuale Verteilung der Erfahrungsniveaus der Teilnehmer im Kampfsport
Abbildung 6: Gründe für die Nicht-Behandlung des Bewegungsfelds Kämpfen im Sportunterricht
Abbildung 7: Anwendung des Bewegungsfelds Kämpfen innerhalb der einzelnen Jahrgangsstufen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Häufigkeitsverteilung der Thematisierung des Bewegungsfelds Kämpfen hinsichtlich der Berufsabschlüsse
Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung der Thematisierung des Bewegungsfelds Kämpfen hinsichtlich der Kampfsporterfahrung
Tabelle 3: Häufigkeitsverteilung der Thematisierung des Bewegungsfelds Kämpfen hinsichtlich der Geschlechterverteilung
1 Einleitung
Das Phänomen des Kämpfens ist schon weit vor der Schulzeit ein wichtiger Bestandteil in der kindlichen Entwicklung und Sozialisation. Durch das Ringen, Raufen, Balgen und Kämpfen suchen Kinder schon früh die direkte körperlich-seelische Form der Auseinandersetzung. Es ist ein freudvolles Kräftemessen, ein Umgang mit Distanz und Nähe sowie das Kennenlernen und Entdecken der eigenen Grenzen (vgl. Beudels, 2008, S. 132). Der sportliche Kampf zeichnet sich nach Binhack (1998) durch eine eigene Vitalität aus, die zum einen auf einem psychophysischen Ausleben von Kraftüberschuss, als auch auf einen Erwerb dessen abzielt. Gleichermaßen trägt das kämpferische Vitalsein den Aspekt des Erlebens und den des Leistens mit sich.
Im Alltag ist zunehmend ein großes Interesse an außergewöhnlichen Selbsterfahrungen entstanden. Das zeigt sich deutlich an der Popularität vieler Extremsportarten, wie beispielsweise dem Bungeejumping, Paragliding oder Downhill-Racing. Im Unterschied zu solchen Extremsportarten bezieht hingegen der Kampfsport die soziale Dimension des Partners und Gegners mit ein. Die dadurch garantierte, risikoreiche Offenheit eines Kampfes macht deutlich, dass immer wieder neue, personen- und situationsabhängige Handlungen gefordert werden. An dieser Stelle entstehen ebenfalls Grenzerfahrungen, in denen die eigene und fremde Kraft erlebt, gefühlt und bestätigt wird. Die Pädagogik im sportlichen Kämpfen beruht daher auf einer körperbetonten, subjektiven Erlebnisebene (vgl. ebd., S.174 f.).
Mit der Möglichkeit, durch kultiviertes Kämpfen die kindliche Bewegungslust auszuleben, entstand die Annahme, dass Kämpfen unter bestimmten Voraussetzungen entscheidend für die kindliche Entwicklung sein kann. Diese These ist seit den 1980er-Jahren in der Sportpädagogik ein zunehmend diskutiertes und aktuelles Thema. Auch der Einbezug des Kämpfens in die Lehrpläne der Bundesländer, macht die Tragweite des Kämpfens deutlich (vgl. Liebl, 2013, S. 10). Die normative Aufarbeitung des sportlich-spielerischen Kämpfens in der Sportpädagogik stellte eine Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme und Ausweitung des Kämpfens in den Sportlehrplänen der Bundesländer dar. Durch die aktuellsten Verabschiedungen von Lehrplänen wurden kampfsportübergreifende Zweikampfformen mittlerweile in fast alle schulischen Curricula verankert. Dadurch wird dem verantwortungsvollen Kämpfen ein hoher pädagogischer Wert beigemessen (vgl. Ennigkeit, Wiethäuper & Liebl, 2018, S. 2; Liebl., 2013, S.11). Dabei entscheiden die Bundesländer selbst, in welchen Schulbereichen und Jahrgangsstufen die Thematik des Kämpfens obligatorisch oder fakultativ angeboten wird. Bei der Festsetzung kämpferischer Inhalte wird sich zu großen Teilen immer auf das „Ringen und Raufen“ bezogen. Das „Ringen und Raufen“ ist keine Sportart an sich, wenn auch gewisse Verbindungslinien zum Ringen und Judo bestehen. Es ist ein komplexes Lernfeld, in dem durch eigenständiges, motiviertes, aktivierendes und sozialisierendes Verhalten gemeinsame Grenzerfahrungen gesammelt werden können. „Ringen und Raufen“ gibt Raum für spielerisches, experimentierendes und exploratives Handeln in der Schule (vgl. Beudels, 2006, S. 211). Neben den anderen Sportarten in der Schule setzt auch das Kämpfen im Sportunterricht eine professionelle Handlungskompetenz der Lehrkraft voraus. Inwieweit diese Kompetenz ausgeprägt ist und ob es eventuelle Unsicherheiten hinsichtlich der Umsetzbarkeit von Kämpfen im Schulsport aufkommen, soll im nächsten Kapitel thematisiert werden.
1.1 Problem- und Zielstellung
In der Sportpädagogik ist eine durchaus große Zahl an Beiträgen zur empirischen Aufarbeitung von Kämpfen im Schulsport zu finden. Das Interesse in der Forschung ist breit gefächert. Neben der normativen Aufarbeitung liegen vor allem Studien in Bezug auf die Gewaltprävention, die Koedukation und Untersuchungen von Kämpfen im Sportunterricht aus der Schüler-Perspektive vor. Einige Beiträge, die im Laufe dieser Arbeit noch beleuchtet werden, untersuchen diese Themengebiete und liefern Aufschluss über die Begründbarkeit des Kampfsportes im Schulsport, sowie dessen Perspektiven, Möglichkeiten, Chancen und Gefahren (vgl. Hartnack, 2013; Leffler; 2013; Liebl, 2013; Zajonc, 2011). Inwiefern jedoch die Umsetzung und Durchführung von Kämpfen im Schulsport seitens der Lehrkraft gelingt oder eventuell auch misslingt, vertieft keiner der erwähnten Beiträge. Auch die selbstständige Literaturrecherche, die zu diesem Zwecke durchgeführt wurde, konnte keine Ergebnisse hinsichtlich dieser Problemstellung liefern. Resultierend aus dieser Forschungslücke wurde eine Problemstellung formuliert, die in der vorliegenden Arbeit behandelt wird. Der Untersuchungsgegenstand und somit auch der Titel der Arbeit „Umsetzung des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“ aus Sicht der Lehrenden“, befasst sich mit der, wie es scheint, unerforschten Situation in diesem Bereich.
Durch das neu aufgelegte Lehrplankonzept aus dem Jahr 2011 ist das Bewegungsfeld Kämpfen in den Lehrplänen der Bundesländer weitgehend verankert. Generell sind die Kompetenzbeschreibungen und fachdidaktischen Konzepte zum Sportunterricht undifferenziert formuliert. Es ist die Aufgabe der Lehrenden, diese in ihrem eigenen Unterricht zu konkretisieren. Besonders in dem jungen Bewegungsfeld Kämpfen kann es daher zu Schwierigkeiten bei den Lehrenden kommen. In dem Bewegungsfeld steht die fachspezifische Klärung noch am Anfang. Mehrdeutige Begriffe, unklare Formulierungen und unterschiedliche Praxisempfehlungen sind für viele alltäglich. Für eine konkrete und sichere Unterrichtsgestaltung sind die Lehrkräfte in diesem Bereich auf vorgegebene Methoden oder Materialien angewiesen, die jedoch nicht zwingend zu Verfügung stehen (vgl. Wiethäuper, 2017, S. 83).
Versetzt man sich in die Lage einer Lehrkraft, die in ihrer sportlichen, sowie beruflichen Laufbahn noch keine Berührungspunkte mit einer Kampfsportart hatte, kann man schnell erahnen, dass bei der Planung einer Unterrichtsreihe zum Thema Kämpfen offene Fragen aufkommen und dies zu Verunsicherung bezüglich der praktischen Realisierung im Unterricht führen können (vgl. Hartnack, 2013, S. 185). Betrachtet man das Bewegungsfeld „Mit und gegen Partner Kämpfen – Ringen und Raufen“ im Lehrplan Hessen, können für Kampfsport-Laien recht schnell Unklarheiten entstehen. Was ist beispielsweise mit „Halten und Befreien im Bodenkampf“ gemeint? Wie sieht ein kultivierter, regelkonformer Bodenkampf überhaupt aus und wie vermittelt man kampfspezifische Falltechniken richtig, ohne dass ein Verletzungsrisiko entsteht? Es wird schnell deutlich, dass sich viele Fragen herausbilden können, wenn man die curricularen Vorgaben beachtet (vgl. HKM, 2011, S. 27).
Die fehlenden Kompetenzen und die Unsicherheiten in der Vermittlung des Kämpfens können letztlich ein gewisses Gefahrenpotenzial für den Unterricht darstellen (vgl. Klein & Frenger, 2013, S. 188). Aus diesen, durchaus nachvollziehbaren Gründen, kann es seitens der Lehrkraft schnell zu einer Ablehnung und demnach zur Nicht-Behandlung des Unterrichtsgegenstands kommen. Für eine sichere Unterrichtsgestaltung zum Kämpfen weist Wiethäuper (2017) darauf hin, dass die Lehrkräfte verstärkt auf die eigene Praxiserfahrung und methodische Handreichungen angewiesen sind. Diese lässt sich aber keineswegs auf die Allgemeinheit und den Schulalltag übertragen.
Trotz der Heterogenität im Kampfsportbereich wird ein gewisser Qualifizierungsgrad angehender Lehrkräfte erwartet. In der universitären Ausbildung ist das Bewegungsfeld Kämpfen meist mit einem geringen Verpflichtungsgrad verbunden, was wiederum bedeutet, dass eine Vertiefung in einer Kampfsportart im Studium nicht obligatorisch ist und demnach vernachlässigt werden kann (vgl. Ennigkeit et al., 2018, S. 8).
Die vorliegende Arbeit befasst sich daher auch mit der Einstellung zum Kampfsport aus der Perspektive der Lehrkräfte. Es werden Daten bezüglich Einstellung und Erfahrung, sowie der Anwendung und Thematisierung von Kampfsport im Unterricht erhoben, untersucht und ausgewertet. Besonders die Erfassung der deskriptiven Ergebnisse soll einen Einblick in den Umgang mit dem Bewegungsfeld Kämpfen seitens der Lehrenden geben.
1.2 Aufbau der Arbeit
Das einleitende Kapitel hat einen Einblick in die Thematik gewährt und das Thema Kämpfen in der Schule kompakt zusammengefasst. Anschließend wurde die Fragestellung skizziert und begründet.
Im nächsten Kapitel wird der theoretische Hintergrund aufgearbeitet. In diesem Kapitel ist es zunächst wichtig, das Phänomen des Kämpfens nachzuvollziehen und den Bezug, beziehungsweise den pädagogischen Wert des Kämpfens im Lehrplan zu verstehen. Des Weiteren wird der empirische Forschungsstand skizziert. Da die Forschung in diesem Bereich sehr weitläufig ist, werden zum einen Studien zur Wirkung des Kämpfens bei Kindern und Jugendlichen vorgestellt und zum anderen werden explizit Studien zum Kämpfen in der Schule beleuchtet. Darüber hinaus wird anschließend noch die Rolle der Lehrkraft aufgearbeitet. Hier wird erstmals ein Bezug zwischen der Behandlung des Kämpfens im Sportunterricht und der Lehrperson aufgebaut. Das Kapitel geht auf grundlegende Kompetenzen ein, die eine Lehrkraft im Fach Sport mit sich bringt, sowie auf die Anforderungen und Herausforderungen für die Lehrkräfte, die es im Bewegungsfeld Kämpfen zu bewältigen gilt. Aufbauend auf dem theoretischen Hintergrund werden am Ende des Kapitels mehrere Forschungsfragen aufgestellt, aus denen sich schließlich begründbare Hypothesen ableiten lassen. Die Hypothesen basieren auf dem theoretischen und empirischen Forschungsstand.
Im nachfolgenden Kapitel wird die methodische Vorgehensweise der Untersuchung geschildert. Es wird gezeigt, wie und mit welchen Mitteln die Daten für die Untersuchung erhoben wurden. Danach wird auf die Durchführung der Untersuchung eingegangen und auf die zu untersuchende Stichprobe.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden anschließend im vierten Kapitel ausgewertet. Dabei werden zunächst die deskriptiven Ergebnisse vorgestellt, bevor es zur Hypothesentestung kommt. Im Anschluss daran werden zusätzlich qualitative Ergebnisse der Befragten zusammengefasst und ebenfalls einer Auswertung unterzogen.
Im letzten Teil der wissenschaftlichen Hausarbeit werden die Ergebnisse diskutiert, interpretiert und es wird ein Fazit der Arbeit gezogen. Es ist wichtig, die eigene Untersuchung nochmals kritisch zu reflektieren, um Fehler, Problematiken oder positive Erkenntnisse hervorzuheben. Abschließend wird ein möglicher Ausblick gegeben, um Anknüpfungen und Anregungen für weitere Forschungen zu geben.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Das Phänomen Kämpfen
Die Erscheinung des Kämpfens kann nach Binhack (1998) als unabhängiges anthropologisches Phänomen verstanden werden und definiert sich als „aktiv-reziproke antagonistische und ambivalente Beziehungsstruktur […], die ihre Träger dazu geneigt macht, tendenziell alle Energien zu mobilisieren und sie im Anstreben der jeweiligen eigenen Durchsetzung auf eine die Konfrontation beendende Entscheidung hin zu zentrieren“ (ebd., S. 186).
Mittlerweile gibt es eine Vielfalt solcher antagonistischer und ambivalenter Beziehungsstrukturen, die im Allgemeinen als „Kampfsysteme bzw. Kampfstile“ definiert werden (Liebl, 2013, S. 31). Unter dieser Grundstruktur bilden im Prinzip alle Kampfsportarten und Kampfkünste Variationen und Differenzierungen aus. Dieser Umstand setzt eine essenzielle Begegnung zweier Personen voraus, die sich einvernehmlich unter dem Grundsatz gewisser Regeln und Rituale auf eine Kampfsituation einlassen, darauf reagieren und miteinander agieren (vgl. Happ & Liebl, 2015, S. 94).
Leffler (2015) fasst in seinem Beitrag „Zum Verhältnis von Kampfkunst und Kampfsport“ die vorgenommenen Versuche verschiedener Autoren zusammen, die Begriffe Kampfkunst von Kampfsport voneinander zu trennen. Dabei kommt es zu unterschiedlichen Erklärungen und Auslegungen. Die genauen Unterschiede sollen in dieser Arbeit aber nicht weiter vertieft werden, vielmehr soll eine passende Erklärung Aufschluss über den Unterschied geben. Liebl (2013) konnte dahingehend eine sehr schlüssige Definition aufstellen. Er hat das Thema Zweikampf anhand verschiedener Merkmale differenziert, die für ihn im sportpädagogischen Kontext eine relevante Unterscheidung darstellen. Die Merkmale „Kämpfen als Sport vs. Kämpfen als Kunst“ und „Kämpfen im Kontakt vs. Kämpfen aus der Distanz“ spielen für Anfänger und Kinder eine wichtige Rolle, da sie Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten darstellen. „Kämpfen als Sport“ (Kampfsport) ist ein reglementierter Vergleich mit einer sportiven Ausrichtung, die von einem Dritten überwacht wird. „Kämpfen als Kunst“ (Kampfkunst) fasst alle Formen des Kämpfens zusammen, die ohne jede Regel, aber mit einem Gegner vollzogen werden. „Kämpfen im Kontakt vs. Kämpfen aus der Distanz“ kennzeichnet den Kontakt zum Kampfpartner. Beim „Kämpfen im Kontakt“ greifen sich die Kontrahenten direkt an, versuchen sich zu fassen und zu Boden zu werfen. Am Boden gibt es weitere Möglichkeiten, den Gegner mit dem Körper zu kontrollieren und je nach Kampfsportart auch diverse Hebel- und Würgetechniken anzusetzen. Kampfsportarten wie Judo, Ringen und Sambo zählen zu dieser Kategorie. „Kämpfen aus der Distanz“ zeichnet sich durch einen räumlichen Abstand zwischen den Gegnern aus und im Vordergrund stehen Tritt- und Schlagetechniken, die den Gegner treffen sollen. Beispielhafte Kampfsysteme sind hier zum Beispiel Karate, Boxen, oder Taekwondo (vgl. ebd., S. 37).
Nach Happ und Liebl (2015) ermöglicht Kampfsport eine Partnerbezogenheit, die im pädagogischen Kontext für Anfänger und Kinder grundlegende Bewegungserlebnisse schafft. Die körperliche Auseinandersetzung mit anderen Personen (in diesem Sinne mit einem Partner) ist eine geistige Herausforderung und eine zwischenmenschliche Begegnung. Beispielsweise kommt es beim Ringen und Raufen sehr schnell zu persönlichen Grenzüberschreitungen. Damit jedoch die Freude an der Bewegung erhalten bleibt, müssen Aspekte wie die seelische und körperliche Unversehrtheit, Kooperationsbereitschaft und Empathie als Grundlage des Zweikampfes vorliegen (vgl. Beudels & Anders, 2001, S. 12). Im Sinne der Partnerschaftlichkeit gehen beide Akteure einen Zweikampf ein, in dem sie zum einen aufeinander bezogen sind und zum anderen gegeneinander gerichtet sind. Das „Miteinander im Gegeneinander“ kann daher die Einflusswelt der Akteure beeinflussen (Liebl, 2013, S. 39). Beim „Miteinander im Gegeneinander“ können leibliche Grenzen erfahren und verteidigt werden. Damit ist gemeint, dass man durch gegenseitiges Berühren und gemeinsamen Sich-Bewegens nicht nur den Partner, sondern auch die eigenen physischen und psychischen Körpergrenzen wahrnimmt. Ebenfalls wird der Umgang mit Nähe und Distanz geschult. In dieser Form ist beiden Kontrahenten das Kämpfen mit Kontakt gewährleistet. Hierin liegt ein besonderer Reiz des Kämpfens, da keiner sich dem direkten Kampf entziehen kann. Zum anderen birgt der Kampf auch eine große Hemmschwelle, da es nicht möglich ist, sich zurückziehen und der unmittelbaren Konfrontation zu entgehen (vgl. Liebl, 2013, S. 40 f.).
Das Phänomen Kämpfen bietet über verschiedene Kanäle einen guten pädagogischen Zugriff, da es bewusst explorativ genutzt, kreativ verändert und positiv instrumentalisiert werden kann (vgl. Binhack, 1998, S. 173). Tatsächlich wird Kämpfen bewusst kommunikativ genutzt, da es für den Verlauf und Ausgang eines Kampfes entscheidend ist, möglichst viele relevante Informationen über den jeweiligen Gegner, dessen Absichten, Verhalten und Aktionen etc. zu erhalten, um im Hinblick darauf eigene Verhaltensweisen zu kommunizieren (vgl. Binhack, 2015, S. 140). Das Kämpfen Mit- und Gegeneinander kann ein positives Verständnis von Fairness schaffen und die Entwicklung eines realitätsnahen Mutes fördern. Andererseits kann das Mit- und Gegeneinander Kämpfen auch durch Niederlagen oder negative Emotionen von den Teilnehmern falsch eingeschätzt werden und destruktiven Egoismus fördern, welcher eine schädliche Vereinseitigung des Zweikampfes zur Folge hat (vgl. Binhack, 1998, S. 173 f.).
2.2 Kämpfen im gymnasialen Lehrplan Hessen
An allgemeinbildenden Schulen wird der Unterricht in den einzelnen Fächer auf der Grundlage von Lehrplänen erteilt. Der Lehrplan ist damit der Ort, in dem „in gedrängter Form die politisch gewollte Vorstellung vom guten Sportunterricht“ erscheint (Aschebrock, 2013, S. 54). Neben dem oft verwendeten Begriff Lehrplan, findet man in der Fachliteratur noch andere Termini, wie Richtlinien, Rahmenplan, Rahmenlehrplan, Bildungsplan oder Curriculum. Dahingehend versteht Hopmann (1988) unter einem Lehrplan „alle Dokumente gleichen oder anderen Namens, die als Weisung an Lehrer kodifizierte Aussagen über Ziele und Inhalte eines Unterrichts enthalten“ (ebd., S. 23).
In Hessen gibt es seit 2011/2012 die curriculare Grundlage des Unterrichts, die ein einheitliches Format eines kumulativen Kompetenzaufbaus für die Jahrgänge 1 bis 10 darstellt (HKM, 2011). Die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe traten zu Schuljahresbeginn 2016/2017 in Kraft und lösten die bisherigen Lehrpläne für die gymnasiale Oberstufe ab (HKM, 2019). Die konzeptionelle Grundlage des Kerncurriculums basiert auf der Beschreibung von Kompetenzen. Die Kompetenzen im Fach Sport werden dabei als Wissen und Können verstanden, welche zu bestimmten Zeitpunkten von den Lernenden in den sogenannten Inhalts- oder Bewegungsfeldern erwartet werden (HKM, 2011). Auch das Bewegungsfeld „Mit und gegen Partner kämpfen – Ringen und Raufen“1 findet sich darunter. In das curriculare Programm fließen jeweils zeitgemäße fachdidaktische und pädagogische Theorien. Diese Theorien spiegeln zugleich die aktuellen bildungspolitischen Entscheidungen über die Ziele und Inhalte schulischen Lernens wider (vgl. Aschebrock, 2013, S. 54).
Die einzelnen Schulen sind zwar in die Vorgaben des Kerncurriculums gebunden, können aber Konkretisierungen und Schwerpunkte vornehmen und ein schulinternes Curriculum ausformulieren. Solange aber kein Beschluss der jeweiligen Schule zu einem eigenen Curriculum vorliegt, gelten weiterhin neben dem Kerncurriculum auch die Lehrpläne des Landes. In diesem Fall legt die Schule fest, wie die Inhalte der Lehrpläne mit den Kompetenzerwartungen der Bildungsstandards im Kerncurriculum vereinbart werden (HKM, 2019).
Damit der Leser in der vorliegenden Forschungsarbeit nicht durch die Begriffe Curriculum, Richtlinien, Rahmenplan, Rahmenlehrplan oder Bildungsplan durcheinandergerät, wird bewusst der Begriff Lehrplan favorisiert, da die oben genannten Bezeichnungen meistens synonym zum Begriff Lehrplan gebraucht werden. Als Lehrplan wird in einem engeren Sinne das konkrete Dokument bezeichnet, welches als „Planungsinstrument von Unterricht“ dient. Der Lehrplan gibt einheitlich vor, über welchen Umfang, welchen Inhalt und welche zeitliche Gliederung die anstehende Thematik verfügen soll (vgl. Stibbe & Aschebrock, 2007, S. 2).
2.2.1 Pädagogische Begründung für das Bewegungsfeld Kämpfen im Lehrplan
Im folgenden Kapitel wird die pädagogische Begründbarkeit von Kämpfen im Lehrplan bzw. Kämpfen im Schulsport aufgezeigt. Dabei gilt es, die curricularen Strukturen der Vergangenheit kurz aufzuarbeiten, um dadurch das heutige Lehrplankonzept nachzuvollziehen. Das aktuelle Lehrplankonzept im Fach Sport wird dann in seinen Grundstrukturen analysiert, um dadurch die Legitimierung von Kampfsport im Lehrplan ersichtlich zu machen.
Die erste große Lehrplanreform geht auf das Jahr 1999 zurück, als in Nordrhein-Westfalen eine Neukonzeption der alten Richtlinien und Lehrpläne aus dem Jahr 1980/81entstand, welche sich im Zeitgeist der 1970er Jahre entwickelte. Das fünfbändige Werk aus dem Jahre 1980/81, mit einem Umfang von 1.000 Seiten, repräsentierte die richtungsweisende Leitidee der „Handlungsfähigkeit im Sport“. Wichtigster Bezugspunkt der damaligen Lehrpläne war der außerschulische Sport, der unter pädagogischen Kriterien in die Schule aufgenommen und unter dem Aspekt der Mehrperspektivität thematisiert wurde. Daraus sollten sich dann Qualifikationen für eine „Handlungsfähigkeit im Sport“ ableiten (Aschebrock, 2013). Clemens, Metzmann und Simon stellten im Jahre 1989 fest, dass der Schulsport zwar stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, sich jedoch die Aufnahme von Kampfsportarten in den Schulsport als weiterhin schwierig herausstellte. Clemens et al. (1989) betonen, dass Kampfsport, in Form von Judo, zwar eine Sportart sei, die sich zu damaliger Zeit außerschulisch großer Beliebtheit erfreue, sich jedoch als Sportart in der Schule mit Profilierungsproblemen bezeichnen müsse, da Judo im Zusammenhang mit den traditionellen Schulsportarten eine Sonderstellung einnehme und besondere Rituale und Geisteshaltungen als exotisch zu betrachten seien.
Die Veränderungen der Lebenswirklichkeiten und gesellschaftlichen Herausforderungen bis zur Jahrtausendwende ließen in den darauffolgenden Jahren neue Richtlinien und Lehrpläne notwendig werden (vgl. Karsch, 2016, S.13). Es kam zu einer „neuen“ Lehrplangeneration, die ihren Ursprung 1999 in Nordrhein-Westfalen nahm. Grundlegend für die neue curriculare Struktur war die Öffnung und Erweiterung der Inhaltsbereiche in Bewegungsfelder und in Sportbereiche bzw. Sportarten. Ebenso eröffnete sich ein größerer Gestaltung- und Handlungsspielraum für die einzelnen Schulen. Man formulierte den Doppelauftrag, die erzieherischen Aspekte und die pädagogischen Perspektiven (vgl. ebd., S. 14).
Öffnung und Erweiterung des Inhaltsspektrums
Die Öffnung und Erweiterung des Inhaltsspektrums des Sportunterrichts bewirkte, dass sich die Lehrpläne neu strukturierten und die Sportarten nun in Bewegungsfeldern eingeordnet wurden. Die Entwicklung von Bewegungsfeldern im Schulsport war angebracht, da angesichts der Vielfalt, der Uneinheitlichkeit und des Wandels der außerschulischen Bewegungs- und Sportkultur nicht an den traditionellen Sportarten festgehalten werden sollte. Der Schulsport soll weiterhin zeitgemäß bleiben und die Möglichkeit besitzen, auf veränderte Freizeitgewohnheiten und die Bewegungswelt der Kinder und Jugendlichen einzugehen. Nur so kann der Sportunterricht wesentliche Grundlagen für den Zugang zu vielfältigen sportlichen Aktivitäten erschließen (vgl. Stibbe & Aschebrock, 2007). In diesem Sinne war nun auch das Bewegungsfeld „Mit und gegen Partner kämpfen – Ringen und Raufen“ ein Teil des Lehrplans, um verschiedene Zugangsweisen zum Kampfsport zu ermöglichen.
Mehr Gestaltungsfreiheit für die einzelnen Schulen
Mit der Neugestaltung des Rahmenlehrplans auf der einen Seite und dem schuleigenen Lehrplan auf der anderen Seite entstanden um den Jahrtausendwechsel ganz neue Möglichkeiten, die den Schulen größere Eigenständigkeit, erweiterte Gestaltungsfreiräume und Konkretisierungen hinsichtlich der curricularen Vorgaben gestattete. Die schuleigenen Lehrpläne können das pädagogische Profil der Schule besser zu Geltung bringen und es werden besonders schulbezogene Antworten auf materielle und umgebungsbedingte Voraussetzungen formuliert. Diese Gestaltungsveränderung innerhalb der Lehrpläne hat Auswirkungen auf die staatliche Lehrplanentwicklung, da durch die Lockerung der Lehrpläne die traditionellen Verbindlichkeiten und Kontrollfunktionen abgegeben wurden. Für den Lehrplan im Fach Sport hat das zur Folge, dass die einzelnen Schulen Gestaltungsfreiheiten hinsichtlich eigener bewegungs- und sportbezogener Profile haben (vgl. ebd., S. 124 f.). Dem Bewegungsfeld Kämpfen kann somit in seiner Gestaltung und Entwicklung an den Schulen mehr Freiheit zugesprochen werden, jedoch ist auch hier die Konzeption von den materiellen und umgebungsbedingten Voraussetzungen der Schule abhängig.
Der Doppelauftrag
Der Sportunterricht ist das einzige Bewegungsfach in der Schule und leistet dadurch einen nicht zu ersetzenden Beitrag für einen ganzheitlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag (HKM, 2011). So wird im Lehrplan neben der Erschließung der Bewegungs- Spiel- und Sportkultur auch eine individuelle Entwicklungsförderung durch diese gefordert. Dadurch soll eine Vereinseitigung vermieden werden. Beide Aufgabenbereiche werden häufig unter dem Begriff des Doppelauftrags erfasst (vgl. Karsch, 2016, S. 16). Der Sportunterricht wird dem Doppelauftrag (Erziehung zum und durch Sport) aber nur dann gerecht, wenn die Vermittlung beider Aufgabenbereiche integrativ erfolgt (HKM, 2011, S. 11). Es sollen nicht nur essenzielle sportliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, sondern auch übergreifende Haltungen, die für eine Teilnahme an individuellen und gesellschaftlichen Prozessen erforderlich sind. Durch die Behandlung des Bewegungsfeldes „Mit und gegen Partner kämpfen“ im Sportunterricht kann der Doppelauftrag gut umgesetzt werden, da sich durch soziales Lernen in Kampfsportarten besonders „faires Verhalten, Toleranz gegenüber fremden Körper- und Bewegungskulturen und eine ästhetisch-gestalterische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit“ entwickeln lassen (vgl. ebd., S. 11). Ebenfalls kann durch die Absicht des Doppelauftrags die Brücke zum außerschulischen Sport geschaffen werden. Der Schulsport kann an dieser Stelle das Interesse für den Kampfsport bei den Lernenden wecken und dazu beitragen, dass sie weitere Erfahrungen im Vereinssport oder an anderen außerschulischen Lernorten sammeln. Zur Konkretisierung des Doppelauftrags dienen die sechs pädagogischen Perspektiven, welche nachfolgend beschrieben werden.
Die Pädagogischen Perspektiven
Die Pädagogischen Perspektiven, die sich durch mehrperspektivischen Unterricht definieren, sollen den Lernenden die unterschiedlichen didaktischen Möglichkeiten von Bewegung, Spiel und Sport näherbringen und ihnen als eine Sinnfindung für ihr sportliches Handeln dienen (MSWF, 1993). Die meisten Schülerinnen und Schüler2 werden dem eigenen sportlichen Handeln bereits einen Sinn zuschreiben können. An dieser Stelle können die Lehrkräfte an der Lebenswirklichkeit der SuS ansetzen und versuchen, auch die anderen Sinnesperspektiven zu thematisieren (vgl. Karsch, 2016, S. 17). Die pädagogischen Perspektiven sind im hessischen Kerncurriculum unter den sechs Leitideen zu finden und stellen die verbindliche und inhaltliche Grundlage zur Ausrichtung des Sportunterrichts dar. Dazu zählt Soziale Interaktion, Körperwahrnehmung, Leisten, Gesundheit, Ausdruck und Wagnis (HKM, 2011, S. 14). Durch die pädagogischen Perspektiven lässt sich auch auf unterschiedliche Weise der Sinn des Themas Kämpfen beleuchten und sich durch die Anwendung im Schulsport auch auf die Lebenswirklichkeit beziehen.
Erziehender Schulsport
Damit erziehender Unterricht seine bildende Wirkung entfalten kann, ist eine didaktische und methodische Umsetzung der Prinzipien im Sportunterricht seitens der Lehrkraft wichtig. Damit die Lehrkräfte den erzieherischen Auftrag nicht komplett eigenständig lösen müssen, werden sie anhand der neuen Lehrplangeneration mit den fünf Prinzipien für einen erziehenden Unterricht unterstützt. Die fünf Prinzipien lauten Mehrperspektivität, Erfahrungsorientierung und Handlungsorientierung, Reflexion, Verständigung und Wertorientierung (vgl. Beckers, 2013).
Die Idee der Mehrperspektivität geht mit einer Perspektivenerweiterung einher. Dabei sollen die Kinder und Jugendlichen im Sportunterricht erfahren, „mit anderen Augen zu sehen“ und merken, wie die sportlichen Aktivitäten mit unterschiedlichem Sinn belegt werden können bzw. sich dadurch verändern. Um ihnen die Vielfältigkeit von Bewegung, Spiel und Sport zu gewährleisten, gelte es, alle pädagogischen Perspektiven bei der Umsetzung des Sportunterrichts innerhalb der Schullaufbahn zu berücksichtigen (vgl. Stibbe & Aschebrock, 2007, S. 180).
Erfahrungsorientierung und Handlungsorientierung hilft den SuS, sich neuen Erfahrungen zu stellen. Besonders der Sportunterricht kann hierbei besondere Freiräume schaffen, indem die SuS neue Einsichten und Erkenntnisse gewinnen. Nur durch eigene Reflexion können diese auch verstanden, in die eigene Lebenswirklichkeit eingeordnet und letztlich beurteilt werden (vgl. Karsch, 2016, S.18).
Das Prinzip der Verständigung zielt auf der einen Seite auf die Fähigkeit der Problem- und Konfliktlösung innerhalb einer Gemeinschaft im Klassenverband ab und zum anderen kann das Prinzip der Verständigung nur gelingen, wenn die Teilhabe der SuS an der Durchführung und Auswertung des Unterrichts gelingt. Dadurch wird der Schülerschaft automatisch auch ein Teil der Verantwortung für sich und andere übertragen (vgl. Beckers, 2013; MSWF, 1993, S. 41).
Schließlich orientiert sich der Sportunterricht auch an gesellschaftlichen Werten. Diese Wertorientierung findet sich beispielsweise in einem fairen Umgang miteinander wieder. Es bedeutet auch, Regeln zu befolgen, die aber auch in einem offenen Diskurs gestellt und verändert werden können (vgl. Beckers, 2013; MSWF, 1993, S. 41 f.).
Lambrecht & Woznik (2007) zeigen in ihrem Beitrag „Kämpfen – ein Weg zum Miteinander?“, welche zentralen Erziehungsziele eine Unterrichtsreihe zum Thema Kämpfen im Unterricht aufweist und bestätigen damit auch die pädagogische Begründung für das Bewegungsfeld Kämpfen im Lehrplan. Lambrechts & Wozniks zentrale Erziehungsziele gehen mit den oben genannten Aspekten zur Begründbarkeit vom Kämpfen im Lehrplan einher. Unter anderem werden folgende Erziehungsziele genannt: Die Entwicklung von Verständnis für den anderen und gegenseitige Rücksichtnahme; die Vereinbarung von (verbindlichen) Regeln und Ritualen; die Vermittlung eines Regelbewusstseins; eigene Fähigkeiten erfahren, verstehen und einschätzen lernen; Stärken und Grenzen sowie Sieg und Niederlage körperlich zu erleben und seelisch zu verkraften; Stärkung des Verantwortungsbewusstseins und Selbstwertgefühls; sowie die Förderung von Empathie (vgl. ebd., S. 7).
2.2.2 Analyse des Lehrplans in Bezug auf das Bewegungsfeld Kämpfen
Nachfolgend wird das Bewegungsfeld „Mit und gegen Partner kämpfen – Ringen und Raufen“ in den hessischen Lehrplänen analysiert. Für die Analyse werden die Lehrpläne der Sekundarstufe I des Gymnasiums und der Gesamtschule, sowie die der gymnasialen Oberstufe verwendet. Die Vorgehensweise orientiert sich dabei an fünf Leitfragen, die Ennigkeit (2016) bei ihrer Untersuchung zum Kämpfen in den gymnasialen Lehrplänen der Bundesländer aufstellte und untersuchte.
1. Ist Kämpfen als eigenes Bewegungsfeld im hessischen Lehrplan enthalten und falls ja, unter welchem Begriff?
2. Inwieweit sind die Inhalte des Bewegungsfelds obligatorisch?
3. Wird Bezug auf normierte Formen des Kämpfens genommen und falls ja, auf welche?
4. Werden konkrete Inhalte festgelegt und falls ja, wie detailliert geschieht dies?
5. Werden kompetenzorientierte Lernziele formuliert?
Zu 1: Die erste Leitfrage lässt sich mit Hilfe des Kernlehrplans recht schnell beantworten. „Mit und gegen Partner kämpfen – Ringen und Raufen“ ist eines von acht Bewegungsfeldern, welches durch die Vernetzung der sechs Leitideen eine inhaltliche Grundlage zur Ausrichtung des Sportunterrichts darstellt (Abbildung 1). Das Bewegungsfeld Kämpfen steht unter der pädagogischen Leitidee „Soziale Interaktion“. Dabei geht es in erster Linie darum, den Lernenden durch Rollengestaltung und Rollenübernahme individuelle Entwicklungen in den Bereichen der Empathie, Rollendistanz, Frustrationstoleranz und Identitätsdarstellung zu ermöglichen. Ebenso werden unter sozialer Interaktion Formen von Konfliktbewältigung und Partnerschaft verstanden (HKM, 2011, S. 23).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Leitideen und Inhaltsfelder des Hessischen Kerncurriculums - Sport (HKM, 2011, S. 14)
Zu 2: Das Bewegungsfeld Kämpfen ist eines der acht Inhaltsfelder des hessischen Lehrplans, welches in Verbindung mit den sechs Leitideen eine verbindliche, inhaltliche Grundlage und Ausrichtung des Sportunterrichts darstellt (ebd., S. 14). In der schulinternen Planung werden dann Kompetenzen mit konkreten Inhalten, welche sich aus den jeweiligen Bewegungsfeldern ableiten lassen, verbunden. Dies führt zu einer Durchführung von variablen Inhalten im Bewegungsfeld, die sich auf die schul- und lerngruppenspezifischen Bedingungen vor Ort beziehen lassen (vgl. Kapitel 2.2.1; HKM, Leitfaden. 2011, S. 5).
Zu 3: In der Sekundarstufe I des Gymnasiums und der Gesamtschule gibt es keinen Bezug zu normierten Sportarten (HKM, 2011, S. 23). In der gymnasialen Oberstufe hingegen sieht der Lehrplan vor, im zweistündigen Grundkurs normierte Formen des Partnerkampfes (Judo, Ringen) zu behandeln oder normenungebundene Formen des Partnerkampfes. Als zusätzliche Möglichkeit gibt der Lehrplan weitere Partnerkämpfe aus anderen Kulturkreisen vor, die sich beispielsweise an fernöstlichen Kampfsportarten orientieren können. Im dreistündigen Leistungskurs der gymnasialen Oberstufe werden Schwerpunktsportarten festgelegt und nur im Fechten, Judo oder Ringen sind sportartpraktische Prüfungen möglich (HKM gymnasiale Oberstufe, 2011, S. 22).
Zu 4: In den Lehrplänen der Sekundarstufe I werden die Inhalte nicht spezifiziert, sondern auf einer abstrakten Ebene benannt. So wird das Halten und Befreien im Bodenkampf benannt, kampfspezifische Falltechniken und grundlegende Angriffs- und Verteidigungsstrategien stehen im Zentrum. Konkretere Inhalte aus dem Bewegungsfeld können auch hier mit Hilfe der Kompetenzanforderungen verbunden werden (vgl. Ennigkeit, 2016, S. 108).
Zu 5: Im hessischen Lehrplan werden die kompetenzorientierten Lernziele jeweils als eigene übergeordnete Kompetenzebenen formuliert (vgl. ebd., S. 110). Die Kompetenzbereiche sind aufgeteilt in die Bewegungskompetenz, die Urteils- und Entscheidungskompetenz, sowie die Teamkompetenz.
Laut dem Kernlehrplan des Hessische Kultusministerium (2011, S. 18 f.) sollen die Lernenden im Bewegungsfeld Kämpfen folgende Kompetenzerwartungen erfüllen, die als Bildungsstandards konkretisiert werden:
Bewegungskompetenz
Die Lernenden können
- Grundformen der Bewegungen bezogen auf die jeweilige Zielsetzung anwenden und gezielt im Rahmen der eigenen Möglichkeiten verbessern,
- in sportlichen Handlungssituationen Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit anforderungsgemäß anwenden,
- situationsbezogen fallen und landen.
Urteils- und Entscheidungskompetenz
Die Lernenden können
- Bewegungs- und Körpererfahrungen reflektieren, sich im handelnden Umgang mit Bewegung persönliche Ziele setzen, diese konsequent verfolgen und Strategien zu deren Erreichung ableiten und reflektieren,
- Strategien zur Affektbeherrschung und -kanalisierung bei der unmittelbaren körperlichen Auseinandersetzung im Mit- und Gegeneinander benennen, bewerten und situationsbezogen einsetzen.
Teamkompetenz
Die Lernenden können
- die den betriebenen Sportarten zu Grunde liegenden Regeln und Wettkampfvorschriften erläutern, einhalten und gezielt verändern,
- sich fair verhalten, auch bei Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen,
- Konflikte selbstständig analysieren und konstruktiv lösen,
- Interessens- und Leistungsunterschiede auch unter Genderaspekten konstruktiv berücksichtigen.
Abschließend kann festgehalten werden, dass im Bewegungsfeld Kämpfen von einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Partner unter Einbezug von Regeln ausgegangen wird. Ein erheblicher Teil der Inhalte bzw. der Kompetenzen besteht im angemessenen Umgang mit sicherheitsrelevanten und verletzungspräventiven Aspekten. Dazu zählt das Erlernen der kampfspezifischen Falltechniken und ein kontrollierter Umgang mit dem Partner beim mit- und gegeneinander kämpfen. Dabei wird ebenso ein adäquates Sozialverhalten geschult und damit verbunden sind Wirkungserwartungen, die auf Konfliktlösefähigkeit oder Gewaltprävention innerhalb der Schülerschaft abzielen (vgl. Wiethäuper, 2017, S. 83). Wiethäuper hält zudem fest, dass es einen inhaltlichen Bruch zwischen der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II im hessischen Lehrplan gibt, da die inhaltlichen Vorgaben zuerst abstrakter formuliert sind und anschließend in der Oberstufe zu einer schwerpunktorientierten Sportart wechseln. Es zeigt sich also, dass die Lehrkraft zum einen mit einer großen Offenheit das Thema der körperlichen Auseinandersetzung angehen muss und es womöglich unklar bleibt, wie eine Praxiseinheit gestaltet werden soll. Zum anderen wird mit schwerpunktorientierten Sportarten eine feste Richtung vorgegeben. In sportartorientierten Lehrplänen ist die Ausrichtung daher kritisch zu betrachten. Inwieweit es sich um kampfsportunspezifische Inhalte zu einzelnen Sportarten handelt, oder um eine kampfsportübergreifende Vermittlung, die im Unterricht Anwendung findet, ist abhängig von der Lehrkraft und dem zu unterrichtenden Jahrgang (vgl. ebd., S. 84).
2.3 Empirischer Forschungsstand zum Thema Kämpfen
Das folgende Kapitel soll Aufschluss über den empirischen Forschungsstand zum Thema Kämpfen geben. Dabei werden die Ergebnisse der Literaturrecherche festgehalten, die vor der Erstellung dieser Arbeit getätigt wurde. Ziel der Recherche war es, Studien und Untersuchungen zu finden, die ähnliche oder gleiche Problemstellungen wie die vorliegende Arbeit aufweisen und/oder mit einem vergleichbaren Fragebogen ausgestattet sind. Die Literaturrecherche zeigte jedoch keine gleichen oder ähnlichen Ergebnisse zum Thema Kämpfen im Sportunterricht. Auch zur Umsetzung des Bewegungsfeldes Kämpfen aus Sicht der Lehrenden wurden keine Ergebnisse gefunden. Die Suche wurde daher ausgeweitet und breiter gefasst, um einen Überblick über den empirischen Forschungsstand zum Oberthema Kämpfen zu erhalten.
Der aktuelle Forschungsstand im Bereich des Kämpfens ist sehr vielschichtig und in den letzten Jahren ist das Interesse an der Kampfkunstforschung gestiegen. Dies zeigt sich an der erhöhten Anzahl von wissenschaftlichen Kongressen (zum Beispiel „Scientific Congress on Martial Arts and Combat Sports“ „World Congress on Combat Sports and Martial Arts”, „International Science of Judo Symposium”), internationalen Zeitschriften, die über dieses Thema berichten und einem großen Wachstum an Präsentationen, die über Kampfkünste auf sportwissenschaftlichen Kongressen informieren (Vertonghen & Theeboom, 2013, S. 245). Nachfolgend wird einerseits der empirische Forschungsstand zu der Wirkung von Kämpfen bei Kindern und Jugendlichen vorgestellt und andererseits werden Studien zum Kämpfen innerhalb des Schulsports aufgezeigt. Zum Einsatz kamen dabei Reviews, also zusammenfassende deutsche und internationale Beiträge, welche die Wirkung von Kämpfen bei Kindern und Jugendlichen thematisieren. Beim Kämpfen innerhalb des Schulsports erfolgte ausschließlich eine Berücksichtigung deutscher Studien.
2.3.1 Wirkung von Kämpfen
Körner & Istas (2017) machen auf die allgemein herrschende Meinung aufmerksam, dass sich Kampfkünste positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Zeitgleich konnte die Forschung aber auch gewaltfördernde Auswirkungen von Kampfkünsten ermitteln. Da es bisher nicht möglich war, in der Kampfkunstforschung eine Einheitlichkeit aufzuweisen, lebt die Forschung bezüglich der Wirkungsweisen von Kampfsportarten und Kampfkünsten mit inkonsistenten Ergebnissen.
Liebl, Happ, & Zajonc (2016) haben ein Review zu „Wirkungen von Kampfkunst und Kampfsport auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen“ vorgelegt. Das Review umfasst 14 quantitative und qualitative Studien. Die Fragestellung lautet: „Bilden Kampfkünste und Kampfsportarten eine positive Ausnahme oder liegt auch hier oftmals Überschätzung hinsichtlich der Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen vor?“ (ebd., S. 82). Die Recherche der Studien orientierte sich an den abhängigen Variablen der psychischen und/oder sozialen Persönlichkeitsmerkmalen. Als Ergebnis wird festgehalten, dass die generelle Wirkung von Kampfkünsten und Kampfsportarten auf die Persönlichkeitsentwicklung keinen ausreichenden Einfluss nimmt und das Kampfsportarten im Vergleich zu anderen Sportarten keine „positive Ausnahme“ darstellen (ebd., S. 86 f.). Vereinzelte Studien zeigen zwar positive Wirkungen und signifikante Steigerungen hinsichtlich einiger Persönlichkeitsmerkmale, jedoch weichen die Ergebnisse stark voneinander ab. Dies könnte auch damit zu tun haben, dass die Stichproben und die untersuchten Kampfsportarten der Studien sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise untersuchte Spear (1989) die Gruppenmoral von Soldaten im Hapkido, Twemlow, Biggs, Nelson, Vernberg, & Fonagy (2008) untersuchte das aggressive Verhalten bei männlichen Grundschulkindern in einem Martial-Arts-Programm und Wolters (1992) legte seine Ergebnisse zur Steigerung psychischer und sozialer Merkmale bei gewaltaffinen und inhaftierten Jugendlichen dar, die Karate ausübten (vgl. zusammenfassend Liebl, et al., 2016).
Als eine umfassendste deutsche Studie liegt Liebls (2015) Dissertation „Macht Judo Kinder stark? Wirkungen von Kämpfen im Schulsport auf physische und psychosoziale Ressourcen“ vor.3 Dabei untersucht er den Unterschied von Kindern, die den Schulsport Judo regelmäßig und mindestens ein halbes Schuljahr betreiben (Untersuchungsgruppe) und den von Kindern, die Judo nicht im Schulsport betreiben. Seine Untersuchungsschwerpunkte sind dabei 1) der Bereiche der physischen Entwicklung und 2) der Bereich der psychosozialen Entwicklung. Die Ergebnisse im Bereich der physischen Entwicklungen zeigen, dass der Schulsport Judo vor allem Kraftausdauer und koordinative Fähigkeiten fördert. Liebl konnte dem Judo im Schulsport daher einen besonderen Beitrag zur physischen Entwicklung von Kindern zuschreiben. Im Bereich der psychosozialen Entwicklungsförderung lassen die qualitativen Ergebnisse nur vermuten, dass Judo gute Bedingungen zur Förderung von sportbezogener Selbstwirksamkeit besitzt. Die quantitativen Ergebnisse zeigen jedoch auf, dass durch Judo allein, nach einem Schuljahr keine signifikante Steigerung der sportbezogenen Selbstwirksamkeit erreicht werden kann (ebd., S. 253 ff.).
Auch Vertonghen & Theeboom (2010) gaben mit einem groß angelegten Review einen Überblick über wichtige Studien innerhalb der Kampfkunstpraxis. Das vorgelegte Review umfasst 27 internationale Studien und gibt einen Einblick in die sozialpsychologischen Forschungsergebnisse der Kampfkunstbeteiligung unter Jugendlichen. Es wurden nur Studien zur Messung von sozialpsychologischen Daten herangezogen. Ausgeschlossen wurden therapeutische Wirkungsweisen und Ergebnisse zur Bewertung von Selbstverteidigungsprogrammen. Vertonghen & Theeboom kamen zum Schluss, dass die Studien kontrastierende Ergebnisse lieferten. Es existierten Studien, die positive Ergebnisse hinsichtlich psychologischen Wohlbefindens und positiver Selbstregierung enthielten, aber auch solche, die ein erhöhtes unsoziales Verhalten beobachteten. Es ist demnach sehr schwierig, allgemeine Aussagen über die sozialpsychologische Wirkungsweise durch sportliche Aktivität im Kampfsport zu treffen, ohne dabei Einflussfaktoren, wie die Art der Führung (im Training bzw. Unterricht), die strukturellen Qualitäten des Sports, die Eigenschaften der Sportart und der Teilnehmer und des sozialen Kontextes zu berücksichtigen (vgl. ebd., S. 534).
Daraufhin veröffentlichten Vertonghen & Theeboom (2014) eine Studie zu den „Mediating Factors in Combat Sports“. Den Anlass dazu bieten die vielen durchgeführten Studien, die in ihren Ergebnissen sehr unterschiedlich ausfallen und daher kaum Übereinstimmungen aufweisen. Die meisten Studien fokussieren sich nur auf die Messung der Effekte, ohne die zu vermittelnden Faktoren dieser zu berücksichtigen. Nach Vertonghen & Theeboom fehlen der Wissenschaft eben diese Rahmenbedingungen und Prozesse, die sozialpsychologische Ergebnisse hervorbringen (vgl. ebd., S. 44). Der Beitrag handelt daher von der Analyse und Bewertung der drei Faktoren „type of martial art“, „characteristics of young participants“ und „social background of young participants“. Bezüglich des Faktors „characteristics of the martial arts participants“ wurde die „ego-orientation“ und die „task-orientation“ in verschiedenen Kampfsportarten untersucht. Vertonghen & Theeboom halten dahingehend fest, dass zukünftige Studien auch den Wettkampfbezug der Kampfsportarten berücksichtigen sollen. Wie oft Teilnehmer an Wettkämpfen teilnehmen und wie sich dadurch ihr Trainingsverhalten ändert oder anpasst sollte beachtet werden (vgl. ebd., S. 54). Beim Faktor „type of martial art“ sollten künftige Studien auch die Art der Lehre des jeweiligen Kampfsports betrachten. Der Unterrichts- oder Trainingsstil kann im Hinblick auf die sozialpsychologischen Ergebnisse einen Einfluss haben. Beispielsweise zeigt sich, dass Kick- und Thaiboxer mehr Verhaltensprobleme im Training aufweisen als Judo- und Aikidokas (vgl. ebd., S. 55). Auch der Faktor „social background“ sollte berücksichtigt werden, da gewisse Kampfsportarten im Zusammenhang mit der sozialen Schicht, dem kulturellen Hintergrund und sozialen Variablen, wie der elterliche Beruf, Einkommen, Art der Unterkunft und körperliche Aktivität ausschlaggebend sind (vgl. ebd., S. 56).
2.3.2 Kämpfen im Sportunterricht
Die Literaturrecherche über Studien zum Kämpfen im Schulsport zeigten verschiedene Schwerpunktsetzungen. Es werden Studien vorgestellt, die sich in ihrer Problemstellung unterscheiden und durch die sich nachfolgend unterschiedliche Effekte und Ergebnisse darstellen lassen.
Das Thema eines koedukativen Schulsports ist in der Schulsportwirklichkeit stets aktuell, da es immer noch anhaltende Diskussionen hervorruft (vgl. Mutschall & Scheid, 2015, S. 101 f.). Zum koedukativen Sporttreiben hat Hartnack (2015) im Rahmen seiner Studie Vorstellungen vor und Erfahrungen nach einer Unterrichtseinheit zum Kämpfen von SuS exemplarisch vorgestellt. Sein Ziel war es, mit Hilfe von narrativen Interviews über ein Schuljahr hinweg, in der Primar- und Sekundarstufe I die Perspektive der SuS auf Koedukation beim Kämpfen im Sportunterricht zu erschließen. Im Rahmen der qualitativen Auswertung zeigten sich deutliche Differenzen zwischen den Ansichten der SuS zu Beginn und zum Ende einer Unterrichtseinheit Kämpfen. Zu Beginn steht der Großteil der Mädchen und Jungen dem gemeinsamen Kämpfen noch offen gegenüber. Nach der Unterrichtseinheit hingegen lehnen diese ein gemeinsames Kämpfen mehrheitlich ab. Im Laufe der Einheit wurden Geschlechtstereotype von den SuS reproduziert und die Chancen für neue Erfahrungen jenseits dieser Geschlechterstereotype wurden aktiv unterbunden Die Geschlechterstereotype „Jungen sind stark – Mädchen sind schwach“ konnte Hartnack bei seiner interviewgeführten Untersuchung bestätigen (vgl. ebd., S. 89). In der Studie von Welsche (2013) bewerteten Mädchen das Projekt „Ringen und Raufen“ anders als Jungen, indem sie das Projekt als eher kritisch und nicht passend für den Unterricht beschrieben. In einer weiteren Studie von Welscher & Flamm (2015) wurde das „Ringen und Raufen“ geschlechtersensibel angeleitet und mit einer Befragung versucht, das Erleben verschiedener Kategorien des „Ringen und Raufens“ festzustellen. Hier konnten Welsche & Flamm ermitteln, dass Mädchen im Schnitt eine bessere Bewertung zu dem Projekt „Ringen und Raufen“ abgaben als Jungen. Gründe dafür liegen unter anderem in einer anderen Erhebungsmethode. In der Studie von 2015 wurde auf eine verstärkte Gruppendynamik gesetzt, während in der älteren Studie von Welsche (2013) geschlechterspezifisch aufgeteilte Gruppendiskussionen geführt wurden und diese eventuell zu sozial erwünschten geschlechterstereotypischen Antworten führte (vgl. Welsche & Flamm, 2015, S. 130).
Ein weiteres Thema ist die Gewaltprävention durch Kampfsport bzw. durch das Kämpfen in der Schule. Hierzu gibt es in der Wissenschaft viele Theorien, Meinungen und Analysen. Lange (2010) hält die Ansichten vieler Autoren zu diesem Thema in seinem Buch „Kämpfen-lernen als Gelegenheit zur Gewaltprävention?!“ fest. Zajonc (2011) fasst die Bedingungen des Kämpfens als Mittel zur Gewaltprävention in einem Beitrag zusammen, indem er Ergebnisse seiner theoretischen Studie aufführt und einen Überblick über potenzielle Chancen, Notwendigkeiten sowie Grenzen und Risiken des Kämpfens präsentiert. Sein Fazit, das eine Aussage bezüglich der Eignung des Kämpfens zur Gewaltprävention ambivalent ausfallen kann, beschreibt treffend den Stand der Forschung: Den pädagogischen Möglichkeiten stehen offensichtliche Grenzen und sogar Risiken gegenüber. Eine allgemeingültige Antwort scheint kaum möglich zu sein, da sich unter dem Begriff Kampfsport unterschiedliche Erscheinungsformen versammeln, die es zu differenzieren gilt (vgl. ebd., S. 184).
Einen generellen Forschungsstand von quantitativen und qualitativen Untersuchungen hinsichtlich des Sportunterrichts aus Schülerperspektive hat Theis (2010) in seiner Studie zusammengefasst. Dabei hat er sich auf ausgewählte Quellen der letzten 30 Jahre bezogen (1990er und 2000er Jahre). Es lässt sich jedoch feststellen, dass in Theis Auflistung keine Studie über das Kämpfen aus Schülerperspektive berichtet (vgl. ebd., S. 40-54). Lefflers (2013) neuere Studie untersuchte das Kämpfen im Sportunterricht und bezieht sich auf SuS der Primarstufe. Es wurde untersucht, inwiefern sich die SuS das Thema Kämpfen im Sportunterricht vorstellen können. Lefflers Ergebnisse zeigen, dass sich die SuS Kämpfen in geeigneten Formen im Unterricht vorstellen können. Dazu sollte der schmale Grat zwischen Spaß und Ernst aufgegriffen werden. Interessant ist auch, dass gerade Mädchen einen Handlungsspielraum im Kämpfen sehen und die ihnen auferlegten Stereotype bekämpfen zu können und somit, zumindest in der Theorie, Hartnacks (2015) und Welsches (2013) Ergebnissen widersprechen. Als letztes Ergebnis hält Leffler (2013) fest, dass sich die SuS auch in der Pflicht sehen, Verantwortung, in Form von Rücksichtnahme und Fairness, zu übernehmen (vgl. ebd., S. 214).
Die DSB-SPRINT-Studie aus dem Jahr 2006 zeigt mit ihrer Erhebung, dass die SuS im Schulsport mehr kämpfen wollen. Die SPRINT-Studie untersuchte Angebot und Nachfrage bzw. durchgeführte und vernachlässigte Sportarten im Sportunterricht. Kampfsport wird aus der Sicht der Lernenden in einem geringen Umfang, mit nur 6,4 %, angeboten. Die befragten SuS wünschen sich mehr Kampfsport, da es laut ihrer Aussagen mit 23,6 % als vernachlässigte Sportart gilt (vgl. Gerlach, Kussin, Brandl-Bredenbeck, & Brettschneider, 2006, S. 123 f.). Dies zeigt auch die Bestanderhebung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) aus dem Jahre 2018 und 2019. Schaut man hier in die Statistiken, ist der Wunsch nach mehr Kampfsport in der Schule nicht verwunderlich, da die Mitgliederzahlen der Kampfsportspitzenverbände bei Kindern und Jugendlichen von 6 bis 18 Jahre in beiden Jahren bei rund 340.000 Mitglieder liegen (DOSB, 2018, S. 4 f.; DOSB, 2019, S. 4 f.). Die Mitgliederzahlen von nichtolympischen Spitzenverbänden (Ju-Jutsu, Kickboxen, Kung-Fu, etc.) sind dabei nicht eingerechnet, obwohl die Ausführung dieser Kampfsportarten ebenfalls eine Vereinszugehörigkeit erfordert. Beispielsweise liegen die diesjährigen Mitgliederzahlen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren des Handballverbands im Vergleich bei etwas über 304.000. Im Basketball konnten knapp über 105.000 Mitglieder verzeichnet werden (DOSB, 2019, S. 4). Zwar umfasst die Mitgliederzahl der Kampfsportspitzenverbände mehrere Kampfsportarten, zeigt aber, dass Kampfsport in seiner Vielfalt unter den Kindern und Jugendlichen beliebt ist.
2.4 Kämpfen aus Sicht der Lehrenden
Nachfolgend wird die Rolle der Lehrkraft hinsichtlich der Thematisierung des Kämpfens im Sportunterricht beschrieben. Es werden Aufgaben, Anforderungen und Kompetenzen berücksichtigt, mit denen die Lehrkraft im Sportunterricht konfrontiert wird. Auf mögliche Ursachen hinsichtlich methodischer Umsetzungsschwierigkeiten im Bewegungsfeld Kämpfen wird ebenfalls eingegangen.
Bezogen auf die allgemeingültigen Fähigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen der Lehrkräfte im Sportunterricht nennt Zoglowek (2008) fünf Kompetenzbereiche, die einem erfolgreichen Lehrerhandeln zugrunde liegen. Die fünf Kompetenzbereiche lassen sich gewiss auf das Bewegungsfeld Kämpfen projizieren, da dies eine verbindliche Grundlage des Sportunterrichts darstellt. Die Sachkompetenz bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit dem sportbezogenen Gegenstand. Die spezielle Fähigkeit, auf Basis der Sachkenntnis die richtigen Übungen und Aufgaben für die Lernenden auszuwählen und sie auf das Niveau der SuS vorzubereiten und anzubieten wird die didaktische Kompetenz genannt. Damit der Unterrichtsgegenstand bei allen SuS Neugierde und Interesse weckt, kommt die soziale Kompetenz zur Geltung. Hierfür sind Kommunikations- und Interaktionsfähigkeiten der Lehrkraft entscheidend. Die Schulkompetenz ermöglicht der Lehrkraft den Unterricht innerhalb des institutionellen Rahmens durchzuführen. Schließlich benötigt die Lehrkraft eine Selbstkompetenz, damit das eigene Handeln und Denken bewältigt werden kann (vgl. ebd., S. 124 f.). Die benannten Kompetenzbereiche stehen in Beziehung zueinander und kommen im Sportunterricht situationsabhängig zum Tragen (vgl. Scheid, 2012, S. 47).
Die beschriebenen Kompetenzbereiche und die pädagogische Begründbarkeit für das Bewegungsfeld Kämpfen (Kapitel 2.2.1) liegt in der Verantwortung der Sportlehrkraft. Neben diesen Aspekten birgt der Lehrerberuf besondere Beanspruchungen und Belastungen sowie Vielfalt und Komplexität. Dadurch zeigt sich, dass es für die Lehrertätigkeit kein allgemeines Rezept geben kann und der Beruf nicht zu standardisieren ist. Zwar existieren Leitfäden und Unterrichtshilfen, die eine gewisse Struktur vorgeben und zur Hilfe genommen werden können, doch dürfen diese nie unreflektiert und standardisiert übernommen werden. Es muss für jeweilige Lerngruppen überdacht, variiert und angepasst werden. Diese Art der Berufsausübung wird durch den Begriff der Lehrerprofessionalität definiert (vgl. Zoglowek, 2008, S. 126). Das professionelle Handeln der Lehrkraft spezialisiert sich auf situative Handlungen, in denen die SuS durch persönliche Lernprozesse entscheidende Kompetenzen erwerben, ihre Handlungsfähigkeit und Autonomie stärken sowie die Fähigkeit erlernen, ihr eigenes Handeln zu reflektieren (vgl. Bauer, 2000, S. 29).
Aufgrund der Komplexität und der spezifischen Pädagogischen Perspektivität des Bewegungsfeld können gerade bei Sportlehrkräften, die wenig oder keine Erfahrung im normierten Zweikampf verfügen, Zweifel im Hinblick auf die eigene didaktische Kompetenz aufkommen (vgl. Beudels, 2012, S. 289). Beudels sieht das „Ringen und Raufen“ gerade für Lehrkräfte ohne Erfahrung als eine große pädagogische und didaktische Chance, sofern sie bereit sind innere Barrieren aufzugeben und Basiserfahrungen des Kämpfens als Lerngelegenheit für Kinder und Jugendliche anzuerkennen (vgl. ebd., S. 289). Hartnack (2013) hält hingegen fest, dass Verunsicherungen bezüglich der praktischen Realisierung von Kämpfen im Schulsport allgegenwärtig sind. Auch Wiethäuper (2017) erkennt, dass Lehrkräfte für eine konkrete Unterrichtsgestaltung verstärkt auf eigene Praxiserfahrungen angewiesen sind. Klein & Frenger (2013) fordern sogar, gerade wegen den hohen Anforderungen, eine umfassende persönliche Erfahrung seitens der Lehrkraft, um die verschiedenen Kampfsportarten zu unterrichten.
Empirisch festgehaltene Ergebnisse über allgemeine Verunsicherungen der Lehrkräfte bezüglich der Umsetzung des Bewegungsfeld Kämpfen gibt es in konkreter Form nicht, jedoch können die Behauptungen von Hartnack (2013) und Wiethäuper (2017) durch die empirische Studie von Ennigkeit et al. (2018) in gewisser Weise untermauert werden. Ennigkeit et al. untersuchten Daten hinsichtlich der Lehre im Bewegungsfeld Kämpfen an sportwissenschaftlichen Hochschulen Deutschlands. Es wurde sich auf die Lehre an den Hochschulen konzentriert, da es verschiedenste Auslegungen des Kämpfens in den Lehrplänen der Bundesländer gibt und ein umfassender Qualifizierungsbedarf angehender Lehrkräfte gefordert wird. Als zentrales Ergebnis konnte festgestellt werden, dass etwa ein Viertel der sportwissenschaftlichen Hochschulen keine Lehrveranstaltungen im Bewegungsfeld Kämpfen anbieten. Es ist daher davon auszugehen, dass angehende Sportlehrkräfte nicht an allen Hochschulstandorten ausreichend auf eine spätere Lehrtätigkeit im Bereich Kämpfen ausgebildet werden (vgl. ebd., S. 6). Wer also Kämpfen im Unterricht anbietet, macht dies höchstwahrscheinlich, weil der- oder diejenige selbst eine Kampfsportart oder Kampfkunst ausübt (vgl. Leffler, 2011 S. 133).
Leffler fordert für die Lehrerbildung die Entwicklung eines übergreifenden Konzepts, um die Öffnung des Inhaltsspektrums hin zu einem Bewegungsfeld zu gewährleisten. Somit würde man die Lehre im Bewegungsfeld Kämpfen öffnen, da diese oft auf die gängigen Kampfsportarten wie Judo, Ringen und Karate reduziert wird (vgl. ebd., S. 133)
Laut der Bestandserhebung des DOSB (2019) zeigt sich auch bei den olympischen und nichtolympischen Spitzenverbänden ein Rückgang der Mitgliederzahlen in den Kampfsportarten und Kampfkünsten (ausgenommen Taekwondo). Zudem sind die männlichen Mitgliederzahlen in jeder Kampfsportart höher als die der weiblichen, was zu einer entfernten Annahme führt, dass weibliche Lehrkräfte in der Regel weniger Vorerfahrungen im Bereich Kämpfen haben können und dieses Bewegungsfeld möglicherweise meiden. Dieser Beobachtungspunkt ist jedoch nicht empirisch belegt, kann aber als ein zukünftiger Ausgangspunkt innerhalb der Forschung dienen.
2.5 Fragestellungen und Hypothesen
Untersuchungen und Studien zur Umsetzung des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“ aus Sicht der Lehrenden ließen sich in eigenständiger Recherche nicht finden. Da es solche Formen der Untersuchung noch nicht gibt, liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine Ergebnisse in diesem Bereich vor. Die erstmalige Untersuchung zu dieser Thematik legitimiert daher die vorliegende Arbeit. Die übergeordnete Problemstellung aus der Einleitung wird vor dem Hintergrund der theoretischen und empirischen Annahmen nun mit Hilfe von mehreren Fragestellungen präzisiert. Aus den formulierten Forschungsfragen lassen sich dann begründbare Hypothesen für die eigene Untersuchung ableiten.
In Abschnitt 2.2.2. wurde der Lehrplan hinsichtlich des Bewegungsfelds Kämpfen analysiert. Dabei wurden Unterschiede in der Schwerpunktsetzung der Kampfsportarten festgestellt. In der Sekundarstufe I wird das Bewegungsfeld Kämpfen anhand von nicht-normierten, also keine technikgebundenen, Zweikampfsportarten durchgeführt (vgl. Beudels, 2012, S. 279). In der Sekundarstufe II werden neben normenungebundene Formen des Partnerkampfes aber auch normierte Formen des Partnerkampfes gefordert (HKM gymnasiale Oberstufe, 2011, S. 22). Der Sportunterricht in der Oberstufe setzt normengebundenes Kämpfen voraus, was zum einen für kampfsporterfahrene Lehrkräfte von Vorteil ist, zum anderen aber unerfahrene Lehrkräfte verunsichert bzw. diese sich von der Thematik abwenden könnten. Die präzisierte Fragestellung lautet:
Fragestellung 1: Bestehen Unterschiede bei der Durchführung des Bewegungsfeldes „Mit und gegen Partner kämpfen“ zwischen den Berufsgruppen bzw. den unterschiedlichen Berufsabschlüssen?
Hypothese (H1): Es besteht ein Unterschied zwischen Lehrkräften mit einem Berufsabschluss für Gymnasien und Lehrkräften mit einem Berufsabschluss für die Haupt- und Realschule hinsichtlich der Thematisierung des Bewegungsfeldes „Mit und gegen Partner kämpfen“ im Sportunterricht“.
In Abschnitt 2.4. wurden die allgemeinen Verunsicherungen bezüglich der methodischen Anwendung des Bewegungsfeld Kämpfen dargestellt (vgl. Hartnack, 2013; Wiethäuper, 2017). Daher kann der individuelle Erfahrungswert einer Lehrkraft im Bereich einer Kampfsportart oder einer Kampfkunst ein entscheidender Faktor angesichts der methodischen Umsetzung des Bewegungsfelds Kämpfen sein. Die konkrete Fragestellung lautet daher:
Fragestellung 2: Gibt es einen Unterschied zwischen Sportlehrkräften mit und ohne eigene Erfahrung im Kampfsport, bei der Thematisierung des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“?
Hypothese (H2): Sportlehrkräfte mit und ohne eigene Erfahrung im Kampfsport unterscheiden sich darin, ob sie schon einmal Inhalte des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“ im Sportunterricht thematisiert haben.
Ebenfalls wurde am Ende des Abschnitts 2.4. darauf eingegangen, dass Männer statistisch mehr Kampfsport in Vereinen ausüben, als Frauen (vgl. DOSB, 2019). Anhand dieser Tatsache kann es mögliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben, wenn es um die Durchführung des Bewegungsfeld Kämpfen in der Schule geht. Es lässt sich daraus eine weitere Fragestellung formulieren:
Fragestellung 3: Besteht ein Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Sportlehrkräften bei der Anwendung des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“?
Hypothese (H3): Männliche und weibliche Sportlehrkräfte unterscheiden sich darin, ob sie schon einmal im Unterricht Inhalte des Bewegungsfeldes „Mit und gegen Partner kämpfen“ thematisiert haben.
Die letzte Hypothese beruht auf einer Selbsteinschätzung der Fähigkeiten und Fertigkeiten von Lehrenden im Kampfsport und leitet sich nicht aus einer Fragestellung ab. Es handelt sich in diesem Fall um eine Zusammenhangshypothese. Es wird zunächst angenommen, dass eine hohe Selbsteinschätzung der Fähigkeiten und Fertigkeiten im Kampfsport Lehrkräften eine bessere Selbstwirksamkeit in Bezug auf das Unterrichten von Kämpfen gibt. Neben der Selbstkompetenz kann auch die Selbstwirksamkeit der Lehrkraft die professionelle Handlungskompetenz (Abschnitt 2.4.) verbessern, denn um die beruflichen Anforderungen zu bewerkstelligen, verlangt es nach einer fundierten Lehrerprofession (vgl. Büchel, 2019, S. 89). Die Selbsteinschätzung wird am Ende des Fragebogens mittels einer Ratingskala durchgeführt. Dafür werden einzelne Items einer Einschätzungsskala beantwortet, die zusammenfassend die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten widerspiegeln sollen. Es wird geprüft, wie reliabel die Einschätzungsskala ist. Damit die Hypothese überprüft werden kann, ergibt sich folgende Voraussetzung:
Grundvoraussetzung: Damit die nächste Hypothese geprüft werden darf, muss zunächst die interne Konsistenz der Einschätzungsskala als Voraussetzung gegeben sein. Die interne Konsistenz zeigt, wie reliabel letztlich die Einschätzungsskala ist bzw. wie reliabel die Items die Skala repräsentieren. Die Schätzung der Reliabilität wird mit einer Itemkonsistenzanalyse anhand des Cronbachs Alpha-Koeffizienten durchgeführt (Raithel, 2006, S. 47). Cronbachs Alpha kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Ist der Wert von Cronbachs Alpha > 0.8 ist die interne Konsistenz der Einschätzungsskala gegeben (vgl. ebd., S. 47). Folgende Hypothese lässt sich nun ableiten:
Hypothese (H4): Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in Bezug auf das Unterrichten von Kämpfen und der Thematisierung des Bewegungsfelds „Mit und gegen Partner kämpfen“ im Sportunterricht.
3 Methodik
Dieser Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der methodischen Vorgehensweise der vorliegenden empirischen Untersuchung. Zunächst wird das Untersuchungsdesign der Arbeit begründet und anschließend wird der Fragebogen als verwendete Erhebungsmethode vorgestellt. Die Untersuchungsdurchführung wird im nächsten Unterkapitel dargestellt. Schließlich wird mit der Beschreibung der Stichprobe das Kapitel abgeschlossen.
3.1 Untersuchungsdesign
Die vorliegende empirische Forschungsarbeit befasst sich mit der Befragung von Sportlehrkräften und ihrem didaktischen und individuellen Bezug hinsichtlich der Anwendung des Bewegungsfelds Kämpfen. Die Befragung wird mittels eines Online-Fragebogens durchgeführt. Untersucht werden Zusammenhänge zwischen bereits existierenden Variationen von individuellen und soziodemographischen Merkmalen der Lehrkräfte (Alter, Geschlecht, Berufserfahrung, etc.) und der Thematisierung des Bewegungsfeld Kämpfen im Sportunterricht. Ziel ist es, die Ergebnisse aus der Umfrage nachvollziehbar zu erläutern und die daraus resultierenden Ergebnisse darzulegen. Im Zuge der Auswertung werden gewisse Zusammenhänge untersucht, man spricht daher von einer korrelativen Studie. In dem gewählten quantitativen Forschungsansatz werden Ausprägungen von Variablen gemessen und die Messwerte statistisch bzw. deskriptiv ausgewertet. Ebenfalls werden die theoretisch abgeleiteten Hypothesen überprüft. Die deskriptive Auswertung und die Hypothesentestung geschieht mit dem standardisierten Datenerhebungsinstrument JASP (vgl. Döring & Bortz, 2016, S. 184). Die zu untersuchenden Variablen beziehen sich hauptsächlich auf die Häufigkeit der Anwendung von Kämpfen im Sportunterricht (AV) in Abhängigkeit zu den soziodemographischen Merkmalen der Lehrkräfte (UV). In dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zur Anfertigung der wissenschaftlichen Hausarbeit soll versucht werden, eine Reliabilität zu schaffen und auch die Kriterien der Objektivität zu erfüllen, damit letztlich die Voraussetzungen für eine interne und externe Validität gegeben sind (vgl. ebd., S.184).
[...]
1 Im Folgenden wird ausschließlich der Begriff „Bewegungsfeld“ verwendet, wenngleich im hessischen Lehrplan der Begriff Inhaltsfeld genutzt wird. Um den Lesefluss zu erleichtern, wird des Weiteren auf die ausführliche Bezeichnung des Bewegungsfelds verzichtet und „Bewegungsfeld Kämpfen“ favorisiert.
2 Im Folgenden mit SuS abgekürzt, um den Lesefluss zu erleichtern.
3 Dem Kinder- und Jugendsport werden neben motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch psychosoziale Merkmale der Persönlichkeitsentwicklung zugeschrieben. Dies begründet sich dadurch, dass sportliche Situationen in Training und Wettkampf zahlreiche Anforderungen beinhalten, die psychosoziale Ressourcen voraussetzen. Psychosoziale Ressourcen können als kognitive, emotionale, motivationale und soziale Mittel, zur Bewältigung alltäglicher Anforderungen verstanden werden (Herrmann & Sygusch, 2014).
- Citation du texte
- Lukas Sonne (Auteur), 2020, Kämpfen im Sportunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950049
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