Die Arbeit setzt sich mit der Person der Marianne Brandt und ihrem Einfluss auf das Produkt- und Industriedesign auseinander. Strukturell wird in meiner Arbeit zunächst vom Beginn der Industrialisierung und seinen Folgen bis hin zu den Anfängen des Bauhauses eingeführt, um den Kontext und die Bewegungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstehen zu können. Das Bauhaus, als Lehrwerkstatt für Marianne Brandt, wird anschließend in seinen Grundzügen erläutert und im darauffolgenden Kapitel näher auf die Metallwerkstatt eingegangen. Diese Einblicke sollen dabei helfen, die Bedingungen bezüglich der damaligen Gestaltung einschätzen zu können.
Mit dem Kapitel Marianne Brandt werden ihre Person und anschließend ihre Hauptschaffenszeit hinsichtlich der Produktgestaltung dargestellt. Im letzten Kapitel soll durch den Vergleich einiger ihrer Werke mit anderen Entwürfen aus verschiedenen Zeiten eine Analyse ihrer Leistungen stattfinden. Damit das Thema auch unter aktuellen Gesichtspunkten beleuchtet wird, soll ebenfalls die Resonanz Brandts auf die heutige Zeit dargestellt werden. Mit dem Abschlusskapitel werden vorangehende Argumente zusammengefasst, die dann zur Beantwortung der Fragestellung führen.
Marianne Brandt hat sich neben der Gestaltung von Produkten auch viel mit Fotografie, Collagen und Malerei beschäftigt. Diese Bereiche sind zwar wichtig, um ihre ganze Persönlichkeit und ihr Künstlerbewusstsein zu verstehen, sollen aber im Umfang dieser Arbeit bewusst ausgeklammert werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Weg zum Bauhaus
2.1 England - Arts and Crafts
2.2 Jugendstil
2.3 USA - form follows function
2.4 Wiener Secession - Wiener Werkstätte
2.5 Hochindustrialisierung Deutschland
2.6 Deutscher Werkbund
2.7 De Stijl Niederlande
3 Das Bauhaus
3.1 Von Weimar bis Berlin
3.1.1 Weimar
3.1.2 Dessau
3.1.3 Berlin
3.2 Die Metallwerkstatt am Bauhaus
3.2.1 Die Anfänge der Metallwerkstatt
3.2.2 Die Metallwerkstatt unter Lazlo Moholy-Nagy
3.2.3 Produktionsbedingungen in Dessau
3.2.4 Endphase der Metallwerkstatt
4 Marianne Brandt
4.1 Zur Person
4.2 Schaffenszeit am Bauhaus
4.3 Zeit nach dem Bauhaus
4.4 Werke Marianne Brandts
4.4.1 Werke Weimar
4.4.2 Werke Dessau
4.4.3 Werke nach dem Bauhaus
5 Einfluss Marianne Brandts auf Produkt- und Industriedesign
5.1 Das Tee Extraktkännchen im Vergleich
5.2 Leuchten im Vergleich
5.3 Neuentdeckung Brandts
5.4 Demonstration des Einflusses
6 Fazit
Literaturangab e
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Bauhauses fand ich so viele Artikel und Berichte über die bekannte Schule vor, dass ich über die Fülle und Resonanz, die das Bauhaus hinterlassen hat, erstaunt war. Dabei sind mir sowohl kritische wie auch lobende Worte begegnet, wodurch mein Interesse für diese Institution stieg. Die Idee, über die BauhausGestalterin Marianne Brandt zu schreiben, kam durch mein persönliches Interesse an dem Studiengang Produkt,- und Industriedesign.
Die beiden Felder Kunst und Design haben sich im Laufe der Geschichte stark verändert und waren früher noch nicht so klar abgegrenzt wie heute. Die Begrifflichkeit Design als eigenständiger Beruf ist erst mit dem Beginn der Industrialisierung und der daraus folgenden Arbeitsteilung aufgekommen1. „Design ist das, was sich ereignet, wenn Kunst auf Industrie trifft, wenn die Leute anfangen zu entscheiden, wie die Produkte der Massenherstellung aussehen“2. Im Umfang dieser Arbeit soll mit Produkt- und Industriedesign das gesamte Feld der Gestaltung von Produkten in funktionaler und ästhetischer Weise gemeint sein, beide Begriffe beziehen sich gleichermaßen darauf.
Um die Anfänge des Designs besser verstehen zu können, habe ich mich in dessen Geschichte eingelesen und festgestellt, dass das Institut Bauhaus dazu einen Meilenstein darstellte. Mit meinem bereits vorhandenen Wissen über die berühmte Schule kam ich zu den weniger bekannten Frauen am Bauhaus, nach kurzer Recherche landete ich bei Marianne Brandt. Von Anfang an hat mich fasziniert, dass sie sich in einer für damalige Verhältnisse typischen Männer-Ausbildung behaupten konnte. Bekannt war mir ihr berühmtestes Werk, das TeeExtraktkännchen, da es oft als typisches Bauhaus-Objekt abgebildet wird. Zudem hat die Gestalterin sehr viele Leuchten entworfen, die in ihrer Optik noch heute sehr modern wirken. Aufgrund meiner eigenen Faszination für Lampen und der Wirkung des Lichts, stieg mein Interesse an ihr und ihren Arbeiten.
Als Ann-Kathrin Weise sie als Wegbereiterin des Produktdesigns bezeichnet hat, kam mir die Idee zu meinem konkreten Thema. Mit dem Titel „Marianne Brandt und ihr Einfluss auf Produkt- und Industriedesign“ soll zunächst offen bleiben, ob sie einen Einfluss auf die Zeit nach ihrem Schaffen ausüben konnte. Strukturell wird in meiner Arbeit zunächst vom Beginn der Industrialisierung und seinen Folgen bis hin zu den Anfängen des Bauhauses geführt, um den Kontext und die Bewegungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts verstehen zu können. Das Bauhaus, als Lehrwerkstatt für Marianne Brandt, wird anschließend in seinen Grundzügen erläutert und im darauffolgenden Kapitel näher auf die Metallwerkstatt eingegangen. Diese Einblicke sollen dabei helfen, die Bedingungen bezüglich der damaligen Gestaltung einschätzen zu können. Mit dem Kapitel Marianne Brandt werden ihre Person und anschließend ihre Hauptschaffenszeit hinsichtlich der Produktgestaltung dargestellt. Im letzten Kapitel soll durch den Vergleich einiger ihrer Werke mit anderen Entwürfen aus verschiedenen Zeiten eine Analyse ihrer Leistungen stattfinden. Damit das Thema auch unter aktuellen Gesichtspunkten beleuchtet wird, soll ebenfalls die Resonanz Brandts auf die heutige Zeit dargestellt werden. Mit dem Abschlusskapitel werden vorangehende Argumente zusammengefasst, die dann zur Beantwortung der Fragestellung führen.
Marianne Brandt hat sich neben der Gestaltung von Produkten auch viel mit Fotografie, Collagen und Malerei beschäftigt. Diese Bereiche sind zwar wichtig, um ihre ganze Persönlichkeit und ihr Künstlerbewusstsein zu verstehen, sollen aber im Umfang dieser Arbeit bewusst ausgeklammert werden.
2 Der Weg zum Bauhaus
Um verstehen zu können, unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen das berühmte Staatliche Bauhaus in Weimar ins Leben gerufen wurde, soll zunächst der Weg dorthin überblickartig beschrieben werden. Dabei werden die wichtigsten Strömungen ab dem Beginn der Industrialisierung erläutert, die Einfluss auf das Bauhaus hatten.
Mit dem Beginn der Industrialisierung änderten sich die Ansprüche an das Handwerk. Durch modernere Maschinen, neue Produktionsweisen und vor allem der Massenanfertigung einzelner Teile eröffneten sich Möglichkeiten, die das traditionelle Handwerk in seinem bisherigen Umfang zurückdrängten. Die individuelle Handwerkskunst wird langsam von Maschinen ersetzt, so auch die ausgebildeten Handwerksmeister durch Ungelernte, die kleinere Teilarbeiten ausführten3. Trotzdem benötigte es zu Beginn der Industrialisierung noch der Ingenieure oder Konstrukteure, die eine Maschine mit allen Einzelheiten entwerfen und diese gleichzeitig in Zeichnungen darstellen können. Der Gestaltungstheoretiker Gert Selle benennt diese Personen als Technik-Künstler und beschreibt, dass die Aufspaltung der einzelnen Disziplinen erst zu Beginn der Hochindustrialisierung stattfand4.
2.1 England - Arts and Crafts
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte in England der Historismus vor. Durch das willkürliche Aufgreifen vergangener Stile und der fehlenden Tradition in Gestaltungsfragen herrschte diesbezüglich eine große Unsicherheit5. Daraus folgte die industrielle Herstellung von „unpraktischen, ornamental überladenen, schlecht gestalteten und billig produzierten Gebrauchsgegenständen.“6.
Im Jahre 1851 fand in London die erste Weltausstellung statt, dort wurden Industrieprodukte und Produktionstechniken sowie Werkzeuge und Maschinen ausgestellt7. Durch diese Zusammenkunft konnte eine Vergleichbarkeit auf internationaler Ebene geschaffen werden. Obwohl England den anderen Industrienationen in vielen Bereichen entwicklungstechnisch voraus war, zeichneten sich die englischen Produkte vor allem durch einen niedrigen Preis und eine hohe Stückzahl aus, nicht aber durch guten Geschmack und gute Qualität8. Viele der durch den Historismus geprägten Produkte wurden auf der Weltausstellung in London präsentiert und offenbarten damit deutlich den Handlungsbedarf Großbritanniens in Sachen Formgestaltung und Produktionsweise9.
Ausgehend von den Erkenntnissen der Weltausstellung entwickelte sich ab dem Jahre 1850 die Arts and Crafts Bewegung, welche maßgeblich von William Morris und John Ruskin beeinflusst wurde. Durch den festzustellenden Qualitätsverlust der industriell hergestellten Produkte fordert Ruskin die Rückbesinnung zum Handwerk und zur Natur, an deren gutem Beispiel sich Kunst und Gesellschaft orientieren soll. Grundlage eines guten Produkts ist laut Ruskin die Herstellungsweise und die Tätigkeit, die damit verbunden ist. Sowohl Ruskin als auch Morris begründen ihre Präferenz damit, dass bei handwerklicher Herstellung persönliches Interesse und Können zu höher qualitativeren Produkten führt10.
Durch die Industrialisierung ergibt sich außerdem eine Aufspaltung zwischen der freien Kunst und der mechanischen, ausführenden Kunst, worauf eine Abwertung der Künste insgesamt folgt. Eine Lösung dieses Problems sieht Morris, sowie auch Ruskin in seinem Werk Stones of Venice, in der Wiederherstellung des eigenständigen Kunsthandwerks nach Vorbild der Produktionsformen des Mittelalters11.
2.2 Jugendstil
Aus der Arts und Crafts Bewegung entwickelte sich der international verbreitete Jugendstil, welcher sich stark auf die Gesetzmäßigkeiten der Natur bezog. Ziel war es nicht, diese Formen zu kopieren, sondern mit ihnen zu arbeiten und so eine Verbindung zwischen Konstruktivismus und Vitalismus zu schaffen12. Kennzeichnend für den Jugendstil sind geschwungene, an die Natur angelehnte Formen sowie eine reiche Ornamentik. Dabei sollten sich diese als verbindendes Merkmal in allen Lebensbereichen wiederfinden und so zu einem Gesamtkunstwerk beitragen.
Im Gegensatz zu den Formen des Historismus entstand das Ornament im Jugendstil aus der Funktion und der Optik eines Gegenstands selbst und wirkt damit nicht aufgesetzt, sondern verbindet sich organisch mit dem Produkt13. Der Jugendstil lässt sich nicht konkret auf die Ausrichtung einer bestimmten Form oder eines Musters reduzieren. Die internationale Bewegung wurde in den verschiedenen Ländern wie Belgien, Frankreich oder Deutschland durch verschiedene Namen bekannt und hatte teilweise ebenso unterschiedliche Stilausprägungen. So finden sich sowohl organische, geometrische als auch konstruktivistische Formen innerhalb der Jugendstil- Bewegung wieder, verbunden durch die Ablehnung des Historismus und der Suche nach einer neuen Formgestaltung14.
Viele der Jugendstil-Vertreter sprachen sich gegen die industrielle (Massen-) Herstellung aus und versuchten, eine neue Ästhetik in das Kunsthandwerk zu bringen, ohne dabei auf die Umstände der Zeit einzugehen. So entstanden statt Alltagsprodukte für die breite Masse viele Einzelanfertigungen mit teilweise ebenso überladenen Formen wie bereits zu Beginn der Industrialisierung im Historismus15.
In Deutschland war der Jugendstil grundsätzlich eher von dem Vorbild der vorherrschenden Stile aus England geprägt. So kann er als eine Mischung zwischen moderner konstruktiver und herkömmlicher handwerklicher Art beschrieben werden16 17 18. Vor allem Gottfried Semper, der sich mit den beiden Faktoren Gebrauch und Gestalt eines Objekts und deren Wechselbeziehung auseinandergesetzt hat, hat viel zur Hinwendung zu funktionaler und sachlicher Gestaltung beigetragen. Bei ihm geht es immer zuerst um den Nutzen und die Handhabung des Produkts und anschließend um die Form und deren Ästhetik. Laut Semper herrscht in der Natur selbst eine Ökonomie, die die gesamte Diversität auf ein paar Grundformen reduzieren lässt. Er schlägt vor, sich auf diese wenigen Motive zu konzentrieren und somit der Überladung überflüssiger Zierelemente entgegenzuwirken. Damit schafft er bereits die Grundlage für die spätere Formgestaltung am Bauhaus und trägt maßgeblich zu der Entwicklung des Industriedesigns bei 1718.
2.3 USA - form follows function
Auch in den USA blieb die Industrialisierung nicht ohne Folgen. Aufgrund des enormen Bevölkerungszuwachses, vor allem in den Metropolen, wird die industrielle Massenproduktion in fast allen Bereichen eingesetzt. Gerade in der Architektur hilft die Idee der modernen, formalen Ordnung dabei, mit der Stahlskelettbauweise Hochhäuser schnell und billig entstehen zu lassen. Dabei wird der berühmte Satz „form follows function“ des Architekten Louis H. Sullivan als Kernaussage des Funktionalismus gesehen und prägt den Gestaltungsstil des ausgehenden Jahrhunderts. Gemeint war damit die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Form und Funktion, wobei sowohl das Technische als auch der Wirkungscharakter zu berücksichtigen sind. Damit bringt Sullivan auf den Punkt, was im Laufe der folgenden Jahre zu einer der größten Fragen der Gestaltung und des Designs wird19.
2.4 Wiener Secession - Wiener Werkstätte
Durch den Bau der Repräsentationsbauten in Wien im Stil der Renaissance, der Gotik oder dem Barock, entstand 1897 in Ablehnung daran die Wiener Secession. Die junge Künstlergruppe lehnte den historischen Stil dieser Prunkbauten ab und forderte die Durchdringung der Kunst in alle Lebensbereiche. Ziel war die Verschmelzung von Kunst und Alltag und die Idee des Gesamtkunstwerk-Konzepts, in dem ein Haus oder ein Raum ein ästhetisches Ganzes bilden20. Wichtig wurde vor allem die von Josef Hoffmann begründete Materialgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit. Mit der Gründung der Wiener Werkstätten 1903 machten sich die Mitglieder unabhängig von den produzierenden Firmen, da sie ihre Entwürfe selbstständig umsetzen konnten. Obwohl die Wiener Werkstätten den Anspruch hatten, den Massenwaren in der qualitativen Ausführung ihrer Produkte überlegen zu sein, waren ihre Produkte maschinengerecht und bestanden oftmals aus Industrieerzeugnissen wie gestanztem Blech. Hoffmann und Moser entwarfen damit einen funktionalen, ornamentlosen und hauptsächlich geometrischen Stil21, der ausschlaggebende Anregungen für den deutschen Werkbund und das Bauhaus gab22.
2.5 Hochindustrialisierung Deutschland
Der Beginn der Hochindustrialisierung in Deutschland um 1870 führte zunächst zu einer Überforderung im gestalterischen Bereich. Durch die neuen Anforderungen kam es zu einer Aufgabenteilung der einzelnen Arbeitsgebiete. Dadurch hatte kein Einzelner mehr direkten Bezug zum gesamten Produkt, da Industriearbeiter, Ingenieure und Designer jeweils nur in ihren spezifischen Teilprozess involviert waren23. Die rasanten Entwicklungen führten dazu, dass kurzerhand billige deutsche Produkte mit schlechter Qualität auf den Markt gebracht wurden, um konkurrenzfähig gegenüber den anderen Nationen zu bleiben24. Der „Wiederspruch zwischen den erreichten wirtschaftlichen Potenzen und dem begrenzten künstlerischen Einfluß [sic!] des damaligen Deutschlands belastete die Entwicklung der Formgebung und der Architektur mit den Prestigefragen der Nation.“25
Aufgrund dessen wurde ab der Jahrhundertwende nach einer höheren Qualität der Artikel, die in Massenproduktion gingen, verlangt. So entstanden Kunstgewerbsschulen- und Museen, die öffentliche Belehrungs- und Beratungstätigkeiten übernahmen und sich mit der Frage nach einer neuen Formgebung beschäftigen26. Inhalte der Reformbewegung von Künstlern und Architekten war vor allem die Suche nach neuen Inhalten und neuen Kunstformen. Es geschah eine Wende hin zur sachlicher Gestaltung und äußerlicher Vereinfachung der Formen und ein neues „Interesse an der natürlichen Schönheit des Materials und seiner betonten ästhetischen Nutzung“ 27 erwachte.
Die Bewegungen in England, Schottland und Wien fungierten als Vorbilder für Deutschland. Vor allem die Inhalte der späten Arts and Crafts Bewegung mit der Verbindung von Industrie, Handwerk und Kunst wurden aufgenommen und daraufhin mehrere Werkstätten gegründet. Diese forderten eine enge Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Künstlern und vertraten gleichzeitig die neue Formgestaltung im Sinne von Sachlichkeit und Vereinfachung28. In Deutschland wurde vor allem Hermann Muthesius Aufsatz „Kunst und Maschine“ bekannt, in dem er die Ablehnung der Industrialisierung innerhalb der Arts and Crafts Bewegung kritisiert und sich gleichzeitig für eine kulturelle Akzeptanz der Maschine und deren Erzeugnisse einsetzt. Er spricht von der notwendigen Anpassung der Gestaltung an den Industriestil und löste damit ein Umdenken in Bezug auf maschinelle Produktion aus29. Die Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden brachte zahlreiche Künstler zusammen, die sich gegen den zu geringen Einfluss der Kunst in der industriellen Gestaltung aussprachen. So sollte die Qualitätssicherung der maschinell erzeugten Produkte in Zukunft durch die Arbeit der Künstler geschehen und diese sowohl in der Industrie,- als auch im Handwerk eingebunden werden30.
2.6 Deutscher Werkbund
Die zahlreichen Anforderungen an die Gestaltung des 20. Jahrhunderts führten zu der Gründung des deutschen Werkbundes. Dieser wurde am 5. und 6. Oktober 1907 in München ins Leben gerufen und beinhaltete einen Initiativausschuss von insgesamt zwölf Architekten und bildenden Künstlern, ebenso wie zwölf Firmen aus dem Bereich der angewandten Künste31. Inhaltlich wollte der deutsche Werkbund die qualitative Verbesserung der Industrieerzeugnisse, dies sollte durch eine stärkere Zusammenarbeit von Künstler, Technikern und Kaufmännern geschehen. Der Bund zielte auf die Einbeziehung von kleineren Industrie,- und Handwerksbetrieben ab und vervierfachte somit innerhalb von acht Jahren seine Mitgliedzahl32. Durch diese Tatsache wurde der Werkbund von einer Pluralisierung an Gedanken und Einstellungen zu Kunst und Bau getragen und es dauerte eine Weile, bis sich die besten Formen seiner Arbeit herauskristallisierten.
Seit 1912 bemühten sich die Mitglieder um das Erreichen der breiten Käuferschicht und begannen, einen Warenkatalog und mehrere Bücher und Zeitschriften herauszubringen und gleichzeitig den Qualitätsgedanken zu verbreiten33. Im Allgemeinen hatte der Bund keinen einheitlichen Werkbundstil, vielmehr bestand er aus vielen unterschiedlichen Kräften, die alle in Richtung qualitative Formentwicklung strebten. Im Angesicht der bevorstehenden Werkbundausstellung entwickelte sich der Werkbundstreit. Unter Muthesius wurde das Erreichen eines einheitlichen Stils mithilfe von Typisierungen gefordert, unter dem Gegenspieler Henry van de Velde sollte die künstlerische Individualität beibehalten werden34. Zu einer Einigung kam es nicht, der Beginn des ersten Weltkriegs beendete sowohl die Werkbundausstellung als auch den Werkbundstreit vorerst35.
2.7 De Stijl Niederlande
Mit den schnellen Veränderungen am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich in den Niederlande ein künstlerischer Stil, der sehr stark auf Gesetzmäßigkeiten und Konstruktionen fokussiert war. Die Verbindung von Architekten, Bildhauern und Malern, die in der Zeitschrift De Stijl Ausdruck finden konnten, lehnten Emotionen und Individualität ab und wollten zu einer strengen geometrischen Ordnung in allen Lebensbereichen gelangen36. Es sollte ein reiner und elementarer Stil im Sinne der Maschine entstehen, da die Künstlervereinigung das ursprüngliche Handwerk als veraltet ansah. Damit beantwortet De Stijl die Frage nach der Rolle des Künstlers im Industriezeitalter, indem sich die Bereiche Kunst und Maschine vereinen sollen und dadurch gegenseitig beeinflussen. Obwohl der theoretische Ansatz den Zeitgeist der Industrialisierung wiederspiegelt, kommt es innerhalb der De Stijl-Bewegung nicht zur Produktion industrieller Waren37.
3 Das Bauhaus
Nach den einschneidenden Ereignissen des ersten Weltkriegs und den sich daraus ergebenden Folgen für alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche Deutschlands, erlebt auch die Gestaltung eine Renaissance. „Die Geschichte macht gleichsam Atempause und erlaubt Neudispositionen des Künstlerbewußtsein [sic!] von der Wurzel her.“38 Durch die vom Krieg ausgelöste Unordnung und dem Verlangen, Anschluss an die aufblühende Weltwirtschaft zu finden, war ein Umdenken und eine Neustrukturierung möglich39.
3.1 Von Weimar bis Berlin
3.1.1 Weimar
Walter Grophius nutzte die Möglichkeit, zwei bereits existierende Schulen zu einer neuen und innovativen zusammenzulegen, so entstand 1919 das Bauhaus in Weimar. Die Verbindung der Hochschule für bildende Kunst und der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule sollte eine neue Gemeinschaft von Künstlern aller Art herbeiführen. Dabei verbindet das Bauhaus nicht nur Architektur, Handwerk und Kunst miteinander, sondern stellt auch innerhalb des Gebäudes eine Lebensgemeinschaft dar, in der man Wohnen, Arbeiten, Lernen, Sport treiben und Unterhaltung finden konnte40.
„Alle künstlerisch Schaffenden sollen zur Einheit zusammengeführt und alle werkkünstlerischen Disziplinen unter der Führung einer neuen Baukunst wiedervereinigt werden.“41
Um dieses Ziel zu erreichen, gab es einen verpflichtenden Vorkurs von sechs Monaten. Dieses von Johannes Itten entwickelte Konzept gewährleistete, dass jeder Schüler zunächst alle Grundlagen lernte und erst danach in die Lehre in eine der Werkstätten ging. Inhalt des Vorkurses war neben Aktunterricht die Analyse alter Meister sowie Natur- und Materialstudien, wobei letztere den bedeutendsten Beitrag leisteten. Wichtig war hierbei die Farb- und Formlehre, was die Arbeit mit den Elementen Kreis, Quadrat und Dreieck und das Experimentieren mit Kontrasten und Kompositionsregeln beinhaltete42. Ziel war es, funktionale Produkte aus allen Bereichen des Produktdesigns zu entwickeln um zu einer interdisziplinären Ausbildung zu gelangen43.
In der darauffolgenden Arbeit in einer der Werkstätten sollte die Verschmelzung von Kunst und Handwerk durch das Zusammenwirken eines Werkmeisters und eines Formmeisters geschehen. Dabei liegt die Leitung der Werkstatt gleichermaßen bei dem Handwerker als auch bei dem Künstler und soll damit den polaren Ansatz, auch im Vergleich zu anderen Kunstschulen, verdeutlichen. Die Arbeit am Bauhaus orientierte sich an den traditionellen Herstellungsweisen des Mittelalters und im Gegensatz dazu gestalterisch hauptsächlich am vorherrschenden Expressionismus und fiel damit im Gegensatz zu der bereits im deutschen Werkbund erreichten Ästhetik stark ab44. In den ersten Jahren des Bauhauses herrschte außerdem eine träumerische und künstlerische Atmosphäre. Der Wusch nach Veränderungen im Ausdruck und einer neuen Formensprache wurde in zahlreichen Experimenten und einem modernen Zusammenleben deutlich. Der Anspruch, neue Materialien und Techniken auszuprobieren und im Sinne des ganzheitlichen Lernens zu neuen Gestaltungsprinzipien zu gelangen, prägte die frühe Phase des Bauhauses45.
Durch den indirekten Einfluss der DeStijl-Bewegung durch nahe gelegene Kurse von Theo van Doesburg kamen die Bauhausschüler mehr und mehr mit der strengen, klaren und konstruktiven Gestaltung in Berührung. Zusätzlich dazu gab es einige Lehrerwechsel, was zu einer starken Hinwendung zum Funktionalismus und dem Einsatz neuer Materialien führte46. Auch der Vorkurs wurde einigen Veränderungen unterzogen. Moholy-Nagy übernahm die Übungen zur Erprobung des Werkstoffes aus der Zeit Ittens, erweiterte diese aber mit der Systematisierung von Materialerfahrungen. Beispielsweise wurde dieses nach dessen Oberflächen Struktur eingeteilt und eine gleichmäßige Steigerung des Tastwerts angelegt. Außerdem waren die plastischen Übungen auf Aspekte der Raum-Körper-Geist-Beziehung ausgelegt und fanden in konstruierten Gleichgewichtsstudien ihren Ausdruck. Durch die Kombination verschiedener Materialien wurde dessen spezifischer Charakter bezüglich Schwere, Transparenz, Biegsamkeit und Verarbeitungsmöglichkeiten sichtbar, die für die spätere Umsetzung in ein Produkt wichtig waren47. Auch war das Bewusstsein zwischen Materie und Material von großer Bedeutung. Die Fülle an Substanzen wird erst durch die Verwendung und Benutzung zu Material, dadurch soll das scheinbar unendliche Vorhandensein in Frage gestellt werden.
Durch Experimente und Beobachtungen sollen die Schüler zu einer effizienten und nachhaltigen Benutzung und Verarbeitung verschiedener Materialien gelangen und diese immer wieder optimieren48. Die reine Lehrtätigkeit wandelte sich langsam in eine Produktionstätigkeit um und so konnten auf der Bauhausausstellung im Sommer 1923 bereits vielfältige Objekte aus den unterschiedlichen Werkstätten ausgestellt werden. Dabei begann sich eine gemeinsame Formensprache zu entwickeln, in der die Inhalte des Vorkurses und der Einfluss der DeStijl-Bewegung deutlich sichtbar wurden. Die vorherrschende Gestaltung basierte auf den Grundformen und war in Farbe und Details stark reduziert, sodass sich ein formaler und konstruktivistischer Stil erkennen ließ49.
„Diese radikale Neuinterpretation alltäglicher Produkte entstanden nach intensiver Auseinandersetzung mit der Funktionsweise der Objekte und ihren Materialien. [.] Sie versuchten, das Thema Form von Grund auf neu zu denken, um menschliche Verhaltensweisen zu beeinflussen.“50
In dieser Zeit kam auch der Anspruch, den Grophius in seinem Manifest zur Gründung der Schule gelegt hat, erstmals zur Geltung: Die geforderte Einheit von Kunst und Technik und die Idee, einen Mittelweg zwischen den scheinbaren Gegensätzen der Typisierung durch industrielle Produktion und der künstlerischen Individualität zu finden51.
3.1.2 Dessau
Einer der wichtigsten Ansprüche des Leiters war die ständige Berührung mit der voranschreitenden Technik und der damit verbundenen Erprobung neuen Materialien oder Produktionsweisen52. Das implizierte auch die Forderung einer realen Zusammenarbeit mit Industriebetrieben. Erst mit dem Umzug des Bauhauses nach Dessau im Jahre 1925 begann diese Wirklichkeit zu werden. Ein Grund war, dass die Stadt selber die Bedingung stellte, das Bauhaus solle zu einer gewinnbringenden Produktion gelangen. Das beinhaltete das Herstellen von Prototypen, die einerseits selbst produziert werden konnten und anderseits für die Massenproduktion geeignet waren.
Dabei sollten die Bauhausschüler das Künstlerische und Ästhetische ebenso beherrschen wie die Mechanismen der industriellen Produktion. Diese hohen Anforderungen umfassten „Fragen nach dem Machen, dem Herstellen, dem Gebrauch, der Handhabung, der Bedeutung, dem Status [und] dem Nutzen von Dingen in der Gesellschaft [...]“53. Damit wurde von den Bauhausschülern eine komplexe Übersetzungsarbeit gefordert und verlangt, all diese Kriterien in einem Produkt zu vereinen54.
Innerhalb des Bauhauses entstand ein neues Lehrkonzept, in dem Grophius seine zuvor geforderte Einheit von Kunst und Technik zurücknimmt. Statt weiterhin die Verbindung dieser Gebiete zu fördern, wird eine eigenständige freie Klasse für Malerei eingeführt und sich in den Produktionsbetrieben von der Kunst losgelöst. „Die Illusion, daß [sic!] die bildende Kunst in der schöpferischen Art technischer Formgestaltung aufzugehen hätte, zerschellt in dem Augenblick, in dem sie die Grenzen der konkreten Wirklichkeit erreicht.“55 Insgesamt wurde die Ausbildung mehr auf die Werkstätten konzentriert und der reine Lehrunterricht mehr und mehr eingeschränkt. Dabei wird auch in dem 1926 angefügten Untertitel des Bauhauses Hochschule für Gestaltung deutlich, dass sich die Anforderungen geändert haben und es mehr um die tatsächliche Zusammenarbeit mit den Industriebetrieben geht. Der berühmte Ausspruch des neuen Leiters Hannes Meyer Volksbedarf statt Luxusbedarf wird in den Werkstätten konsequent umgesetzt und führt zur Reduzierung des Künstlerischen innerhalb der Entwürfe56.
Zu Beginn seiner Leitung am Bauhaus 1928 veröffentlichte Meyer einen Text mit dem Titel bauen, in dem seine Hinwendung zu rationalem, funktionalem und vor allem ökonomischem Denken deutlich wird. In der Gestaltung der Dinge spiegelt sich dieser Ansatz durch in Form und Farbe reduzierten Gegenständen wieder, die sowohl einfach wie auch sinnvoll zu handhaben waren57. Insgesamt „stand nicht die handwerkliche Ausbildung im Mittelpunkt, sondern die Funktionsanalyse, die genaue Beobachtung aller Faktoren, die für die Benutzung und die Benutzer wichtig sein könnten.“ 58 Meyer nahm einige strukturelle Änderungen vor, vereinigte die Werkstätten Metall und Tischlerei/Möbelherstellung mit denen des Baus und schuf damit eine allgemeine Bau und Ausbau Abteilung, die hauptsächlich architektonisch arbeitete59.
3.1.3 Berlin
In der letzten Phase des Bauhauses, die nur wenige Jahre andauerte, wurde aufgrund von rechtsradikalem Druck Ludwig Mies van der Rohe als Leiter eingesetzt. Seine Devisen waren Beruhigung, Sachlichkeit und Einfachheit und er pflegte eine nüchterne und passive Einstellung sowohl zu politischen als auch zu gestalterischen Fragen60. Diese Zeit war geprägt durch eine diktatorische Leitung, die jegliche politische Betätigung untersagte und fast alle der pädagogischen Errungenschaften abschaffte. Auch die Kooperationen mit Industriebetrieben wurden von Mies van der Rohe größtenteils beendet. Im Oktober 1931 musste das Bauhaus aufgrund von wachsenden politischem Druck nach Berlin umziehen, wo es zwei Jahre später von den Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen wurde61.
3.2 Die Metallwerkstatt am Bauhaus
3.2.1 Die Anfänge der Metallwerkstatt
Die Metallwerkstatt war eine der Werkstätten, welche von Beginn an am Bauhaus etabliert war. In den Gründungsjahren wurde diese in traditioneller Weise eingerichtet, sodass sie einer Gold-Silber-Kupferschmiede glich, wie es sie bereits in der vorindustriellen Zeit gab. Diese war in den Bereich der Grobschmiede und der Feinschmiede unterteilt, um sowohl eine Mitarbeit am Bau als auch eine eigenständige kunsthandwerkliche Tätigkeit zu gewährleisten. Die Mitarbeit in einer der Werkstätten sollte die Schüler von den Experimenten aus dem Vorkurs in eine solide handwerkliche Ausbildung führen. Die Lehre umfasste drei Jahre und schloss mit der Gesellenprüfung vor der zuständigen Handwerkskammer ab.
Die Leitung der frühen Metallwerkstatt hatte Johannes Itten, der die Inhalte aus seiner Vorlehre auch hier verbreitete. Bereits ein Jahr später wird die Werkstatt mit einem doppelten Wechsel sowohl des Werkmeisters als auch des Formmeisters konfrontiert. Dies implizierte eine Kursänderung bezüglich der hergestellten Produkte, gefordert wurde die Abkehr von den rein handwerklichen Produkten hin zu der Entwicklung von Prototypen, die für die industrielle Fertigung brauchbar sind62. Auch der Leiter Grophius trug mit seiner Ansprache, in der er die Einheit von Kunst und Technik betonte, zum Richtungswechsel bei.
„Die Bauhauswerkstätten sind im wesentlichen [sic!] Laboratorien, in denen vervielfältigungsreife, für die heutige Zeit typische Geräte sorgfältig im Modell entwickelt und dauerhaft verbessert werden. Das Bauhaus will [...] einen neuen, bisher nicht vorhandenen Typ von Mitarbeitern für Industrie und Handwerk heranbilden, der Technik und Form im gleichen Maße beherrscht.“63
Dabei soll die Maschine als Hilfsmittel angesehen werden, die den Handwerker in körperlicher Hinsicht entlastet und ihn somit zur Ausschöpfung seiner gestalterischen Kreativität bringt64.
3.2.2 Die Metallwerkstatt unter Lazlo Moholy-Nagy
Um diesem Ansatz gerecht zu werden, berief Grophius im März 1923 den ungarischen Künstler Laszlo Moholy-Nagy ans Bauhaus, der auch wenige Monate später die Grundlehre übernahm und der neue Formmeister der Metallwerkstatt wurde. Damit kam es zu dessen Erneuerung im Sinne industrieller Formgebung. „Ziel [...] [der] Arbeit war nicht individuelle Formspielerei, sondern die Entwicklung zweckmäßiger, schöner Formen für den jeweiligen Gegenstand, Formen, die zugleich geeignet waren für die spätere industrielle Fertigung.“65
Die Arbeit in der Metallwerkstatt war von dem gemeinschaftlichen Arbeiten und dem regen Austausch bezüglich Form und Funktion eines Gegenstands geprägt, so konnte eine neue Phase des Experimentierens mit neuen Materialien beginnen. Moholy-Nagys Faszination für Licht und Technik führte zur Einführung des Werkstoffes Glas und markierte zudem den Beginn der intensiveren Beschäftigung mit Beleuchtungskörpern66. Dieser ging eine längere Beschäftigungsphase voran, die von verschiedenen Techniken der Fotografien über die Funktionsweise von Leuchtreklamen ging, um unterschiedliche Ansätze der Licht-RaumBeziehung zu verstehen67. Die ersten entstandenen Lampen waren in ihrer Umsetzung noch sehr auf die äußere Gestalt ausgerichtet und gingen kaum auf die lichttechnischen Aspekte ein68. Weiterhin wurden größtenteils nur Einzelstücke hergestellt und vermarktet.
Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten aufgrund mangelnder Erfahrung, erlebte die Metallwerkstatt in den kommenden Jahren eine erhöhte Nachfrage nach ihren Produkten, vor allem nach den Leuchten. Wegen fehlender finanzieller Mittel konnten die benötigten Werkzeuge, wie einer Drückbank oder eine Metallbohrmaschine, nicht angeschafft werden und so kam es schnell zu Engpässen bezüglich der Produktion. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurden weitere Gesellen eingestellt, um eine Arbeitsteilung zu ermöglichen. Dadurch konnten die beliebtesten Produkte in Klein-Serie erzeugt werden. Obwohl damit der Produktionsumfang stark angestiegen ist, kam es in den ersten Jahren zu keinem wirtschaftlich effektiven Verkauf der Metallwerkstattprodukte.
Zusätzlich wurde Kritik bezüglich des Wiederspruchs zwischen der einerseits handwerklichen Fertigung und anderseits in Klein-Serie hergestellten Produkte geäußert. Optisch wirkten die Gebrauchsgegenstände wie industriell erzeugt, da kaum Verarbeitungsspuren sichtbar waren, wirtschaftlich waren diese aber im Vergleich weiterhin zu teuer, da es sich um aufwendig per Hand produzierte Einzelanfertigungen handelte69. In der Entwurfspraxis dominierte das Handwerk, stilistisch die industrielle Ästhetik. Damit kam es zu einem Gegensatz und Wiederspruch, der große Kritik über die Produkte hervorrief70.
Moholy-Nagy verteidigt das Bauhaus, er sieht in einem Handwerker einen Menschen, „der den Herstellungsvorgang im Handwerk wie in der Industrie beherrscht, ihn übersieht, und dem es durch diese Beherrschung und durch dieses Übersehen möglich ist, die Gestaltung zu beeinflussen. [...], er gestaltet in jedem Fall logisch und konsequent im Sinne des maschinellen Vorgangs.“ 71
Die Produkte in der Metallwerkstatt wurden weiterhin streng aus den Grundformen konstruiert und entworfen. Wichtig war, dass die Form eines Gegenstands aus dessen Funktion abgleitet wird, was ein formales, oft geometrisches Design hervorbrachte72.
Obwohl Moholy-Nagy die Produktionsweisen am Bauhaus verteidigte, war er doch ein starker Befürworte der industriellen Massenherstellung und schrieb selbst, dass er sich sehnt, „in das Reich der objektiven Gültigkeit einzutreten und als namenloser Akteur der Allgemeinheit zu dienen“ und er „kein einziges Argument gegen die massenhafte Verbreitung von Kunstwerken, selbst auf dem Weg der Serienproduktion“ 73 findet.
3.2.3 Produktionsbedingungen in Dessau
Im April 1925 musste das Bauhaus nach Dessau umziehen, was einige Veränderungen mit sich brachte (Vgl. Kapitel 3.1.2). Für die Metallwerkstatt bedeutete das konkret die direkte Ausrichtung auf industrielle Verbreitung ihrer Gegenstände mit gleichzeitiger Beibehaltung der hohen Qualität. Da der endgültige Umzug erst im Dezember 1926 erfolgen konnte, mussten sich die Studierenden einige Zeit in einer provisorischen Unterkunft in den Lagerräumen einer Versandfirma einrichten und dort ihre Produkte entwerfen.
Ab kurz vor Weihnachten wurde dann die Benutzung der neuen Werkzeuge und Maschinen möglich. Die Metallwerkstatt verfügte nun neben einer Drückbank und Drehbank über weitere Ausrüstung, die von den Dessauer Junkerswerken gestiftet wurden. Zu dieser Zeit gab es von Seiten Grophius starke Kritik bezüglich der hergestellten Produkte. Gefordert wurde von ihm eine stärkere Ausrichtung auf vermarktbare Produkte und das Zurückdrängen der Einzelinteressen, um die wirtschaftliche Seite des Bauhauses zu stärken.
Daraufhin wurden strukturelle Anpassungen in Form von Arbeitsteilung und dem Einrichten zweier Abteilungen innerhalb der Werkstatt gemacht. Die Lehrwerkstatt sollte die Anfänger in den Grundzügen der Metallverarbeitung unterrichten, die Versuchs- und Modellwerkstatt bot für die Fortgeschrittenen die Möglichkeit, ihr Können zu erweitern und in Prototypen für die industrielle Produktion zu investieren74.
Mit diesem Schritt wurde versucht, durch das Entwickeln von Standards und der Typisierung zu einer einheitlichen Formensprache zu gelangen. Durch die Verbindung verschiedener Materialien und der gleichzeitigen Steigerung der Produktpalette mit Ausrichtung auf Beleuchtungskörper wurde die Arbeit in der Metallwerkstatt immer spezialisierter. Die Räumlichkeiten spiegelten diese Veränderungen wieder, indem die Zeichenateliers nun in anderen Zimmern als die Produktionswerkstätten lagen, anders als noch zur Weimarer Zeit. Auch die Vielzahl an moderneren Maschinen zeigt den steigenden Produktionsbetrieb mit Ausrichtung auf die Serienfertigung75.
[...]
1 Vgl. Walker/ John A.: Designgeschichte. München 1992, S. 35f.
2 Walker 1992, S. 40
3 Vgl. Selle, Gert: Geschichte des Design in Deutschland. Frankfurt u.a. 1994, S. 26f
4 Vgl. ebd., S.30f.
5 Vgl. Hauffe, Thomas: Die Geschichte des Designs im Überblick. Köln 2016, S.30f
6 Hoffmann, Tobias: Von Arts and Crafts zum Bauhaus. Köln 2019, S.27
7 Vgl. ebd., S.18f.
8 Vgl. Berents, Catharina: Kleine Geschichte des Design. München 2011, S.19ff.
9 Vgl. Hoffmann 2019, S. 27f.
10 Vgl. ebd., S. 20ff.
11 Vgl. ebd., S.30f.
12 Vgl. Berents 2011, S.51
13 Vgl. Hauffe 2016, S. 41f.
14 Vgl. Hauffe 2016, S. 40ff.
15 Vgl. ebd., S. 50
16 Vgl. ebd. S. 46
17 Vgl. Berents 2011, S.28ff.
18 Vgl. Hoffmann 2019, S.23ff.
19 Vgl. Hauffe, Thomas: Geschichte des Designs. Köln 2014, S. 78ff.
20 Vgl. Hoffmann 2019, S.101f.
21 Vgl. ebd., S.104f.
22 Vgl. Hauffe 2016, S. 56
23 Vgl. Selle 1994, S. 27ff
24 Vgl. Selle 1994, S. 85ff.
25 Junghanns, Kurt: Der deutsche Werkbund. Berlin 1982, S.9
26 Vgl. Selle 1994, S.37
27 Junghanns 1982, S.8
28 Vgl. ebd., S.18f.
29 Vgl. Hoffmann 2019, S.149ff.
30 Vgl. ebd., S.192f.
31 Vgl. Junghanns 1982, S.9
32 Vgl. Junghanns 1982, S.20ff.
33 Vgl. ebd., S. 27ff
34 Vgl. Hoffmann 2019, S. 187f.
35 Vgl. Berents 2011, S. 77f.
36 Vgl. Hauffe 2016, S. 69ff.
37 Vgl. Hoffmann, S. 241f.
38 Selle 1994, S.154
39 Vgl. Berents 2011, S. 81
40 Vgl. ebd., S. 80f.
41 Hüter 1976, S.17
42 Vgl. Berents 2011, S. 81
43 Vgl. Wilhide, Elizabeth: Design. Köln 2017, S.127
44 Vgl. Hoffmann 2019, S. 269f.
45 Vgl. Rauterberg, Hanno: Das Bauhaus ist kein Baumarkt. In: Die Zeit Nr. 53 (21.11.2016), URL: https://www.zeit.de/2016/53/bauhaus-architektur-schule-missverstaendnisse (12.09.2019)
46 Vgl. Wick, Rainer K.: Bauhaus. Oberhausen 2009, S. 69
47 Vgl. Herzogenrath, Wulf: Bauhaus-Utopien. Stuttgart 1988, S. 65
48 Vgl. Internationaler Marianne Brandt Wettbewerb: Warum es wichtig ist, woraus die Dinge sind (07.09.2016), https://marianne-brandt-wettbewerb.de/de/newsdetail/wichtige-Dinge.html. (12.09.2019).
49 Vgl. Herzogenrath 1988, S.23f.
50 Wilhide 2017, S.128
51 Vgl. Hoffmann 2019, S. 263
52 Vgl. Berents 2011, S, 88
53 Bittner, Regina/ Padt, Renée: Vom Bauhaus bis Bitterfeld. Bielefeld 2017, S.129
54 Vgl. Bittner/Padt 2017, S. 127ff.
55 Muche, Georg: Bildende Kunst und Industrieform. Bramsche 1962, S. 123
56 Vgl. Hoffmann 2019, S. 275ff.
57 Vgl. Herzogenrath 1988, S. 24ff.
58 Ebd., S. 25
59 Vgl. Weber, Klaus (Hg.): Die Metallwerkstatt am Bauhaus. Berlin 1992, S. 33
60 Vgl. Herzogenrath 1988, S. 26f.
61 Vgl. Hauffe 2014, S.121
62 Vgl. Weber 1992, S. 14f.
63 Grophius, Walter 1925: Bauhaus Produktion, In: Qualität, Jg.4, H.7/8, S.133, zit. nach Weber 1992, S. 24f.
64 Vgl. Weber 1992, S. 17f.
65 Rössger, Wolfgang 1978: Zur Arbeit in der Metallwerkstatt, in: Bauhaus- Werkstattarbeiten, Ausst.-Kat. Dessau 1978, S.8, zit. nach Weber 1992, S.17
66 Vgl. Weber 1992, S. 16f.
67 Vgl. Asendorf, Christoph: Das Bauhaus und die technische Welt. Köln 2000, S. 85f.
68 Vgl. Weber 1992, S. 18f.
69 Vgl. Weber 1992, S. 20ff.
70 Vgl. Weise, Anne-Kathrin: Leben und Werk von Marianne Brandt. Berlin u.a. 1995, S. 18.
71 Lodz, Wilhelm: Zur Entwurfsarbeit der Metallwerkstatt des Dessauer Bauhauses. Bramsche 1962, S. 143
72 Vgl. Weber 1992, S. 23
73 Herzogenrath 1988, S. 200
74 Vgl. Weber 1992, S. 24f
75 Vgl. ebd., S. 26f.
- Quote paper
- Angelika Bals (Author), 2019, Die Designerin Marianne Brandt. Einfluss auf Produkt- und Industriedesign, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950018
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